The Curse of Time {TobiMcCloud & Codren}

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    • Lucius bewegte sich tatsächlich gefährlich nahe an der Grenze des riskanten, so wie er mit Bereks Schwert hantierte. Wenn es eine Sache gab, die Anthea in der letzten Stunde begriffen und womöglich zeitgleich auch verinnerlicht hatte, dann war es, dass mit Berek nicht zu spaßen war. Und ganz sicher sollte man ihn nicht provozieren, wenn er in wortwörtlichen Flammen aufgehen konnte.
      "Lass das!", fauchte sie daher ungehalten, als Lucius mit dem Schwert über den Stein kratzte. Das würde Berek ganz sicher nicht gefallen, blieb nur zu hoffen, dass er niemals herausfinden würde, woher die neuen Schrammen stammten.
      Lucius erbarmte sich schließlich ihrer und steckte das Schwert weg, bevor er endlich ihrem Drang nachgab. Es war schon amüsant zu sehen, was für einen Effekt Anthea manchmal auf ihn haben konnte; anders würde sie sich kaum die Blöße geben, ihn so offen anzubetteln. Lucius war sowieso der einzige, bei dem sie sich sowas gestattete.
      Er bedeutete ihr gleich ihm zu folgen und Anthea fügte sich widerstandslos. Sie verließen die kleine Nische, in die sie sich gedrängt hatten, und kletterten dann auf das Dach empor, von wo aus sie einen guten Überblick über die Straße hatten. Anthea warf Lucius einen ärgerlichen Blick zu, während er ihr den letzten Absatz hochhalf. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass sie ihn nach seiner Auskunft fragen würde, natürlich hatte er sich genau so positioniert, um sie auch an der richtigen Stelle abzufangen, natürlich hatte er sie von vornherein beobachtet, sich ihren Weg gemerkt und dann geschlussfolgert, dass sie denselben Weg zurück nehmen würde, bevor er diese Stelle ausgesucht hatte. Auch wenn sie dachte die Oberhand zu haben, hatte sie sie doch nur selten. Lucius war ihr in solchen Sachen einfach immer einen Schritt voraus.
      Sie ging zur Mauer, stellte sich neben ihm auf, lehnte sich darauf und blickte auf die Straßen hinab. Eine höhere Anzahl Soldaten marschierte im Laufschritt Richtung Süden, was wohl kaum verwunderlich war. Ansonsten war alles wie immer.
      "Fesseln aus Stein?"
      Anfänglich hätte sie auf Sklavenhandel getippt, aber solche Fesseln kamen ihr dann etwas zu exzentrisch vor. Ganz abgesehen davon, dass wegen einem einzelnen Sklaven wohl kaum ein solcher Aufwand gemacht werden würde - außer es handle sich um den König persönlich. Aber soweit Anthea wusste, besaß kein Mitglied der Königsfamilie schneeweiße Haare.
      Sie sah auf Lucius hinab, dessen Miene einen ernsten Ausdruck angenommen hatte. Mit diesem Ausdruck fand sie immer, dass man sein Gehirn rattern sehen konnte. Es war beinahe schon niedlich anzusehen.
      "Vielleicht war er ja mal einer von ihnen? Das würde wohl auch erklären, wie er den Wagen so schnell gefunden hatte. Und weshalb er die Leute kannte."
      Es war zwar schwierig vorzustellen, dass Berek mal Teil einer ganzen Gruppe gewesen war, aber unmöglich war es nicht. Ganz zu schweigen davon, dass sowieso niemand begriff, wie er sich ein solches Netzwerk in Shegar ersponnen haben konnte.
      Anthea sah wieder auf die Straße, um bloß nicht den Wagen zu verpassen. Sie stand nahe genug an Lucius, dass ihr Bein seine Schulter streifte.
      "Die rothaarige zum Singen bringen? Okay. Ist vielleicht nicht schlecht. Aber wir werden sie erreichen müssen, bevor Berek sie findet; nach dem, was ich heute gesehen habe, weiß ich nicht, was er mit ihr anstellen will."
      Sie blickte die Straße hinab.
      "Das machst aber du, ich steh nicht so auf Folter."
      Eigentlich stand sie auf nichts, was in geschlossenen Räumen ohne viel Ablenkungsmöglichkeiten stattfand. Ihre Kindheit hatte sie solche Räume das Hassen gelehrt und später hatte sie herausgefunden, dass es viel eingänglichere Methoden gab um Kontrolle zu schaffen, als jemanden an einen Stuhl zu binden und zu häuten, bis er in Todesqualen alles beichtete, was man hören wollte. O ja, es gab definitiv weitaus eingänglichere Methoden.
      "Oh!"
      Sie lehnte sich plötzlich über die Mauer, als sie die kleine Karawane erkannte, die sich vom Ende der Straße aus näherte.
      "Da ist er, Luce!"
      Der Wagen kam heran, umgeben von charakteristischen Kuttenträgern, und Anthea beugte sich noch weiter nach vorne, um einen Blick auf das Innenleben erhaschen zu können. Ihr geschultes Auge suchte nach Lücken in der Wagenkonstruktur, durch die sie hinein blicken konnte und tatsächlich gab es mehrere Stellen, die nicht ganz abgedichtet waren und besonders von ihrem Standpunkt aus wenig Sichtschutz boten. Sie kniff die Augen zusammen und starrte so lange hinein, bis der Wagen weiterzog und sie bald nichts mehr sehen konnte.
      "Du hast recht, das ist ein Kerl mit weißen Haaren und Handschellen. Und dafür soll ich ein ganzes Tor aufsprengen, für einen Menschenhandel? Vielleicht ist er ein König?"
      Sie beobachtete den Zug, bis er vollständig wieder verschwunden war. Sie hätte versuchen können ihn zu verfolgen, aber das würden schon ihre Männer erledigen - und Lucius'.
      "Du besorgst die rothaarige, Luce. Und hör dich auch mal um, ob irgendjemand so einen weißhaarigen Kerl kennt. Auch noch einen in Fesseln."
      Sie stieß sich von der Mauer ab und hielt ihm die Hand hin, um ihm beim aufstehen zu helfen. Als er stand, lagen ihre Hände einen Moment länger ineinander als nötig war.
      "Ich muss erst meine Bezahlung abholen gehen, dann bin ich bei dir. Sag mir dann, was du bis dahin rausgefunden hast."
    • "Ich soll der Folterknecht sein?"
      Fragte Lucius doch mit leichter Überraschung in seiner Stimme und Ausdruck als er zu Anthea hoch sah.
      "Schon vergessen dass ich meine Waffen aus gutem Grund nieder gelegt habe? Wenn du mich das machen lässt, wird sie das vermutlich nicht überstehen. Wir kennen ihren Wert noch gar nicht. Ich würde also eher sagen, dass wir das einen Experten ausführen lassen. Ich denke da an ..."
      Lucius zuckte leicht zur Seite als hätte ihn ein Blitz getroffen als Anthea's Bein seine Schulter berührte. Für einen Augenblick vergaß er vollkommen auf welchem Planeten er grade war und fuhr das Bein mit seinem Blick prägend ab. Doch dann fiel ihm wieder ein was er sagen wollte. Er hoffte lediglich, dass er grade nicht zu lange geträumt hat.
      "... Barkas. Der schuldet mir noch ne ganze Menge und ist vor Jahren schon ausgetreten. Er lebt im nördlichen Teil. Versteckt. Nur nicht sonderlich gut möchte ich meinen. Er versucht geheim zu halten dass er eine Tochter bekommen hat. Ein paar Monate alt. Falls er mir also keinen Gefallen tun will, haben wir noch einen Plan B."
      Da meldete Anthea schon die aufmarschierende Kuttenbande, die Lucius keine weitere Beachtung schenkte. Es war nur ein kleines Geschenk an Anthea ihr diese Informationen zu teilen und zeitgleich zu beweisen dass er nicht gelogen hatte.

      Kurz darauf lies er sich auf helfen, was erneut in einen längeren Kontakt der Hände endete. Lucius musste aufpassen. Das war schon das zweite Mal, dass er inmitten des Gesprächs so weggetreten war. Am Ende würde sie ihn noch als Schwachsinnigen abstempeln.
      Als sich sich die Hände dann also eher widerwillig trennten, dachte auch er etwas über die Fracht nach.
      "Hm. Die weißen Haare sind schon etwas besonderes. Ich schätze da werden wir schon das ein oder andere herausfinden."
      Grinsend stemmte sich Lucius daraufhin seine Fäuste an die Hüfte, als wäre diese Aufgabe ein leichtes. Nur um schnell wieder von schlechten Nachrichten auf den Boden geholt zu werden. Natürlich wollte er nicht dass Anthea wieder ging aber sie hatte wohl recht damit keine Zeit zu verlieren.
      "Ist gut. Ich werde mal meine Vögelchen ausschwärmen lassen. Wir treffen uns dann heute Abend sobald die Sonne unter geht."

      Er brauchte nicht sagen wo sie sich treffen würden. Immer wenn ein unausgesprochener Ort erwähnt wurde, war es zur Sicherheit beider. Das zweite Stockwerk einer Familie die dort längst nicht mehr lebte und welches sich Anthea und Lucius seit langer Zeit teilten wenn sie einfach ihre Ruhe wollten.
      Bevor dann noch ein erneuter Abschied groß in die Länge gezogen werden würde, schritt Lucius auf Anthea zu, blieb nur ganz knapp vor ihr stehen und lies seine Hände über ihre Arme bis hin zu ihren Handgelenken gleiten und starrte ihr dabei unentwegt auf ihre Lippen. Er kam diesen dabei immer näher, doch dann riss er sich weg und sprang vom Dach hinunter auf einen Holzbalken, welcher auf der ersten Etage über einem Fenster hinaus ragte. Von dort aus war der Fall dann nicht mehr hoch, was ihm nach dem letzten Sprung dann promt in der Masse verschwinden ließ.

      Später am Abend, noch etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang, hatte Lucius endlich die Spur der Rothaarigen aufgenommen. Sie war gut darin sich zu verstecken und sie war enorm flink. Es war an manchen Momenten sogar für ihn schwer ihr Schatten zu bleiben. Diese Chance würde er sich aber sicher nicht durch die Finger gehen lassen. Seine Vögelchen hatten den halben Tag gebraucht um sie aufzuspüren.
      Auf einem Dach im Nordwesten gelang es Lucius dann endlich der Rothaarigen aufzulauern. Sie schien kurz zu rasten und etwas essen zu wollen, da trat Lucius aus den Schatten, gab seinen Vögelchen ein kleines Zeichen dass sie sich bereit halten sollen und konfrontierte sie mit seinem üblich verschlagenem Grinsen.
      "Schönen guten Abend die Dame. Das ist kein sonderlich schöner Ort um eine Mahlzeit einzunehmen. Gestatten, Lucius ist der Name. Ich glaube wir haben einen gemeinsamen Feind. Mir ist zu Ohren gekommen dass du Probleme mit Berek hast, kann das sein?"
    • Anthea beobachtete die letzten Überreste des Wagens, dann wandte sie sich ab und blickte nach unten, als Lucius verstummte. Er starrte an ihr empor und kurz, bevor sich ihre Blicke getroffen hätten - Anthea war sich ziemlich sicher, dass man es in der Luft knistern gespürt hätte, wenn sie es getan hätten - wandte er den Blick ab und sprach weiter. Ein leichter Stich der Enttäuschung entfuhr sie, allerdings längst nicht stark genug, um nicht sofort wieder begraben zu werden.
      "Barkas?"
      Der Name sagte ihr nichts. Aber das war auch das gute ihrer beider Übereinkunft, Lucius hatte Kontakte die sie nicht kannte, und Anthea hatte Kontakte die Lucius nicht kannte. Sie ergänzten sich in manchen Sachen wirklich perfekt.
      Lucius kam vor ihr zum Stehen und in dem kurzen Moment ihres Abschieds, starrten sie für einen Moment nur. Es lag ein verwegener Ausdruck in Lucius' Augen, während sein Blick auf Antheas Gesicht lag, die den Kopf leicht schräg legte. Seine Haare waren unordentlich, aber das Chaos passte zu seinem Gesicht. In seinen Augen lag ein lebhaftes Glitzern, als würde er sich zu jeder Zeit über alles um ihn herum amüsieren.
      Für einen kurzen Moment vergaß Anthea, weshalb sie hier waren, weshalb sie überhaupt auf das Dach geklettert waren. Sie war sich schon fast sicher, dass das der Moment sein würde, in dem sie die unsichtbare Grenze zwischen ihnen überschreiten und beweisen würden, dass die Grenze rein fiktiv war, dass es nichts weiter brauchte als einen winzigen Schritt darüber zu unternehmen, um sie verblassen zu lassen, als sich Lucius abrupt von ihr löste. Der Zauber war wieder aufgelöst, der Abstand wieder hergestellt und die Grenze so stark und prägnant wie immer zwischen ihnen. Anthea räusperte sich knapp und sah dann zu, wie Lucius seine halsbrecherische Flucht ansetzte.
      "Spinner."
      Sie verzichtete auf den Nervenkitzel eines riskanten Abgangs und nahm die Leiter, bevor sie sich wieder unter die Leute mischte. Der Mann war schon längst verschwunden, als sie unten angekommen war.

      Sie musste lange auf Ilyos warten. Der Treffpunkt war das Hinterzimmer eines Bordells, das gut besucht wurde und entsprechend voll war. Anthea hatte weder Interesse an dem Etablissement - wenn sie sich Krankheiten einfangen wollte, würde sie das Wasser der Kanalisation trinken - noch an dem Chaos, das dort vorherrschte, als sei es Teil des Hauses. Die Gäste waren viel zu betrunken und viel zu unberechenbar, um eine ordentliche Unordnung zu schaffen und dabei auch noch die Überhand zu behalten, sodass Anthea so gut wie gar nicht daran interessiert war, Bordelle in ihre Pläne mit einzubeziehen. Außerdem vermisste sie bei allen Männern, die es dort gab, eine gewisse Würze, die sie nicht so einfach beschreiben konnte.

      Sie hatte die Zeit genutzt und sich ein bisschen umgehört, etwas getrunken, ein paar der Gäste geärgert und sich schließlich mit einer kleinen Gruppe zusammengetan, um eine zu rauchen, als Ilyos endlich auftauchte. Als er sie bemerkte, bedeutete er ihr zu folgen und führte sie in das verabredete Hinterzimmer.
      "Sorry. Hat länger gedauert. Setz' dich, Thea."
      "Macht nichts."
      Sie folgte seiner Aufforderung und setzte sich. Ilyos hatte einen Joint im Mundwinkel hängen, den er aber kaum nutzte. Das Ende glühte sanft.
      Er lehnte sich gegen die Wand und betrachtete Anthea für einen Moment, bevor er die Arme verschränkte.
      "Einauge lässt seine Komplimente ausrichten, das war gute Arbeit am Tor. Sie sind noch immer damit beschäftigt, die Löcher in der Straße zu flicken. Das Tor ist geschlossen und unsere Informanten sagen, dass sie Soldaten aus anderen Ecken der Stadt abgezogen haben, um Ordnung im Südviertel zu schaffen. Man sollte zwar nicht dort hingehen, aber manche andere Orte sind dafür wieder frei. Einauge verhandelt gerade darum, den Moment auszunutzen und ein paar Aufseher zu platzieren. Wir könnten die Kontrolle über so manche Kasernen übernehmen, ohne dass die Soldaten davon mitbekommen. Oder deren Vorgesetzte."
      Antheas Augen blitzten auf, nicht etwa wegen des Kompliments, dass sie sich wohl zu Herzen nehmen sollte - es kam nicht häufig vor, dass Einauge mit jemandem von ihrem Rang Kontakt aufnahm - aber weil ihre Mission ein so voller Erfolg gewesen war. Wer weiß, womöglich wurde der Name Anthea Elquin an diesem Tag etwas bekannter.
      "Wir haben zwar auch die Aufmerksamkeit des Königshauses erregt, aber das war ja wohl vorherzusehen. Jedenfalls sind alle sehr zufrieden mit deiner Arbeit."
      "Das will ich wohl auch hoffen."
      Er nickte.
      "Eine Frage habe ich aber noch, dann sind wir hier fertig. Dein Gold werde ich am üblichen Ort hinterlegen."
      "Okay. Und die wäre?"
      "Hast du jemanden entdeckt?"
      Anthea blinzelte. Sie brauchte einen Moment, um die Frage überhaupt zu verstehen, bevor sie sich darüber wundern konnte, was sie bedeuten sollte. Ob sie jemanden entdeckt hatte? Etwa den weißhaarigen? Die Karawane? Den Kuttenträger? Berek? ... Die rothaarige? Ilyos redete von dem Wagen, oder? Sie war sich ziemlich sicher, dass er von dem Wagen reden musste.
      "Nein, ich habe niemanden -"
      Plötzlich schaltete es in ihrem Gehirn, im selben Augenblick, als sie die Worte schon ausgesprochen hatte. Eine kurze Welle der Panik durchflutete sie als sie begriff, dass die Frage nicht mit Ja oder Nein hätte beantwortet werden sollen. Sie hatte lediglich den Auftrag bekommen, ein Chaos am Südtor zu schaffen, sobald sie das Zeichen erhielt, und nicht mehr. Sie wusste, dass es sich um Personen handelte, weil sie eins und eins zusammengezählt und Berek dazugeholt hatte, aber das war nicht in ihrem Aufgabenbereich beinhaltet. Ilyos hatte von ihr hören wollen, dass sie sich darüber wunderte, wen sie hätte entdecken sollen.
      Ihre Augen weiteten sich minimal. Ein Anfängerfehler und sie war direkt darauf reingefallen!
      "Ich meine, was verstehst du denn auch unter entdecken? Da waren hunderte Leute auf dem Platz, Soldaten eingeschlossen, wen hätte ich denn entdecken sollen und wie hätte ich es vermeiden sollen?"
      Ilyos griff jetzt zu seinem Joint, zog einmal daran und zog ihn dann zwischen seinen Fingern aus seinem Mund. Als er ausatmete, kam der feine Rauch durch seine Nasenlöcher.
      "Hätte ja sein können, dass dir etwas aufgefallen ist. In dem ganzen Chaos."
      Noch eine Fangfrage? Anthea war sich plötzlich unsicher. In ihrem Zweifel entschied sie sich, einfach gar nichts zu sagen, nachdem Ilyos ihr auch keine weitere Frage gestellt hatte.
      Der Mann musterte sie für einen Moment, dann steckte er den Joint zurück zwischen die Lippen und stieß sich von der Wand ab.
      "Das wär's. Ich melde mich bei dir, wenn ich wieder etwas habe."
      Er wandte sich der Tür zu und Anthea stand mit einem dumpfen Gefühl im Bauch auf.
      "Dein Geld liegt am üblichen Ort bereit."
      Dann öffnete er die Tür und verschwand.

      Elraya kam an diesem Abend endlich zurück in die Freiheit.
      Es hatte sie Stunden gebraucht, sich vom Kult endlich zu verabschieden, ohne dabei Aufmerksamkeit zu erregen oder Aradan zu verlieren. Sie hatten den Weißhaarigen in den Untergrund geschaffen und da hatte sie die Gelegenheit ergriffen und war geflüchtet.
      Jetzt suchte sie nach einem Weg, den Rest der Truppe zu informieren, wo sie waren. Sie hatte bereits darüber nachgedacht einen Boten anzuheuern oder vielleicht eine Brieftaube zu schicken, aber irgendwie kam ihr das beides sehr riskant vor. Besonders nachdem sie wusste, dass Berek irgendwo in dieser Stadt herumtigerte wie eine ausgehungerte Kreatur, die nur darauf wartete, ihr das Fleisch von den Knochen zu reißen. Es schauderte sie, nur daran zu denken ihm in die Arme zu laufen. Es war schon knapp genug gewesen am Südtor.
      Also tat sie das, was sie immer tat und zog sich auf die Dächer zurück. Die Stadt selbst war enorm und viel unübersichtlicher als Shegar, aber die Dächer waren überall gleich und boten ihr einen guten Überblick. Außerdem war es lustig, dort entlang zu laufen, denn die meisten Häuser standen so dicht, dass sie beinahe übergangslos auf das nächste Dach springen konnte. Es war schon zu einfach um wahr zu sein.
      Als sie sich endlich eine Stelle ausgesucht hatte, wo sie sich gleichzeitig in den Schatten eines Dachvorsprungs setzen und die Straße überblicken konnte, zog sie den Fleischspieß hervor, den sie noch vor einer Stunde am Markt geklaut hatte, und biss kräftig ab. Sie hatte kaum runtergeschluckt, als ein Geräusch sie wie von der Tarantel gestochen herumfahren ließ.
      In der Dunkelheit der einbrechenden Nacht und des fahlen Mondlichts, kam eine Gestalt hinter dem Dachvorsprung hervor, weder darum bemüht seine Gestalt zu verstecken, noch leise zu sein. Elraya hatte schon ihre Dolche gezückt und war bereit dazu, ihn ohne Nachsicht auf Verluste anzufallen, so sehr angespannt waren ihre Nerven an diesem Tag. Seit sie Berek gesehen hatte, hatte sich alles geändert, plötzlich war eine Rettungsaktion zu einer mörderischen Flucht geworden und das würde sie sich durch niemanden wieder vermiesen lassen.
      Aber der Mann sprach zu ihr und allein die Tatsache, dass er Berek erwähnte, ließ sie noch einen Moment zögern. Sie kniff die Augen zusammen, auch wenn er das nicht sehen konnte.
      "Hä? Und wer sollst du sein? Wenn das hier irgendein dummer Trick sein soll, kannst du dir das gleich abschminken. Ich geh nicht zu Berek zurück, uh-uh. Das kannst du ihm ruhig ausrichten."
      Sie drehte ihren Dolch in der Hand und schlich ein paar Schritte seitwärts, stets ihre Aufmerksamkeit auf diesen Lucius haltend. Allein die Tatsache, dass sie beide auf dem Dach waren und Elraya sich ziemlich sicher war, dass sie diesem Mann entkommen könnte, wenn sie nur wollte, ließ sie noch bei ihm bleiben und reden. Sobald das ganze aber nur ein riesiges Ablenkungsmanöver sein sollte, damit Berek sich von hinten anschleichen und sie mit seinen gruseligen - und immernoch ein bisschen heißen - Feuerdolchen aufspießen konnte, war sie weg von hier. Sowas ließ sie sich nicht gefallen, nicht von Berek, nicht nachdem sie ihm so haarscharf entkommen war.
      "Was willst du?"
    • "Was ich will?"
      Lucius hob seinen Kopf und steckte seine Hände entspannt in die Hosentaschen. Er machte keinerlei Anstalten die gezogenen Dolche der Frau zu kontern und versuchte so viel Ruhe auszustrahlen wie möglich. Die Rothaarige wurde immerhin lebend gebraucht. Wenn sie jetzt zu einem Angriff über ging, bestand eine große Chance, dass einer der 8 Armbrustschützen seinen Bolzen singen lies und mit etwas Pech eine tödliche Wunde hinterlassen könnte.
      "Zunächst einmal bin ich eine Person mit Einfluss. Ich würde dir ja erklären wie das hier im Untergrund der Stadt so abläuft aber um es kurz zu fassen, kannste du dir einen leckeren Kuchen vorstellen. Teile ihn in 7 Stücke und du hast die Anzahl an Untergrundorganisationen, die hier die Ordnung wahren."
      Da zog er eine Hand wieder aus der Tasche und machte eine erklärende Geste
      "Mit anderen Worten habe ich diesen Berek schon ne Weile auf dem Schirm und habe gesehen dass ihr nicht sonderlich gut miteinander aus kommt. Er scheint dich zu suchen, hat jedoch genau so wenig Ahnung von dieser Stadt wie du. Er hat die falsche Person beauftragt dich ausfindig zu machen. Meine.... EINE Freundin -"
      Er schüttelte kurz den Kopf, selbst darüber verwundert wie sehr Anthea noch in seinem Kopf herum geisterte
      "- die genau so daran Interessiert ist was du weißt wie ich. Mir ist dieser Berek ein Dorn im Auge, welchen ich nur zu gerne wieder entfernen will. Du siehst also, wir sind auf einer Seite."
      Wieder die Hand weg steckend, blieb er einfach stehen und lies sich von Elraya umkreisen, doch legte er seinen Kopf dann seitlich an um sie wieder im Blick zu haben
      "Ich komm dir sogar noch ein wenig mehr entgegen. Der Plan sieht vor dich unter allen Umständen zum Mitkommen zu bringen. Alles was ich bisher sagte ist die Wahrheit, doch solltest du nicht mitkommen wollen, sehe ich mich gezwungen meinen Leuten ein Zeichen zu geben und... Nimm doch bitte die Dolche runter. Sie werden schießen wenn du mir zu nahe kommst. Wie gesagt. Ich bin ein Mann mit Einfluss. 3 Armbrustschützen richten ihre Waffen auf dich seit du angehalten hast. Dort."
      Er zeigte tatsächlich auf die drei kleinen Nischen, in welchen man nur bei ganz genauer Betrachtung die Männer erkennen konnte.
      "Du hast nun also die Wahl. Komm mit mir mit und erzähl mir alles über Berek und dieser eigenartigen Person die hier hin verfrachtet wurde, iss dich dabei schön satt und genieße einen schönen Selbstgebrannten, oder - was ich nicht empfehle - lass dich von mir überwältigen, lerne einen Folterer mit reichlich Erfahrung kennen und lebe fortan als Krüppel in dieser Stadt. Ist deine Entscheidung."
      Nun bereitete sich auch Lucius auf eine Konfrontation vor indem er sich Elraya zuwandte, leicht in die Hocke ging und eine Kampfhaltung einnahm die keinerlei Waffen benötigte. Sein Blick wandelte sich zu dem einer Raubkatze die nur auf ein kleines Zucken Elraya's Muskeln wartete. Ebenso seine Stimme wandelte sich deutlich darauf hoffend dass sie die falsche Antwort treffen würde.
      "Also? Was darfs sein?"
    • Elraya hätte vielleicht verstanden, was Lucius ihr vermitteln wollte, wenn er ihr länger Zeit gegeben hätte, über seine Worte nachzudenken, aber das tat er nicht. Stattdessen verstand Elraya nur, dass er etwas mit Berek zu tun hatte und außerdem noch eine Freundin und dass es einen Plan gab. Und dass er Bogenschützen hatte? Elraya blinzelte.
      "... Hä?"
      Sie konnte die verschiedenen Teile seiner Erzählung nicht wirklich zusammenfügen, was sie aber unmissverständlich begriff war, dass er nicht unvorbereitet gekommen war. Er rechnete mit Widerstand und Elraya wiederum war mehr als gewillt, ihm genau das zu geben.
      … Sobald sie herausgefunden hatte, was er mit Berek zu tun hatte.
      "Woher kennst du Berek?"
      Sie zog weiter ihren Kreis um Lucius, langsam und aufmerksam, auch wenn diese Taktik nur dem Zweck entsprach, sich selbst einen Fluchtweg zu sichern. Elraya hätte sich mit ihm angelegt, sicherlich, aber von drei - oder acht? - Bogenschützen durchbohrt zu werden, stand nicht auf ihrem Plan.
      Nach einigem Abwägen beschloss sie schließlich, dass es das Risiko nicht wert war, sich mit Lucius anzulegen und stattdessen bei Berek zu landen. Alles, was sie weiter von ihm wegbringen würde, war gut, also richtete sie sich zögernd etwas auf. Lucius war mittlerweile selbst in eine Kampfhaltung verfallen, die ihr so gar nicht behagte.
      "Na schön, lass uns reden. Geh vor, ich bin direkt hinterher."
      Sie steckte ihre Dolche aber nicht weg, sondern bedeutete ihm damit, sich in Bewegung zu setzen.

      Lucius führte sie entgegen ihrer Befürchtung in ein Lokal, das rege besucht wurde und gar nicht so abgelegen lag, wie sie geglaubt hätte. Er hielt an sein Versprechen und lud sie zu Essen und Trinken ein, wobei Elraya bei letzterem besonders zugriff. Sie schlang ihren Teller gefräßig hinab, bevor sie ihm endlich die Ehre zuteil werden ließ, ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
      "Also, was willst du wissen?"
      Sie sah kurz durch den Raum, aber Berek würde wohl kaum einfach so aus dem Nichts auftauchen. Auf der anderen Seite sähe ihm das gar nicht so unähnlich.

      Anthea ging über die Straße und schlüpfte in die nächste Seitenstraße.
      Seit sie das Bordell verlassen hatte, fühlte sie sich merkwürdig beobachtet, aber nicht auf die gute Art - es war viel eher ein nervöses Prickeln im Nacken, wenn man das Gefühl hatte, dass die Augen, die auf einem lagen, nicht entdeckt werden wollten. Sie drehte sich mehrmals um, bis ihre eigene Paranoia sie verrückt machte und sie sich daran erinnerte, dass es niemanden gab, der Anthea Elquin einfach so überraschen konnte. Sie war die Herrin über die Lage, sie hatte die Kontrolle. Es waren ihre Straßen, bis zu einem gewissen Grad, und niemand anderes.
      Ilyos hatte sie nicht mehr getroffen. Das war auch weiter nicht bedenklich, denn der Mann hatte schließlich noch andere Leute abzuklappern und seiner Pflicht nachzugehen, aber es gab trotzdem einen bitteren Beigeschmack, den Anthea nicht so einfach benennen konnte. Sie mochte es nicht. Die Unsicherheit erinnerte sie an die ersten Wochen in der Großstadt, in der sie Fuß zu fassen versucht hatte. Sie war längst nicht mehr so hilflos wie damals.
      Ihr Zahlungsort war ein Brunnen in einem Innenhof ihres Distrikts, der sehr selten genutzt wurde. Der Innenhof war schon ein wenig heruntergekommen, ähnlich wie die Häuser außenrum und der größte Zweck des Brunnens war es, den Tieren eine Trinkstelle zu sein. Antheas Gold wurde stets in einer Truhe untergebracht, die mit der Seilwinde nach unten gelassen und in einer Nische versteckt war. Sie musste nur den richtigen Haken anbringen und das Seil ein wenig herumschwenken.
      Als sie den Innenhof allerdings erreichte, war sie sich erst bewusst, wie offen er lag. Es gab kein Dach über dem Brunnen und auch sonst gab es im Umfeld von fünf Metern nichts, was irgendwie Deckung geboten hätte.
      Normalerweise wäre ihr das egal gewesen, diesmal aber nicht. Sie ließ einen kritischen Blick über den Innenhof schweifen, bevor sie sich langsam in Bewegung setzte, ein Fuß nach dem anderen. Nichts geschah, als sie den Brunnen erreichte, nichts geschah als sie das Seil anbrachte, nichts geschah als sie den Haken herausfischte. Als sie den Haken herunterließ, die Truhe zu fassen bekam und sie vorsichtig nach oben zog, konnte sie allerdings plötzlich die Sehne einer Armbrust schnalzen hören.
      Der Bolzen bohrte sich unterhalb ihres Schulterblatts in ihr Fleisch, als sie das Seil losließ und gleichzeitig herumwirbelte. Der Schmerz kam pochend und plötzlich, eine Explosion aus glühenden Funken, die sich beinahe über ihren ganzen Rücken ergossen. Anthea zischte und stolperte zurück. Als der zweite Bolzen surrte, verfehlte er sie lediglich, weil sie selbst das Gleichgewicht verlor. Sie warf sich zu Boden und kroch hinter den Stein, gegenüberliegend aus der Richtung, aus der geschossen worden war. Dort kauerte sie sich in den Schutz der niedrigen Steinmauer und winselte von dem stechenden Schmerz. Dann verstummte sie und lauschte angestrengt nach den Geräuschen, die ertönen mochten. Nach den Geräuschen des Assassinen.
    • Dabei zusehend wie die Rothaarige Portionen verdrückte, die manch gestandene Männer nicht hinunter bekamen, musste Lucius doch das ein oder anderen Mal erstaunt nicken. Er selbst trank und aß jedoch nichts. Er wusste noch nicht wie dieses Treffen ausgehen würde, also wäre ein voller Magen ganz klar ein zu großes Risiko gewesen. Abgesehen davon wurde es langsam recht spät. Das Treffen mit Anthea stand bald an. Es wurde Zeit ein paar brauchbare Informationen aus dem Rotschopf hinaus zu bekommen.
      "Du hörst nicht besonders gut zu oder?"
      War das ein Trick? Sie stellte ihm Fragen die er allesamt schon auf dem Dach beantwortet hatte. Nun wollte sie erneut hören woher er Berek kannte und was er wissen will? Nun gut. Vorerst würde er dieses Spiel mitspielen.
      Nach einem kurzen Seufzen lehnte er sich ein wenig vor und tippte mit dem Finger passend zu seiner Erklärungen hin und wieder auf dem Tisch.
      "Berek. Den kenn ich nicht. Wie schon erwähnt weiß ich seit wann er in dieser Stadt ist und mir gefällt nicht was er hier treibt oder allem Anschein nach auf die Beine stellen will. Die Stadt hat ohne den schon genug zu tun. Und was ich wissen will habe ich dir ebenfalls gesagt. Alles über Berek was mir helfen wird ihn los zu werden und ich will alles über diesen weißhaarigen Mann wissen der so aufwändig in die Stadt geschmuggelt wurde. Hier wurden schon Würdenträger mit weniger Aufmerksamkeit hinein geschmuggelt aber für nen unbekannten Kerl wird gleich ein ganzes Tor samt Boden aufgesprengt."
      Sich nun wieder zurück lehnend, verschränkte er die Arme und sah wieder zum Fenster hinaus.
      Die Sonne war schon fast verschwunden. Das war der Moment in welchem er am Treffpunkt sein wollte. Seufzend stellte er fest, dass es also wohl keine andere Möglichkeit gab als die Rothaarige mitzunehmen.
      "Antworte mir gleich. Wir sind schon etwas spät dran. Komm mit. Nimm mit was du willst aber spute dich.."
      Gesagt getan. Er bezahlte den Wirt und huschte mit Elraya zwei Straßen weiter bis zum Haus dessen zweites Stockwerk komplett eingerichtet und dennoch ohne Familie stand.
      Über das Dach konnte man ganz leicht auf einen Balkon springen, dessen Tür zum Inneren der Wohnung nicht abgeschlossen war.
      Nun im Haus, wies Lucius dem Rotschopf einen Platz zu. Eine recht gemütliches, kaum genutztes Sofa.
      Er selbst blieb neben einem der Fenster stehen und lehnte sich gegen die Wand, sehnlichst auf Anthea wartend.
      "Also. Du kannst fortfahren oder warten bis unsere gemeinsame Freundin, die dich nicht an Berek übergeben will, auftaucht. Und hier."
      Er löste das eingehüllte Schwert von seinem Bund und warf es Elraya rüber.
      "War ziemlich einfach ihm das abzuknöpfen. Der Kerl hat ein Temperament dass ihn Blind werden lässt. Wie konnte das keiner in Shegar nutzen um ihm das Handwerk zu legen?"
    • Elraya hatte gerade genug Zeit ihr Essen zu vertilgen, ehe der Mann sie auch schon weiterscheuchte. Sie beschwerte sich nicht wirklich, er hatte sie eingeladen und jetzt wollte er woanders hingehen, aber es störte sie, dass er sich mit Berek einlassen wollte. Nach dem zerstörerischen Kampf mit Pria war sie sich sicher, dass das alles andere als eine gute Idee war.
      Also folgte sie ihm in eine verlassene Wohnung und machte es sich auf dem Sofa bequem, während er so wirkte, als wolle er das Fenster bewachen. Wenn er glaubte, sie dort drinnen überwältigen zu können, hatte er sich deutlich geirrt.
      "Okay. Du willst was von Berek wissen."
      Sie verstummte wieder, als er ihr eine Waffe überreichte. Es dauerte einige etliche Sekunden, bis sie es erkannte und das Grauen in ihr entfacht wurde. Sie ließ das Schwert zu Boden fallen, als hätte sie sich daran verbrannt.
      "Sein Schwert? Du hast sein Schwert geklaut?"
      Sie war sich für einen Moment nicht sicher, was sie von der ganzen Sache halten sollte, bis sie das Gesicht verzog.
      "Bist du dumm? Wieso denkst du wohl, hat niemand jemals sein Temperament ausgenutzt? Weil niemand lange genug gelebt hat, um auch davon erzählen zu können!"
      Sie kroch ein Stück vom Schwert weg wie von einer Schlange.
      "So dumm kann ja nichtmal ich sein! Ich würde mein Testament an deiner Stelle schreiben, meine Sachen vermachen und so. Da wirst du nicht lebend rauskommen."
      Sie warf ihm einen funkelnden Blick zu.
      "Mit Berek ist nicht zu spaßen, nichtmal im Spaß. Der kann… ganz gruselige Sachen machen. Das konnte Pria auch, irgendein Magiezeug, aber er ist viel schlauer als Pria und das macht ihn so gefährlich. Er hat immer irgendwas in der Hinterhand gegen dich, egal wie lange er dich schon kennt. Er findet einfach alles und dann benutzt er es auch. Und er findet auch alle Schwachstellen. Erst fängt er mit den Soldaten an und wenn er sich erstmal in deren Dienstplan eingenistet hat, dann fängt er an, sich Leute zu holen. Und wenn er die Leute hat, holt er sich bessere Leute. Und bessere. Und irgendwann wird er dann im Palast stehen und dem König persönlich auf den Schoß scheißen, ohne dass der was dagegen unternimmt. Das macht Berek."
      Sie machte eine Pause, um Lucius zu mustern.
      "Und der Weißhaarige ist ein Kerl aus Melora, der auch echt fieses Magiezeug drauf hat. Das ist 'ne lange Geschichte, aber diese Kultanhänger haben ihn geschnappt und jetzt wollen sie ihn für irgendwas benutzen. Ich weiß aber nicht was. Das wollte ich herausfinden und den anderen Bescheid geben."
      Sie stützte den Kopf auf den Händen auf.
      "Ich glaube, er hätte das Tor auch selbst aufsprengen können, aber die Fesseln verhindern das. Das ist jedenfalls der Kerl, wegen dem Berek aus Shegar geflogen ist."
      Sie grinste breit.
      "So ein Trottel. Hat echt richtig eine reingewürgt bekommen. Wenn ihr Berek aus der Stadt haben wollt, würd' ich wieder Aradan zur Hilfe holen."

      Anthea hörte nichts. Es fühlte sich schon an wie eine ganze Weile, während sie hinter dem Brunnen kauerte und so flach wie möglich atmete, um sämtliche Geräusche wahrzunehmen. Aber da kam nichts. Das einzige, was sie hörte, war das Blut, das in ihren Ohren rauschte.
      Der Bolzen steckte noch immer tief in ihr drin und der beißende Schmerz hörte nie auf, vergrößerte sich nur, wenn sie sich versehentlich bewegte. Ihr Rücken war schon feucht vom Blut und sie musste das Ding noch irgendwie herausbekommen.
      Sie konnte nicht lange bleiben, das war ihr klar. Entweder sie würde verbluten, oder der Assassine würde sich ihr leise genug nähern, um ihr den Kopf aufzuschlitzen. Beide Möglichkeiten waren nicht unbedingt begehrenswert.
      Sie war panisch, aber von ihrer Angst noch nicht gelähmt. Sie konnte noch klar genug denken und das war ihr wichtig. Ihre Gedanken waren sogar klar genug, um einen Fluchtplan auszutüfteln: Sie musste es bis zur Hauswand schaffen, denn dort standen Kisten und dort hatte sie Deckung. Sie musste es durch den Durchgang schaffen, denn von dort würde sie zur Straße und unter Menschen gelangen. Das war gerade ihre beste Aussicht.
      Und wohin dann? Fieberhaft überlegte sie. Was, wenn der Assassine nicht alleine war? Wenn es mehr gab? Wenn er vorhersehen könnte, wohin sie ging? Sie musste an einen Ort, an den er nicht denken könnte. Einen für sie untypischen Ort.
      Beinahe zum selben Moment fiel ihr ein, dass sie sich mit Lucius verabredet hatte, er würde an der üblichen Stelle warten. Konnte sie das riskieren?
      Aber was war die Alternative? Die Antwort fiel recht simpel aus.
      Sie neigte sich ein wenig zur Seite, keuchte dabei von dem Schmerz und duckte sich auf die Knie. Wenn sie schnell genug war, konnte sie es schaffen. Wenn sie den richtigen Moment erwischte, konnte sie durchkommen. Sie spannte die Muskeln an, dann stieß sie sich ab.
      Die Sehne schnallte und der Bolzen surrte, als er ihren Kopf verfehlte und haarscharf an ihrem Ohr vorbei sauste. Sie bezweifelte, dass der Schütze lange Zeit beim Nachladen brauchen würde und tatsächlich kam der nächste Bolzen viel schneller als normal. Der Assassine war professionell, er musste viel Geld gekostet haben. Vielleicht mehr, als im Brunnen gerade noch auf Anthea wartete. Vielleicht hatte ja der Inhalt dazu beigetragen.
      Sie erreichte die Kisten, als der nächste Bolzen ihre Hüfte traf und sie zu Boden stürzte. Ein Schock durchfuhr sie, als der nächste Schmerz sie zu lähmen drohte. Ihr Körper verweigerte sich plötzlich ihrem Befehl.
      Mit größter Mühe und Not rappelte sie sich auf und riss diesen zweiten Bolzen heraus, damit er sie nicht behindern würde. Ein erstickter Schmerzenslaut entfuhr ihr, als sie versuchte, ihren Schmerz zu dämmen und sich in Bewegung setzte. Sie war nicht schnell, der Blutverlust und die Qualen forderten schon ihren Tribut, aber Anthea musste auch nicht schnell sein, sie musste nur pünktlich sein.
      Ihr erstes Ablenkungsmanöver startete sie direkt hinter dem Durchgang, als sie die Leinen eines Wagens zur Hälfte durchtrennte und dem Tier einen Klaps verpasste. Es setzte sich in Bewegung, zog die Kutsche einseitig mit sich, geriet in aufsteigende Panik, versuchte sich von den herunterhängenden Zügeln zu befreien. Der aufkommende Tumult war groß genug, um den Durchgang unpassierbar zu machen.
      Die zweite Ablenkung war auf offener Straße, als Anthea absichtlich ein herumstehendes Fass entzündete. Die Explosion war groß und aufmerksamkeitserregend, aber in ihrem Wirbel war Anthea schon längst wieder verschwunden. Bei der dritten Ablenkung, verursachte sie lediglich einen Stau.
      Als sie endlich in die entsprechende Straße einbog, war sie bereits völlig außer Atem und konnte kaum mehr aufrecht gehen. Sie torkelte auf das Haus zu, beide Hände auf die Wunde ihrer Seite gepresst, die Sicht bereits von tanzenden Flecken eingeschränkt. Sie bemerkte erst in letzter Sekunde, wie sich eine Gestalt aus dem Schatten hinter ihr löste, sich auf sie warf, mit ihr zu Boden ging und sein Messer in ihre Brust zu rammen versuchte. Anthea stieß einen erstickten Schrei aus.
    • Lucius lauschte dieser doch recht überzogen klingenden Geschichte die so unglaubwürdig klang, dass sie vermutlich der Wahrheit entsprach. Doch musste er genervt mit den Augen rollen als schon wieder so ängstlich auf das Schwert reagiert wurde. Sogar Anthea reagierte so unüblich darauf. Klar war dieser Berek offensichtlich kein normaler Typ aber himmel ging es ihm auf die Nerven dass alle so eine unbändige Angst vor ihm zu haben schienen. Er blieb nach wie vor nur ein Mensch. Menschen machen Fehler. Temperamentvolle Menschen waren gefährlich aber auch Blind. Das wusste Lucius aus vergangenen Tagen am aller Besten.
      "Ist ja gut. Berek ist n ganz gefährlicher Hund, ist angekommen."
      All die Gerüchte die über Berek kursierten schienen zu stimmen aber das war noch zu einer Zeit als er Macht hatte. Etwas das in dieser Stadt nicht so schnell funktionieren würde. Es blieb also genug Zeit um sich einen Plan auszudenken, den auch Berek nicht gewachsen war.
      "Gut okay. Er trägt seinen Namen einer Spinne also nicht ohne Grund. Das ist in Ordnung."
      Er stieß sich von der Wand ab und ging ein wenig umher. Es schien als würde er nicht sehr viele Informationen über Berek erlangen können die er nicht ohnehin schon wusste. Was aber viel interessanter war und ihn auch sofort hellhörig werden lies, war die Erwähnung des Dorfes.
      "Melora?"
      Er hielt an und sah die Rothaarige an
      "Bist du dir sicher dass der Typ aus Melora ist?"
      Kurz wartete er eine Bestätigung ab, die ihm direkt mit einem kurzen Kopfnicken gegeben wurde. Sofort lächelte Lucius und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
      "Das ist interessant."
      Er gab Elraya keine Informationen zurück, doch wusste Lucius ganz genau, dass der Königsschmied und dessen Frau ebenfalls aus Melora kamen und sogar Anthea einen Teil ihres Lebens dort verbracht hatte. Selbstverständlich hatte er sich längst schon einiges an Wissen über dieses Dorf angeeignet. Wie lange es existierte, wie standhaft sie den Kreaturen ohne große Armee standhalten konnten und auch was für Waffenmeister aus diesem Dorf hervor gingen. Beinahe schon als wäre es eine Stadt der Mysterien. Und nun soll ein weißhaariger Kerl aus diesem Dorf hier hin entführt worden sein? Obendrein soll er ähnliche Fähigkeiten wie Berek besitzen?
      Lucius konnte sich das Grinsen nicht mehr zurück halten. Der Fall war klar. Er musste diese Kult Leute infiltrieren um den Kerl, den die Rothaarige Aradan nannte, für seine Zwecke zu entführen.

      Apropos. So langsam machte sich Lucius Sorgen. Es war unüblich für Anthea nicht pünktlich zu sein. Sie war das wandelnde Chaos aber sie war niemals unpünktlich wenn sie sich treffen wollten. Wenn überhaupt war sie öfter viel zu früh dran.
      Leicht von seiner Nervosität getrieben, ging er ohne groß Hoffnung zu haben ans Fenster und blickte auf die Straße vor sich. Keine Anthea. Ein alter Karren, welcher von einem Ochsen gezogen wurde, vermutlich ein Gewürzkarren. Etwas weiter zwei spielende Kinder die von ihrer Mutter getadelt wurden, da es schon zu spät dafür war. Und die ersten üblichen Trinker, die für diese Zeit schon deutlich zu viel intus hatten.
      Daraufhin stieß er sich wieder vom Fenster ab.
      "Verdammt wo bleibt sie nur?"
      Sprach er besorgt in den Raum hinein. Doch dann hörte er etwas. Etwas das ganz klar aus der Kehle von Anthea kommen musste. Ihre Stimme würde er überall erkennen, nur erschütterte es ihn bis ins Mark ihre Stimme in dieser Tonart zu hören. Das Gefühl des Fallens machte sich in ihm Breit als hätte sich eine Falltür unter ihm geöffnet.
      Schnell rannte er zu einem Fenster dass auf eine andere Straße gerichtet war und was er dort erblickte, knipste seinen Kopf komplett aus. Egal wer ihn sehen könnte, sei es ein feindlicher Distrikt, sein direkter Vorgesetzter oder der König selbst... wer Anthea verletzte und so zum schreien brachte, musste damit klar kommen das Tor zur Hölle geöffnet zu haben.
      Lucius sprang ohne nachzudenken aus den zweiten Stock hinaus, ignorierte dabei vollkommen dass das Fenster noch geschlossen war und zog sich dabei mehrere kleine Schnitte zu, landete unsanft in einem Haufen an Kisten, die unter seinem Gewicht zusammen brachen, ihn aber für keine Sekunde ausbremsten. Lucius setzte einen solchen Sprint an, dass er fast über seine eigenen Beine gestolpert wäre.
      Nach der halben Strecke fing er an Wuterfüllt zu brüllen, was die Aufmerksamkeit der Person, die auf Anthea lag, garantierte. Doch bevor dieser die Situation überhaupt einschätzen konnte, da er sehr mit Anthea beschäftigt war, trat Lucius diesem schon aus vollem Sprint heraus so heftig in dessen Gesicht, dass sich Lucius dabei selbst einen Zeh brach und daraufhin mehrfach über den Boden rollte bis er zum Halten kam.
      Keine Sekunde nach dem Halt richtete sich Lucius wieder auf und stürmte erneut auf den Assassinen zu, der selbst durch die Wucht des Trittes nicht mehr auf Anthea, sondern einen ganzen Meter hinter ihr lag. Lucius sprang in die Luft, den fremden Mann dabei anpeilend und packte dabei seine Knöchel um diese so nach hinten zu ziehen, dass er mit den Knien voraus auf dem Körper des Mannes fiel.
      Das daraufhin folgende, mehrfache knacken waren einige Rippen des wohl jetzt schon bald sterbenden Mannes, da dieser unmittelbar danach heftig Blut spuckte, wohl aus den Rippenstücken, die sich in die Organe hinein bohrten.
      Doch hielt das Lucius nicht auf seiner Wut freien Lauf zu lassen. Er schlug dem Mann so oft ins Gesicht, dass die Augen schob bald so zu geschwollen waren, dass der Mann wohl nie wieder etwas sehen würde FALLS er den Tag überlebt hätte.
      Um dem ganzen aber noch endgültig die Kirsche auf zu setzen, beugte sich Lucius an das zermatschte Gesicht hinunter
      "Niemand vergreift sich an Anthea!"
      Dann griff Lucius dem Mann mit beiden Händen in den Mund. Was nun folgte, lies ein Jeden der das Spektakel aufschnappte vor schock weg schauen, denn Lucius begann dem Mann den Mund gewaltsam zu öffnen. So sehr bis die Haut des Mundes langsam zu reißen begann. Er hörte nicht auf bis sich der ganze Kiefer ein Lucius Hand befand und seine komplette Kleidung und Haut mit dem Blut des Mannes bedeckt hatte.

      Erst danach blickte Lucius zu Anthea, hechtete an ihre Seite und betrachtete ihre Wunden ohne sie zu fragen was passiert war. Er verschwendete von nun an keine Sekunde mehr, hob sie sofort auf und versuchte so gut wie möglich den Blicken der Leute zu entfliehen indem er durch mehrere Gassen rannte um kein erkennbares Muster durch sickern zu lassen ehe er zurück in der zweiten Etage war, wo Elraya noch selig wartete.
      Dort angekommen legte Lucius seine Fracht vorsichtig auf den Esstisch ab und betrachtete behutsam ihre Wunden. Die wohl schwerste war die, in welcher noch ein Bolzen steckte und die zweite klaffte an ihrer Hüfte.
      Schnell rannte er in eine Kammer, die er stets für Notfälle mit allerlei Medizin versehen hatte. Reiner Alkohol zum desinfizieren, Holzstücke zum drauf beißen und unzählig viele Verbände, die er in seinem Leben wohl schon öfter gebraucht hatte als Nahrung.
      Mit den Nötigen Sachen zurück, beugte er sich über Anthea und legte ihr ein Stück Holz zwischen die Zähne.
      "Beis fest zu. Das wird nun weh tun."
      Dann griff er den Bolzen, nickte Anthea nochmal zu und riss diesen dann hinaus. Anders als bei Pfeilen, hatten diese Bolzen immerhin den Vorteil, dass sie lediglich spitz waren und nicht wie ein Pfeil größere Schäden anrichteten, hätte man sie auf der selben Methode raus gezogen. Dafür waren die Bolzen etwas dicker um sogar durch eine Rüstung durch zu kommen. In diesem Fall sorgten sie für eine stärkere Blutung, die wohl nur durch ausbrennen der Wunde in den Griff zu kriegen war.
      "Rotschopf! Los, zünd den Kamin an und erhitze diese verfluchte Klinge!"
      Währenddessen riss Lucius ohne zu fragen ein Stück von Anthea's Kleidung auf um besser an die Wunde zu kommen, welche er augenblicklich mit dem Alkohol säuberte. Das Gleiche tat er mit ihrer Hüfte. Den Stoff aufreißend, Alkohol drüber und bis das Schwert heiß genug war, jede Menge Verbände auf die Wunde pressend.
      Als das Schwert dann endlich heiß glühte, musste er Anthea nochmals sehr viele Schmerzen bereiten. Erst die obere stelle, dann die am Bein. Es zischte und roch schnell nach gebratenem Fleisch, doch wirkte es. Die Blutung stoppte und Lucius konnte ihre Wunden endlich mit dem Verband umwickeln.

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    • Der Assassine wäre beinahe damit durchgekommen, das Messer direkt durch Antheas Rippen zu jagen, als ein nahender Schrei ihn aufzucken ließ und er keine Sekunde später von einer anderen Gestalt umgeworfen wurde. Anthea musste nicht aufsehen, um zu erkennen, dass es Lucius war; sie hätte seine Stimme überall erkannt.
      Durchflutet von Erleichterung und auch einer gewissen Sorge, robbte sie gleich nach hinten weg, um den Männern nicht im Weg zu liegen. Was sie dann da vor sich zu sehen bekam, war schon kaum mehr human. Wie besessen prügelte Lucius auf den Attentäter ein und obwohl es Anthea schon selbst erschütterte, mit welch animalischen Brutalität er vorging, konnte sie sich dennoch nicht dazu durchringen, ihn davon abzuhalten. Ganz im Gegenteil sogar, seine Hingabe schmeichelte ihr, so sehr, dass sie ein wenig lächelte. Lucius würde den Tod für sie herausfordern, das wusste sie. Nichts könnte sich ihm in den Weg stellen.

      Als er endlich von der Leiche ließ, deren Kopf halb zermatscht, der Kiefer herausgerissen und in der keine gesunde Rippe mehr steckte, kam er zu ihr gesprungen. Sie öffnete bereits den Mund um ihm zu erklären, dass sie einen Moment bräuchte, dass er ihr aufhelfen solle, dass sie nicht so schnell gehen könnte, als er sie bereits kommentarlos aufhob und in die Arme nahm. Sie winselte über die Erschütterung, die sich in ihrer Hüfte spürbar machte, und schlang die Arme um seinen Hals, um sich an ihm festzuhalten. Für einen winzigen Moment glaubte sie, loslassen können. Alles war in Ordnung. Lucius würde sie bis ans Ende aller Zeiten tragen. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter, schloss die Augen und versank in einem schwarzen Nichts, eingehüllt von dem Geruch von Blut und der Wärme, die Lucius ausstrahlte.
      Als sie aufwachte, halb im Delirium und kaum darüber gewahr, was Realität war und was ihrem Geist entsprang, war Lucius verschwunden und an seiner Stelle lag sie auf einer harten, kalten Oberfläche. Sie wimmerte leise über den Verlust und zwang sich, die Augen zu öffnen, bevor sie in die fahle Dunkelheit eines Raumes blinzelte. Lucius war schon eine Sekunde später da und schob sich in ihr Gesichtsfeld, seine Erscheinung so fadenscheinig wie ein Geist. Sie stellte den Lucius-Geist nicht in frage, stattdessen ließ sie sich von ihm das Stück Holz zwischen die Zähne klemmen. Unterbewusst begriff sie, was er von ihr wollte, war aber dennoch nicht darauf vorbereitet, als es tatsächlich geschah. Der Bolzen wurde mit einem Ruck rausgerissen und sie schrie auf, abgedämpft von dem Holzstück, das gleichzeitig verhinderte, dass sie sich die Zunge abgebissen hätte. Der Schmerz überwältigte sie und spülte sie erneut weg, zurück in das schwarze Nichts, von dem sie halb durch einen brennenden Schmerz wieder zurückgeholt wurde. Aus dem Augenwinkeln sah sie Bewegungen, konnte sich aber nicht dazu aufraffen, ihren Blick zu fokussieren. Sie sah Lucius' wilden Haarschopf und das war ihr genug Information, um den Rest zu ignorieren. Ihre Augenlider flatterten.
      Elraya tat wie geheißen, halb aus Ermangelung an anderen Möglichkeiten, halb weil sie es schon gewohnt war, von Berek Befehle in einem ähnlichen Tonfall zu erhalten. Sie überreichte die erhitzte Klinge und beugte sich selbst über die Frau, die wohl besagte Freundin sein mochte. Es wäre ihr absolut am Arsch vorbei gegangen, wenn sie an diesem Tisch verreckte, aber Lucius schien sämtliche Energien aufzuwenden, um sie am Leben zu erhalten. Also schloss sich Elraya an, denn irgendwas sagte ihr, dass der Mann nicht gut zu sprechen sein könnte, wenn die Frau verreckte - und sie musste von ihm schließlich noch herausfinden, wo Berek sich befand und wie sie ihn umgehen konnte.

      Erneut wurde Anthea aus ihrem Delirium herausgerissen, als die glühende Klinge mitten auf ihre Wunde gepresst wurde. Sie riss die Augen auf, erfüllt von einem Schmerz, der alles andere bis dahin erlebte völlig in den Schatten stellte. Das Leben kehrte in ihren Körper zurück und sie zuckte von der Klinge weg, hätte sich vom Tisch geworfen und wäre dann vermutlich freiwillig aus dem Fenster gesprungen, um dem Schmerz zu entgehen. Zu ihrem Leidwesen war Elraya noch immer zur Stelle und packte mit eisernem Griff zu, um sie festzuhalten. Es dauerte einige fürchterliche Sekunden, in denen Anthea die Tränen über das Gesicht liefen und sie beinahe den Holzkeil durchgebissen hätte, ehe Lucius das Schwert wegnahm und sie verband. Noch immer völlig überwältigt von dem Schmerz, der in ihren Knochen nachhallte und sie zum Zittern brachte, war sie zumindest wieder etwas wacher. Wenigstens wach genug, um jetzt auch die Frau zu erkennen, die auf der anderen Seite des Tisches stand. Die roten Haare gaben Auskunft darüber, dass es sich vermutlich um die Frau vom Kult hatte - Lucius hatte also schon einen ersten Erfolg gehabt.
      "Luce..."
      Sie streckte die Hand nach dem Mann aus und bekam sein Handgelenk zu fassen. Ihr Griff war nicht stark, aber Lucius hielt trotzdem in seiner Bewegung inne und starrte sie an.
      "Ich glaube... ich glaube sie wissen, dass wir... dass wir spioniert haben."
      Es war schwierig zu reden und dabei den Schmerz zu ignorieren. Sie umfasste Lucius ein bisschen stärker, aber er machte sowieso keine Anstalten, sich von ihr zu entfernen.
      "Ilyos hat... Ilyos hat Fragen gestellt. Er muss es wissen... ich habe nicht aufgepasst."
      Elraya sah zwischen dem Paar hin und her, fraglos darüber, wovon gerade geredet wurde. Sie wusste nur, dass Lucius Melora zu kennen schien oder daran interessiert war, aber mehr auch nicht.
      "Wer weiß was?"
      Sie wandte sich an den Mann, nachdem die Frau kaum ansprechbar schien.
      "Was ist mit Berek, sollten wir uns nicht eigentlich mit ihm beschäftigen? Wir haben keine Zeit, uns um irgendwas anderes zu kümmern."
      Sie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
    • Lucius tat alles was in seiner Macht stand um Anthea zu versorgen. Ihm blieb nicht sehr viel übrig als das was er bisher getan hatte. Er kannte sich mit Schmerzmitteln nicht aus, daher wusste er auch absolut nicht was er ihr hätte geben sollen um die Schmerzen etwas besser aushalten zu können. Es zerriss ihn innerlich Anthea solche Schmerzen zufügen zu müssen aber was hatte er schon für eine Wahl?
      Sicher war er sich nur, dass er den Schmerz, den Anthea erlitt, vielfach zurück zahlen würde. Er würde herausfinden wer den Auftrag gab und warum. Und sobald er diese Person in die Finger bekam, würde er an dieser ein Exempel statuieren, damit sich niemand mehr wagen wird sich an Anthea zu vergreifen.
      Da erklang die schwache Stimme seines Herzens, die vor ihm auf dem Tisch lag. Sofort überkam Lucius ein erleichtertes lächeln. Natürlich sollte Anthea in ihrer Verfassung nicht sprechen, doch sah Lucius das mit Stolz an. Natürlich war Anthea kräftig genug um sogar bei solchen Wunden ohne Schmerzmitteln noch sprechen zu können. Was für ein Teufelsweib.
      Sofort legte er seine Hände auf ihre Wangen und beugte sich ein wenig zu ihr damit sie nicht zu laut sprechen musste.
      Aber auch diese schlechte Nachricht vermochte es nicht seine Freude zu schmälern. Vorerst strich er Anthea vorsichtig ihre Tränen weg und nickte ihr entgegen. Daraufhin flüsterte er behutsam
      "Mach dir keine Sorgen. Ich werde dem ganzen auf den Grund gehen. Hier bist du vorerst sicher."
      Anschließend streichelte er ihr noch über die Wange, ehe er sie behutsam vom Tisch hoch hob und in das Schlafzimmer trug, auf welchem er Anthea vorsichtig auf das Bett nieder legte.
      "Versuch ein wenig zu schlafen falls es möglich ist. Ich werde Medikamente besorgen und bin zurück bevor du wieder wach bist."
      Seitlich am Bett sitzend, noch immer enorm erleichtert lächelnd dass Anthea den Angriff überlebt hatte, nahm er ihre Hand mit seinen, verblieb für einen Moment so, verlor sich dabei in ihren Augen und zwang sich etwas später wieder hinaus um aufzustehen. Er hätte sich nicht verziehen wenn ihre Wunden sich entzünden oder sie die Nacht mit Schmerzen kämpfen musste, also nickte er ihr nochmals zu um ihr zu verstehen zu geben, dass er sich beeilen wird und ging aus dem Schlafzimmer hinaus, zurück in den Raum wo Elraya noch am Tisch war.
      Ihr gegenüber seufzte er kurz um seine Sorge los zu werden. Aber auch Elraya bekam von ihm ein dankendes nicken.
      "Ich danke dir für die Hilfe. Auch du bist hier vorerst sicher. Kein Distrikt weiß dass hier seit zwei Jahren niemand mehr lebt. Ich bezahle sogar die Beiträge des Hauses damit es nicht auffällt."
      Währenddessen packte er all die benutzten Sachen wieder zusammen und nahm auch anschließend Berek's Schwert, welches schon wieder erkaltet war.
      "Ist alles etwas kompliziert für dich, ich weiß. Ich hab dir doch von den Distrikten erzählt. Nunja. Anthea und ich sind grob gesehen Feinde. Wir sind in rivalisierenden Distrikten tätig und wie es aussieht, steckt hinter der Entführung des weißhaarigen noch eine ganze Menge mehr als wir angenommen haben. Aber darum können wir uns später kümmern. Vorerst muss ich Medikamente besorgen. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du bis zu meiner Rückkehr ein Auge auf sie halten wirst."
      Lucius sprach zwar sehr ruhig und tatsächlich als würde er Elraya darum bitten, doch sprachen seine Augen klar die Worte aus, dass auch Elraya auf seiner Liste landen wird, sollte Anthea etwas zustoßen solange er weg ist.
      "Über Berek reden wir dann sobald ich zurück bin."
      Anschließend klemmte er die Klinge von Berek in eine kleine Nische zwischen einem robusten Schrank und der anliegenden Wand und zerbrach die Klinge mit einer heftigen Überdehnung. Ein klares Statement seines Hasses gegenüber Berek.

      Anschließend verschwand Lucius auch schon für etwa eine Stunde.
      Zurück kam er mit einem verbundenen Fuß, selbst hier und dort verbundenen Stellen an den Armen und einem großen Sack auf dem Rücken, voll mit allerlei nützlichen Dingen.
      "Bin wieder da.. Wie geht es ihr?"
      Fragte er rhetorisch ohne wirklich eine Antwort zu verlangen, immerhin würde er sich selbst vergewissern. Vorerst stellte er aber einer saftigen Braten und ein frisches Brot auf den wohl von Elraya gesäuberten Tisch, mit samt mehreren Flaschen teurem Alkohol als kleines Dankeschön für Elraya.
      Direkt danach ging Lucius auch schon in das Schlafzimmer und leerte den Sack auf dem Bett aus. Für jedes Medikament hat sich Lucius einen Zettel dazu geben lassen, in welchen Mengen er was verabreichen musste. Glücklicherweise war es ziemlich überschaubar.
      Als erstes bereitete er eine Flüssigkeit zu, die auch in Krankenhäusern für schwere Verletzungen verabreicht wurde. Sie macht müde, wirkt schmerz hemmend und schmeckt absolut widerwertig.
      Als er ein Glas mit der grünlichen Suppe gefüllt hatte, weckte er Anthea vorsichtig. Ihr lief der Schweiß die Stirn hinab, was wohl dem Schmerz geschuldet war. Kaum trafen sich ihre Augen, nickte er wieder mit einem lächeln.
      "Hier. Trink das. Es schmeckt nicht aber es wird dir die Schmerzen nehmen. Sobald es wirkt, würde ich gerne eine Salbe auf deine Wunden auftragen."
    • Anthea zwang sich so lange wach zu bleiben, wie es ihr möglich war, dann siegte die Erschöpfung und sie sank zurück ins unendliche Nichts, das letzte Bild vor Augen Lucius, wie er ihre Hand hielt.
      Im Hintergrund tigerte Elraya unruhig herum, hin und wieder auf das Pärchen schauend, das sie nicht richtig einschätzen konnte. Sie war hergekommen, um über Berek zu reden, und jetzt wurde sie in irgendeine andere Sache mit hineingezogen, auf die sie gar keine Lust hatte. Aber sie brauchte Lucius' Auskunft und der Mann würde sie ihr wohl nicht eher geben, als seine Freundin versorgt war.
      Also versuchte sie sich mit ihm gut zu stellen. Als er zurück zu ihr kam und sich bedankte, zuckte sie mit den Schultern.
      "Hätte schlimmer sein können. Waren ja nur ein paar Wunden."
      Sie ließ ihn nicht aus den Augen, konnte aber ihre Enttäuschung darüber, dass Berek weiter warten müsste, nur mit Mühe verstecken. Sie nickte trotzdem und winkte ab.
      "Jaja, mach nur. Ich hab' sowieso nichts vor heute."
      Sie sah mit einer gewissen Nervosität zu, wie er die Klinge zerbrach, bevor er endlich einen Abgang machte. Allein gelassen mit der bewusstlosen Freundin, von der sie noch nicht einmal den Namen erfahren hatte, schlich sie ein wenig weiter durch die Wohnung, sah sich die Zimmer an, wühlte ein wenig in den Sachen herum und schließlich auch in Antheas Taschen. Die Frau trug allerdings kein Gold mit sich und auch sonst gab es nichts von Wert in der Wohnung, wenn man nicht das zerbrochene Schwert mitzählen wollte. Sie schnaubte frustriert und setzte sich dann ans Fenster, um Wache zu halten. Wäre Berek hier gewesen, hätte er ihr etwas zum Spielen dagelassen oder sie zumindest mit Lodoz allein gelassen. Lucius ging einfach, also setzte sie sich und wartete.
      Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis er wieder auftauchte und sie mit seiner Anwesenheit beehrte. Er sah noch lädierter aus als zuvor, aber es interessierte Elraya nur wenig, was er angestellt hatte. Sie wollte noch immer Auskunft haben.
      "Pennt", brummte sie zur Antwort und dackelte dem Mann gleich nach, aus Ermangelung an anderen Tätigkeiten, denen sie sich hätte widmen können. Er stellte etwas Essen auf den Tisch und Rum, dem sie sich sogleich ekstatisch widmete. Sie schraubte den Verschluss auf, trank aus der Flasche und war damit für den Moment beschäftigt.
      Anthea wachte zu Lucius' lächelndem Gesicht auf und begrüßte ihn ihrerseits mit einem gepeinigten Grunzen. Er hielt ihr ein Glas hin, das sie verwirrt anblinzelte.
      "... Wolltest du nicht weggehen?"
      Es dauerte einen Moment, bis sie begriffen hatte, dass er durchaus weggegangen war, aber sie derweil geschlafen hatte. Sie ließ sich von ihm beim Trinken helfen und würgte, kaum nachdem sie geschluckt hatte.
      "Bäh! Willst du mich vergiften?
      Sie brauchte lange, bis sie den vollständigen Inhalt heruntergewürgt hatte, ohne ihn wieder heraufzubefördern, aber die Wirkung trat überraschend schnell ein. Ihre Glieder wurden schwer und das Stechen an ihren Wunden wurde ersetzt von einem dumpfen Pochen, so als hätte man es durch einen Schleier abgedämpft. Das Denken wurde genauso schwer und sie blinzelte langsam.
      "Luce."
      Sie griff träge nach ihm und bekam einen Verband an seinem Arm zu fassen. Da runzelte sie die Stirn und starrte mühsam an ihm hinab.
      "... Geht's dir gut? ... Was hast du gemacht?"
      Sie sah wieder auf und beobachtete, ohne viel dabei zu spüren, wie er ihren Verband löste und die Salbe auftrug. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, ein schiefes, nachdem ihre Gesichtsmuskeln nicht so arbeiteten, wie sie eigentlich sollten.
      "Du hast ihn richtig fertig gemacht... stimmt's? Das hast du gut gemacht. Ich wusste doch, ich kann mich immer... auf dich verlassen."
      Beim nächsten Blinzeln bekam sie die Augen beinahe nicht mehr auf und ihre Hand glitt von seinem Arm ab. Sie merkte es und angelte wieder nach ihm.
      "Bleib hier, Luce. Nur für heute..."
    • Lucius durchfuhr endlich eine innere Ruhe als er bemerkte wie schnell die Medizin ihre Wirkung entfachte. Ihm wurde zwar schon gesagt dass diese Dosis recht hoch sei, doch war das ja auch der Sinn der Sache.
      Es war schon ein ziemlich seltsamer Anblick. Sie kannten sich schon so lange aber noch nie kam es dazu, dass Anthea so fertig war. Natürlich hatte sie schon öfter eine fiese Wunde ab bekommen aber das hier war etwas anderes. Meist kam es dazu wenn sie in ihrem Chaos zu sehr in die vollen ging. Hier trachtete aber ein Profi nach ihrem Leben. Ein Fakt der sein Blut schon wieder zum kochen brachte.
      Vorerst hörte er aber auf die kleine Bitte, welche ihm entgegen geflüstert wurde. Doch antworten konnte er nicht darauf, denn in diesem Fall hätte er lügen müssen. Stattdessen entschied er sich nur zu lächeln bis die Medizin den Schlaf herbei führte den Anthea dringend brauchte um sich erholen zu können.
      Ihre Hand wurde lockerer, glitt an seinem Arm wieder hinunter ehe er sie vorsichtig auffing und vorsichtig neben Anthea legte. So, dass ihre Wunde nicht beansprucht wurde. Daraufhin zog er ihr die Decke hoch bis zum Hals und verließ langsam und leise das Zimmer, welches er hinter sich schloss und durchatmend in den Raum zurück kehrte in welchem Elraya sich schon an den Mitbringseln zu schaffen machte.

      "Danke für die Hilfe Rotschopf."
      Meinte er beiläufig während er sich die Haare durchwuselte um einen klaren Gedanken fassen zu können. Wo sollte er nur anfangen. Wurden beide tatsächlich beobachtet? War sein Distrikt nun auch schon auf der Hut und würde ihm auflauern? Auf keinen Fall. Er war viel zu wertvoll als dass die sich erlauben konnten ihn los zu werden. Was hatte er schon groß getan? Berek aufgelauert und mit einer Frau gesprochen, welche.... kein schlechtes Ansehen im direkten feindlichen Distrikt genoss... Umso mehr er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher war es ihm, dass auch er mit so einer Begrüßung rechnen musste. Aber was hatte er für eine Wahl? Wenn er seinem Vorgesetzten nun aus dem Weg gehen würde, wäre das viel auffälliger.
      Nach langem hin und her mit sich selbst, was für Außenstehende wohl nur wenige Sekunden waren, entschied sich Lucius dazu, vorerst den Plan mit der Fracht zu erledigen. Möglicherweise würde das schon einige Probleme lösen.
      "Ach ehm. Sag mal wie ist eigentlich dein Name? Ich habe mich dir schon auf dem Dach vorgestellt. Oder soll ich dich weiterhin Rotschopf nennen? Vielleicht wäre dir ja auch Tomate lieber?"
      Wie sehr ihn die Antwort interessierte, zeigte er dadurch, dass er nicht darauf wartete, sondern direkt zum eigentlichen Thema über ging, nachdem er sich an den Tisch gesetzt und sich entspannt in den Stuhl gelehnt hatte.
      "Also. Was uns Beide angeht. Ich denke du hast jetzt lang genug gewartet. Berek. Ich weiß ich weiß, böser Kerl, gefährlich und spinnt gerne Netze. Das hört man mittlerweile an jeder Straßenecke. Du hast aber gemeint dass dieser Melora Typ von unserem Vorteil sein könnte. Was hast du damit gemeint? Warum wird der so speziell behandelt? Er ist aus Melora, klar, dann kann er wohl kämpfen. Aber wie ich gehört hab wurden die Melorianer nur gegen den Kampf von Kreaturen geschult. Was nutzt uns so einer also gegen Berek? Genau so gut kann ich dem auch einfach Gift ins Essen mischen lassen, oder ein paar fähige Assassinen zum spielen schicken. Ist zwar ein sehr teurer Spaß aber so wie du mir vor kommst, zahlst du lieber ne lebenslange Schuld ab statt dich von Berek jagen zu lassen."
    • Elraya sah von ihrem Festschmaus auf als Lucius zurückkam, machte aber keine Anstalten ihn zu unterbrechen. Gerade schob sie sich ein Stück Wurst in den Mund und stopfte einen Bissen Brot gleich noch mit dazu, auch wenn die Hälfte dabei schon wieder herausfiel. Lucius blieb für einen Moment im Türrahmen stehen, dann kam er zu ihr. Zumindest hatte sie den Anstand einigermaßen runterzuschlucken, bevor sie antwortete.
      "Ich heiß Elraya. Und wer ist deine Freundin da drin?"
      Sie kniff bei Lucius' Bemerkung die Augen zusammen.
      "Untersteh dich mich so zu nennen, oder ich schneid dir die Klöten ab!"
      Sie beobachtete ihn misstrauisch, während er sich zu ihr setzte und ihr endlich den Gefallen tat, weiter von Berek zu sprechen. Sie leckte sich die Finger ab und musterte ihn einmal. So schlecht sah er gar nicht aus.
      "Okay, also das war so - und das ist jetzt wichtig, sonst checkst du das nicht!"
      Um ihre Worte zu unterstreichen, fixierte sie ihn eindringlich.
      "Berek kann dieses Feuer-Zeug. Also nicht nur Feuer, sondern dann auch so Feuer-Strahlen und so richtig heißes, ganz mieses Feuer, das der sich aus dem Finger puhlen kann - keine Ahnung wie er das macht. Er kann das und Pria konnte das auch - das war 'ne andere, wir hatten da so eine Gruppe. Wir haben Aradan bestohlen, also ist Aradan auf uns aufmerksam geworden und hat sich mit Pria zusammengetan und dann hat Pria sich mit Berek angelegt und dann hat Berek sich mit Aradan angelegt und bei Pria ist's so, dass sie auch was kann, aber nicht so viel und außerdem auch nicht so stark wie Berek, aber Aradan! Der hat wirklich was drauf. Die sind also auf den Platz gegangen und Aradan war da, aber Berek nicht, und Berek wollte ihn dann mit einem echt riesigen, richtig epischen Feuerball fertig machen und Aradan hat den in der Luft gestoppt, einfach so! Ich meine, dann ist trotzdem alles in Chaos ausgebrochen und das halbe Viertel hat's hinterher verwüstet, aber der hat ungefähr so gemacht", sie reckte die Arme in die Luft während sie Aradan nachmachte, "und dann ist das Ding einfach gestoppt und ich weiß, dass Berek sich richtig einen reingeschissen hat, weil das eigentlich einfach nicht möglich ist. Aber Aradan hat's gemacht. Der Weißhaarige kann sowas."
      Sie gab Lucius einen Moment, um diese erstaunliche Geschichte erstmal ordentlich verdauen zu können, bevor sie weitererzählte.
      "Dann war er ohnmächtig und dann wurde er entführt und dann war er nicht mehr ohnmächtig und eigentlich war er nie ohnmächtig, aber das ist eine andere Sache, die hab ich selber nicht wirklich verstanden. Die Leute, die ihn entführt haben, haben aber irgendwas mit ihm zu tun, das weiß ich. Deswegen kann uns Aradan nicht helfen, solange er noch bei denen ist; aber er kann uns helfen, weil er Berek schon einmal fertig gemacht hat."
      Ein zufriedener Ausdruck schlich sich auf ihr Gesicht, als habe sie ihren Job gerade erfolgreich erledigt und könne sich jetzt endlich zurücklehnen. Zur Belohnung nahm sie sich gleich noch eine Wurst und knabberte daran.
      "Ganz abgesehen davon ist es richtig amateurhaft zu glauben, dass Berek sich vergiften lässt. Oder einfach so ermorden lässt. Denkste etwa, das hat in all den Jahren nicht schon jemand versucht? Der ist wie so 'n… Wiesel oder sowas. Den kriegste nicht und wenn du ihn wirklich kriegst, dann nur weil er es selbst so will, verstehste?"
    • Lange hatte es nicht gedauert bis Lucius merkte nicht mit der hellsten Kerze zu sprechen. Nicht nur hatte die Frau kaum Manieren. Sondern hatte sie auch noch ein unglaubliches Talent Dinge zu erklären aus denen man kaum Informationen entnehmen konnte. Es gehörte schon einiges dazu einer Person etwas zu erklären und dabei nur für mehr Fragezeichen zu sorgen. Vor allem dann noch gen Ende zu meinen man wäre ein Amateur. Da konnte Lucius dann doch nur noch schmunzeln, was er erstmal mit einem Glas Rum hinunter spülte.
      "Okay mal langsam."
      Er hielt seine Hände vor um Elraya bei ihrer Erklärung zu bremsen während er sich leicht nach vorne lehnte
      "Dass etwas nicht ganz normal mit diesem Berek und dem Feuer ist, hab ich mir schon herleiten können. Der hat sich immerhin in sowas wie ne wandelnde Stichflamme verwandelt als er auf den Kutteneumel los ist. Ich hab schon immer daran geglaubt dass dieses Gefasel über magische Kräfte und höhere Wesen irgendwo einen wahren Kern haben muss. Ich hab da mal ne ganze Zeit drüber gelesen und naja. Es gibt einfach zu viele Spuren die zueinander passen. Ich meine. Da draußen laufen unsagbar fiese Kreaturen umher. Die gabs früher auch nicht. Ist es da wirklich so vermessen an Magie zu glauben? Ich denke nicht."
      Dann wedelte er mit einer Hand das Thema ab
      "Ah und die Frau dort drin heißt Anthea. Spielt grad aber keine Rolle. Erzähl mir mehr über diesen Aradan. Der soll nen Feuerball nur durch eine Geste aufgehalten haben? Mitten in der Luft?"
      Es war beinahe als würden seine Augen plötzlich zu funkeln anfangen
      "Was kann der denn noch so? Und.. läuft der einfach nur so durch die Gegend? Der muss doch sicher von Königen und Soldaten auf der Flucht sein. Die schnappen sich doch so gerne allerhand an begabten Leuten für ihre Zwecke und versklaven sie mit irgendwelchen scheinheiligen Gründen."
      Dann stand Lucius auf und ging zum Fenster um bei frischer Luft grübeln zu können, immerhin war es ja nun zersprungen
      "Ich denke wir kommen nicht umher diesen Aradan zu klauen. Und dank den neuesten Umständen, wäre es sehr riskant meine Leute zu beauftragen. Das Risiko ist zu groß dass man mir auflauern könnte. Am Ende lande ich neben Anthea."
      Dann den Rücken zum Fenster drehend, um Elraya anblicken zu können, verschränkte er seine Arme vor sich.
      "Aber die bisher nach wie vor wichtigste Frage ist wohl... kann man diesem Aradan trauen? Wer sagt mir dass er nicht wie Berek austickt sobald er frei ist? Wer sagt mir dass das nicht euer Plan ist? Wenn der Typ tatsächlich so mächtig sein soll, wäre es ziemlich dumm von mir ihn zu befreien. Der muss doch nur auch nen leichten Sprung in der Schüssel haben und schon verliere ich mein Leben. Was kannst du mir also sagen, was mir das Risiko etwas schmackhafter macht? Hab nämlich keine Lust durch die Kanalisation zu krebsen nur um eine magische Schelle abzubekommen."
    • Beidermaßen gekränkt darin, unterbrochen worden zu sein, als auch verwirrt darüber, was Aradans Kräfte nun mit Kreaturen zu tun haben sollten, blinzelte Elraya Lucius für einen Moment einfach nur an. Sie wusste den Typ nicht richtig einzuschätzen, der ihr irgendwie komisch kam - allerdings wusste sie noch nicht, wie komisch. Khil-nervig-komisch oder eher Pria-cool-komisch? Das schien es beides nicht zu sein. Jemand durchgeknallten flachzulegen war dann doch nichts, worauf sie unbedingt erpicht war.
      Fast schon schade.
      "Du fragst mich Sachen, die ich gar nicht wissen kann. Wir kennen uns seit einem Monat oder sowas. Keine Ahnung, was er sonst so in seinem Leben treibt!"
      Sie pflückte am Käse herum, bevor ihr doch noch etwas einfiel und sie aufsah.
      "Ah, ich weiß was. Also zum einen konnte er teleportieren, glaube ich, wir waren nämlich auf dem Boot und dann waren wir plötzlich nicht mehr auf dem Boot, sondern bei einer Kirche oder irgendwas. Das war dann auch der Moment, als er wach war, obwohl er eben noch nicht wach war, verstehst du? Das war die eine Sache. Und dann konnte er noch irgendwas mit meinem Körper machen, damit ich nicht müde wurde. Und richtig kräftig auch noch und quasi unbesiegbar. Ab dann war er auch wieder wach."
      Sie beobachtete ihn wie er zum Fenster ging, den Blick auf seinen Hintern gerichtet. Schließlich sah sie zu ihm auf.
      "Du hast nach Berek gefragt, ich habe dir eine Lösung geboten. Vielleicht hat der Weißhaarige auch einen Sprung in der Schüssel, keine Ahnung, aber wenigstens hat er schon einen Erfolg gehabt. Wenn du Berek aus der Stadt haben willst, ist das die beste Lösung, andernfalls kannst du ihn gerne vergiften und bei dem Versuch verrecken. Ich für meinen Teil werde jedenfalls Aradan holen gehen, ob du mitkommst oder nicht. Ich mach das hier größtenteils umsonst, weißt du das? Ich mach das freiwillig, halbwegs. Also werd ich das auch fertig machen."
      Sie stand auf.
      "Ganz abgesehen davon arbeitet doch deine Geliebte mit Berek zusammen, oder nicht? Entweder du wirst mir also helfen, oder ich werde persönlich zu Berek gehen und ihm flunkern, dass seine Söldnerin verwundet im Bett liegt und sich nicht rühren kann. Ich habe genug Zeit mit ihm verbracht um zu wissen, dass er schwache Glieder in seiner Kette nicht ausstehen kann."
      Sie grinste triumphierend.
    • Das Gespräch mit Elraya wurde mit jeder weiteren Sekunde enttäuschender. Sie war mit dem Kerl nur einen Monat unterwegs gewesen. Langsam kam Lucius die Vermutung, dass viele der Fähigkeiten etwas zu bunt ausgemalt wurden. Möglicherweise war die hohle Nuss, die sich mit ihm im Raum befand, einfach nur in den weißhaarigen verschossen?
      Kurz musste er lachen bei der Vorstellen dass Elraya nur eine kleine Stalkerin war und nicht mal wirklich was mit ihm zu tun hatte.
      Sogar ihre Beschreibung des unbesiegbar fühlens und daraufhin unsagbare Kräfte zu haben... nachdem er wieder wach war... sprach mehr dafür dass beide einfach miteinander im Bett gewesen sind und sich der Rotschopf geliebt fühlte. Plötzlich ergab ihr seltsames Verhalten einen Sinn. Was für ein Jammer. Aber was hatte Lucius schon für eine Wahl. Selbst wenn auch nur eine kleine Chance darin bestand, dass dieser Aradan auch magische Fähigkeiten besitzt, wäre es das Risiko wert gewesen. Auch wenn nun vieles auf einen verknallten Rotschopf hinaus lief, gab es doch noch die ein oder andere Ungereimtheit die nicht ganz ins Raster passte. Und abgesehen davon, wollte Lucius noch einigen den Kiefer brechen die etwas mit dem Attentat zu tun hatten. Bisher sprach also nicht viel dagegen die Nacht mit einer Suche zu verbringen. Anthea würde ganz sicher bis zum Morgengrauen durch schlafen. Was würde ihr also besser gefallen als ein paar vorzeigbare Resultate, um den Schmerz ihrer Wunden zusätzlich noch etwas zu lindern.
      "Also gut.. Ich hätte da ein paar..."
      Fing er an als Elraya aufstand. Doch wählte sie nun die wohl schlechtesten Worte, die sie überhaupt hätte wählen können. Vor Lucius mit einem Verrat zu drohen war schon unklug. Doch obendrein mit dem Leben von Anthea zu spielen, lies ihn augenblicklich wutentfacht einen klapprigen Stuhl an dessen Lehne greifen und auf Elraya werfen. Dieser zerbrach in tausend Stücke als Elraya durch ihre guten Reflexe die Arme schützend hoch zog. Doch hatte Lucius den Abstand in eben diesem Moment zwischen den beiden verringert. Er packte Elraya sofort an ihrem Hals, presste sie gegen die Wand und hob sie dabei noch ein Stück an, damit ihre Füße keinen Kontakt mehr mit dem Boden hatten. Und auch ihre schnell gezückte Klinge konterte er einem aufhaltenden Griff an ihrem Handgelenk, welches er zu brechen drohte, falls sie sich noch eine falsche Bewegung wagte.
      Um seine Wut noch etwas klarer zu machen, rammte er ihr heftig sein Knie in die Magengrube, wo noch all das frisch verschlungene Essen darauf wartete verdaut zu werden.
      Sicher kam ihr das Essen nun schnell wieder hoch, doch lies Lucius nichts davon zu. Er packte ihren Hals so feste zu, das nicht mal mehr ein Reiskorn durch die Speiseröhre gepasst hätte. Einen Moment lang blickte er ihr mit warnendem Hass in ihre Augen, wartend bis der aufkommende Druck gefährlich wurde, ehe er sie los lies und dem heraus schießendem Erbrochenem geschickt zur Seite hin auswich.
      An Elraya, die nun auf allen Vieren auf dem Boden hockte, hinunter blickend, flüsterte er ihr nur warnend zu
      "Wag es dich noch ein einziges Mal ihr zu drohen, und du wirst dir wünschen dass Berek dich findet!"
      Anschließend trat er Elraya kräftig in die Seite und nahm ihr beide Dolche ab. Nur um sicher zu gehen tastete er sie noch überall ab wo sie etwas versteckt halten könnte. Erst als er sich sicher war, dass Elraya keine Waffen mehr bei sich trug, sprach er ihr wieder im normalen Ton entgegen.
      "Und nun steh auf. Wenn du dein vorlautes Maul halten kannst, hab ich ein paar Ideen wie wir das Unterschlupf dieser Kutten finden können. Meinst du du kriegst das hin? Oder soll ich dich doch besser ausliefern?"
    • Plötzlich dem überraschendem Wutausbruch ausgesetzt, den Lucius zu übermannen schien, wich Elraya zurück und entschied sich in letzter Sekunde dazu, sich vor dem Stuhl zu schützen, anstatt ihm auszuweichen. Das erwies sich schon gleich als drastischer Fehler, als Lucius schon zu ihr aufholte, sie am Hals packte und gegen die Wand schmetterte. Eine merkwürdige Nostalgie überkam sie von dem Würgegriff, ob durch Lodoz oder Berek oder jemand anderen, doch es fühlte sich schon beinahe tröstend vertraut an. Ihr Lächeln verschwand allerdings dann, als er ihren Magen zerquetschte und das unverdaute Essen nach oben schoss, nur um doch keinen Weg nach draußen zu finden. Für viele, quälende Sekunden fühlte es sich so an, als würde sie ertrinken und ersticken, was auch immer diese komische Kombination sein sollte. Als er sie schließlich freiließ, hatte selbst Elraya nicht mehr die Muße dazu zu lachen und erbrach sich erst vollumfänglich, bevor sie nach Luft rang und sich einigermaßen erholte. Für weitere, etliche Sekunden lang verspürte sie einen unglaublichen Hass auf Lucius, den keine Rache dieser Welt auszulöschen vermochte.
      Dann hatte sie einigermaßen die Fassung wiedererlangt, spuckte ein paar Mal aus und kämpfte sich wieder auf die Beine. Lucius hatte ihr die Dolche weggenommen, also spuckte sie ihm vor die Füße.
      "Du... ah... Scheißkerl."
      Mit einer Hand hielt sie sich den Bauch, mit der anderen wischte sie sich über den Mund. Äußerliche Schmerzen hatte sie definitiv lieber als innerliche.
      "Sieh doch zu, dass du... ah... ihn alleine findest. Ich weiß wo sie Aradan... blurgh... hingebracht haben, aber das werd' ich dir nicht sagen wenn du mich an... uh... Berek auslieferst. Arschloch."
      Sie spuckte noch einmal aus, dann schlich sie zielstrebig auf die Tür zu.
    • Lucius weitete seine Augen und sah Elraya damit überrascht an. Hatte sie ihm grad wirklich gesagt, dass sie ihm nichts sagen wird, sollte er sie ausliefern? Wie konnte diese Frau nur so alt werden? Natürlich würde sie einem nichts sagen wenn man sie ausliefert. Aber er glaubte dass es keinerlei Sinn machen würde mit dieser Frau groß zu diskutieren. Auch glaubte er nicht mehr daran, dass sie wirklich weiß wo sich dieser Aradan grad befand.
      Was sollte er nur tun. Es wäre wohl das Beste gewesen, diese Frau hier und jetzt ihres kläglichen Lebens zu berauben. Das würde ihm zumindest sehr viele Sorgen nehmen. Andererseits könnte dieser Aradan nicht gut darauf zu sprechen sein wenn er rausfindet wer Elraya's Lichter aus geknippst hat.
      "Hör zu. Mir ist vollkommen egal was du über mich denkst.."
      Er hielt seinen Finger ermahnend hoch
      "Aber du solltest dir schleunigst angewöhnen dass es hier in der Stadt Leute gibt, die nicht so nett sind wie ich. Rempel die falsche Person an und du musst fortan mit einer Hand auskommen."
      Anschließend legte er Elraya's Dolche wieder auf den Tisch und zeigte auf eine Tür.
      "Da drin findest du alles um diese Sauerei weg zu machen. Was du danach tust ist mir egal. Ich mach mich jetzt auf die Suche."

      Gesagt getan. Wieder das Fenster als Ausgang nutzend, machte sich Lucius auf ein paar Kontakte zu treffen. Bis zum morgen würde es noch einige Stunden dauern. Hoffentlich genug Zeit um brauchbare Informationen zu bekommen.

      So verstrichen die Stunden schnell und die ersten Sonnenstrahlen fielen in das Schlafzimmer, in welchem Anthea sich erholte.
      Zusätzlich hing aber auch Lucius mittlerweile im Schlafzimmer auf einem Sessel. Die Nacht war sehr ereignisreich gewesen. Kämpfe fanden statt, Zeugen mussten bestochen und manche umgebracht werden. Lucius lag mehr im Sessel als aufrecht zu sitzen, was daher kam dass er selbst ziemlich lädiert war. Ein Gemisch aus Dreck und Blut lag überall auf seiner Haut, ebenso wie auf seiner Kleidung.
    • Als Anthea am Morgen aufwachte, fühlte sie sich weniger wie eine ausblutende Leiche und mehr wie eine steinerne Skulptur. Sie brauchte lange, bis sie genug Gespür in ihrem Körper hatte, um sich einigermaßen zu regen und Lucius zu entdecken.
      Der Mann gammelte in einem Sessel nicht weit vom Bett entfernt und wirkte selbst, als könne er jeden Augenblick einschlafen - oder ohnmächtig werden? Als er sie allerdings hörte, richtete er seinen klaren, aufmerksamen Blick auf sie und Anthea schenkte ihm ein knappes, kleines Lächeln.
      "Du bist ja immer noch hier. Warst du etwa die ganze Nacht da?"
      Sie ließ sich von ihm erklären, dass er durchaus nicht die ganze Nacht dagewesen war, dass er gearbeitet hatte, dass er ein paar Informationen gesammelt hatte. Es passte zu seinem grenzwertigen Aussehen, mit dem er so wirkte, als hätte er sich zwischendurch in der Gosse gewälzt. Vielleicht war auch genau das geschehen, nur im Zusammenhang mit vermutlich einer Prügelei.

      "Was ist mit der Frau von gestern, hast du mit ihr gesprochen?"
      Anthea ließ sich erklären, dass Lucius in der Tat mit Elraya gesprochen hatte, auch wenn das Ende ihrer Unterhaltung etwas anders ausgesehen hatte. Da zog Anthea die Stirn in Falten und versuchte sich aufzurichten, was in einem gequälten Grunzen endete.
      "Du hast sie weggescheucht?"
      Sie starrte Lucius entgeistert an, wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben wütend mit ihm.
      "Sie ist wichtig, Luce! Sie ist der einzige Knotenpunkt zwischen Berek und außerdem diesem Weißhaarigen! Wie sollen wir irgendwas rausfinden, wenn sie sich gegen uns wendet? Sie kennt Berek und sie weiß vermutlich auch, wo der Weißhaarige sitzt."
      Sie verstummte für einen Moment, um sich ihre Wunden zu halten. Sie pochten schmerzhaft, als hätte sie noch immer Bolzen darin stecken.
      "Geh und finde sie und überrede sie dazu, uns zu helfen! Wenn wir schon Berek nicht mit dem Weißhaarigen entfernen können, will ich doch immernoch von ihm wissen, wer ihn da herumtransportiert. Ich will wissen, für was ich da arbeite - oder gearbeitet habe."
    • Das lächeln verblasste schnell und machte platz für einen ernsteren Ausdruck als Anthea anfing sich über seine Taten aufzuregen. Ihre Schmerzen mussten stark sein, andernfalls wäre sie ihn niemals so angegangen. Zumindest kam dies noch nie in dieser Art vor. Dennoch empfand er es als angebracht sie vorerst ausreden zu lassen bevor er eine Hand hob als wolle er der Druck im Raum mit einer kleinen Geste senken.
      "Überanstrenge dich nicht. Du hast ordentlich was abbekommen und brauchst deine Energie um dich zu erholen."
      Seine Worte waren leise und strahlten Ruhe aus. Der Ursprung galt aber seine Erschöpfung der Nacht. Um Anthea aber nicht im trüben fischen zu lassen, lehnte er sich in seinem Sessel vor, wobei er schnell seinen Bauch vor Schmerzen fasste und unter klaren Beschwerden nach einem Moment nach vorne gebeugt da saß und das Thema direkt auf den Punkt brachte.
      "Ich habe mit dem weißhaarigen gesprochen.."
      Diese Nachricht ließ er vorerst im Raum stehen bevor er nach einigen Augenblicken fortsetzte.
      "Ich habe so einige Informationen.. War ne lange Nacht."
      Als das Licht besser auf ihn fiel, konnte man den starken Schatten unter seinen Augen erkennen. Noch wenige Momente zuvor musste er in einem lebensbedrohlichen Zustand gewesen sein.
      "Ich hab deren Unterschlupf gefunden, hab es infiltriert und habe dank hilfreicher Informationen sogar den Typen ausfindig gemacht. Er wird ziemlich gut bewacht aber ich habe eine Lücke gefunden um an ihn ran zu kommen. Eine Falle, wie du dir sicher denken kannst. Ich bin auf so einen bescheuerten Bluff reingefallen..."
      Er spuckte zur Seite auf den Boden als wäre sein beschmutzter Stolz weitaus schlimmer als sein körperlicher Zustand
      "Aber was solls... Ich habs raus geschafft und kann dir sagen.. Er ist auf unserer Seite. Er wird uns beiden helfen, vollkommen egal worum es geht. Seine Forderung sind lediglich drei Dinge. Elraya soll leben, es soll eine Nachricht an seine Gruppe verschickt werden und naja. Wir sollen dafür sorgen dass er seine Fesseln los wird, welche wohl nicht mal mit einem Schmiedehammer klein zu kriegen sind. Habs versucht. Da stand jede Menge zeug rum. Alles zerbrach an diesen seltsamen Fesseln."