Lucius bewegte sich tatsächlich gefährlich nahe an der Grenze des riskanten, so wie er mit Bereks Schwert hantierte. Wenn es eine Sache gab, die Anthea in der letzten Stunde begriffen und womöglich zeitgleich auch verinnerlicht hatte, dann war es, dass mit Berek nicht zu spaßen war. Und ganz sicher sollte man ihn nicht provozieren, wenn er in wortwörtlichen Flammen aufgehen konnte.
"Lass das!", fauchte sie daher ungehalten, als Lucius mit dem Schwert über den Stein kratzte. Das würde Berek ganz sicher nicht gefallen, blieb nur zu hoffen, dass er niemals herausfinden würde, woher die neuen Schrammen stammten.
Lucius erbarmte sich schließlich ihrer und steckte das Schwert weg, bevor er endlich ihrem Drang nachgab. Es war schon amüsant zu sehen, was für einen Effekt Anthea manchmal auf ihn haben konnte; anders würde sie sich kaum die Blöße geben, ihn so offen anzubetteln. Lucius war sowieso der einzige, bei dem sie sich sowas gestattete.
Er bedeutete ihr gleich ihm zu folgen und Anthea fügte sich widerstandslos. Sie verließen die kleine Nische, in die sie sich gedrängt hatten, und kletterten dann auf das Dach empor, von wo aus sie einen guten Überblick über die Straße hatten. Anthea warf Lucius einen ärgerlichen Blick zu, während er ihr den letzten Absatz hochhalf. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass sie ihn nach seiner Auskunft fragen würde, natürlich hatte er sich genau so positioniert, um sie auch an der richtigen Stelle abzufangen, natürlich hatte er sie von vornherein beobachtet, sich ihren Weg gemerkt und dann geschlussfolgert, dass sie denselben Weg zurück nehmen würde, bevor er diese Stelle ausgesucht hatte. Auch wenn sie dachte die Oberhand zu haben, hatte sie sie doch nur selten. Lucius war ihr in solchen Sachen einfach immer einen Schritt voraus.
Sie ging zur Mauer, stellte sich neben ihm auf, lehnte sich darauf und blickte auf die Straßen hinab. Eine höhere Anzahl Soldaten marschierte im Laufschritt Richtung Süden, was wohl kaum verwunderlich war. Ansonsten war alles wie immer.
"Fesseln aus Stein?"
Anfänglich hätte sie auf Sklavenhandel getippt, aber solche Fesseln kamen ihr dann etwas zu exzentrisch vor. Ganz abgesehen davon, dass wegen einem einzelnen Sklaven wohl kaum ein solcher Aufwand gemacht werden würde - außer es handle sich um den König persönlich. Aber soweit Anthea wusste, besaß kein Mitglied der Königsfamilie schneeweiße Haare.
Sie sah auf Lucius hinab, dessen Miene einen ernsten Ausdruck angenommen hatte. Mit diesem Ausdruck fand sie immer, dass man sein Gehirn rattern sehen konnte. Es war beinahe schon niedlich anzusehen.
"Vielleicht war er ja mal einer von ihnen? Das würde wohl auch erklären, wie er den Wagen so schnell gefunden hatte. Und weshalb er die Leute kannte."
Es war zwar schwierig vorzustellen, dass Berek mal Teil einer ganzen Gruppe gewesen war, aber unmöglich war es nicht. Ganz zu schweigen davon, dass sowieso niemand begriff, wie er sich ein solches Netzwerk in Shegar ersponnen haben konnte.
Anthea sah wieder auf die Straße, um bloß nicht den Wagen zu verpassen. Sie stand nahe genug an Lucius, dass ihr Bein seine Schulter streifte.
"Die rothaarige zum Singen bringen? Okay. Ist vielleicht nicht schlecht. Aber wir werden sie erreichen müssen, bevor Berek sie findet; nach dem, was ich heute gesehen habe, weiß ich nicht, was er mit ihr anstellen will."
Sie blickte die Straße hinab.
"Das machst aber du, ich steh nicht so auf Folter."
Eigentlich stand sie auf nichts, was in geschlossenen Räumen ohne viel Ablenkungsmöglichkeiten stattfand. Ihre Kindheit hatte sie solche Räume das Hassen gelehrt und später hatte sie herausgefunden, dass es viel eingänglichere Methoden gab um Kontrolle zu schaffen, als jemanden an einen Stuhl zu binden und zu häuten, bis er in Todesqualen alles beichtete, was man hören wollte. O ja, es gab definitiv weitaus eingänglichere Methoden.
"Oh!"
Sie lehnte sich plötzlich über die Mauer, als sie die kleine Karawane erkannte, die sich vom Ende der Straße aus näherte.
"Da ist er, Luce!"
Der Wagen kam heran, umgeben von charakteristischen Kuttenträgern, und Anthea beugte sich noch weiter nach vorne, um einen Blick auf das Innenleben erhaschen zu können. Ihr geschultes Auge suchte nach Lücken in der Wagenkonstruktur, durch die sie hinein blicken konnte und tatsächlich gab es mehrere Stellen, die nicht ganz abgedichtet waren und besonders von ihrem Standpunkt aus wenig Sichtschutz boten. Sie kniff die Augen zusammen und starrte so lange hinein, bis der Wagen weiterzog und sie bald nichts mehr sehen konnte.
"Du hast recht, das ist ein Kerl mit weißen Haaren und Handschellen. Und dafür soll ich ein ganzes Tor aufsprengen, für einen Menschenhandel? Vielleicht ist er ein König?"
Sie beobachtete den Zug, bis er vollständig wieder verschwunden war. Sie hätte versuchen können ihn zu verfolgen, aber das würden schon ihre Männer erledigen - und Lucius'.
"Du besorgst die rothaarige, Luce. Und hör dich auch mal um, ob irgendjemand so einen weißhaarigen Kerl kennt. Auch noch einen in Fesseln."
Sie stieß sich von der Mauer ab und hielt ihm die Hand hin, um ihm beim aufstehen zu helfen. Als er stand, lagen ihre Hände einen Moment länger ineinander als nötig war.
"Ich muss erst meine Bezahlung abholen gehen, dann bin ich bei dir. Sag mir dann, was du bis dahin rausgefunden hast."
"Lass das!", fauchte sie daher ungehalten, als Lucius mit dem Schwert über den Stein kratzte. Das würde Berek ganz sicher nicht gefallen, blieb nur zu hoffen, dass er niemals herausfinden würde, woher die neuen Schrammen stammten.
Lucius erbarmte sich schließlich ihrer und steckte das Schwert weg, bevor er endlich ihrem Drang nachgab. Es war schon amüsant zu sehen, was für einen Effekt Anthea manchmal auf ihn haben konnte; anders würde sie sich kaum die Blöße geben, ihn so offen anzubetteln. Lucius war sowieso der einzige, bei dem sie sich sowas gestattete.
Er bedeutete ihr gleich ihm zu folgen und Anthea fügte sich widerstandslos. Sie verließen die kleine Nische, in die sie sich gedrängt hatten, und kletterten dann auf das Dach empor, von wo aus sie einen guten Überblick über die Straße hatten. Anthea warf Lucius einen ärgerlichen Blick zu, während er ihr den letzten Absatz hochhalf. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass sie ihn nach seiner Auskunft fragen würde, natürlich hatte er sich genau so positioniert, um sie auch an der richtigen Stelle abzufangen, natürlich hatte er sie von vornherein beobachtet, sich ihren Weg gemerkt und dann geschlussfolgert, dass sie denselben Weg zurück nehmen würde, bevor er diese Stelle ausgesucht hatte. Auch wenn sie dachte die Oberhand zu haben, hatte sie sie doch nur selten. Lucius war ihr in solchen Sachen einfach immer einen Schritt voraus.
Sie ging zur Mauer, stellte sich neben ihm auf, lehnte sich darauf und blickte auf die Straßen hinab. Eine höhere Anzahl Soldaten marschierte im Laufschritt Richtung Süden, was wohl kaum verwunderlich war. Ansonsten war alles wie immer.
"Fesseln aus Stein?"
Anfänglich hätte sie auf Sklavenhandel getippt, aber solche Fesseln kamen ihr dann etwas zu exzentrisch vor. Ganz abgesehen davon, dass wegen einem einzelnen Sklaven wohl kaum ein solcher Aufwand gemacht werden würde - außer es handle sich um den König persönlich. Aber soweit Anthea wusste, besaß kein Mitglied der Königsfamilie schneeweiße Haare.
Sie sah auf Lucius hinab, dessen Miene einen ernsten Ausdruck angenommen hatte. Mit diesem Ausdruck fand sie immer, dass man sein Gehirn rattern sehen konnte. Es war beinahe schon niedlich anzusehen.
"Vielleicht war er ja mal einer von ihnen? Das würde wohl auch erklären, wie er den Wagen so schnell gefunden hatte. Und weshalb er die Leute kannte."
Es war zwar schwierig vorzustellen, dass Berek mal Teil einer ganzen Gruppe gewesen war, aber unmöglich war es nicht. Ganz zu schweigen davon, dass sowieso niemand begriff, wie er sich ein solches Netzwerk in Shegar ersponnen haben konnte.
Anthea sah wieder auf die Straße, um bloß nicht den Wagen zu verpassen. Sie stand nahe genug an Lucius, dass ihr Bein seine Schulter streifte.
"Die rothaarige zum Singen bringen? Okay. Ist vielleicht nicht schlecht. Aber wir werden sie erreichen müssen, bevor Berek sie findet; nach dem, was ich heute gesehen habe, weiß ich nicht, was er mit ihr anstellen will."
Sie blickte die Straße hinab.
"Das machst aber du, ich steh nicht so auf Folter."
Eigentlich stand sie auf nichts, was in geschlossenen Räumen ohne viel Ablenkungsmöglichkeiten stattfand. Ihre Kindheit hatte sie solche Räume das Hassen gelehrt und später hatte sie herausgefunden, dass es viel eingänglichere Methoden gab um Kontrolle zu schaffen, als jemanden an einen Stuhl zu binden und zu häuten, bis er in Todesqualen alles beichtete, was man hören wollte. O ja, es gab definitiv weitaus eingänglichere Methoden.
"Oh!"
Sie lehnte sich plötzlich über die Mauer, als sie die kleine Karawane erkannte, die sich vom Ende der Straße aus näherte.
"Da ist er, Luce!"
Der Wagen kam heran, umgeben von charakteristischen Kuttenträgern, und Anthea beugte sich noch weiter nach vorne, um einen Blick auf das Innenleben erhaschen zu können. Ihr geschultes Auge suchte nach Lücken in der Wagenkonstruktur, durch die sie hinein blicken konnte und tatsächlich gab es mehrere Stellen, die nicht ganz abgedichtet waren und besonders von ihrem Standpunkt aus wenig Sichtschutz boten. Sie kniff die Augen zusammen und starrte so lange hinein, bis der Wagen weiterzog und sie bald nichts mehr sehen konnte.
"Du hast recht, das ist ein Kerl mit weißen Haaren und Handschellen. Und dafür soll ich ein ganzes Tor aufsprengen, für einen Menschenhandel? Vielleicht ist er ein König?"
Sie beobachtete den Zug, bis er vollständig wieder verschwunden war. Sie hätte versuchen können ihn zu verfolgen, aber das würden schon ihre Männer erledigen - und Lucius'.
"Du besorgst die rothaarige, Luce. Und hör dich auch mal um, ob irgendjemand so einen weißhaarigen Kerl kennt. Auch noch einen in Fesseln."
Sie stieß sich von der Mauer ab und hielt ihm die Hand hin, um ihm beim aufstehen zu helfen. Als er stand, lagen ihre Hände einen Moment länger ineinander als nötig war.
"Ich muss erst meine Bezahlung abholen gehen, dann bin ich bei dir. Sag mir dann, was du bis dahin rausgefunden hast."