The Curse of Time {TobiMcCloud & Codren}

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    • Anthea blieb wohl oder übel draußen stehen, während Berek im Inneren der Halle verschwand. Ein wenig skeptisch verschränkte sie die Arme über der Brust und tat es dem Mann gleich, indem sie einmal über ihre rechte und linke Schulter blickte. Wenn das irgendein schmieriger, dreckiger Hinterhalt von ihm sein sollte, würde sie aber...
      Das Licht von dem Lagerhaus unterbrach sie in ihrem Gedanken und sie starrte verblüfft durch die hoch liegenden Fenster. Trotz der Farbe wirkte es merkwürdig "normal", obwohl Anthea kaum von einer Möglichkeit wusste, eine solche Beleuchtung hervorzurufen. Und dann erst das Feuer - sie hatte keine Erklärung dafür, deswegen starrte sie nur.
      Als Berek wieder herauskam, hatte das Haus bereits Feuer gefangen, als hätte man es auf einfachem Weg angezündet, nur mit dem Unterschied, dass es vielleicht zehn Sekunden gedauert hatte und so perfekt brannte, als hätte man alle Ecken gleichzeitig angezündet. Es war nahezu perfekt, nicht zu vergleichen mit irgendetwas, was Anthea jemals erlebt hätte. Es war ein absolutes Meisterwerk.
      "Das ist...", begann sie, unfähig dazu das richtige Wort zu finden. Atemberaubend? Fantastisch? Herausragend?
      "... Meisterhaft. Nein, das kommt nicht gut hin, das ist... hervorragend. So ein perfekter Brand, sieh dir das an, sogar in der Traufe sind schon die Flammen! Das wird alles gleichzeitig zusammenbrechen, keine Chance, dass da irgendwas noch stehen bleibt!"
      Ihre Augen leuchteten zusätzlich zu den tanzenden Flammen. Was für ein Talent, was für Möglichkeiten dafür! Das alles in weniger als einer Minute!
      "... Du könntest den ganzen Marktplatz in Brand stecken, nicht wahr? Wie lang würde dich das dauern für einen Bezirk, fünf Minuten? Weißt du eigentlich, was für ein lebensnotwendiger Trick das ist, den du da veranstaltet hast?! Den musst du mir zeigen, du musst! Ich werde mich sonst weigern, dir weitere Informationen zu geben!"
      Sie meinte ihre Worte nur halb so ernst, wie sie sie aussprach. Natürlich würde sie Berek weiterhin Informationen geben - nach dem hier würde sie ihm wahrscheinlich alles geben, wonach er verlangte, nur um zu lernen, wie er die Flamme heraufbeschwören konnte.
    • "Ich muss ihn dir zeigen?"
      Fragte Berek mit hoch gezogener Augenbraue während er seinen Mantel richtete.
      "Du weißt nun was passieren wird, sollte mich dein Freund noch ein mal reizen. Nur unsere Zusammenarbeit hat dafür gesorgt, dass er, seine Freunde und das gesamte Viertel noch steht."
      Man konnte in seiner Stimme hören wie es ihn noch immer reizte nur über die Situation zu sprechen. Als er sich aber wieder gefangen hatte, legte er seinen Kopf leicht schräg als würde er nachdenken.
      "Ich kann mir denken dass du ihm von mir und meiner Fähigkeit berichten wirst, auch wenn man es dir vermutlich nicht glauben wird. Doch lass dir gesagt sein, dass es sich lohnt über Dinge zu wissen die außerhalb der Mauern existieren."
      Nun musterte er Anthea von oben bis unten und konnte sich ein leicht arrogantes lachen nicht erwehren.
      "Und mal ganz unter uns. Sowas kann ich dir nicht beibringen. Es gibt nur eine Hand voll an Menschen auf dieser Welt die auch nur im Ansatz erlernen können einen Bruchteil meiner Macht zu entwickeln. Es gibt zwar gewisse Methoden... jedoch... wird es einiges kosten. Und ich rede nicht von Gold."
      Dann hatte der Brand aber schon für genug Aufmerksamkeit gesorgt, dass mehrere Löschtrupps angerannt kamen. Der Rauch der nach oben hin weg zog war schon jetzt gigantisch und erste Teile des Daches brachen ein während Berek weiterhin in die Augen der Frau blickte.
    • Bereks Aussage holte Anthea wieder ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie war ganz für diesen unglaublichen Trick mit dem Feuer, das war immerhin Teil ihrer Spezialität, sie wollte Feuer legen und dabei auch noch so perfekte wie dieses hier, aber selbst ihre draufgängerische Art hatte ihre Grenzen, an die sie sich hielt. Sie hatte schließlich einen Standard aufrecht zu erhalten und einen hoch frequentierten Bezirk abzufackeln, der zudem noch ihr Arbeitsplatz war, fiel definitiv nicht in diesen Standard.
      "Wenn du anfängst hier wahllos deine Konkurrenten abzubrennen, wirst du bald aus dem Spiel rausfliegen, Berek. Ich meine das nicht nur, weil ich Ilyos schützen will - und das will ich schon auch, er ist ein guter Mann, hat gute Kontakte - aber sogar du musst dich an die Regeln halten. Und du weißt noch nicht einmal wie die Regeln lauten, an deiner Stelle würde ich das zuerst lernen, bevor ich mich reinstürze."
      Berek schien sich vorerst davon wieder beschwichtigen zu lassen, was Anthea nicht sehr überraschte. Der Mann wirkte viel eher wie ein besonnener Stratege als eine brennende Bombe, die jederzeit hochgehen konnte. Sie hatte bereits recht schnell gelernt, dass Berek mit Logik zu lenken war, eine Erkenntnis, die ihr sicherlich noch nützlich sein würde.
      Sie stellte sich seinem folgenden, abwertenden Blick ohne eine Regung zu verspüren. So wie Berek mit Logik zu lenken war, gab es auch etwas, das Anthea manipulieren konnte, aber das war weit von unterschwelligen Beleidigungen entfernt, so elegant wie sie auch ausgedrückt sein mochten.
      Dementsprechend schnalzte sie nur mit der Zunge.
      "Schon klar, du willst dich rar machen, verstehe ich. Ist eine gute Strategie, besser als wahllos herumzufackeln. Dann behalte deine irren Tricks für dich, ich komme auch ohne aus. Meinen Körper werde ich für gar nichts verkaufen, nur, damit du nicht denkst, ich könnte mich auf irgendeinen irrsinnigen Deal einlassen."
      Sie beobachteten bald teilnahmslos, wie die ersten Löschwägen herangefahren kamen und brüllende Männer das Feuer zu bezwingen versuchten. Anthea hatte schon genug Brände gesehen um zu wissen, dass sie es nicht in den Griff bekommen würden, erst recht nicht nachdem es ein solch perfekter Brand war, aber sie blieb dennoch einen Moment stehen, um dem armseligen Versuch zuzusehen. Dann wurde es ihr auch schon zu langweilig.
      "Genug Ausflüge für heute. Ich werde mich aufs Ohr hauen, muss immerhin früh raus morgen. Halte dich an die Regeln, Berek, und sei pünktlich morgen - Südtor, nicht vergessen."
      Sie klopfte sich - was eine respektvolle Geste sein sollte - ans Schlüsselbein und verzog dann die Miene, als Berek sie einfach nur anstarrte.
      "Kennst du das nicht? Musst du kennen, wenn du hier wohnen willst, ist Tradition. Nagrius der II. - die fette Statue auf dem Marktplatz - wurde enthauptet, aber der Henker hatte schlecht gezielt, hat statt seinem Hals seine Schultern getroffen und damit sein Schlüsselbein. Das", sie tippte sich gegen besagten Knochen, "ist der schwächste Knochen im Körper, gab gar keinen Widerstand. War furchtbar laut und furchtbar blutig, keine Enthauptung für einen König. Seitdem heißt das in der Unterwelt - in unserer Welt - so viel wie: Ich zeige dir, wo mein schwächster Knochen sitzt, damit du weißt, wie hoch du zielen musst."
      Sie grinste und zwinkerte Berek dann zu, wiederholte ihre Geste und machte einen Abgang, noch immer das Grinsen im Gesicht. Bevor sie ganz verschwunden war, drehte sie sich noch einmal zu ihm um und rief zurück:
      "Und denk nicht dran mir zu folgen, ich schneide dir die Eier ab, wenn du mich stalkst!"

      Das Südtor war an die breite Hauptstraße angebunden und besaß drei verschiedene Plätze, die teilweise für kleine Märkte, temporäre Lager, Versammlungen oder einfach nur für Verkehrsstau genutzt wurden. In unmittelbarer Umgebung waren mehrere Kasernen stationiert, ein paar Lagerhäuser und eine weitere große Statue, ein fliegender Falke, der als Symbol der Krone über die ankommenden Reisenden wachte. Die Statue war besonders eindrucksvoll, nachdem sie nicht so aussah, als wäre sie jemals zum Opfer der Kreaturen gefallen.
      Anthea saß auf einer Kiste eines herrenlosen Standes und schälte eine Orange mit ihrem Jagdmesser, während sie den morgendlichen Geräuschen lauschte, dem Knarren der Wägen, dem Wiehern der Pferde, den entfernten Befehlen der Soldaten. Es war noch zu früh am Morgen, die Sonne war noch kaum aufgegangen, und Anthea hatte ihr Gehirn noch nicht gänzlich in Gang gebracht, aber sie hatte auch noch nicht mit ihrem morgendlichen Rundgang begonnen. Für den Moment genoss sie noch die verhältnismäßige Stille, wohlwissend dass sie selbst die Macht besaß, diese Stille von einem auf den anderen Moment in pures Chaos zu verwandeln. Es war ein überaus befriedigendes Gefühl so sehr Herr über die Lage zu sein, um nicht jede Sekunde Kontrolle ausüben zu müssen. Es hatte Anthea lange genug gebraucht, überhaupt so weit zu kommen und jetzt war sie schon beinahe stolz über ihren erreichten Erfolg.
    • "Natürlich nicht" meinte Berek beiläufig als Anthea meinte ihre warnenden Worte nicht nur zu erläutern um Ilyos zu schützen. Dennoch hörte er ihr weiterhin zu.
      Einem Schmunzeln konnte er sich dann aber doch nicht erwehren, als sie meinte, er müsste sich an Regeln halten die er noch nicht kannte. Zu gerne hätte er sie eines Besseren belehrt aber es wäre ziemlich töricht gewesen diesen Fluss an Informationen jetzt zu unterbrechen, also lies er sie alles sagen was sie los werden wollte.
      Es war schon lustig anzusehen, dass sie erst so begeistert war und nun so tat als wäre ihr egal was er ihr zu bieten hatte.
      Ungeachtet dessen, dass die Löschtruppen schon an ihr Werk gingen, welches zum scheitern verurteilt war, nahm er ihre grobe Verabschiedung in Kauf, doch war die Art doch ziemlich sonderbar.
      Wohl ziemlich offensichtlich verwirrt, erhielt er eine Erklärung über die Art der üblichen Verabschiedung und dessen lächerlichem Hintergrund, welches er nur mit einem müden Nicken ab tat. Viel wichtiger war ihm nun einen Weg zu finden, wie er die anderen Bezirke nieder stampfen konnte. Immerhin schien hier kaum einer zu wissen was für eine Macht ein Menscht haben konnte. Doch bevor er sich der Aussage einer einzigen Frau anvertrauen würde, beschloss Berek vorerst eine teure Bibliothek aufzusuchen. Es gab jede Menge für ihn zu recherchieren.

      "Pass auf.."
      Hallte es aus der dritten Gasse die Anthea passierte nachdem sie sich vom Feuerteufel trennte.
      Als der Rat Anthea zu stoppen vermochte, trat ein Mann aus dem schattigen Gang hervor, welcher aussah als hätte er selbst das Chaos zum Frühstück gelöffelt.
      Er lehnte sich am Ende des Ganges gegen die Hauswand und löste einen kurz anhaltenden Blick zu Anthea um den in naher Ferne verschwindenden Berek nach zu sehen.
      "Der Kerl ist sogar für deine Verhältnisse ein ziemlich brenzliches Spiel. An dem kann man sich nur verbrennen."
      Entgegen seiner warnenden Worte, grinste er ehe sein Blick wieder auf Anthea fiel.
      "Na? Was hast du mit dem zu tun? Ich verfolg den seit er mit seinem kleinen Mädchen die Stadt betreten hat und kaum geht hier was größeres ab, sehe ich dich mit ihm reden."
      Daraufhin blickte er kurz jede mögliche Ecke und jeden Gang nach möglichen Beobachtern ab ehe er auf Anthea zu kam und sie grob am Hals packte. Er zog sie leicht zu sich und fing dabei fies an zu grinsen, stoppte ihr Gesicht vor seinem ehe er flüsterte
      "Du wirst beobachtet. Lass dich nicht auf diesen Kerl ein. Noch vor Ende dieser Woche wird sein Name und seine Verbündeten das Einzige sein was lebt."

      Lucius
      Lucius.png
    • Anthea konnte die Stimme bereits zuordnen, bevor sie den Mann sah. Sie hätte sie überall wiedererkennen können.
      Sie gehorchte und blieb stehen, nicht aber ohne die Augen in theatralischer Weise zu verdrehen. Hatte er sie beobachtet? Das würde ihm ähnlich sehen.
      Sie drehte sich zu ihm um, gerade rechtzeitig um zu beobachten, wie er aus der Gasse geschlendert kam. Lucius hatte schon immer ein Gefühl für zeitlich perfekte Auftritte.
      "Achja? Wer will das einschätzen, etwa du? Ich glaube viel eher, du willst ihn für dich selbst haben. Deinen eigenen, persönlichen Brandschatzer."
      Sie musterte den Mann vor ihr. Man konnte Lucius leicht für einen arroganten, manchmal verzogenen Bengel halten, der in der Stadt kein anderes Ziel verfolgte als sein Vergnügen, aber Anthea kannte ihn bereits gut genug um zu wissen, dass nur Teile davon der Wahrheit entsprachen.
      Vielleicht kannte sie ihn sogar ein bisschen zu gut, gut genug jedenfalls, um nicht zurückzuweichen, als er zu ihr aufholte und sie an ihrem Hals zu sich zog. Seine Hand lag warm auf ihrer Haut, ein merkwürdiger Kontrast zu seiner ruppigen Bewegung, wie ihr merkwürdigerweise auffiel. Die Aktion hinterließ einen leichten Schauer auf ihrem Rücken.
      Sie kniff die Augen zusammen, während sie seinem Blick standhielt.

      "Du meinst ich werde von jemandem außer dir beobachtet? Das ist wirklich was neues. Ich sollte mir diesen Tag merken, meinst du nicht?"
      Sein Atem streifte über ihre Haut, lockte ihren Blick zu seinen Lippen hinunter, wo sie sich für einen Moment festsetzten, bevor sie wieder nach oben wanderten. Kaum eine Sekunde später piekste ihn ihr Messer in den Bauch.
      "Meinst du echt du bist schneller als ich, Luce?", hauchte sie, kaum lauter als ein Flüstern. "Komm schon, ich hab hier schon Feuer gelegt, da hast du gerade mal deinen ersten Überfall geplant."
      Natürlich war das eine Übertreibung und entsprach kaum der Wahrheit, aber Anthea mochte es Lucius zu triezen. Dann glitzerte es immer in seinen Augen, als ob er sich an der Herausforderung erfreute.
      "Vorschlag: Du lässt mich los und ich werde dich nicht abstechen. Klingt das nach einem Deal?"
      Sie starrten sich noch einen Moment länger an, die Körper schon beinahe so nahe um sich zu berühren, dann lösten sie sich und Anthea ließ ihr Messer wieder verschwinden. Sie sah sich einmal nach Berek um, während sie zeitgleich die Straße absuchte, so wie es Lucius vorhin getan hatte.

      "Was meinst du damit, er wird der einzige sein, der lebt? Dieser Kerl? Er legt ja ganz gute Brände, aber ich glaube er ist viel zu dickköpfig, er wird sich irgendwann verrennen. Spätestens Einauge wird ihm den Hals verdrehen, da kann er noch so einen großen Mund haben."
      Sie kniff die Augen wieder zusammen.
      "Was interessiert es dich eigentlich? Bist du mir etwa von der Innenstadt aus gefolgt, du alter Stalker?"
    • Lucius lies seine Augen nicht von Anthea während sie ihn berechtigt mit Fragen löcherte, doch schien sie die Warnung entweder erkannt zu haben und wollte damit spielen oder sie würde sich schon bald verbrennen.
      Bevor das passieren konnte, lies er ihren Hals los, packte stattdessen ihr Handgelenk und zog sie mit in die Gasse, aus welcher er zuvor gekommen war. Er sprach ohnehin schon zu lang mit ihr, das sollte besser keiner aus ihrer oder seiner Fraktion mitbekommen.

      In der Gasse und dem deutlich verschlagenerem Schatten, lies er Anthea los und stützte eine Hand gegen seine Seite und sah sie doch etwas ernster an.
      "Hör zu. Der Kerl ist ein Psychopath. Keiner von der Sorte der man mal eben nen Messer rein jagt. Hast du nicht von ihm gehört? Was in Shegar passierte?"
      Daraufhin verschränkte er seine Arme und lehnte sich gegen die kaltnasse Steinwand.
      "Kaum dass der Kerl und seine Begleitung hier ankamen, sollte ich mich an ihn hängen und rausfinden was der hier will. Da wirds dann aber seltsam. Nicht mal der Herzog in Shegar hat nach wem suchen lassen. Ein Stadtteil geht unter und keiner soll dafür büßen? Ist doch merkwürdig. Dann hab ich meine Vögelchen in Shegar beauftragt etwas tiefer zu bohren. Zwei von ihnen starben. Der Dritte hat mir noch ne Nachricht zukommen lassen"
      Schon zupfte er eine kleine Rolle aus seiner Tasche und wedelte mit dieser herum.
      "Berek und ein kleiner Trupp an sehr sonderbaren Leuten waren beteiligt. Ein weißhaariger Kerl mit hellen, widernatürlichen Augen und seinem Gefolge. Steht alles hier drin. Leider hört es bei der Begründung des Botens Warnung auf. Ich schätze er wurde verfolgt und hat im letzten Moment die Taube los geschickt."
      Anthea die Nachricht hin haltend, legte er wieder sein grinsen auf.
      "Kannst sie haben. Bisher weiß Zark noch nichts davon und das kann meinetwegen auch so bleiben. Der wird mir den Tod meiner Boten sicher wieder in die Schuhe schieben."
      Was wohl eher Lucius Art war Anthea seine Zuneigung auszudrücken.
    • Anthea ließ sich anstandslos von Lucius entführen - nicht, dass sie sich vor ihm hüten müsste. Wenn er ihr etwas anhaben wollte - und Gründe dafür könnte er durchaus finden - hätte er es schon längst getan, wie mehrfach bewiesen. Die reine Tatsache, dass er sich vorhin an sie herangeschlichen hatte, zeugte schon davon, dass sie schon längst hätte tot sein können.
      Nicht dass sie glaubte, er würde es tatsächlich wollen, aber ihre beider Bezirke waren nicht unbedingt gut Wort zueinander. Wenn jemand Lucius dazu beauftragte sie zu beseitigen, was sollte er da schon etwas anderes tun als den Befehl auszuführen?
      Anthea verschränkte die Arme vor der Brust, als er sie schließlich losließ, und musterte den Mann. Er war dünner geworden, oder kräftiger? Sein Aussehen glich im Dunkeln der Straße viel mehr als sonst dem einer Raubkatze, einem lauernden, gerissenen Tod, der in ihrer Gegenwart ein wenig die Fassade fallen ließ. Sie musste ein wenig schmunzeln bei dem Gedanken, denn er gefiel ihr ganz gut. Sie hatte eine Raubkatze gezähmt. Das musste man ihr erstmal nachmachen.
      Schließlich konzentrierte sie sich doch mehr auf seine Worte und machte einen abschätzigen Laut.
      "Natürlich habe ich gehört, was in Shegar passiert ist, hier wird doch schon seit Tagen von nichts anderem geredet. Trotzdem ist er nur ein Mann - ein ziemlich menschlicher Mann noch dazu, wenn du mich fragst. Kein Geist, kein Dämon, kein Teufel oder wie auch sonst alle über ihn spekulieren. Einfach nur ein Mann."
      Sie zuckte mit den Schultern um lässig zu wirken, aber ihr Körper hatte sich ein wenig versteift, um es besonders lässig rüberkommen zu lassen. Stattdessen wirkte es eher so, als habe sie sich ungewollt geschüttelt.
      "Vielleicht ist er ein Psychopath, aber da ist er hier nicht der einzige. Ich seh das Problem nicht."
      Sie lauschte ihm weiter, aufmerksamer dieses Mal, damit ihr auch kein Detail entging. Es störte sie, dass er den Triumph, mehr zu wissen als sie, so sehr ausspielte, aber sie war viel zu neugierig, um angemessen darauf einzugehen. Stattdessen legte sie die Stirn in Falten.
      "Gib mir das."
      Sie schnappte sich die Rolle aus seiner Hand und schlug sie auf, um die wenigen Zeilen zu überfliegen. Zumindest hatte er nicht gelogen, obwohl ihr schon ein wenig mulmig zumute war bei dem, was der Bote dort berichtete. Und das sollte wirklich derselbe Mann sein, mit dem sie vorhin noch einen getrunken hatte?
      "Bist du dir sicher?", murmelte sie und kniff die Augen zusammen, als sie zu Lucius aufsah. Er hatte einen selbstgefälligen Ausdruck im Gesicht, für den sie ihn am liebsten geschlagen hätte.
      "Die Wahrheit ist: Er ist zu mir gekommen, nicht andersrum. Ich wusste gar nicht, dass er in der Stadt war, hab's für einen Mythos gehalten! Aber dann ist er aufgetaucht und hat sich offenbart und -"
      Sie stockte, als ihr etwas bewusst wurde und ein Schauer sie überfuhr. Ihre Augen weiteten sich ein bisschen, aber sie bemühte sich zu einer ausdruckslosen Miene zurück, um sich nicht vor Lucius die Blöße zu geben.

      "Er hat doch was geplant, oder nicht? Berek, die Spinne aus Shegar, kommt doch nicht freiwillig in die Stadt und nimmt einen Auftrag als Informant an, noch dazu bei jemandem wie mir, oder? Bei Ilyos vielleicht, vielleicht bei Zark, aber bei mir? Er muss doch wissen, wie weit unten ich im Rang stehe!"
      Und dass sich das auch nicht so schnell ändern würde, nicht bei der Lautstärke, mit der Anthea agierte. Damit schreckte sie potentielle Vertragspartner ab.
      "Fuck! Ich hab keine Lust, irgendjemandes Spielzeug zu werden! Hast du nicht gesagt, dass du ihn beobachtest, Luce? Irgendwas... außergewöhnliches vielleicht entdeckt? Irgendwas, womit sich arbeiten lässt? Komm schon, hilf mir!"
    • Lucius liebte es wenn er die Oberhand gegenüber Anthea hatte, zumindest was Informationen anging.
      "Wiebitte? Du möchtest meine Hilfe? Hab ich das grade richtig gehört?"
      Sein Grinsen wurde immer breiter während er den Abstand zu ihr verringerte bis sich ihre Körper ganz leicht berührten und er auf Anthea hinunter blickte. Als sich dabei beide ansahen, als würde gleich ein wilder Kampf vom Zaun brechen, legte er seine Hand an ihrer Seite und fuhr ganz sachte über ihre Haut während er beinahe flüsternd auf ihre Bitte einging.
      "Jetzt weißt du warum es mir nicht passt dass er dich aufgesucht hat. Noch ist er hier ein unbedeutender Wicht. Doch mach nicht den Fehler ihn zu unterschätzen. Er ist ein Meister in seinem Gebiet. Es würde mich nicht wundern wenn er bereits zu weben begonnen hat."
      Seine Hand wanderte weiter nach oben bis zwei seiner Finger sinnlich über ihre Schulter hin zum Schlüsselbein glitten
      "Wenn er wagt dich als Spielzeug zu nutzen, werde ich das mitbekommen."
      Noch etwas langsamer wanderte seine Hand vom Schlüsselbein in Richtung Dekolleté. Auch sein Blick wanderte nun hinunter.

      "Was treibt ihr da!"
      Brüllte es unterbrechend in die Gasse hinein. Ein kurzer Blick in Richtung der Stimme lies Lucius beherrscht aber dennoch genervt ausatmen ehe er einen Schritt von Anthea Abstand nahm und die Hände hoch zu erheben als wolle er sich ergeben.
      "Schon gut schon gut. Hast uns erwischt. Wir waren grade dabei zwielichtige Geschäfte abzuschließen. Aber vertrauen sie mir, mehr als 5 Wachen wollten wir dieses Mal nicht umbringen, ich schwörs!"
      Lucius liebte es den Wachen einen Grund zu geben. Auch wenn sein Zynismus geradezu greifbar war, klappte es jedes mal die Wachen wütend zu machen.
      "Was sagst du da Bursche?! Willst wohl für ne Woche in den Kerker."
      Die Wache wedelte mit der Hand um noch zwei weitere zu sich zu rufen ehe sie in die Gasse kamen um Lucius ein Schwert entgegen zu halten. Dieser spitzte nur die Lippen und hob seinen Kopf an, verlor dabei aber nie seinen amüsierten Ausdruck
      "Ohooo, das ist ja ein scharfes Schwert. Seit wann dürft ihr Blechmänner denn mit sowas rum laufen?"
      "Du kleiner...!" die Wache wechselte den Griff des Schwertes um Lucius den Knauf ins Gesicht zu rammen. Der Schlag war so stark, dass dieser ein paar Schritte nach hinten stolperte und zu Boden fiel ehe ein Wenig Blut aus seiner Nase lief, doch das Grinsen blieb nach wie vor.
      "Es reicht! Nehmt die beiden fest. Schmeißt das Weib in die Zelle der Männer."
      Dann erkannten die drei Wachen erst wer die Frau war, was alle drei nur noch mehr erfreute
      "Ach. Wenn das nicht das vorlaute Miststück von neulich ist. Mal sehen ob du noch immer so eine große Klappe hast wenn wir dich für eine Woche weg gesperrt haben."
      Lucius musste dann doch anfangen zu lachen.
      "Ihr müsst echt neu hier sein oder? Wenn ihr glaubt dass drei von euch ausreichen um sie wegzusperren.... Ach was red ich lang."
      Dann nickte er Anthea zu und richtete sich wieder etwas auf um das Schauspiel besser mitverfolgen zu können dass wohl bald los ging.
      Mit überkreuzten Beinen saß er nur da, wischte seine Hand ein mal unter seiner Nase entlang, das das Blut gut über sein halbes Gesicht verteilte.
    • Anthea verharrte atemlos an Ort und Stelle, den Blick unentwegt auf Lucius gerichtet. Sie hätte nicht vielen erlaubt ihr so nahe zu kommen, aber bei Luce war das etwas anderes. Es war seine suggestive Art, die sie manchmal fesselte, die Tatsache, dass seine Finger zu ihrem Schlüsselbein zogen und nicht an andere, auffälligere Körperstellen. Es fröstelte ihr leicht bei dem Hintergrundgedanken, den sie dabei austauschten: Sie übergab ihm die Kontrolle, sie ließ ihm den Willen, die schwächste Stelle an ihrem Körper auszunutzen. Und er tat es nicht. Das Vertrauen beruhte auf Gegenseitigkeit.
      "Daran habe ich keine Zweifel", flüsterte sie schließlich zurück, kaum lauter als Lucius selbst, während sie sich ihm entgegen lehnte. Für ihn wäre sie so weit gegangen, wie er nur wollte - nur für ihn. Sie hätte viel für Lucius getan, dessen er sich wahrscheinlich gar nicht mal bewusst war.
      Bevor die Situation allerdings noch eskalieren würde, unterbrach ein Ruf ihre Zusammenkunft, dicht gefolgt von dem Besitzer der Stimme, der in seiner protzigen Uniform um die Ecke auftauchte. Ein Stich der Enttäuschung durchfuhr Anthea, während sie beide voneinander Abstand nahmen. Dabei war sie der Überzeugung gewesen, dass sie einen Moment alleine hatten.
      Lucius hatte ein genauso loses Mundwerk wie sie selbst, anders wären sie wohl nie so sehr aneinander geraten. Sie amüsierte sich prächtig, während der Mann sich mit der Wache anlegte, zumindest so lange, bis der Soldat zu weit ging. Da zog sie die Stirn in Falten und schnalzte missmutig mit der Zunge, während sie die Beleidigung über sich ergehen ließ. Sie als vorlautes Miststück zu bezeichnen war eine Sache, aber Lucius zu schlagen? Das ging dann doch zu weit, auch wenn er sich schnell wieder davon erholt hatte.
      "Was ist eigentlich dein Problem?! Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, wie man mit Frauen redet?!"
      Sie tauschte einen Blick mit Lucius aus, der noch immer am Boden saß und keine Anstalten machte, so schnell wieder aufzustehen. Wie schon zuvor konnten sie auch ohne Worte kommunizieren, rein durch die Kraft ihres Blickes dieses Mal. Anthea grinste, dann zwinkerte sie ihm zu.

      Es gab verschiedene Ausgänge aus dieser Lage, wobei nicht alle mit dem Tod enden mussten. Natürlich könnte Anthea sich auch ergeben, sich in den Kerker werfen lassen und von dort aus wieder ausbrechen, aber dieses Mal ging es ihr ums Prinzip, dass sie selbst entschied, wann sie in den Kerker wanderte, und nicht irgendein dahergelaufener Soldat.
      Dann gab es natürlich auch noch die Möglichkeit zur Flucht, wenn auch zu einer spektakulären. Es war nicht immer verkehrt den Kampfort zu verlassen, besonders wenn man in der Unterzahl war und noch dazu eigentlich gar keine Lust auf eine Prügelei hatte - oder wenn es in diesem Fall so herrlich viele Ablenkungsmöglichkeiten gäbe. Die Häuser um sie herum waren alle morsch und schlecht bebaut und auf den Straßen lag teilweise der Müll von den Bettlern und Obdachlosen. Anthea war sich ihrer Fähigkeiten so sicher, dass sie keine Zweifel daran hatte, noch binnen 10 Minuten alle drei Männer abgeschüttelt zu haben.
      Aber in diesem speziellen Fall wollte sie nicht abhauen. Ein bisschen - vielleicht auch viel? - um Lucius zu beeindrucken und ihm zu beweisen, dass sie es durchaus noch drauf hatte, aber ein bisschen auch, weil der Soldat ihn niedergeschlagen hatte. Sie hatte kein Problem damit beleidigt zu werden, aber wenn es jemand wagte Lucius' hübsches Gesicht zu verunstalten, würde sie ihn nicht nur mit einem blauen Fleck davonkommen lassen.
      Also zog sie ihr Messer hervor und die drei Soldaten wandten sich ihr zu.

      Anthea hatte - wie beinahe alle ihrer Halbschwestern - eine Ausbildung in Melora erhalten. Sie war nicht so weit gegangen wie bei ihrer ältesten Schwester - sie hatte sie seit 12 Jahren schon nicht mehr gesehen und hoffte ein bisschen darauf, dass sie verreckt war - aber es war doch eine angemessene Grundausbildung gewesen. Die Ausbildung hatte ihr den Zugang zur Königsstadt verschafft und als sie einmal drin gewesen war und sich mit ihren Fähigkeiten durch anfängliche Konflikte geschlagen hatte, hatte sie sie in eine etwas andere Richtung ausgefeilt. Schließlich hatte sie gelernt, die Waffe gegen Kreaturen zu erheben, aber Menschen waren eigentlich nicht viel anders als Kreaturen. In den meisten Fällen lediglich kleiner, dünner und hässlicher.
      Als der vorderste Soldat auch bei ihr versuchte, den Knauf seines Schwertes in ihr Gesicht zu rammen, begleitet von höhnischen Bemerkungen darüber, dass man sie in die Männerzelle verfrachten wolle, duckte Anthea sich unter seiner Hand hindurch. Er reagierte beinahe genauso schnell - es wäre auch lachhaft gewesen, wenn es in dieser Stadt schlechte Soldaten gäbe - aber er rechnete mit einem Stich in seine Seite. Als er sich also in die andere Richtung wegdrehte, um ihrem Messer zu entgehen, dachte er nicht daran, dass sie die Klinge stattdessen in seine Achsel jagen würde.
      Er schrie auf und schlug nach ihr. Sie ließ das Messer stecken, schlitterte stattdessen noch näher heran und riss ihm das Kurzschwert vom Gürtel. Als seine Waffe auf sie niederfuhr, parierte sie die Klinge von unten herab ab, schwang sie herum und entwaffnete ihn.
      Die anderen beiden Soldaten waren schnell zur Stelle, um ihrem verwundetem Kollegen zu helfen. Anthea wich vor ihnen zurück, als sie zu zweit auf sie zukamen, und hielt nach einer Lücke Ausschau, so wie Wilk ihr einst beigebracht hatte. Sie fand keine. Als beide schließlich nach ihr griffen, musste sie stattdessen in eine Nebenstraße flüchten.
      Dort fand sie aber gleich ihre Rettung in einem stinkenden Müllhaufen, der sich am Straßenrand aufhäufte. Sie grinste und sprang nach oben. Chaos und Verwirrung, das waren Antheas Markenzeichen und kein langweiliger, eintöniger Schwertkampf auf offener Straße.
      Der Haufen kollabierte unter ihr und fiel den Soldaten entgegen, die um die Ecke bogen. Sie fluchten und sprangen zurück, während Anthea die Balance hielt und sich von einem morschen Holzgestell abstieß, das unter ihrem Gewicht zusammenbrach. Sie segelte durch die Luft und war hinter den Soldaten, als diese vor dem fallenden Müllberg zurückwichen. Den einen erwischte sie in der Lücke seiner Hüftplatte, der andere war schneller und schlug mit seiner Waffe nach ihr. Allerdings wurde er da von dem fallenden Müll ergriffen und geriet ins Straucheln, sodass seine Waffe sie um Meilen verfehlte. Sie selbst hatte keine Probleme mit dem rollenden Müll, sie erkannte die Ordnung im Chaos und wusste sie zu nutzen. Leichtfüßig sprang sie über den verdreckten Boden, bediente sich an dem Arsenal des auf die Knie gesunkenen Soldaten - sie erwischte ein Seil, wie lustig - und überwältigte ihn damit selbst. Als er auf dem Boden lag, die Hände verbunden und das Schwert im Müll versunken, richtete sie sich schließlich auf und blickte auf ihr Chaos hinab.
      "Hübsch."
      Dann sah sie auf die Soldaten. Alle drei waren noch am Leben, aber nicht mehr sehr kampffähig, geschweige denn willig.
      "Tut mir leid Jungs, aber ich habe keine Lust auf einen Steckbrief. Ihr hättet wissen müssen, dass man die vorlaute Thea nicht einfach so in den Kerker verfrachten wollen sollte, hmm?"
      Dem einen schlitzte sie die Kehle auf, den anderen köpfte sie und dem dritten stieß sie das Kurzschwert in seinen Bauch. Dann ließ sie die Waffe fallen, holte sich ihr Messer zurück und kam bei Lucius zum Stehen.
      "Beim nächsten Mal bist du wieder dran. ... Du hast da noch was."
      Sie wischte ihm mit dem Daumen Blut von der Wange, eine beinahe fürsorgliche Geste, wenn sie nicht selbst mit Blut bespritzt wäre, ein Messer in der Hand hielt und sie sich beide in einer dunklen, stinkenden Gasse befanden. Die Atmosphäre passte nicht ganz dazu.

      Trotzdem lächelte sie ihn an und rückte ihre Kleidung zurecht.
      "Behalt ein Auge auf Berek für mich. Aber halt dich demnächst aus meinen Angelegenheiten raus, du alter Stalker."
    • Lucius verblieb auf dem dreckigen Boden und betrachtete das Spektakel als wäre es ein Theaterstück. Dass die Soldaten bald schon ihren Tod fanden, war schon aus dem kleinen Zwinkern Thea's zu entnehmen. Eines, welches er vergötterte, denn hieß es nicht nur dass sie einander noch immer blind verstanden, sondern dass in Anthea immerzu ein kleiner Schalter umlegte, der sie richtig aufdrehen lies, egal um was es dabei ging.
      Lange dauerte es nicht, da fand der Dolch auch schon den Platz in des Soldatens Achsel. Lucius klatschte amüsiert. Gefolgt von einem Lachen als Anthea an ihm vorbei flitzte und die Soldaten hinter ihr her wetzten wie alte Hausfrauen die ihren Mann durch die Straße jagten. Brüllend und schnaubend vor Wut. In Anthea sah er immer wieder eine Künstlerin die statt einer Leinwand die Stadt und den Dolch statt Pinsel führen konnte wie keine Zweite.
      Da nun das Schauspiel hinter ihm ablief, stand er doch auf und klopfte sich den Dreck von seiner Kleidung, was keinen großen Effekt hatte, da er wohl in eine Pfütze gefallen war. Doch ein bisschen nasse Kleidung würde niemals seine Stimmung trüben, wenn er stattdessen Anthea beim Malen beobachten konnte.
      Als sie gen Ende jedem Einzelnen das Leben nahm, bekam Lucius eine Gänsehaut. Der Wahnsinn in ihm kam kurz hoch. Einer der vielen Gründe weswegen er es vorzog keine schneidenden Waffen mehr zu nutzen. Zu leicht verlor er die Kontrolle über sich, was nie vorteilhaft während eines wichtigen Auftrags war.

      Erst als Anthea auf ihn zu kam, lies er seinen Blick von den ausblutenden Wachen zu ihr wandern, was ihm wieder sein amüsiertes Grinsen auf die Lippen zauberte.
      "Aber aber. Ich sehe dir doch so gerne dabei zu"
      Auch er konnte nicht davon ab lassen ihr etwas Blut von ihrer Schulter zu streichen, was beinahe albern war, immerhin hatte sie nicht grade wenig fremdes Blut an sich. Aber als Ausrede, sie einfach nur wieder zu berühren zu wollen, es aber nicht zu sagen, würde es wohl durch gehen.
      Erst Anthea's letzter Satz lies den Spaß in seinem Grinsen zu einem kalten, beinahe besorgten, deutlich gespielterem Grinsen wandeln ehe er sich mit einem flinken Schritt hinter Anthea beförderte. Daraufhin ging er leicht in die Knie um mit scharf anziehender Luft durch seiner Nase, beim wieder aufstehen den wundervollen Geruch von Anthea samt frischem Blut in sich aufzusaugen. Gefolgt von seinen Händen sie sich an ihrem Bauch schlossen. Eine Umarmung die schon viel zu lange nicht mehr stattgefunden hatte.
      Im Anschluss leckte Lucius Anthea über ihre Wange und flüsterte leise die Worte
      "Das werde ich... sei vorsichtig"
      Letzteres schien ihn dann doch etwas Überwindung gekostet zu haben, ehe sich seine Umarmung löste und er vollkommen lautlos in der dunklen Gasse verschwand noch bevor sich Anthea umdrehen konnte.

      Am nächsten Tag, früh am Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen die kalten Steinmauern des Südtors bedeckten, beehrte Berek langsamen Schrittes, stehts die Gegend sondierend, Anthea mit seinem Auftauchen. Es war beinahe schon zu ruhig für seinen Geschmack aber das hatten die meisten Tage in der Früh so an sich.
      "Morgen..."
      Grummelte er, noch von einem schlecht bezahlten kleinen Job kurz zuvor verstimmt.
      Mit verschränkten Armen sah er auf das Tor hinunter und versuchte sich ein Bild über die Lage zu machen.
      "Also? Was erwartet uns? Oder eher, was vermutest du? Ist diese Anzahl der Wachen normal für ein solches Tor oder muss man generell auf schlecht geplante Aktionen in dieser Stadt gefasst sein?"

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    • Anthea stopfte sich gerade ein Stück Orange in den Mund, als Berek auftauchte.
      Nach dem, was Lucius ihr vergangene Nacht erzählt hatte - bzw. wie er sie gewarnt hatte - verspürte sie ein plötzliches, grundlegendes Misstrauen gegenüber diesem Mann, als ob er sie höchstpersönlich betrogen und hintergangen hätte. Sicher, sie wusste worauf sie sich eingelassen hatte, als Berek sich ihr präsentiert hatte - oder zumindest glaubte sie es - aber nachdem Luce das Risiko auf sich genommen hatte, sie persönlich vor ihm zu warnen, war sie sich ihrer ganzen Sache höchst unsicher. Am liebsten hätte sie sich ihre paar Informationen von ihm geholt, ihn bezahlt und dann wären sie getrennter Wege gegangen.
      Aber er hatte die Informationen noch nicht, deswegen waren sie schließlich hier, und Anthea hielt es auch nicht für klug, ihn zu vorschnell zu entlassen. In der jetzigen Konstellation konnte sie ihn gut im Auge behalten und außerdem hatte sie eine gewisse Macht über ihn, solange sie seine Auftraggeberin war.
      Also doch nicht getrennter Wege gehen. Zähne zusammenbeißen, zusammenarbeiten und darauf hoffen, dass Lucius mit was-auch-immer er im Hintergrund veranstaltete, früher oder später Erfolg hatte.
      Sie schob sich von der Kiste und stellte sich auf, den Blick auf Berek gerichtet, auf seine Gestalt. Irgendwie kam er ihr bedrohlicher vor als noch am Vortag - sicher auch eine Nebenwirkung ihrer jüngsten Erkenntnisse.
      "Morgen."
      Sie reichte ihm ungezwungen ein Stück ihrer Orange - sie war ziemlich stolz drauf, so lässig rüberzukommen - und bedeutete ihm dann, ihr zu folgen.
      "Die letzten Tage waren alle ruhig, deswegen glaube ich, dass heute nicht anders sein wird. Wir beobachten bis so, ungefähr, neun Uhr."
      Sie schlenderte mit ihm den Platz entlang und an der Statue vorbei. Ziellos strebte sie ein paar der Stände an, die noch leer standen.
      "Das Tor ist gut besetzt, nicht mehr oder weniger als sonst. Die Soldaten da oben", sie deutete die Mauer hoch, "sind nur ein Bruchteil von denen, die stationiert sind. In den Türmen sind jeweils ein weiteres Dutzend", sie zeigte mit ihrer Hand entsprechend, "und am Boden sind noch ein Dutzend. Alle zehn Minuten kommt aus jeweils einer Richtung eine Patrouille von sechs bis acht Mann vorbei und die Wachablösung findet um sechs Uhr statt. Die Waffenkaserne ist dort hinten", sie zeigte wieder, "und etwa eine Viertelstunde entfernt. Jegliche außerdienstliche Verstärkung braucht also mindestens mal eine Viertelstunde hierher."
      Sie schlenderten an den Ständen vorbei. Anthea war selbst müde, mehr als sonst sogar - der Kampf letzte Nacht hatte sie schon ein bisschen ermüdet - aber sie zwang sich aufmerksam zu sein, nicht wenig deswegen, weil Berek genau neben ihr ging. Sie musste aufpassen, damit sie sich nicht in seine Spielchen verzwicken ließ.
      "Um acht ist hier am Tor am meisten los, dann versuchen nämlich alle, die gestern schon nicht reingekommen sind, heute wieder reinzukommen. Du wirst den Ansturm vor den Toren sicherlich auch mal mitbekommen haben."
      Anthea hatte mal entfernt mitgekriegt, dass deshalb so wenig Leute wirklich hereingelassen wurden, weil die Stadt schlichtweg zu klein für einen solchen Andrang war. Sie konnten einfach nicht jeden hereinlassen. Es war beinahe schon ein Privileg, wenn man es doch schaffte.
      Sie blieb schließlich stehen, lehnte sich gegen einen Pfosten, verschränkte die Arme und ließ ihren Blick über die Gegend schweifen.
      "Um sechs Uhr, zur Wachablösung, gehen auch meine Männer auf Position. Ich habe ein paar bei den Kasernen, ein paar auf den Dächern, ein paar unter den Händlern. Wenn das Zeichen kommt, gebe ich den Startschuss und sie werden diesen Ort hier in Stücke reißen."
      Sie grinste ungewollt, auch wenn sie eigentlich ihre Lässigkeit behalten wollen hätte. Dann sah sie Berek direkt an, dessen Blick sie bis dahin ausgewichen war.
      "Frag mich nicht, warum es das Südtor sein soll. Das Nordtor macht viel mehr Sinn, in meinen Augen, oder wenigstens das Westtor. Frag mich auch nicht, warum ich gerade dann gebraucht werde, wenn der Ansturm am größten ist - als wollten sie, dass man sie nicht hereinlässt. Frag mich auch nicht, was sie schmuggeln werden, ich bin mir ja noch nicht einmal sicher, ob das überhaupt der Grund ist, weshalb wir hier sind."
      Sie tippte sich mit den Fingern auf den Oberarm.
      "Das wirst du herausfinden, deswegen bezahle ich dich. Also, wie willst du das anstellen?"
    • Berek ging neben Anthea her als sie ihn grob herum führte. Innerlich notierte er sich jeden Winkel, jede Möglichkeit der Wachen ihn mit einem Bogen unter Beschuss zu nehmen. Jede Ecke aus der Verstärkung kommen, oder aufgeschreckte Passanten nerven könnten.
      Und auch wenn er es nicht zugegeben hätte, musste er künftig besser aufpassen was die Tragweite dieser besagten Bezirke mit sich bringt. Diese Frau neben ihm sollte so viele Untergebene haben? Wahrlich eine wundervoll chaotische Stadt.

      Doch wurde Berek dann unsanft aus seinen Gedanken gerissen, auf eine Art die ihn augenblicklich zum Kochen brachte. Ein alter Opa mit klarem Buckel, Wanderstock, grauen Haaren und langer alter Kleidung, die eher einer über geworfenen dreckigen Decke glich, rempelte ihn an. Oder fiel mehr rannte Berek diesen fast um.
      Doch nach dem Aufprall stieß Berek diesen mit beiden Händen so stark von sich, als hätte die Pest versucht auf ihn zu springen, wodurch der alte Mann augenblicklich im Dreck landete und sich den Arm schützend über das Gesicht hielt.
      "Fass mich nicht an und steh mir gefälligst nicht im Weg!!"
      Keifte Berek ihn an, wollte am liebsten noch einen Tritt in die Magengrube versenken, doch hätte das nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
      Sich also arg zusammenreißend, lies er von diesem Vorfall ab und wandte sich wieder der kleinen Lagebesprechung zu, welche er mit einer vorgehaltenen Faust, nachdenkend beantwortete.
      "Wenn es so wild zu läuft wie ich denke, wird es ein Leichtes sein etwas unstimmiges zu erkennen. Deine Leute können von mir aus tun was sie wollen, doch solange wir unser Ziel noch nicht erspäht haben, sollen sie sich zurück halten. Eine Panik ist exakt was was Schmuggler brauchen um in der Menge unter zu tauchen."
      Kurz in seine Tasche greifend, zog er einen kleinen Stein hervor, welcher in eine ovale Form geschliffen wurde und hielt diesen Anthea hin.
      "Nimm ihn in die Hand. Wenn er wärmer wird, habe ich das Ziel gefunden."
    • Die kleine Aufstellung der einzelnen Posten wurde jäh unterbrochen, als Berek von jemandem angerempelt wurde, der so aussah, als könne er jeden Moment an Altersschwäche sterben. Anthea war schockiert über den rapiden Wutausbruch, dem Berek unterlag und der beinahe dafür gesorgt hätte, dass er den Mann auf offener Straße verprügelt hätte. Sie starrte ihren Begleiter wortlos an, ein bisschen entsetzt, ein bisschen auch verunsichert. Als er sich schließlich wieder abwandte und weitersprach, als wären sie niemals unterbrochen worden, erkannte sie mit erschreckender Klarheit, dass sie diesen Mann nicht wütend erleben wollte. Niemals.
      Entsprechend vorsichtig gab sie eine Antwort.
      "Eine Panik ist das, wofür ich bezahlt werde - nicht erst darauf zu warten. Ich werde meinen Job erledigen und du deinen, das ist so abgemacht."
      Sie nahm den Stein dennoch entgegen, grundsätzlich um Berek nicht noch mehr zu reizen und runzelte die Stirn. Sie stellte stark in frage, ob ein Stein wie dieser anfangen könnte warm zu werden - und das auch noch auf Kommando? - aber auch das schluckte sie herunter. Stattdessen nickte sie nur.
      "Sicher."
      Also war er auch noch verrückt. Das war natürlich nicht sehr angenehm.
      Je schneller Anthea sich von ihm getrennt hätte, desto besser.

      Sie gingen noch ein Stück weiter und hingen dann größtenteils herum, wartend, beobachtend. Um sechs Uhr erfolgte die Wachablösung ohne jegliche Probleme, um sechs Uhr dreißig kamen die ersten Händler um ihre Stände zu befüllen, um sieben Uhr erwachte die Stadt allmählich zum Leben. Um sieben Uhr fünfundvierzig gab es den ersten für sie unsichtbaren Radau hinter den Toren.

      Um acht Uhr dreißig kam das Zeichen.

      Anthea hätte in eintausend Jahren nicht sagen können, woher sie wusste, dass das ihr Zeichen war. Sie hätte es sogar übersehen können, wenn ihr Auge nicht darauf geschult war, sämtliche unregelmäßigen Quellen zu entdecken, um einen Profit daraus zu schlagen. Ja, sie hatte wirklich keine Ahnung, woher sie das Zeichen als solches erkannte, denn das Zeichen war eine Taube.
      Der Vogel erhob sich von der anderen Seite der Mauer aus darüber hinweg, in ruckelnden Bewegungen während er hastig flatterte und gleichzeitig um sein Gleichgewicht kämpfte. Als er sich einigermaßen stabilisiert und an Höhe gewonnen hatte, zog er einen Moment orientierungslos über der Mauer dahin und flog dann zielstrebig in die Stadt hinein, auf einen unbekannten Ort zu, an dem wohl mal sein Brutkasten gestanden hatte. Es dauerte keine halbe Sekunde, dann war der Vogel auch schon wieder weg.
      Anthea starrte ihm wortlos nach, selbst nachdem er schon verschwunden war, bevor sie realisierte, dass das das Zeichen war, ihr Stichwort. Sie wusste nicht, woher sie das wusste, aber sie war sich ihrer Sache sicher.
      Plötzlich wurde sie hellwach.
      "Das ist es! Es geht los!"
      Sie sprang von dem geparkten Wagen, auf dem sie gesessen hatte, herunter und stürmte in Richtung der Kasernen. Sie lief allerdings nur zum Rand des Platzes, legte beide Finger in den Mund und pfiff ein Mal und schrill.
      Nach ein paar Sekunden folgte ein Pfiff zur Antwort, dann noch einer. Die Soldaten zum Fuß der Mauer wurden bereits auf sie aufmerksam. Sie winkte ihnen zu, fröhlich in ihrem plötzlichen Adrenalinschub und stürmte dann wieder zurück zur Mitte des Platzes und auf die Statue zu.

      Draußen vor den Toren hielt Elraya sich an den Schluss der winzigen Truppe, die in dem Gedränge um den Erhalt des Platzes kämpfte, den sie sich ergattert hatten. Es war mit dem Wagen schon schwierig genug durchzukommen und dann hatten sie auch noch die Anweisung bekommen, strikt zusammenzubleiben - komme was wolle. Elraya hielt es für überflüssig und war zudem auch noch genervt von den letzten Tagen der Reise, aber sie wagte es nicht, ihre Deckung in irgendeiner Weise aufzugeben. Sie war jetzt Teil irgendeines Kultes, der sich an Weißhaar vergreifen wollte und solange sie nicht wusste, was sie mit ihm anstellen wollten, würde sie sich wohl auch nicht einmischen.
      Es war schon ein Wunder, was sie bereit war für einen Menschen zu tun. Sie würde sicherstellen, dass sie dafür entschädigt wurde.
      "Was bringt uns ein einzelner Vogel?", fragte sie ihren Nachbarmann flüsternd, wobei sie immer noch laut reden musste, um bei dem Lärm überhaupt verstanden zu werden.
      "Der hatte doch nicht einmal eine Nachricht dabei. Wie soll da irgendwer wissen, dass wir hier sind?"
      Der Mann zuckte mit den Schultern.
      "Vielleicht ist es ja ein besonderer Vogel, den man erkennen kann oder so. Was weiß ich."
      "Hm. Vielleicht."
      Sie wandte sich wieder nach vorne. Das Gedränge ging weiter.
      Etwa eine Minute nachdem der Vogel die Mauer überquert hatte, krachte es plötzlich und unmittelbar.
      Die Explosion war so laut und markerschütternd, dass sie die Erde unter ihren Füßen ergriff und für einen Moment durchschüttelte, als würde eine riesige, unsichtbare Hand den Boden bewegen. Die Mauer hielt eine mögliche Druckwelle ab, ganz zu schweigen von der Hitze, aber der Lärm drang dennoch ungefiltert zu ihnen durch. Kurz darauf stieg eine geballte, pechschwarze Rauchwolke in den Himmel auf.
      Die Soldaten auf der Mauer gerieten in Aufruhr. Sie brüllten sich gegenseitig Befehle zu, rannten auf der Mauer entlang und versuchten zweifellos auf den Boden zu gelangen, um was auch immer dort vorging in den Griff zu bekommen. Die Menge wurde unruhig, panisch sogar, und dann wurde das Tor verschlossen. Die Soldaten bedauerten es ihnen mitteilen zu müssen, dass für heute niemand mehr passieren könnte.
      "Hä?"
      Elraya versuchte nach vorne zu sehen, aber die Menschen versperrten ihr die Sicht.
      "Sollten wir nicht durchkommen?"
      Dieses Mal fühlte ihr Nachbar sich nicht angesprochen, also antwortete er auch nicht. Elraya versuchte weiter einen Blick nach vorne zu erhaschen.

      Hinter der Mauer hatte Anthea die riesige Statue in die Luft gesprengt.
      Natürlich hatte sie den Stein nicht direkt gesprengt, das wäre wohl kaum so laut und erschütternd und grandios gewesen; nein, sie hatte die Kanalisation darunter gesprengt. Der Informant, der sie über die Lage informiert hatte, hatte einen saftigen Bonus erhalten und sie hatte im Gegenzug einige Tage in einer stinkenden Kloake verbracht, um den Sprengstoff anzubringen. Sie hatte sich die Hilfe von Experten geholt, um auszurechnen, wo sie ihn genau anbringen musste, um das zu erreichen, was sie geplant hatte.
      Und es funktionierte.
      Die Kanalisation explodierte so stark, dass es den Boden aufriss und die Statue mit der Druckwelle ein Stück in die Höhe katapultierte. Von der plötzlichen Hitze wurden die kleineren Sprengstoffteile an der Statue selbst entzündet und noch während sie in der Luft war, explodierte es ein zweites Mal. Diese letzte Explosion riss die Statue auseinander.
      Es regnete Gesteinsbrocken und davon nicht wenig. Sie verteilten sich über die gesamte Fläche, ein tödlicher Regen dunkelgrauer Brocken, die auf dem geschundenen Boden aufkrachten und ihn noch mehr in Mitleidenschaft zogen. Ein dünner Nebel aus Rauch erhob sich um sie herum, nicht minder von der noch brennenden Kanalisation, dessen Feuer wie ein Tor zur Hölle aus dem Boden brach.
      Anthea war schon lange wieder weg, zurück in Sicherheit, wo sie von keinem fallenden Stein zerquetscht würde. Sie beobachtete die Lage, die Soldaten, die panischen Händler. Sie wartete auf den Moment, um ihr nächstes Zeichen zu geben.
      Die Tiere waren die ersten, die vollkommen durchdrehten und unkontrolliert über den Platz flüchteten. Hauptsächlich Esel mit wertvoller Fracht auf ihren Wägen sprinteten mit vollster Geschwindigkeit an ihnen vorbei auf der Suche nach Sicherheit, dicht gefolgt von Hühnern, Schweinen, Pferden. Ihre Besitzer kamen ihnen teilweise nach, teilweise flüchteten sie aber auch selbst. In dem aufkommenden Chaos wartete Anthea darauf, dass sich die ersten Soldaten einmischen würden. Sie hatte eine Viertelstunde Zeit, aber sie brauchte nicht mehr als fünf Minuten.
      Als die ersten kamen, gab sie ihr Zeichen.
      "JETZT! JETZTJETZTJETZT!"
      Es knallte erneut, aber dieses Mal waren es Stände, die in die Luft flogen. Jeder dritte Stand wurde zerfetzt, ein einziger Knall aus splitterndem Holz, als sie alle auseinanderbrachen. Dann folgten die Dächer der Häuser rundum, die in vielen einzelnen, haushohen Flammenwänden aufgingen.
      Erst, als auch die Dächer brannten, war erst das Kunstwerk ersichtlich, das Anthea geschaffen hatte: Eine glühende, zerstörte, Feuer speiende Mitte, die gesäumt war von zerbrochenen Statuenteilen, und dann ein brennender, riesiger Kreis außenrum. Das gesamte Tor war in einen Halbkreis aus unbezwingbarem Chaos getaucht.
      "Hah!"
      Anthea jubellierte, während sie sich in die Tasche griff und eine Maske hervor holte. Ein solches Maß an Zerstörung erforderte selbst von ihr eine gewisse Diskretion.
      Sie packte ihr Messer aus, warf einen Blick auf das ansteigende Chaos und stürzte sich dann mitten hinein, um den letzten Schritt zu vollziehen.

      Der Lärm schwoll auch vor den Toren an, eine ansteckende Panik unter den Leuten, die sich nun nicht entscheiden konnten, ob sie in die Stadt oder doch vielleicht lieber weg wollten. Die meisten entschieden sich allerdings für ersteres und so stieg das Gedränge eher noch an.
      Elraya konnte einen Blick auf die Wachen erhaschen, die die Meute unter Kontrolle zu bringen versuchten, während sie selbst herausfinden wollten, was hinter den Toren vor sich ging. Sie brüllten und drängten und zogen schließlich ihre Waffen.
      Es war nicht lange nachdem sie die ersten Leute mit ihrer Autorität bedroht hatten, als das Tor plötzlich ein merkwürdig dunkles Knacken von sich gab, als würde das Holz splittern. Bei dem Lärm, den Rauchschwaden am Himmel und dem Gedränge fiel es kaum jemandem auf, aber Elraya bemerkte es. Und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
      Der Andrang ging unbeirrt weiter, etwa eine weitere Minute lang, ehe das Tor plötzlich nach innen hin aufsprang, als hätte es eine unsichtbare Druckwelle getroffen. Die Soldaten, denen nun der Schutz im Rücken fehlte, stolperten unter der Wucht der Menge zurück und wurden mit Rufen nach Verstärkung begraben, als die ganze Meute auf einmal hineindrang.

      Das Chaos war perfekt, als die Tore geöffnet wurden.
      Wenn es bisher noch Kontrolle über die Panik auf dem Platz gegeben hätte, war sie spätestens dann völlig zunichte gemacht, als der Ansturm ungehindert durch die Lücke drang, eine einzige Masse aus Leuten, die sich sofort in sämtliche Richtungen ergoss, nur weg vom Tor und hinein in die Stadt. Sie drängten das bereits existierende Chaos weiter zurück bis kaum mehr Platz war, um sich seiner Panik gänzlich zu ergeben: Flammenwände um sie herum und ein steinender, unebener Boden, aus dem es brannte. Es gab nur wenige Wege, die tatsächlich in Sicherheit führten und überall war das Gedränge so groß, dass es keinen Überblick mehr gab.

      Anthea lachte. Sie wandt sich durch die Menge, während sie Soldaten herauspflügte, um ihnen unbedacht ihr Messer in den Hals zu rammen. Sie wusste nicht wo Berek war - sie wusste ja noch nicht einmal, wo sie selbst war; alles war voll und laut und so unglaublich dicht, dass sie selbst hin und her gestoßen wurde - aber sie liebte es. Das war ihr Werk, ihre Kunst, ihr Talent, ihre Fähigkeit. Sie allein war dazu imstande, ein solches Chaos innerhalb von fünf Minuten zustande zu bringen und es aufrecht zu erhalten, es jedem Soldat zu vereiteln, auch nur ein bisschen Ordnung in das Chaos zu bringen. Sie würden Stunden brauchen, um den Platz einigermaßen leer und zudem sauber zu bekommen. Sie würden Tage brauchen, bis sie den aufgebrochenen Boden geflickt hätten. Und das alles nur wegen Anthea. Sie war die Herrin des Chaos und sie lachte, weil sie es liebte.
    • Was für ein enormes Spektakel. Dachte sich die Spinne aus Shegar als Anthea, seiner Anweisung trotzend, ihr eigenes Ding durch zog, welches darin endete, dass teile des Bodens in sich zusammen gefallen waren, eine Menge Trümmer den freien weg auf dem Platz erschwerten und, zu seinem Vorteil, jede Menge Feuer brannte. Obendrein sorgte die enorme Panik aller Leute, dass Berek seine Fähigkeiten frei nutzen konnte, ohne dabei auffällig zu wirken. So fiel es ihm äußerst leicht das Chaos auszunutzen, indem er sich einfach selbst zum Feuerteufel wandelte und in die Flammen hinein sprang. Solange die Feuer eng genug beieinander lagen, konnte er sich darin vollkommen frei bewegen als wäre er das Feuer selbst.
      So huschte er in Sekunden immer wieder um das Schlachtfeld um nach auffälligen Menschen ausschau zu halten.
      Vorerst fiel ihm keine einzige Person auf, doch dann strömten all jene die vor dem Tor standen hinein, was schon für ein ungeschultes Auge alles andere als unauffällig war.
      Arme Familien, Händler, Bettler, Gesandte, simple Wanderer und Vagabunden. Allesamt nichts im Vergleich zu dem auffällig geschützten Wagen der langsam hinein rollte. An der Spitze drei verhüllte Kuttenträger auf Pferden. Das musste einfach das Ziel sein. Sogar hinter dem kleinen Wagen waren berittene Kuttenträger. Was könnte nur in diesem Wagen sein, dass so einen Schutz bedurfte?
      Aber vorerst war das egal. Berek nutze seine Fähigkeit um den Stein, welchen er Anthea gab, zu erwärmen. Im Trubel dieses Chaos vielleicht auch etwas zu sehr erwärmte.

      Anschließend huschte er wieder durch die Flammen um einen besseren Blick in das Innere des Wagens zu bekommen, doch war immer etwas im Weg um einen klaren Blick zu gewähren. So flitzte er geschwind auf dem Platz umher um Anthea ausfindig zu machen. Als er sie fröhlich mordend fand, sprang er aus den Flammen hinaus und formte sich wieder zu seiner menschlichen Gestalt und blieb vor ihr stehen.
      "Da vorn. Zu viele Leute in Kutten die auf Pferden reiten. Die drei Berittenen vorne, tragen ganz offensichtlich eine leichte Rüstung darunter. Sie transportieren etwas und wollen dabei harmlos wirken. Klingt ganz nach dem Grad ein Geheimnissen das du zu suchen scheinst. Was genau im inneren des Wagens ist, weiß ich nicht. Aber ich glaube die Silhouette einer Person erkannt zu haben. Ihr einziger Weg wäre der dort hinten."
      Er zeigte in eine Gasse die nicht von Trümmern und Feuer versperrt war.
      "Sie ist als Einzige breit genug um den Wagen durch zu bekommen."
    • Das Gemetzel dauerte lange und es gab keine Aussicht darauf, dass es sich jemals legen würde. Die Feuer blühten auf den Dächern auf und der unebene - und teilweise selbst brennende - Boden vergrößerte die Massenpanik stets, wenn die Soldaten sie eigentlich in den Griff bekommen wollten.
      Es war die reinste Perfektion.
      Anthea hatte sich ein paar von den armen Ordnungshütern geschnappt und sie massakriert, einfach um den Boden mit ein paar Leichen zu säumen. Sie war gerade bei ihrem nächsten Opfer, das ihrem Angriff entging und stattdessen mit seinem Schwert einen panischen Händler köpfte - wie unglaublich perfekt! - als der Stein in ihrer Hand plötzlich warm wurde. Sogar mehr als das.
      "Au! Fuck!"
      Sie ließ das glühende Ding ihn los, im gleichen Augenblick als das Schwert sie beinahe doch getroffen hätte, und sprang rückwärts in die Menge hinein, um sich innerhalb von Sekunden von dem Soldaten zu entfernen. Keine halbe Sekunde später stand auch schon Berek vor ihr, wie ein verdammter Geist, der sich in ihrer Welt soeben manifestiert hatte.

      "Ah! Verdammt, du hast mich erschreckt!"
      Sie fuchtelte energisch mit ihrem Dolch, bevor sie ihn beiseite steckte und sich auf Berek konzentrierte. Ihre Befürchtungen darüber, was der Mann versuchen könnte anzustellen, hatten sich in dem Chaos wieder ein bisschen gelegt; soweit sogar, dass sie ihm Glauben schenken konnte.
      "Ein Wagen. Wie groß? Ein gewöhnlicher Handelswagen? Ein Reisewagen? Transporter?"
      Sie ging gedanklich bereits die Möglichkeiten durch, die ein solcher Wagen in der Stadt hatte. Er konnte nicht in alle Gassen abbiegen, nicht solange er seine Fracht nicht gefährden und womöglich stecken bleiben wollte. Also vermutlich eher Straßen.
      "Du hast recht - da hindurch und dann auf die Straße hinaus. Nicht die Hauptstraße, vermutlich, aber die parallele. Los, bevor er uns verschwindet!"
      Sie wandte sich mit einiger Trauer von dem Chaos ab, das zu wunderschön war um zurückgelassen zu werden und lief dann mit Berek auf die Gasse zu. Auch hier tummelte es sich bereits, aber die Soldaten waren schon dabei, einen Durchgang zu schaffen, um den Platz zu räumen.
      Sie stellten sich an den Rand des Geschehens und beobachteten das Heranrollen des Wagens.

      Die Tiere scheuten bereits vor den aufragenden Flammen und der Kutschführer hatte alle Mühe, sie zu bezähmen und weiterzuzwingen, als Elraya eine Bewegung aus dem Augenwinkel vernahm. Für eine kurze, fürchterlich erschreckende Sekunde war sie der Überzeugung, Bereks aufragende Gestalt zu sehen: Die stämmigen Schultern, das erhobene Haupt, den leicht gesenkten Kopf. Für einen grauenhaften Moment dachte sie, sie hätte ihn am Rand dieses Trubels gesehen.
      Aber das war unmöglich. Berek war vertrieben worden, er hatte wie ein räudiger, kranker Straßenköter den Schwanz eingezogen und sich dann aus dem Bild begeben müssen, um nicht noch vom Gesetz erwischt zu werden. Der Herzog hatte seine Stadt wiederbekommen und Berek war verschwunden, in irgendein Loch, aus dem Teufel wie er kletterten.
      Umso überraschter - und panischer - war sie, als sie den Kopf wandte und erkannte, dass ihre Augen sie nicht getäuscht hatten.
      Er war da. Er stand tatsächlich am Rand des Chaos' und beobachtete - und sein Blick war direkt auf den Wagen gerichtet. Auf ihren Wagen, hinter dem Elraya ging und sich schnell duckte, bevor sie die Kapuze tief ins Gesicht zog.
      "Scheiße!"
      Er hatte sie nicht gesehen, oder? Nein, das hatte er nicht. Er wusste ja gar nicht, ob sie noch lebte - und dabei sollte es auch bleiben.
      Sie verließ ihren Posten und eilte nach vorne, um die Aufmerksamkeit des Kutschführers zu erhaschen. Der Mann blickte zu ihr hinab und verzog das Gesicht, weil sie sich nicht an die Vorschriften hielt.
      "Wir müssen woanders hin! Wir können nicht zum Übergabeort gehen!"
      Sie wusste nicht einmal, wo der sein sollte, aber ihre Vermutung, dass einer existierte, war korrekt.
      "Stell dich wieder hinten hin, wir sind gleich durch."

      "Wir können nicht, wir werden beobachtet!"
      "Sicher wird uns irgendjemand beobachten - hier sind auch noch hundert andere Leute, die beobachtet werden. Wir werden nicht vom Plan abweichen."
      "Wir müssen! Oder jedenfalls sicherstellen, dass uns niemand folgt?!"
      Der Mann zögerte. Er schien ihren Punkt zu verstehen, auch wenn es ihm sichtlich missfiel, vom Plan abzuweichen. Schließlich grummelte er.
      "Also gut. Du bleibst ein Stück zurück und siehst zu, dass uns niemand beobachtet."
      "Was?!"
      "Du hast mich verstanden, oder nicht? Los, bleib zurück und gib uns Rückendeckung."
      Elraya fluchte, dann befolgte sie die Anweisung - auch wenn sie nicht musste, sie war schließlich kein richtiger Teil der Gruppe - und entfernte sich vom Wagen. Dann huschte sie an den Rand des Platzes, von wo aus sie sowohl Bereks Stelle, als auch den Wagen beobachten konnte und wartete mit ungemeiner Nervosität darauf, dass sie sich so schnell wie möglich von ihrem früheren Arbeitgeber entfernen könnte.
    • Erleichtert darüber, dass Anthea nicht dem Wahnsinn verfallen war und auf seine Informationen hörte, folgte er ihr zur besagten Gasse, während all die Leute nach wie vor umher rannten und sich an den kleinen möglichen Fluchtpunkten geradezu über den Haufen rannten.
      "Was willst du tun? Du hast keine Ahnung was sich in dem Wagen wertvolles befindet. Greif ihn einfach an und du könntest etwas wertvolles zerstören. Anhalten werden die sicher auch nicht wenn du die drum bittest."
      Kurz bevor die Beiden dann an ihrem Ziel angekommen waren, sah Berek nochmal zur anrückenden Kutten Mannschaft rüber. Wie konnte diese Truppe ernsthaft meinen mit diesem Look nicht aufzufallen? Das schrie ja schon nach Aufmerksamkeit. Oder waren solche Leute in dieser Stadt tatsächlich unauffällig?
      Aber dafür war nun keine Zeit. Es galt die Schwachstellen ausfindig zu machen, die einen Stopp erzwingen würde ohne die Fracht zu beschädigen.
      Zwar wirkte ihm seine erste Idee etwas radikal, doch was gab es in diesem Tumult noch groß zu verlieren?
      "Hmpf... Bleib hinter mir. Wenn sie nahe genug ran gekommen sind, werde ich dafür sorgen, dass sie weder einen Schritt nach vorn, noch zurück kommen können. Sorg du nur dafür dass die Fracht ihren Besitzer wechselt."

      Berek's Plan bestand darin zu warten bis alle nahe genug ran gekommen wären, so dass er die Stützpfeiler eines Hauses mit viel Energie hinaus gebrannt hätte. Wenn er es richtig angegangen wäre, hätte das Haus so fallen müssen, dass es eine Fluch nach hinten, zurück auf den Platz, komplett verhindert hätte. Das fortschreiten war hingegen ein leichtes. Er hätte sich einfach wieder in seine Flammenform gewandelt. Solange keiner am Leben bleiben würde, wäre es ihm recht gewesen, dass er es offen zeigt. Anthea wäre verschont geblieben, immerhin musste immer einer Leben um das Gerücht zu verbreiten Berek wäre ein Gott gleicher Mensch.

      Doch kam es tatsächlich zu einer kleinen Wendung. Etwas, womit Berek nicht gerechnet hatte. Auf halber Strecke rannte eine Person von hinten nach Vorne um dem Führer des Wagens etwas in offensichtlicher Achtsamkeit zu unterbreiten. Erst schienen die Beiden nicht einer Meinung zu sein, was Berek und auch Anthea in die Karten gespielt hätte, doch dann schien es doch so.
      "Haben die etwa Wind von deinem Plan bekommen? Die Person da scheint auf jeden Fall ziemlich nervös zu sein. Wir sollten versuchen die Typen noch etwas weiter...."
      Da stockte Berek. Rote Haare. Sah er da grade tatsächlich rote Haare? Und der ständig panische Blick während des Gesprächs mit dem Kutschführer zu ihm rüber. Das war keine Panik bezüglich Anthea. Das war eine Panik bezüglich ihm selbst.
      "...... Elraya......."
      Flüsterte Berek wie ein brodelnder Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand.
      Seine Mine verfinsterte sich. Der noch eben so wichtige Plan rückte immer weiter in die Ferne. Wut übernahm seinen Kopf, was dazu führte dass seine Kleidung an mehreren Stellen grüne Flammen warf.
      Als die verdächtige Person sich dann wieder aus dem Staub machen wollte, rannte Berek sofort los und hinterlies auf dem Boden brennende Fußabdrücke.
      "ELRAYA !!!!"
      Brüllte er der Truppe entgegen und stürmte immer schneller auf diese zu. Die Fracht war ihm nun vollkommen egal. Alle die ihm sich nun in den Weg stellen würden, sollten erfahren wie es sich anfühlt bei lebendigen Leib zu verbrennen. Sogar seinen Mantel, welcher ihm wichtig war, warf er von sich um mehr Bewegungsfreiheit bei dem bevorstehenden Massaker zu haben.

      In vollster Rage gelang es Berek grade noch so, in aller letzter Sekunde, abzubremsen. Er nutzte jeden Muskel in seinem Körper um sich selbst aus seinem Sprint hinaus zu reißen und nach unten fallen zu lassen, sonst wäre er in einer so schnell gezogenen Klinge hinein gelaufen, wie er es schon seit einer Ewigkeit nicht mehr hat kommen sehen.
      Berek rollte sich seitlich weg, nachdem er auf dem Boden gerutscht zum halten kam um sich anschließend wieder aufzurichten. Knurrend blickte er den Mann an, der beinahe für sein plötzliches Ableben gesorgt hatte.
      Er erblickte nur einen Typen in einer edlen Kutte. Der wohl edelsten, verglichen mit den anderen. Der, der eine Rüstung darunter zu tragen schien. Doch auch Berek hatte nicht gesehen dass dieser Typ ein solch feines Schwert bei sich trug.

      "Verschwinde oder du wirst zertreten wie einst in Shegar"
      Meinte der Anführer der Truppe bedrohlich und voller ernst, ehe er seine Kapuze ab zog und auf die Reaktion wartete.
      Berek erkannte den Kerl nicht, also konnte er wohl kaum wichtig sein. Außerdem ging es nun darum Rache zu üben, also lies er sich auch sicher nicht von einem Unbekannten aufhalten. Augenblicklich versetzte sich Berek in seine stichflammenden Form und wetzte mit nun welliger Stimme brüllend auf den Mann zu, welcher nur unbeeindruckt in seine Tasche griff um eine Hand voll Kieselsteine hervor zu holen und sie auf Berek zu werfen.
      Was auch immer das für Steine waren, bewirkten sie eine augenblickliche Auslöschung Berek's Feuerkraft. Er war sofort wieder in seiner Menschlichen Form, kaum dass die Steine ihn berührt hatten, was zur Folge hatte, dass der unbekannte Mann mit seiner Klinge einen Gegenangriff ausführte.
      Berek, welcher zuerst verwundert drein blickte, lies sich nicht lange beirren ehe er die anfliegende Schneide des Feindes abwehren würde. Ob Feuer oder nicht, Berek hatte auch so einiges mit seiner Klinge drauf, welche er promt zückte. Oder... zücken wollte. Wo war sein Schwert? Der Griff ins Leere überrasche Berek mehr als seine verlorene Feuerform. Doch noch sehr viel schockierender war dann doch der Schmerz. Die Klinge des Unbekannten verpasste Berek eine klaffende Wunde von der Schulter hinunter bis zum Becken.
      Nur dank Berek's Instinktes gelang es ihm sich so abzudrehen, dass er diesen Treffer wohl überleben würde, falls er rechtzeitig einen Arzt aufsuchen würde.
      "Erbärmlich."
      Sprach der Unbekannte verachtend während er Berek dabei beobachtete wie er sich seine Wunde, die viel zu groß für zwei Hände war, versuchte zu bedecken.
      "Los Männer. Es geht weiter!"
      Forderte er anschließend ehe er sich wieder seine Kapuze über warf und auf sein Pferd aufstieg.
    • Anthea warf Berek einen scharfen Blick zu, bei dem sie sich nicht zurückhalten konnte, ihre Gedanken auszusprechen.
      "Das ist mein Auftrag, nicht deiner. Wenn du irgendwann mal das Zielobjekt deiner Auftraggeber gefunden hast, kannst du es ja gerne zerstören und dich einmischen, aber ich für meinen Teil bin eher an einer Bezahlung interessiert. Misch dich also nicht ein, sonst erhältst du deinen Teil der Vereinbarung nicht, so einfach ist das."
      Sie nahm sich noch immer vor Berek in Acht, das würde sich so schnell wohl auch nicht ändern, aber das bedeutete nicht, dass er einfach so machen konnte, wonach ihm gerade der Sinn stand. Das war noch immer ihr Chaos und sie würde bestimmen, wo die Grenze gezogen wurde.
      Sie befolgte allerdings seiner Anweisung, allein schon, um mit - was auch immer Berek geplant hatte - nicht in Verbindung gebracht zu werden. Sie bezweifelte zwar, dass irgendjemand in diesem Chaos etwas von ihnen beiden mitbekam, aber Augen gab es überall und zu manchen Augen gehörten sehr redelustige Mäuler.
      Also hielt sie sich zurück und beobachtete, wie Berek sich erst dem Wagen näherte, und dann einem unmittelbaren Stimmungsumschwung zu unterliegen schien. Sie verstand zwar nicht genau, was er brüllte, aber sie sah sehr deutlich, dass er auf einmal losrannte.

      Bereks Stimme war nicht laut, aber sie stach doch in Elrayas Ohren, als würde er direkt neben ihr stehen. Sie spürte ihr Herz in die Hose sacken, von einer plötzlichen, allesergreifenden Panik durchsetzt, die ihr das Blut in den Adern gefror.
      "SCHEISSE!"
      Plötzlich froh um das viele Chaos, stürzte sie sich mit vollstem Tempo hinein, wandt sich zwischen Soldaten und Händlern und Reisenden hindurch und stolperte über den Boden. Ein Blick zurück gab ihr nicht die geringste Auskunft darüber, wo Berek stecken mochte, aber das besserte die Lage nicht. Er konnte direkt hinter ihr sein, sicherlich, und dann wäre sie geliefert. Das war richtig, richtig scheiße.

      Bereks Ansturm wurde jäh von einem der Truppe abgewürgt, der sich ihm schon beinahe heldenhaft in den Weg stellte. Anthea beobachtete verblüfft und teilweise neugierig, wie Berek in Flammen aufgegangen war, die nun allerdings erloschen. Es folgte ein kurzer Schlagabtausch zwischen den beiden Männern, den Anthea nicht verstehen konnte, dessen Ausgang sie allerdings mehr als gut sehen konnte. Es war eine Sache, wenn Berek sich auf einen Kampf einließ, der zu hoch für ihn war und bei dem er verreckte, es war eine ganz andere Sache, wenn er Kontakt zu der Gruppe aufgenommen hatte und Anthea womöglich sagen konnte, wer sie waren oder wohin sie wollten. Dementsprechend wartete sie nicht lange, ehe sie an seine Seite rannte, kurz nachdem der Trupp schon gemächlich weiterzog.
      "Lass mich mal - ah, fuck. Das sieht übel aus. Komm mit, ich kenn' da wen. Komm!"
      Sie zog ihn in eine viel kleinere Gasse, die zwar auch überfüllt war, aber in der schneller geräumt wurde, und leitete ihn durch das Netz aus Gassen in der Stadt. Der Blutverlust machte Berek deutlich schwächer, auch wenn er es sich nicht anmerken lassen zu wollen schien und Anthea verlor kein Wort darüber. Auf halbem Weg bot sie ihm ihren Körper als Stütze an.
      Sie erreichten besagtes Geschäft - der Eingang dazu lag in einer stinkenden Hintergasse - und wurden sofort von zwei Helfern in Empfang genommen. Der Oberarzt, der hier das sagen hatte, war eigentlich distrikt-neutral, aber inoffiziell war er durchaus parteiisch und bevorzugte unter anderem Antheas eigenen Distrikt.
      Er ließ Berek auf eine Liege legen, bevor er sich seiner Wunde annahm.
      "Hast du gesehen, wer es war? Oder was sie dabei hatten? Oder wohin sie wollten?", drängte Anthea, kaum als Berek verarztet wurde. Sie musste es jetzt wissen, damit sie den Wagen nicht verlieren würde.
      Zumindest war es schonmal gut zu wissen, dass überhaupt ein Wagen existierte.
    • Räudig auf dem Boden knieend und seine klaffende Wunde haltend, regte es Berek nur noch mehr auf, dass Jemand es gewagt hatte ihn in seiner Wut so auszubremsen. Mehr noch, ihn so spielend auszubremsen. Am liebsten wäre er sofort wieder aufgestanden und hätte dem hochnäsigen Kern gezeigt dass man sich nicht mit ihm anlegen sollte. Beim nächsten aufeinander treffen, schwor sich Berek vorbereitet zu sein. Nun lies er sich aber von Anthea weg bringen, was seine Laune und seinen Stolz nur noch mehr anknackste. Damit waren es schon zwei Personen die ihn in seinem Leben solche Wunden zugefügt hatten.
      Sich nach einer gefühlten Ewigkeit nun aber auf einer Liege wieder findend, kümmerte man sich um seine Wunde und verabreichte ihm ein ziemlich gut anschlagendes Schmerzmittel, was sein Gemüt zugleich auch etwas zügelte und sogar etwas benebelte.
      Trotzdem konnte man in seiner Stimme hören, wie vollkommen egal ihm die Mission war.
      "Wen interessiert wo die hin wollen. Ein Kerl mit solchen Fähigkeiten bewacht den Wagen. Der Wert muss..."
      Vor plötzlichen Schmerzen, sich arg zusammen reißend, stoppte er seinen Satz bis das desinfizieren seiner Wunde abgeschlossen war. Erst dann atmete er wieder tief durch und fuhr fort
      "...Der wert in der Karre muss hoch sein. Sogar eine verfluchte Schlange aus Shegar, eine totgeweihte, sobald ich sie in die Finger kriege, war unter denen. Mach mit dem Wagen was du willst. Danach bezahle ich dich mir die Frau mit den roten Haaren zu schnappen. Mach mit ihr was du willst, solange sie lebend bei mir ankommt... Und nun beeil dich."
      Anschließend wirkte es beinahe schon so, als wäre er dabei einzuschlafen, oder er wollte einfach nur einem anhaltenden Gespräch ausweichen.

      Nur wenig später, grade als Anthea durch eine der vielen Gassen wetzte, wurde sie von einem Moment zum Anderen mit einem festen Griff am Handgelenk angehalten und in eine kleine Niesche gezogen, an welcher eine Leiter bis auf das Dach führte.
      "Ah ta ta ta, immer langsam."
      Meinte die stoppende Person, welche sich als Lucius heraus stellte. Wie immer grinste er als würde grade alles wie geplant laufen.
      "Die haben eine andere Route eingeschlagen. Wenn du mich fragst, lassen die den Wagen bald schon stehen und gehen in den Untergrund. Alle Zeichen sprechen dafür."
      Dann klopfte er Anthea zwei mal leicht mit Berek's Schwertgriff gegen ihre Stirn
      "Aber das hast du sicher schon gewusst hm? Meine Leute haben noch die Augen auf diese seltsame Truppe gerichtet und wie ich dich kenne, ist es mit deinen nicht anders. Aber vielleicht interessiert es dich zu hören, dass mir mein Vögelchen die Fracht gezwitschert hat."
      Wie es Lucius immer bei Anthea tat, wenn sie unbeobachtet waren, sog er ihren Anblick von oben bis unten mit seinen Augen auf.
    • Anthea musste es sich nicht zweimal sagen lassen. Sie musste den Wagen unter jeden Umständen finden, allein schon, um herauszufinden, wer dieser Kerl war, der Berek so einfach überwältigt hatte. Das Zusammentreffen hatte um ein weiteres Mal bewiesen, wie wenig sie ihn unterschätzen durfte und wie gefährlich er wirklich war.
      Sie verließ ihn, bevor das Gefährt noch verschwunden sein würde, und eilte die Straßen zurück, die sie bereits gekommen war. Auf halbem Weg wurde sie allerdings so abrupt aus dem Verkehr gezogen, dass sie einen überraschten Laut von sich gab und nach ihrem Dolch angelte. Zu langsam, schoss es ihr durch den Kopf, als sie in die Dunkelheit gezogen wurde und für einen Moment die Orientierung verlor. Zu langsam.
      Erst Lucius' Stimme brachte sie von ihrer anfänglichen Panik ab und als sie seine schemenhafte Gestalt erkannte, riss sie sich abrupt von ihm los und überspielte ihren Schrecken mit Boshaftigkeit.
      "Luce! Lass das, ich hasse das!"
      Ihre Stimmung wurde aber auch gleichzeitig von ihm wieder besänftigt und sie strich sich über ihre Klamotten. Schließlich schaffte sie es sogar, sich trotz ihrer Nähe mehr auf seine Worte zu konzentrieren.
      "In den Untergrund. Macht Sinn, sie wären schön dumm, einfach oben zu bleiben."
      Als er ihr mit dem Griff eines Schwertes gegen die Stirn tippte, machte sie große Augen.
      "Luce, bei den königlichen Eiern, hast du etwa Bereks Schwert gestohlen?!"
      Für einen Moment war sie so fassungslos von dieser Tatsache, dass sie sich Lucius mit Haut und Haaren hingegeben hätte, wenn er nur ein Zeichen dazu gegeben hätte. Seine Risikobereitschaft war ganz exzeptionell und mit dieser Tat hatte er sich ein weiteres Mal übertroffen.
      "Bring das zurück! -Oder nein, bring das auf gar keinen Fall zurück, lass es irgendwo in der Gasse liegen, bei allen Kreaturen!"
      Sie schüttelte ungläubig den Kopf, fassungslos über seinen Gewinn und über sich selbst.
      Schließlich konnte sie wieder einigermaßen klare Gedanken fassen.
      "Du weißt, was in dem Wagen ist?"
      Und er würde sich ein Spiel daraus erlauben, ihr das zu verraten. Oder zu verheimlichen.
      Innerlich stöhnte sie schon.
      "Sag es mir, komm schon. Ich glaube, Berek hat einen der Leute gekannt, eine rothaarige Frau. Vielleicht wird er auch dahinter her sein, sobald er herausfindet, was drin ist, und das werde ich nicht aufhalten können. Komm schon, Luce!"
    • Lucius liebte es, wenn er es schaffte Anthea für einen Moment aus der Fassung zu bringen. Es gelang ihm nicht oft und meist nur wenn sie unter Zeitdruck war. Für diese Wildkatze nur eine von wenigen Schwächen die er bisher finden konnte. Daher sog er solche Momente auch in vollen Zügen auf und wartete ab bis sie sich beruhigt hatte, was leider viel zu schnell ging.
      Aber es war schon amüsant dass ihr der kleine Raub an Berek so zu gefallen schien.
      Erst als sie ihm beinahe befahl das Schwert zurück zu bringen, grinste er und zerkratzte den edlen Knauf an einer rauen und kantigen Felswand.
      "Was denn nun? Zurück bringen?"
      Da schürfte Lucius das Schwert überspitzt schnell an der Wand auf und ab.
      "Oder nicht zurück bringen?"
      Nach diesem Satz zog er es an sich wie ein Kind, welches seine Süßigkeiten vor Fremde schützte.
      Das Selbe wiederholte er dann weitere zwei Male ehe er es vorerst in ein altes Tuch wickelte und an seinem Hosenbund schnürte.
      "Ich denke ich werd es noch ne Weile behalten. Wird ihn sicher noch etwas ärgern. Aber ist doch schon ein lustiger Zufall oder? Ich wollte nur sehen wie schnell ich ihn zur Weißglut treiben kann. Als er dabei auf nichts mehr zu achten schien, empfand ich es als lustig. Dass er dann auch noch auf einen erfahrenen Widersacher stößt, hätte doch keiner ahnen können. Herrlich oder?"
      Lucius konnte nicht anders als kurz darüber zu lachen wie schnell das Karma bei Berek eingeschlagen hatte. Wohl aber auch mehr als verdient, wie er fand.
      Doch das darauf folgende Spiel, konnte Lucius einfach nicht gewinnen. Er hatte sich fest vorgenommen mit Anthea zu spielen. Vielleicht sogar das bisschen Zeit was sie nun hatten zu nutzen, doch kaum fragte sein wildes Kätzchen so eindringlich nach der angekündigten Information, lies er einen Arm hängen und stützte den anderen an seine Hüfte. Eine übliche Pose dafür dass er sich ihr geschlagen gab.
      "Okay okay. Komm mit."

      Sich zur Leiter umdrehend, stieg er hinauf, davon ausgehend dass Anthea ihm sicher folgen würde.
      Es war ein verschlagenes Haus, in welchem ganz klar keine wohlhabenden Menschen wohnten. Zumindest sagte das Dach einiges darüber aus. Es hatte ein kleines, hüfthohes Lehm Gemäuer rund herum und ein paar sehr alte Wäsche Stangen, von denen nur noch eine mit einer alten Leine gespannt war. Hier und dort lagen alte Flaschen, unidentifizierbarer Müll und ein paar alte Kleidungsstücke herum, welche schon so vom Wetter in Mitleidenschaft gezogen wurden, dass man schon näher hinschauen musste was es war.
      Oben angekommen, bot er Anthea seine Hand an, um ihr die letzten Sprossen zu erleichtern, was natürlich nicht notwendig war, doch hatte er so wenigstens einen Vorwand ihre Hand nehmen zu können.
      Als nun beide auf dem Dach waren, lies Lucius nur langsam ihre Hand wieder frei und gab ihr mit einem Kopfnicken zu verstehen ihm bis zu einer Mauer zu folgen, die einen direkten Blick auf eine Gasse bot. Dort setzte er sich hin und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Mauer und sah Anthea an.
      "In knappen 5 Minuten sollten die hier her kommen. Vielleicht kannst du dann auch einen kleinen Blick erhaschen. Der ganze Aufwand hier ist schon was ganz besonderes. Ich kann dir nämlich sagen, dass sie einen sonderbaren Kerl in noch seltsameren Handschellen transportieren. Ein Kerl mit Schnee weißen Haaren und allem Anschein nach Handfesseln die seine Hände komplett umhüllen. Ich selbst konnte es nur aus leichter Entfernung sehen aber eins meiner Vögelchen meinte, die Fesseln wären aus Stein."
      Kurz darüber nachdenkend was die besagte Rothaarige damit zu tun haben könnte, sprach er mehr vor sich her
      "Also ist er wegen dieser Rothaarigen so in Rage geraten hm?"
      Wenn Lucius ins Grübeln geriet, änderte sich sein ganzes Wesen. Sein verspieltes Grinsen verschwand und machte für einen ernst blickenden Strategen Platz, der ihm schon sehr oft in seinen Aufträgen geholfen hatte und dafür gesorgt hat, dass er so schnell für Aufsehen in seinem Distrikt sorgte und wohl auch so schnell im Rang gestiegen war.
      "Das macht keinen Sinn. Diese komischen Kuttenleute sind doch öfter hier in der Stadt unterwegs und sorgen nie für aufsehen. Nicht mal in den Machtspielen mischen sie mit. Wie kann einer der erst seit kurzem hier aufgetaucht ist, so nen Stress mit einer von denen haben? Sogar dieser Oberknilch stellte sich Berek entgegen um die Frau zu schützen. Was aber noch viel beunruhigender ist, ist der Fakt dass der dessen Chef genau zu wissen schien wie man diese eigenartigen Fähigkeiten der Spinne aushebeln kann."
      Kurz ins Schweigen verfallend, sah er wieder zu Anthea auf und zuckte wieder lächelnd mit den Schultern
      "Tja, ich denke da bleibt uns nur eins. Wir finden diesen Rotschopf und bringen sie zum singen. Bei der Panik die sie zur Flucht getrieben hat, weiß die ganz sicher so einiges. Was denkst du?"