The Curse of Time {TobiMcCloud & Codren}

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    • Urudin legte den Kopf schief. Sein Körper neigte sich leicht mit, so als hätte die Bewegung ihm einen Schwung verpasst, der ihn schräg nach oben zog.
      "Die. Frau."
      Er blinzelte nicht. Vielleicht kam daher der Eindruck, dass ihm seine Augen manchmal hervorzuquellen schienen.
      "Sie ist nicht, aber ich erkenne Fasern... Strukturen... wie der Lichtgesegnete ohne Licht..."
      Seine Hand hob sich wieder, auch wenn sie jetzt ebenfalls schräg war. Dieses Mal materialisierte sich aber etwas in seiner Handfläche, so wie er sich auch selbst aus der Luft geformt hatte. Ein Faden, ein silbriger, fransig wirkender Faden schien sich aus dem Nichts der Luft herauszuschlängeln und kräuselte sich ein weniger oberhalb seiner Handfläche. Er war nicht lang, aber er schien auch nicht unbedingt zu Ende zu sein, als er dort in der Luft schwebte und ganz fein nur pulsierte.
      Urudin richtete seinen verwaschenen Blick darauf. Er neigte den Kopf wieder, aber dieses Mal schwebte sein Körper nicht mit.
      "Das Zwielicht ist nicht, aber seine Grenze ist dünn. So, so dünn... nur einen Schritt zu weit und es wird..."
      Er hob seinen Blick von dem Faden zu Aradan, auch wenn er keins von beidem wirklich realisierte. Dann wand sich der Faden ganz, ganz langsam in Aradans Richtung und begann, auf ihn zuzuschweben.
      Er musste ihn nicht berühren, um es zu hören. Es kam von ganz alleine, ein winziges, leises Geräusch, das sich von dem kreischenden Umfeld außerhalb der Schutzkuppel nicht abgehoben hätte, wenn es nicht eine eigenartige Präsenz gehabt hätte. Eine Allgegenwärtigkeit.
      Das Weinen einer Frau.
      Reneras Weinen.
      Ihre Stimme war verzerrt, als käme sie nicht von einem Ort, sondern als käme sie von ganz vielen und würde durch den Faden erst an einen Ort und eine Stelle gelenkt. Renera war nicht in dem Faden und der Faden war auch nicht in ihr; sie war ein Teil des Zwielichts und der Faden repräsentierte einiger dieser Teile zusammengepresst auf einen einzigen Fleck.
      Hätte man über ausreichendes Wissen über das Zwielicht verfügt, hätte man erkennen können, was für eine einzigartige Macht hinter der Merkwürdigkeit von Urudin steckte, die es ihm erlaubte, ein solches Kunststück zu vollführen, ohne überhaupt die richtigen geistigen und bewussten Kapazitäten dafür zu haben.
      Urudin schien es nicht einmal selbst zu wissen.
      Er starrte weiter auf Aradan und gleichzeitig ins Nichts und wandte dann den Kopf, als in der Ferne Tumult ausbrach. Das, was in der richtigen Welt als schwarzes, eigentümliches Loch auftauchte, war hier wie ein gewaltiger, turmhoher Riss, der sämtliche Kreaturen mit seiner eigenartigen Anziehungskraft zu sich beorderte. Und genau in diesem Moment durchschritt eines der Wesen - das nicht annähernd so aussah wie eine Kreatur und doch zu einer werden würde - diesen Riss.

      Er flammte in seiner gesamten Länge auf, ähnlich dem beständigen Leuchten, das Aradan an sich hatte. Für einen Moment wurde die Umgebung strahlend hell und irgendwie warm, als der Riss in dieses Licht eingetaucht wurde und ein Donnern von sich gab, als wären sie inmitten einer Gewitterwolke. Es dauerte nur einen ganz kurzen Augenblick, dann war es wieder vorbei und die trübe Umgebung kehrte zu ihrer Eigenartigkeit zurück.
      Auch Urudin wandte sich wieder Aradan zu, als wäre ein Mensch im Zwielicht weitaus interessanter als ein riesiger, unnatürlicher, Wesen verschluckender Riss.
      "Das Tor. Es nimmt keine Seelen, es nimmt nur Körper. Nur richtige Körper..."
      Er wirkte traurig, machte aber auch keine Anstalten, sich vollständig zu materialisieren. Beim letzten Mal hatte es schon Probleme gegeben, als er einen wirklichen Körper angenommen hatte.
      Dann war die Emotion aus seinem Gesicht wieder verschwunden und sein Körper begann, sich langsam in die andere Richtung zu neigen. "Die Frau kann nicht durch das Tor. Braucht einen Körper. Körper wird nicht hier drin sein, niemals..."
      Seine Haare wirbelten ihm wie in Zeitlupe um den Kopf herum, schwerelos.
      "Solange Körper nicht im Zwielicht ist, kann er... g e n u t z t w e r d e n."
      Der Faden wandt sich mit einem Mal, als hätte er verstanden, was Urudin soeben gesagt hatte. Reneras Stimme änderte sich aber nicht, sie weinte weiter, egal was vor sich ging.
      Urudin hob die Hand und der Faden verblasste langsam, löste sich auf in unendliche Kleinteile und war dann wieder verschwunden, Teil des Zwielichts selbst. Sein Blick aber, der Blick des Geistes, hatte sich mit einem Mal mit bis dahin unbekannter Intensität auf Aradan festgesetzt.
      "Ich kann ihn nutzen."
    • Was hatte Aradan erwartet.. Natürlich war das erste was Urudin von sich gab so kryptisch wie zuvor. Wenn dahinter ein tieferer Sinn steckte, musste erst noch eine Person geboren werden um es zu verstehen.
      Sarkastisch flüsterte er schon mit verschränkten Armen leise mit.
      "Die Frau.. Natürlich.."
      "Strukturen... Lichtgesegnet ohne..."
      Da unterbrach Aradan ihn, seine Hände an die Seiten stemmend und machte der ganzen Konfrontation klar zu verstehen was er davon hielt.
      "Ja Urudin. Wasser ohne Feuchtigkeit, Kälte ohne Eis, Wachstum ohne Veränderung, Musik ohne Töne, Stille ohne ruhe... Ich VERSTEHE dich nicht!"
      Dabei hielt Aradan schon die Arme aufgebend auseinander, nur um erneut komplett ignoriert zu werden. Hörend wie Urudin schon seine nächste wohl unerklärliche Aktion begann.

      Dieses Mal konnte Aradan aber nicht umher gespannter zu sein. Die Aufmerksamkeit fiel auf Urudin's Hand und den dort seltsamen Faden zu beobachten, der auf eine Art magische Weise erschien, wie sie sich Aradan derzeit noch nicht erklären konnte. Er hatte etwas an sich wie er noch nie etwas im Zwielicht erschaffen hatte, dabei errichtete er schon eine ganze Kathedrale samt Inhalt von Erinnerungen und neuem Wissen dass es zu lernen galt.
      Diese Magie war jedoch etwas gänzlich anderes, von dem er noch nie etwas gelesen hatte.
      Doch als der Faden auf ihn zu kam, geschah etwas, dass Aradan hier am aller wenigsten erwartet hatte. Es war die Stimme einer Person, die dazu in der Lage war jede Faser in seinem Körper anzuspannen. Obendrein weinte diese Stimme. Augenblicklich legte sich ein Schatten auf Aradan's Rücken. Sein Blick verfinsterte sich.
      Als sei dieser Faden eine Bedrohung, schritt er zurück, doch als er sich sicher war, dass es Renera's Stimme war, machte er sich zu einem schnellen Griff bereit, welcher ins Leere ging, als der Faden verschwand und nichts als Urudin's überdrüssige Worte zurück lies, die Aradan nun nicht mehr genervt, sondern zornig flüsternd mit sprach.

      "Das Tor nimmt Körper? Keine Seelen?"
      In Aradans Augen wurde das Bild immer klarer. Seit Tagen wachte Renera nicht mehr auf und nun zeigte Urudin ihm einen unbekannten magischen Trick der ihre leidende Stimme offenbarte.
      "Interessant..."
      Flüsterte er mit finsterer Mine Urudin entgegen, welcher seine Sätze weiter formte als wäre Aradan nach wie vor nicht anwesend. Doch als sich sein Blick bei seinen letzten Worten nun endlich zu fokussieren schien, knallte Aradan die Sicherung durch. Der Kommentar Renera's Körper zu benutzen, rief all die Erinnerungen in ihm wach, wie Minerva ebenso versuchte mit Versprechungen und scheinheiligen Begründungen an die Kontrolle über den Körper zu kommen.

      Seine Mission komplett in den Hintergrund gerückt, teilte Aradan seine Kräfte nun nicht mehr ein. Er lies alles hinaus was noch in ihm war, was genug war um ein blendendes Licht über duzende Meter zu erzeugen. Dabei nahm er nicht nur im Zwielicht seine göttliche Gestalt samt weißer Kluft und abstehend welligen Haaren an, wie zuvor in der Königsstadt, sondern auch im Zelt in der realen Welt, was selbstverständlich alle im Lager sofort alarmierte. Es streute so viel Licht, dass sich alle im Lager fühlten, als zeigte ein riesen großer leuchtender Pfeil auf dessen Position. Nur durch den schnellen Wurf mehrerer Decken, Leinen und alles was sich sonst noch finden lies, konnte das Zelt in dem sich Aradan mit Renera befand, überworfen werden um kein Licht mehr nach außen zu streuen und mögliche Wesen auf dessen Position zu locken.

      Im Zwielicht stand nur ein zorniger lichtgesegneter Aradan vor Urudin, der in diesem Moment wohl eine größere Aufmerksamkeit auf sich zog als der Riss in der nahen Ferne.
      "Bist du es der Renera gefangen hält?! Hälst du sie im Zwielicht?!? SPRICH!!!"
      Bei seinem letzten Wort tauchte Aradan augenblicklich vor Urudin auf und lies seine Stimme unnatürlich laut durch jede Faser der rissigen Ebene schallen.

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    • Als Aradan in einem gewaltigen Kegel aus Licht explodierte, war es gerade so, als würde eine Schockwelle durch das ganze Zwielicht ziehen. Bäume erzitterten, die gar nicht getroffen worden waren, und Gestalten drehten sich um, die bisher dem Riss und nicht Aradan zugewandt waren. Eine Kraft drang durch das Zwielicht, die man von einem fernen Blickwinkel aus beinahe hätte beobachten können.
      Und Urudin, der inmitten dessen schwebte und den das gleißende Licht von Kopf bis Fuß erfasste, der starrte direkt hinein. Er riss die Augen weit auf und starrte, als sehne er sich danach, von dem Licht die Augen verbrannt zu bekommen. Es war hell und gleißend und die weiße, aufragende Gestalt, die daraus hervorkam, war von nicht weniger Macht gesegnet, dass es viel mehr als nur die Augen davon verbrannt wären.
      Aber Urudin sah nicht weg. Er starrte in den Kernpunkt des Lichts und nahm einen tiefen Atemzug, so als hätte er sich gerade erst daran erinnert, dass er als Geist auch Luft benötigte.
      Am Rand des Schildes, das Aradan aufgebaut hatte, drängten sich jetzt die Massen mit einer Kraft, die vorher noch nicht dagewesen war. Wenn sie sich bis dahin eher halbherzig auf den Riss zubewegt hatten, schoben sie jetzt mit all ihren Gewichten gegen das Schutzschild gleichzeitig, um zu der Quelle des Lichts zu gelangen. Ihre grauen Hände tasteten und drückten, schoben und kratzten über jede Stelle, die sie nur finden konnten. Ihre Geräusche waren ohrenbetäubend und um mindestens eine Oktave angeschwollen.
      Urudin richtete sich auf, was eher bedeutete, dass er sich wieder in eine vertikalere Position drehte. Aber etwas anderes veränderte sich an seiner Position auch, vielleicht, wie er ein bisschen den Rücken durchzustrecken schien oder wie sein Kopf sich etwas mehr hob. Eigentlich hätte es nicht auffallen müssen, aber nachdem er bis dahin sich nie darum geschert zu haben schien, wie sein Körper ausgerichtet war, war es jetzt umso auffälliger, dass er es tat.
      Sein Blick schweifte nicht mehr ab. Er sah nicht mehr durch Aradan hindurch. Er ruhte auf Aradans Augen und verließ ihn nicht.
      "Re-ne-ra", aus seinem Mund hörte es sich an wie ein Fremdwort, "ist nicht, so wie ich nicht bin. Das Zwielicht und ich sind eins. Das Zwielicht und Renera sind eins. Das Zwielicht und unendlich viele andere sind eins. Wir sind so wie das Zwielicht ist."
      Zum ersten Mal wirkten auch seine Worte halbwegs klar, nicht mehr das Gebrabbel das er sonst von sich gab - mit dem Unterschied, dass sie trotzdem nicht aussagekräftiger waren. Aber zum ersten Mal schien es, als wisse er gar nicht, was er sonst sagen sollte, als wäre eine Schranke dort, wo sich das eigentliche Wissen befand, das er Aradan in diesem Moment zu übermitteln versuchte.
      "Niemand hält sie. Es gibt nichts zu halten. Die Luft und sie ist eins, der Boden und sie ist eins. Das Zwielicht und sie ist eins."
      Er nahm einen weiteren Atemzug, ohne zu blinzeln. Die ganze Zeit hatte er schon nicht geblinzelt, als Geist wurden wohl die Augen nicht trocken.
      "Wenn sie bleibt, wird sie nicht mehr sein können. Sie wird auch das verlieren, was du gehört hast. Das Zwielicht und ihr Körper werden nicht mehr zueinander finden.
      Aber es braucht den Körper, um die Seele zu leiten. Ihr Körper und das Zwielicht sind nicht eins, er kann eine Brücke darstellen. Aber für diese Brücke braucht es den Körper. Die Realität."
    • Aradan bemerkte nach seinem zornigen Ausbruch schnell, wie unangebracht und unvorteilhaft sein Kontrollverlust war. Es war ihm sichtlich unangenehm sich dabei zu erwischen, so viel seiner letzten Kraft wegen einer Emotion verloren, und die eigentliche Mission gefährdet zu haben.
      So legte sich sein Zorn langsam während er sich auf Urudins kryptische Worte konzentrierte und nach wie vor weniger verstand als es ihm lieb war. Er zwang sich tief durchzuatmen, was das Licht, welches er ausstrahlte, wieder auf ein gesundes Maß reduzierte.
      Nach einem weiteren tiefen, beinahe meditativ Luftzug, gelang es Aradan auch wieder ruhiger zu sprechen.
      "Urudin. Ich verstehe, dass es hier im Zwielicht viel gibt, das ich nicht verstehe und noch einige Jahre brauche um deinen Worten folgen zu können. Aber ich bin gewillt mit dir zusammenzuarbeiten wenn ich Renera dadurch retten kann. Sie ist mir sehr wichtig und ich möchte wirklich verstehen, wie wir ihr helfen können."

      Nun wieder mehr den Fokus darauf legend, die Geister um sich herum zu vertreiben, nahm Aradan einen großen Schritt Abstand von Urudin und verschränkte seine Arme vor sich.
      "Fangen wir damit an, dass du mir versuchst zu erklären, wieso sie im Zwielicht gefangen ist. Ich habe die alten Runen von Rak'urkah genutzt um ihre Fähigkeiten im Kampf temporär zu steigern. Im Buch der alten Eldrisil gab es weitaus gefährlichere Runen Sprüche und keine einzige davon beschrieb Risiken die das Zwielicht oder Seelenwanderung zur folge haben. Auch der Körper der Rothaarigen hat die Runen akzeptiert ohne jegliche Folgen. Laut den Eldrisil gab es lediglich zwei Personen, welche diesem Zauber nicht überlebten und das auch nur weil er mehrfach am Tag über mehrere Wochen genutzt wurde."

      Mit seiner Erklärung ging Aradan viel eher für sich selbst die Ereignisse durch und hoffte auf einen Fehler zu stoßen den er rückgängig machen konnte, doch war er sich sicher, die Runen fehlerfrei angewandt zu haben.
      Es blieb also zu seinem Bedauern nichts anderes übrig als auf Urudin und dessen Hilfe zu vertrauen. Zumindest war sich Aradan sicher, dass Konfrontation und Zorn in diesem Fall nicht zur Hilfe beitragen würden.
    • Urudin blinzelte. Das musste eine gewillte Bewegung sein, denn bisher hatten sich seine Augen nie sonderlich anders bewegt, als die seichten Bewegungen seiner Pupillen. Es sah irgendwie fehl am Platz aus.
      "Rak'urkah."
      Er schien das Wort austesten zu wollen, ein Versuch, ob es von seinem Mund dieselbe Wirkung haben würde wie von Aradans.
      "Runen des Rak'urkah verlangen eine Bindung. Ein Tor."
      Sein Arm bewegte sich nach oben und nach hinten, so als würde er auf das Licht des Tores in der Ferne zeigen.
      "Sie öffnen alles gewesene und alles Sein. Sie binden, solange sie vollständig ist. Mit ihrer Auflösung löst sich auch die Verbindung."
      Die Haare um seinen Kopf fächerten auseinander, er begann, sich wieder langsam in eine Richtung zu neigen.
      "Sie sind geschlossen, aber die Bindung ist es nicht. Bestehen die Runen, aber reißt die Verbindung, ziehen zwei Seiten an dem selben Wirt, der beiden nichts mehr geben kann. Die Seite der Runen bekommt das Körperliche, die Seite der Bindung das Seelische, dann sind beide befriedigt."
      Er hob die Arme, die Handflächen nach oben gerichtet, eine Versinnbildlichung.
      "Der Ursprungszustand muss zurückgeführt werden. Eine Verbindung muss hergestellt werden und beide Seiten wieder zusammenführen. Dann können die Runen aufgelöst und die Bindung auf gewöhnliche Weise geschlossen werden."
      Er führte beide Hände zusammen und betrachtete dann Aradan, entweder, weil er auf eine Reaktion wartete, oder weil er wissen wollte, dass der andere verstanden hatte. Der Geist schien noch immer nicht gänzlich anwesend zu sein mit der Art und Weise, wie er noch immer flimmerte und schwirrte, auch wenn seine Worte womöglich verständlicher sein mochten. Es war vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis er wieder dazu übergehen würde, sinnloses Geschwafel von sich zu geben.