"Deine Aufgabe ist dir klar?" Asmodeus strenger, prüfender Blick ruhte schwer auf der jungen Dämonin vor ihm.
"Jawohl." Vor Selbstbewusstsein strotzen nickte Desdemona. Natürlich war sie sich ihrer Aufgabe bewusst, sie hatte sich schließlich in den letzten Monat nichts anderem hingegeben. Oder waren es Jahre? Tage? Nun, so sicher war sie sich nicht, Zeit war schließlich ein Konzept der Sterblichen welches in der Hölle keine Bedeutung innehielt.
“Gut. Du wirkst vielversprechend. Ich erwarte, dass du mich nicht enttäuschen wirst.”
Auch wenn die Worte des mächtigen Wesens zum einen durchaus schmeichelhaft zu sein schienen, schwang in ihnen eine gewisse Drohung mit. Versagen wurde nicht geduldet.
“Erweise dich des zweiten Zirkels würdig. Verführe einen Sterblichen, vereinnahme seine Seele, und dir wird künftig jederzeit zutritt in die Welt der Sterblichen gewährt um dort weitere Dienste im Namen unseres unheiligen Herrn zu verrichten.”
Ein letztes Mal beäugte Asmodeus seinen Prüfling mit kritischen Augen, bevor er beiseite trat und den Blick auf einen großen, Schwarzen Spiegel preisgab, den Desdaemona neugierig beäugte. Sie wusste, dass dies ihr Weg in die Welt der Sterblichen war, doch hatte sie ihn noch nie aus dieser Nähe betrachten können.
“Bist du bereit?" Es klang mehr nach einer Aufforderung als nach einer Frage, doch sie ließ sich dadurch nicht beirren und schritt stolzen Hauptes vor den Spiegel.
Der Stählerne Rahmen, welcher das tiefschwarze Glas, das nichts als Finsternis reflektierte, umfasste, besaß die Form eines sich selbst verschlingende Serpents. Je näher sie an ihn herantrat, desto stärker wurde das seltsame pulsieren, welches vom dunklen Glas ausging.
"Nun geh hindurch." Desdaemona nahm einen letzten Tiefen Atemzug und kniff die Augen zusammen, bevor sie den entscheidenden letzten Schritt geradeaus tat.
Die Luft wurde kälter. Lärm erfüllte die Luft. Menschen. Überall waren Menschen. Sie riss die Augen auf und fand sich auf dem Bürgersteig inmitten einer lebendigen Großstadt wieder. Die Autos rasten die Straß0en entlang, aus der Ferne ertönten Hupen und Sirenen. Die Menschen zogen allesamt schnellen Schrittes an ihr vorbei, jeder in seiner Eigenen Welt, die meisten davon hatten ihren Blick fest auf ihr Handy gerichtet. Keiner schenkte ihr die geringste Beachtung oder schien sich darüber zu wundern, dass ein leicht bekleidetes Mädchen einfach so aus dem nichts heraus vor ihnen auf dem Bürgersteig aufgetaucht war.
Nun, nicht gerade, was Mona sich erhofft hatte. Schließlich war sie doch der Meinung gewesen, ein recht attraktiv anziehenderes Äußeres zu besitzen.
Immerhin besaß sie weder Hufe noch Hörner, welche ihr die negative Art von Aufmerksamkeit beschert hätten. Was nur ein kleiner Trost war.
"Ich werde schon jemanden finden." versicherte sie sich selbst voller Zuversicht und begann sich zwischen den Menschen umzusehen. Es gab echt wenige attraktive Männer, und noch weniger, welche ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes als ihr Handy gerichtet hatten.
Irgendwann erblickte sie endlich einen dunkelhaarigen jungen Mann in der Menge, welcher in ihre Richtung kam - und das Ohne Handy! Jackpot.
Wie sie es geübt hatte, setzte sie ein verführerisches Lächeln auf und stellte sich ihm, in einer Pose welche ihre weiblichen Züge äußerst betonte, in den Weg. "Hey Süßer~ Wie wäre es-" begann sie mit säuselnder Stimme, bevor sie von ihm grob an der Schulter beiseite geschoben wurde. "Kein Interesse." kam es nur unbeirrt von ihm zurück.
Daesdemona stand wie erstarrt mit offenem Mund da. Was? Was in Satans Namen ist soeben passiert? Wurde sie eben von einem Sterblichen... abgelehnt? Eingeschnappt stapfte sie mit ihrem Fuß auf den Boden. Sie war eine Buhlteuflin! Ein Succubus! Der wahrgewordene erotische Traum eines jeden sterblichen Mannes! Und dieser- dieser STERBLICHE wagte es einfach SIE abzulehnen?! "Du entsprichst eh nicht meinem Geschmack!" faucht sie ihm erzürnt hinterher und stapfte in die entgegengesetzte Richtung davon. Selbst ihr kleiner Wutausbruch hatte kaum mehr Aufmerksamkeit erregt als ein paar verärgerte Blicke und Stirnrunzeln. Sie musste sich was neues ausdenken, und zwar schnell!
Während sie die Straßen entlang lief, und der Tag sich zum Abend und schließlich zur Nacht wandelte, hatte sie festgestellt, das jeder Mensch, dem sie begegnete ein Handy besaß. Was fesselte sie bloß an dieses dumme kleine Gerät? Was auch immer es war, vielleicht konnte Mona es sich irgendwie zunutze machen? Aber wo...? "Hau bloß ab! Und komm erst wieder, wenn du deine Rechnungen endlich bezahlen kannst!" Die Aufruhr, welche aus der Richtung einer Bar kam, erregte ihre Aufmerksamkeit. Ein ungepflegt aussehender Man, nach kotze und Alkohol riechend lallte etwas unverständliches vor sich hin und torkelte aus dem schäbig aussehenden schuppen heraus.
Angewidert verzog Daesdemona das Gesicht. Er wäre eindeutig leichte Beute für sie. Aber sie hatte ein zu hohes Niveau um sich soweit zu erniedrigen. Außerdem war seine Seele bereits durch Jahre des Glücksspiels und der Trinkerei verdorben genug um als Eigentum der Hölle zu zählen. Und das schon sehr bald. Er torkelte nur wenige Meter weiter, bevor er das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Sein Bewusstsein entglitt ihm und er blieb regungslos liegen.
Die Dämonin sah sich um. Die wenigen Leute die zu dieser Zeit noch durch die Straßen gingen schenkten ihm keine Beachtung und wandten vor Fremdscham sogar absichtlich den Blick von ihm Ab.
Wenn keiner dem Mann bald zu Hilfe kommen würde, würde er schon sehr bald durch seine Alkoholvergiftung verenden, soviel wusste sie. Sie selbst könnte ihm helfen. Ihn in eine Notfallaufnahme bringen oder jemanden sagen er solle den Krankenwagen rufen. "Pffh, was bin ich? Etwa ein Engel?" Desdaemona schüttelte Hämisch den Kopf. Oh nein, sie war Dämon durch und durch. Und der Trunkenbold konnte ihr durchaus noch einen Gefallen erweisen.
Sie hockte sich neben ihm hin, und begann seine Taschen zu durchsuchen. Wie sie es sich bereits gedacht hatte, besaß auch er ein Handy. Der Man schlief seelenruhig weiter auf sein unabwendbares Verderben zu, während sie sich das Handy grinsend zu eigen machte. Keiner der vorbeigehenden Passanten schien es zu bemerken. Oder keiner wollte es bemerken. Ein Kinderspiel.
Als die Sonne am nächsten Morgen aufging, hatte die Junge Dämonin sich in die Handhabung des Handys eingefunden. Der Mann, welchem sie dieses entwendet hatte war um diese Zeit bestimmt schon längst aus dem diesseits geschieden, doch sie machte sich nicht die Mühe dies zu prüfen. Er würde sein Handy schon nicht mehr vermissen.
Was sie herausgefunden hatte war, dass Menschen sogenannte "Apps" nutzen konnten, um andere Menschen in ihrer Umgebung zu finden, welche sich auf eine Romanze einzulassen. Ein wunderbares Werkzeug für sie! Sie hatte sich auf "Tinder" bereits ein - ihrer Meinung nach- äußerst einladendes Profil erstellt, war soeben dabei ein passendes "Match" zu finden.
"Mhmm, der sieht schnuckelig aus." kommentierte sie einen der Vorgeschlagenen jungen Männer und wischte den Bildschirm zur Seite. "Hmm, zu alt. Zu adipös." Sie wollte nicht einfach IRGENDWEM, sie war schließlich ein Dämon von Klasse! Ihre erste verdorbene Seele sollte schon jemand sein, mit dem sie Ordentlich angeben konnte!
Nach einer Weile legte sie das Handy mit einem Seufzen beiseite. Und lehnte sich auf der Parkbank, auf welcher sie die vergangenen zwei Stunden gesessen und ihr Profil erstellt hatte, zurück. Ihr blick schweifte gen Himmel, wo die Aufgehende Sonne den Himmel in allen Farben des Feuers erstrahlen ließ. Ihr erster Tag in der Welt der Sterblichen... Das könnte noch heiter werden.
