Danica Kalsanik
Tatsächlich, überrascht ist Danica auch beim besten Willen nicht gewesen über die Einladung. Sie hatte sich einige Strategien im Vorhinein überlegt, um die Augen des jungen Prinzen in ihre Richtung zu ziehen. Diese Situation war nur überaus praktisch für sie, da sie sich im Grunde kaum anstrengen musste. Ein letztes Mal warf sie noch einen Blick zu ihrer eigentlichen Begleitung und schenkte Claude ein geheimnisvolles Lächeln, bevor sie mit den Lippen die Worte "Wart es ab" formte und Nikolais Hand ergriff. Ganz wie es sich gehörte verneigte sie sich vor dem Mann, ehe sie in Position gingen. Während Claude sie an eine ruhige Stelle an den Rand geführt hatte, war Nikolai ohne Unterlass in die Mitte der Fläche getreten. Das war wohl schlicht und ergreifend der natürliche Platz für einen Mann in seiner Position. In ihrem vorherigen Leben war es ihr nicht aufgefallen, sie hat sich nicht im Entferntesten für Politik interessiert. Doch nun, da es quasi durch und durch ihr täglich Brot gewesen ist, verstand die junge Frau erst welche unglaubliche Verantwortung auf diesen noch so jungen Schultern lasten musste. Danica ist bereits einmal älter als er gewesen. Und dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, was alles durch seinen Kopf gehen musste. Wie anstrengend es gewesen ist diese Maske jede Minute seines Auftretens über aufzubehalten. Selbst bei einer Persönlichkeit wie Elisabeth lediglich ein nahezu lautloses Seufzen über die Lippen zu bringen, bevor er nahtlos weiter machen konnte. Seine Arbeit kannte keinen Feierabend. Keinen Urlaub.
All das ging ihr durch den Kopf, während sie sich in seine Hände legte. Anders als Claude war seine Haltung nicht militärisch, wenn auch ebenso diszipliniert. Doch seine Bewegungen wirkten im Allgemeinen deutlich weicher. Noch ein wenig perfekter. Einstudierter. Danica fühlte sich, als wäre es egal, ob er mit ihr oder irgendeiner anderen Frau tanzte. Es würde immer auf die gleiche Weise verlaufen. Im gleichen Takt. Sie beide kamen aus ähnlichen Kulturkreisen, weswegen ihr die Art seines Walzers wohl bewusst gewesen ist. Während ihre linke Hand in seiner lag, ergriff sie mit ihrer rechten den Saum ihres Kleides und er selbst platzierte die freie Hand hinter seinem Rücken. Es war wirklich kein persönlicher Tanz. Und besonders kein intimer. Er war streng, schön und durch und durch einheitlich. Ihr ist es sehr recht gewesen, dass sie nicht miteinander sprachen. Danica musste ihre ganze Konzentration aufbringen, um Schritt zu halten. Sie wusste, dass sie nicht den Takt verfehlen durfte. Von Anfang bis Ende, musste sie dabei bleiben. Fiel sie heraus, würde sie nicht wieder herein kommen.
Im Stillen ersehnte sie sich das Ende des Tanzes, während ihre Augen immer mal wieder den Mann einfingen, der ihr Begehr darstellte am heutigen Abend. Tatsächlich schaffte sie es geringfügig mit jeder weiteren Drehung Nikolai ein wenig mehr in seine Richtung zu lenken. Nur ein kleines Stück, kaum merkbar. Bis die Musik schließlich den letzten Takt anstimmte und sie beide zum Stehen kamen. Ihr Atem ging schwer, die Brust hob und senkte sich stark in ihrem engen Korsett. Doch sie fing sich so schnell sie konnte und endete mit einem tiefen eleganten Knicks.
"Oh, na siehe da!", ertönte eine Stimme neben dem Paar und nun fing Danicas Herz auch vor Aufregung an schneller zu schlagen. Es war soweit. Sie richtete sich wieder auf und sah zu dem jungen Mann im schneeweißen Anzug. Sein sonnengeküsstes Haar strahlte dabei regelrecht und seine Augen trugen ein so intensives Blau, das man sie mit dem Meeresgrund verwechseln konnte. "Eure Majestät, den ganzen Abend schon habe ich mich gefragt, ob Ihr zu uns stoßen würdet." Sein Blick fiel unweigerlich auf Danica. "Doch wie ich sehe habt Ihr stattdessen eine neue Tanzpartnerin gefunden." Und dann geschah es, Danica zeigte ein Lächeln, das noch niemand außerhalb ihrer Familie von ihr kannte. Das perfekte, atemberaubende Lächeln einer unschuldigen Dame. Sie machte einen Knicks vor dem jungen Mann. "Schönen guten Abend, mein Herr. Ich möchte Euch nicht stören. Wenn ich im Weg bin...-" "Nein, um Himmels Willen! Ich hoffe ich habe Euch nicht beleidigt. Mein Humor ist gelegentlich ein bisschen eigenwillig!", korrigierte er sich schnell. Er lud die beiden in den Kreis von Männern ein, die ein bisschen Abseits der Tanzfläche standen. Anatoly stand bei ihnen und verschluckte sich beinahe an seinem Glas Wasser, als sein Blick auf seine Schwester fiel.
"Wie ist Euer Name?", fragte Thorvald so entspannt und fröhlich dass es tatsächlich schwer fiel ihn als Geschäftsmann zu erkennen. "Danica Kalsanik, mein Herr." Der Mann mit dem roten Haar nickte. "Mein Name ist...-" "Thorvald Lind", unterbrach sie ihn und spürte regelrecht wie Anatoly scharf die Luft einzog. Und auch der Mann vor ihr warf einen verstohlenen Blick zu Nikolai. Seine Körperhaltung spannte sich ein wenig an und er vergrub die Hände in den Taschen. "In der Tat! Wie komme ich zu der Ehre, dass Ihr meinen Namen kennt, Miss Kalsanik." Er vermutete etwas. Eindeutig. Das war perfekt. Er spielte ihr genau in die Karten. "Ich bin einst auf dem Sommerfest Eurer Heimat gewesen. Mein Vater hat mich mitgenommen." Nun weiteten sich seine Augen. "Was wirklich? Ihr wart auf dem Sommerfest?" Danica nickte entschlossen. "Ich sah Euch mit eurem Vater bei der Parade. Ihr habt sein schönes Haar." Komplett vor den Kopf gestoßen nahmen seine Wangen einen Ton an, der seinen Haaren ähnelte, ehe er sich räusperte. "Nun... Es ist mir eine Ehre, dass mein... Gesicht und mein Name Euch in Erinnerung geblieben sind. Wirklich. Habt Ihr das Fest denn genossen?" Danica zeigte ein breites Grinsen. "Es war umwerfend. Besonders haben mir die Lieder gefallen." Es war nicht einmal eine Lüge. Ihr Vater hatte sie tatsächlich mitgenommen zu dem Fest, als sie ein Kind gewesen ist. Doch sie konnte sich an kaum noch etwas davon erinnern. All ihr Wissen bezog sie lediglich von Aufzeichnungen und Erzählungen. "Meine Schwester und ich haben einen ganzen Sommer lang den Erntetanz getanzt!" Thorvald grinste, sichtlich geschmeichelt. Doch Danica senkte schließlich die Schultern und legte ihre Arme an ihren Rock. "Wir haben es nur anscheinend nicht richtig gemacht." Der junge Mann schaute verdutzt. "Verzeiht?"
"Nun ja, die Ernte!", sagte sie schließlich. "Sie fiel seit her immer ein bisschen schlechter aus. Es kamen sogar schon einige Male die Bedienstete ohne Brot vom Einkauf zurück, weil die Preise steigen und steigen." Die Stimmung änderte sich und Thorvald spannte sich offensichtlich an. Mit einem stechenden Blick sah er über die junge Frau vorbei zu Nikolai. "Nun, das ist gewiss nicht Eure Schuld, Miss Kalsanik. Ich bin mir sicher Euer Tanz hat alles dafür getan, dass es so gut wurde, wie es nun einmal ging." - "Ist es nicht schade, dass man Pflanzen nicht verstehen kann?", fragte sie plötzlich, als wäre es ihr eben erst eingefallen. Sofort riss der Mann neben ihr den Blick wieder zu ihr herunter. "Nun ja, ist es nicht schade, dass man dem Korn nicht einfach zuhören kann und sogleich weiß, was es braucht?" Der Mann blinzelte einige Male und öffnete den Mund, ehe er ihn wieder schloss. Endlich verstand Anatoly und räusperte sich leicht, um sich ebenfalls in das Gespräch einzuklinken. "Wenn ich mich ebenfalls einbringen dürfte." Er nickte den dreien zu. "Miss... Kalsanik, es ist durchaus möglich, auf die Wünsche der Pflanzen zu hören." "Ach tatsächlich?", sagten Danica und Thorvald synchron und belustigt blickte sie zu ihm auf, was ihn nur verlegen schmunzeln ließ ehe er den Blick wieder Anatoly zuwandte. "Bitte, erklären Sie mir, was genau meinen Sie damit." - "Tatsächlich weiß ich darüber nicht viel. Dazu wird Euch Seine Majestät Prinz Nikolai mehr erzählen können. Doch ist es nicht so, dass Menschen, mit einer Begabung zur Erde die Zustände von Pflanzen spüren und identifizieren sollen. Bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege, doch ist es nicht so, dass Ihr Schulen errichten wollt für Bauern, die eine Affinität in diese Richtung haben?" - "Tatsächlich?", meinte Thorvald mit einer hochgezonen Augenbraue an den Prinzen gerichtet.
"Das klingt nach einem sehr interessanten Konzept.", nickte Danica beeindruckt. "Ich hätte nie daran gedacht die begrenzten magischen Möglichkeit des einfachen Volkes zu nutzen. Lässt sich das noch auf weitere Bereiche anwenden?", hakte sie sogleich als nächstes nach, als hätte sie noch nie von diesen Plänen gehört, geschweige denn sich die letzten Tage wie eine Wahnsinnige hinein gelesen. "Habt Ihr keine Angst, Miss? Dass die Bauern dadurch aufmüpfisch werden würden, wenn man Ihnen solches Wissen zuteil werden lässt?" Danica war überrascht, sehr sogar, dass diese Frage ausgerechnet an sie gerichtet wurde. Sie schaute zu dem fragenden Mann und zeigte ihm erneut ein bezauberndes Lächeln. "Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht. Doch ich weiß, wie hart und passioniert seine Majestät für sein Volk arbeitet. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass der Grad der Bildung einzeln von ihm ausgesucht wird. Warum sollte man da aufmüpfisch werden?" Der Mann schnaufte. "Ihr scheint großes Vertrauen in den Prinzen zu haben." - "Er gab mir noch keinen einzigen Grund ihm dieses Vertrauen nicht zuzuwenden. Wie ist es bei Euch?"
Diese Frage brachte den Mann dazu die Stirn zu runzeln und angespannt bewegte sich sein Unterkiefer, während er zu Nikolai schaute. "Ich fürchte diese Aussage kann ich wirklich nicht stehen lassen... Nun denn, Eure Majestät! Ich möchte alles von diesen Bauersschulen wissen, von denen ich nun schon so viel gehört habe."
Carolus Hoffstad
Er mochte das nicht. Er mochte diese Frau nicht. Es war, als würde sie mit jeder Faser versuchen ihn in eine unangenehme Situation zu bringen. Jetzt umso mehr, da die drei (mehr oder minder) erwartungsvollen Augenpaare auf ihn gerichtet gewesen sind. Carolus versuchte inständig seine rasenden Gedanken zu sortieren, als diese Frau ihm schon wieder zu nahe kam und ihre Hand nach Abel ausstreckte. Eine Geste, die den jungen Mann dazu veranlasste sacht zusammen zu zucken. Ruckartig zog er den Waschbären aus ihrer Reichweite. "Hättet Ihr zunächst einmal bitte die Güte nicht ständig meinen Waschbären anzufassen?" Er schnaufte und seine Augenbraue zuckte leicht bei dem Grad an Anspannung, den er empfand. "Ich weiß nicht, warum Euch das niemand hätte beibringen sollen, Ihr wirkt wie die Sorte Mensch, der man soetwas jeden Tag sagen müsste, es kann nämlich sehr gefährlich sein einfach so Tiere anzufassen, mit denen Ihr nicht vertraut seid! Oder noch schlimmer; Wenn sie mit Euch nicht vertraut sind! So lässt das Tier sich erschrecken und erschrockene Tiere beißen gerne, da sie nicht in der Lage sind nein zu sagen!", ließ er seinen wütenden Vortrag auf sie los. "Ich bin es aber. Und nein, ich möchte nicht länger hier sein, mir ist ganz gleich wie Ihr Euren Abend verbringt oder wem Ihr noch alles Eure... Eure... B-Beine zeigt!"
Es war wirklich schlicht und ergreifend zu viel für den introvertieren Herren. Er hatte gehörig die Schnauze voll von dieser unaussprechlichen Stresssituation, in der er sich hier befand. "Carolus, bitte beruhig dich", versuchte Navid auf ihn einzureden, seine Stirn war besorgt in Falten gelegt. "Miss Coleen wollte weder dir noch Abel etwas Böses. Du bist ungerecht zu ihr." Der Angesprochene ließ ein ungläubiges Lachen verlauten. "Hah! Wen interessiert denn wie etwas beabsichtigt gewesen ist?! Wenn ich versuche ein Heilmittel gegen Pocken zu erschaffen, mich aber in der Dosis verrechne habe ich am Ende des Tages trotzdem Gift gemischt, das einem Menschen schaden kann. Und wenn ich es jemandem verabreiche, in der besten Intention und ihn umbringe ist er tot!", diese Worte spiegelten einen Bruchteil dessen wieder, was in seinem Herzen schlummerte. Carolus verstand nicht die Last eines Geschäftsmannes, eines Kämpfers oder eines Führers. Er begriff nicht im Entferntesten wie sich jemand fühlen musste, der mit einem Schachzug mehrere Leben verbessern oder verschlechtern könnte. Doch was Carolus sehr wohl verstand waren die Blicke, die auf seinen Werken lasteten. Die Erwartung von Heilung, Richtigkeit. Das Wissen darum mit seinen eigenen zwei Händen etwas wertvolles zerstört zu haben. Ob er nun wollte, oder nicht.
Ein letztes Mal schnaufte er wütend und machte auf dem Absatz kehrt. "Ich wünsche Ihnen allen einen wundervollen Abend. Bitte amüsiert Euch und tanzt, bis Eure Füße schmerzen!", sagte er laut seine auswendig gelernte Floskel, die man bei solchen Bällen wohl anwandte und ging in schnellem, festen Schritt davon. Carolus fühlte sich erniedrigt. Lächerlich gemacht. Nichts ernst genommen. Vorgeführt. Die negativen Gefühle in seinem Bauch nahmen kein Ende. Er war wütend, enttäuscht, fühlte sich schuldig, zweifelte an seinem Verhalten, wünschte sich die Zeit zurück zu drehen... Immer und immer wieder ging er die Ereignisse des Abends in seinem Kopf durch, versuchte zu analysieren was passiert war, was falsch gelaufen war. An welcher Stelle er sich nicht an die goldenen Regeln seiner Mutter gehalten hatte. Wie es nur so weit kommen konnte. Doch letzten Endes ging er auf direktem Weg zurück ins Wohnheim der Männer, bahnte sich seinen Weg durch bis auf sein Zimmer und stürzte sich ins Bett, Abel noch immer im Arm haltend. Um ihn herum stand alles voll mit Reagenzgläsern, Büchern, Briefen, Tafeln voller Formeln. Carolus hatte sich damals gegen einen Mitbewohner geweigert, weil er keinen Platz für einen hatte. Genau hier gehörte er hin, nicht unter Menschen. Wie lächerlich, dass er sich wirklich hatte überreden lassen auf diesen Ball zu gehen.
Tatsächlich, überrascht ist Danica auch beim besten Willen nicht gewesen über die Einladung. Sie hatte sich einige Strategien im Vorhinein überlegt, um die Augen des jungen Prinzen in ihre Richtung zu ziehen. Diese Situation war nur überaus praktisch für sie, da sie sich im Grunde kaum anstrengen musste. Ein letztes Mal warf sie noch einen Blick zu ihrer eigentlichen Begleitung und schenkte Claude ein geheimnisvolles Lächeln, bevor sie mit den Lippen die Worte "Wart es ab" formte und Nikolais Hand ergriff. Ganz wie es sich gehörte verneigte sie sich vor dem Mann, ehe sie in Position gingen. Während Claude sie an eine ruhige Stelle an den Rand geführt hatte, war Nikolai ohne Unterlass in die Mitte der Fläche getreten. Das war wohl schlicht und ergreifend der natürliche Platz für einen Mann in seiner Position. In ihrem vorherigen Leben war es ihr nicht aufgefallen, sie hat sich nicht im Entferntesten für Politik interessiert. Doch nun, da es quasi durch und durch ihr täglich Brot gewesen ist, verstand die junge Frau erst welche unglaubliche Verantwortung auf diesen noch so jungen Schultern lasten musste. Danica ist bereits einmal älter als er gewesen. Und dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, was alles durch seinen Kopf gehen musste. Wie anstrengend es gewesen ist diese Maske jede Minute seines Auftretens über aufzubehalten. Selbst bei einer Persönlichkeit wie Elisabeth lediglich ein nahezu lautloses Seufzen über die Lippen zu bringen, bevor er nahtlos weiter machen konnte. Seine Arbeit kannte keinen Feierabend. Keinen Urlaub.
All das ging ihr durch den Kopf, während sie sich in seine Hände legte. Anders als Claude war seine Haltung nicht militärisch, wenn auch ebenso diszipliniert. Doch seine Bewegungen wirkten im Allgemeinen deutlich weicher. Noch ein wenig perfekter. Einstudierter. Danica fühlte sich, als wäre es egal, ob er mit ihr oder irgendeiner anderen Frau tanzte. Es würde immer auf die gleiche Weise verlaufen. Im gleichen Takt. Sie beide kamen aus ähnlichen Kulturkreisen, weswegen ihr die Art seines Walzers wohl bewusst gewesen ist. Während ihre linke Hand in seiner lag, ergriff sie mit ihrer rechten den Saum ihres Kleides und er selbst platzierte die freie Hand hinter seinem Rücken. Es war wirklich kein persönlicher Tanz. Und besonders kein intimer. Er war streng, schön und durch und durch einheitlich. Ihr ist es sehr recht gewesen, dass sie nicht miteinander sprachen. Danica musste ihre ganze Konzentration aufbringen, um Schritt zu halten. Sie wusste, dass sie nicht den Takt verfehlen durfte. Von Anfang bis Ende, musste sie dabei bleiben. Fiel sie heraus, würde sie nicht wieder herein kommen.
Im Stillen ersehnte sie sich das Ende des Tanzes, während ihre Augen immer mal wieder den Mann einfingen, der ihr Begehr darstellte am heutigen Abend. Tatsächlich schaffte sie es geringfügig mit jeder weiteren Drehung Nikolai ein wenig mehr in seine Richtung zu lenken. Nur ein kleines Stück, kaum merkbar. Bis die Musik schließlich den letzten Takt anstimmte und sie beide zum Stehen kamen. Ihr Atem ging schwer, die Brust hob und senkte sich stark in ihrem engen Korsett. Doch sie fing sich so schnell sie konnte und endete mit einem tiefen eleganten Knicks.
"Oh, na siehe da!", ertönte eine Stimme neben dem Paar und nun fing Danicas Herz auch vor Aufregung an schneller zu schlagen. Es war soweit. Sie richtete sich wieder auf und sah zu dem jungen Mann im schneeweißen Anzug. Sein sonnengeküsstes Haar strahlte dabei regelrecht und seine Augen trugen ein so intensives Blau, das man sie mit dem Meeresgrund verwechseln konnte. "Eure Majestät, den ganzen Abend schon habe ich mich gefragt, ob Ihr zu uns stoßen würdet." Sein Blick fiel unweigerlich auf Danica. "Doch wie ich sehe habt Ihr stattdessen eine neue Tanzpartnerin gefunden." Und dann geschah es, Danica zeigte ein Lächeln, das noch niemand außerhalb ihrer Familie von ihr kannte. Das perfekte, atemberaubende Lächeln einer unschuldigen Dame. Sie machte einen Knicks vor dem jungen Mann. "Schönen guten Abend, mein Herr. Ich möchte Euch nicht stören. Wenn ich im Weg bin...-" "Nein, um Himmels Willen! Ich hoffe ich habe Euch nicht beleidigt. Mein Humor ist gelegentlich ein bisschen eigenwillig!", korrigierte er sich schnell. Er lud die beiden in den Kreis von Männern ein, die ein bisschen Abseits der Tanzfläche standen. Anatoly stand bei ihnen und verschluckte sich beinahe an seinem Glas Wasser, als sein Blick auf seine Schwester fiel.
"Wie ist Euer Name?", fragte Thorvald so entspannt und fröhlich dass es tatsächlich schwer fiel ihn als Geschäftsmann zu erkennen. "Danica Kalsanik, mein Herr." Der Mann mit dem roten Haar nickte. "Mein Name ist...-" "Thorvald Lind", unterbrach sie ihn und spürte regelrecht wie Anatoly scharf die Luft einzog. Und auch der Mann vor ihr warf einen verstohlenen Blick zu Nikolai. Seine Körperhaltung spannte sich ein wenig an und er vergrub die Hände in den Taschen. "In der Tat! Wie komme ich zu der Ehre, dass Ihr meinen Namen kennt, Miss Kalsanik." Er vermutete etwas. Eindeutig. Das war perfekt. Er spielte ihr genau in die Karten. "Ich bin einst auf dem Sommerfest Eurer Heimat gewesen. Mein Vater hat mich mitgenommen." Nun weiteten sich seine Augen. "Was wirklich? Ihr wart auf dem Sommerfest?" Danica nickte entschlossen. "Ich sah Euch mit eurem Vater bei der Parade. Ihr habt sein schönes Haar." Komplett vor den Kopf gestoßen nahmen seine Wangen einen Ton an, der seinen Haaren ähnelte, ehe er sich räusperte. "Nun... Es ist mir eine Ehre, dass mein... Gesicht und mein Name Euch in Erinnerung geblieben sind. Wirklich. Habt Ihr das Fest denn genossen?" Danica zeigte ein breites Grinsen. "Es war umwerfend. Besonders haben mir die Lieder gefallen." Es war nicht einmal eine Lüge. Ihr Vater hatte sie tatsächlich mitgenommen zu dem Fest, als sie ein Kind gewesen ist. Doch sie konnte sich an kaum noch etwas davon erinnern. All ihr Wissen bezog sie lediglich von Aufzeichnungen und Erzählungen. "Meine Schwester und ich haben einen ganzen Sommer lang den Erntetanz getanzt!" Thorvald grinste, sichtlich geschmeichelt. Doch Danica senkte schließlich die Schultern und legte ihre Arme an ihren Rock. "Wir haben es nur anscheinend nicht richtig gemacht." Der junge Mann schaute verdutzt. "Verzeiht?"
"Nun ja, die Ernte!", sagte sie schließlich. "Sie fiel seit her immer ein bisschen schlechter aus. Es kamen sogar schon einige Male die Bedienstete ohne Brot vom Einkauf zurück, weil die Preise steigen und steigen." Die Stimmung änderte sich und Thorvald spannte sich offensichtlich an. Mit einem stechenden Blick sah er über die junge Frau vorbei zu Nikolai. "Nun, das ist gewiss nicht Eure Schuld, Miss Kalsanik. Ich bin mir sicher Euer Tanz hat alles dafür getan, dass es so gut wurde, wie es nun einmal ging." - "Ist es nicht schade, dass man Pflanzen nicht verstehen kann?", fragte sie plötzlich, als wäre es ihr eben erst eingefallen. Sofort riss der Mann neben ihr den Blick wieder zu ihr herunter. "Nun ja, ist es nicht schade, dass man dem Korn nicht einfach zuhören kann und sogleich weiß, was es braucht?" Der Mann blinzelte einige Male und öffnete den Mund, ehe er ihn wieder schloss. Endlich verstand Anatoly und räusperte sich leicht, um sich ebenfalls in das Gespräch einzuklinken. "Wenn ich mich ebenfalls einbringen dürfte." Er nickte den dreien zu. "Miss... Kalsanik, es ist durchaus möglich, auf die Wünsche der Pflanzen zu hören." "Ach tatsächlich?", sagten Danica und Thorvald synchron und belustigt blickte sie zu ihm auf, was ihn nur verlegen schmunzeln ließ ehe er den Blick wieder Anatoly zuwandte. "Bitte, erklären Sie mir, was genau meinen Sie damit." - "Tatsächlich weiß ich darüber nicht viel. Dazu wird Euch Seine Majestät Prinz Nikolai mehr erzählen können. Doch ist es nicht so, dass Menschen, mit einer Begabung zur Erde die Zustände von Pflanzen spüren und identifizieren sollen. Bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege, doch ist es nicht so, dass Ihr Schulen errichten wollt für Bauern, die eine Affinität in diese Richtung haben?" - "Tatsächlich?", meinte Thorvald mit einer hochgezonen Augenbraue an den Prinzen gerichtet.
"Das klingt nach einem sehr interessanten Konzept.", nickte Danica beeindruckt. "Ich hätte nie daran gedacht die begrenzten magischen Möglichkeit des einfachen Volkes zu nutzen. Lässt sich das noch auf weitere Bereiche anwenden?", hakte sie sogleich als nächstes nach, als hätte sie noch nie von diesen Plänen gehört, geschweige denn sich die letzten Tage wie eine Wahnsinnige hinein gelesen. "Habt Ihr keine Angst, Miss? Dass die Bauern dadurch aufmüpfisch werden würden, wenn man Ihnen solches Wissen zuteil werden lässt?" Danica war überrascht, sehr sogar, dass diese Frage ausgerechnet an sie gerichtet wurde. Sie schaute zu dem fragenden Mann und zeigte ihm erneut ein bezauberndes Lächeln. "Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht. Doch ich weiß, wie hart und passioniert seine Majestät für sein Volk arbeitet. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass der Grad der Bildung einzeln von ihm ausgesucht wird. Warum sollte man da aufmüpfisch werden?" Der Mann schnaufte. "Ihr scheint großes Vertrauen in den Prinzen zu haben." - "Er gab mir noch keinen einzigen Grund ihm dieses Vertrauen nicht zuzuwenden. Wie ist es bei Euch?"
Diese Frage brachte den Mann dazu die Stirn zu runzeln und angespannt bewegte sich sein Unterkiefer, während er zu Nikolai schaute. "Ich fürchte diese Aussage kann ich wirklich nicht stehen lassen... Nun denn, Eure Majestät! Ich möchte alles von diesen Bauersschulen wissen, von denen ich nun schon so viel gehört habe."
Carolus Hoffstad
Er mochte das nicht. Er mochte diese Frau nicht. Es war, als würde sie mit jeder Faser versuchen ihn in eine unangenehme Situation zu bringen. Jetzt umso mehr, da die drei (mehr oder minder) erwartungsvollen Augenpaare auf ihn gerichtet gewesen sind. Carolus versuchte inständig seine rasenden Gedanken zu sortieren, als diese Frau ihm schon wieder zu nahe kam und ihre Hand nach Abel ausstreckte. Eine Geste, die den jungen Mann dazu veranlasste sacht zusammen zu zucken. Ruckartig zog er den Waschbären aus ihrer Reichweite. "Hättet Ihr zunächst einmal bitte die Güte nicht ständig meinen Waschbären anzufassen?" Er schnaufte und seine Augenbraue zuckte leicht bei dem Grad an Anspannung, den er empfand. "Ich weiß nicht, warum Euch das niemand hätte beibringen sollen, Ihr wirkt wie die Sorte Mensch, der man soetwas jeden Tag sagen müsste, es kann nämlich sehr gefährlich sein einfach so Tiere anzufassen, mit denen Ihr nicht vertraut seid! Oder noch schlimmer; Wenn sie mit Euch nicht vertraut sind! So lässt das Tier sich erschrecken und erschrockene Tiere beißen gerne, da sie nicht in der Lage sind nein zu sagen!", ließ er seinen wütenden Vortrag auf sie los. "Ich bin es aber. Und nein, ich möchte nicht länger hier sein, mir ist ganz gleich wie Ihr Euren Abend verbringt oder wem Ihr noch alles Eure... Eure... B-Beine zeigt!"
Es war wirklich schlicht und ergreifend zu viel für den introvertieren Herren. Er hatte gehörig die Schnauze voll von dieser unaussprechlichen Stresssituation, in der er sich hier befand. "Carolus, bitte beruhig dich", versuchte Navid auf ihn einzureden, seine Stirn war besorgt in Falten gelegt. "Miss Coleen wollte weder dir noch Abel etwas Böses. Du bist ungerecht zu ihr." Der Angesprochene ließ ein ungläubiges Lachen verlauten. "Hah! Wen interessiert denn wie etwas beabsichtigt gewesen ist?! Wenn ich versuche ein Heilmittel gegen Pocken zu erschaffen, mich aber in der Dosis verrechne habe ich am Ende des Tages trotzdem Gift gemischt, das einem Menschen schaden kann. Und wenn ich es jemandem verabreiche, in der besten Intention und ihn umbringe ist er tot!", diese Worte spiegelten einen Bruchteil dessen wieder, was in seinem Herzen schlummerte. Carolus verstand nicht die Last eines Geschäftsmannes, eines Kämpfers oder eines Führers. Er begriff nicht im Entferntesten wie sich jemand fühlen musste, der mit einem Schachzug mehrere Leben verbessern oder verschlechtern könnte. Doch was Carolus sehr wohl verstand waren die Blicke, die auf seinen Werken lasteten. Die Erwartung von Heilung, Richtigkeit. Das Wissen darum mit seinen eigenen zwei Händen etwas wertvolles zerstört zu haben. Ob er nun wollte, oder nicht.
Ein letztes Mal schnaufte er wütend und machte auf dem Absatz kehrt. "Ich wünsche Ihnen allen einen wundervollen Abend. Bitte amüsiert Euch und tanzt, bis Eure Füße schmerzen!", sagte er laut seine auswendig gelernte Floskel, die man bei solchen Bällen wohl anwandte und ging in schnellem, festen Schritt davon. Carolus fühlte sich erniedrigt. Lächerlich gemacht. Nichts ernst genommen. Vorgeführt. Die negativen Gefühle in seinem Bauch nahmen kein Ende. Er war wütend, enttäuscht, fühlte sich schuldig, zweifelte an seinem Verhalten, wünschte sich die Zeit zurück zu drehen... Immer und immer wieder ging er die Ereignisse des Abends in seinem Kopf durch, versuchte zu analysieren was passiert war, was falsch gelaufen war. An welcher Stelle er sich nicht an die goldenen Regeln seiner Mutter gehalten hatte. Wie es nur so weit kommen konnte. Doch letzten Endes ging er auf direktem Weg zurück ins Wohnheim der Männer, bahnte sich seinen Weg durch bis auf sein Zimmer und stürzte sich ins Bett, Abel noch immer im Arm haltend. Um ihn herum stand alles voll mit Reagenzgläsern, Büchern, Briefen, Tafeln voller Formeln. Carolus hatte sich damals gegen einen Mitbewohner geweigert, weil er keinen Platz für einen hatte. Genau hier gehörte er hin, nicht unter Menschen. Wie lächerlich, dass er sich wirklich hatte überreden lassen auf diesen Ball zu gehen.
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