spellbound. (earinor & akira)

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    • Befand man sich erst in einer prekären Lage, so gab es wenige Auswege aus dieser - Rain machte es Nayantai hingegen ein Leichtes, zumindest zu versuchen, ihn zu necken, ihn auf andere Gedanken zu bringen und von vollendeten Tatsachen abzulenken. Der Wahrheit entsprach nicht oft vieles, gleich wenig wie der Wolf wusste, wie er großartig mit sich selbst oder dem Lamm umzugehen hatte, und doch hatte er wenigstens den Hauch einer Idee davon, wie sich ein Wolf in der Präsenz jener Person verhalten würde, deren Körper nicht dafür ausgelegt war, kindischen Raufereien standzuhalten, geschweige denn sich darüber zu amüsieren, wie brutal selbst ein Spiel sein konnte. Überlegte er es sich so recht, dann wusste der Wolf nicht einmal mehr, ob Rain sich überhaupt als Welpen bezeichnen sollte, schien doch immer öfter klar, dass er keineswegs einer war. Störte er sich daran? Nein. "Naja, Welpen beißen einander auch.", erzählte der Wolf, der - fast um es zu demonstrieren - nach Rains Hand griff und ihm ins Handgelenk biss, eher zwickte, als müsse er darauf achten, ihm keine blauen Flecken zu verpassen, oder ihm gar wehzutun, weil er sich als Grobian herausstellte. War Nayantai denn einer? Vermutlich schon. "Hm, nein. Dich als gut genug zu bezeichnen, wäre falsch. Du bist mehr als das.", entgegnete Nayantai ihm.

      Die Tatsache war, dass er sich vermutlich Hals über Kopf in ein Lamm verliebt hatte, die Konsequenzen ignorierte und nicht auch nur eine Sekunde lang wissen wollte, wie tief er in eine Situation rutschte, sich mit all seiner Kraft an jemandem festhielt, den er hassen sollte - sich selbst zu hinterfragen half nicht, gleich wenig wie es keiner Menschenseele, keinem Schaf sonst, recht sein würde, sich auf ihn einzulassen. Gewissermaßen war es Rain, der ihm nicht nur ungeahnte Freiheit offerierte, sondern ihm auch aufzeigte, dass sein Leben durch Hass und Rache nicht länger werden würde, als es ohnehin schon war - als säße er all die Jahre, die er unwissend in Adrestia verbracht hatte in einer dunklen Höhle, und das kleine Lamm, das ihn fand, schien die winzige Flamme zu sein, die ihm den Weg erleuchtete, den er nie finden konnte. Rains Küsse, die grundsätzlich dafür sorgten, dass sich der große, böse Wolf fühlte, als hätte er abertausende, winzige Schmetterlinge im Bauch, trugen dazu bei - und blieben selten unterwidert, weswegen er sich selbst einen stahl. "Ich bezweifle, dass das etwas Schlechtes ist.", konterte er, zufrieden darüber, dass es für einen Moment in seinem turbulenten Leben wieder Stille gab, die von hier bis dort reichte und ihn offensichtlich auf andere Ideen brachte. Rain tat ihm gut, als wäre er das Heilmittel, nachdem er suchte, auch, wenn Nayantai wusste, dass er sich vielleicht zu viel von ihm erwartete - blieb er am Boden, dann schien klar, dass das Lamm ihn nicht von all jenen Gedanken und Erfahrungen, die er seit Ewigkeiten heruntergeschluckt hatte, befreien konnte, aber ein guter Ansatz war. "Warst du nicht gerade eben noch müde?"
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Rain sah zu wie Nayantai sich einfach seine Hand schnappte und ihn sanft biss. Man konnte es kaum als Biss bezeichnen und Rain zuckte kaum, noch zog er seine Hand zurück. Der große böse Wolf würde ihn nicht fressen, niemals, dessen war er sich absolut sicher. Sie beide bissen einander eigentlich sehr oft, wenn Rain darüber nachdachte und es hatte nicht nur einmal dabei geholfen Nayantai aus seinen trüben Gedanken zu ziehen, speziell dann, als sie sich noch weniger verständigen konnten als jetzt. "Nayantai ich...", fing Rain an, wollt ihm sagen, dass er sich darüber freute mehr als nur gut genug für ihn zu sein und dass er sich ganz offensichtlich in ihn verliebt hatte, aber er blieb still, weil er sich selbst noch immer nicht sicher war, ob er tatsächlich gut genug war, oder Nayantai Dankbarkeit mit romantischen Gefühlen verwechselte. Statt weiter zu sprechen blieb Rains Blick an Nayantais Hals hängen, oder eher darunter an seiner Brust wo der Talisman hing den Rain ihm geschenkt hatte, ohne zu wissen was er bedeutete. Er legte seine Hand darauf und schmunzelte. "Wieso trägst du das eigentlich immer noch?"

      Nachdem Rain selbst noch einen Kuss bekommen hatte, gab auch er Nayantai noch einen und ließ seine Hand weiter hinunter gleiten und Nayantais in seine zu nehmen. Sie beide waren kindisch und Rain fragte sich, ob alles anders verlaufen wäre, würde er nicht so viel für den Wolf - seinen Feind - empfinden. Er fragte sich auch ob Tragödie auf Tragödie folgen würde wie bisher, auch wenn sie erst einmal in Thria waren. Es war nicht so als flüchteten sie ins gelobte Land, Thria war vom Krieg zerrüttet, mehr noch als Adrestia und ein blondes Schaf in ihrer Mitte zu wissen machte bestimmt niemanden glücklich. "Ja, das bin ich immer noch, aber es ist auch schön Zeit mit dir zu verbringen.", lächelte Rain und rückte ein wenig näher. Er kuschelte sich an Nayantai und schloss die Augen, er hoffte einfach nur, dass alles gut werden würde und wenn er so in Nayantais Armen lag, dann fühlte es sich so an als könnte es wahr werden.
    • Sinnierte man darüber, wie tief man gefallen war, oder noch fallen konnte, war die Welt selbst nicht mehr als eine trostlose Ansammlung verschiedener Ansichten, die selbst ein Wolf nicht lösen würde, auch dann nicht, wenn er selbst als Kind der Götter galt, unsterblich war und allerhand Verletzungen abtat, die Wunden von seinem Körper streifen konnte - Nayantai war nichts davon, war nicht mehr als das Produkt, das Ergebnis, seiner Erziehung und den rauen Winden, all jenen Kerben in seiner Existenz, denen er unwillentlich ausgesetzt war. Rain hingegen erschien wie die Sonne, die obgleich des eigenen Namens, nach langem Regen wieder auf ihn herabschien, schlussendlich nicht von ihm abließ, sondern ihn noch immer als wertvoll genug ansah, um am Leben zu bleiben. Eben jenes Leben an Rain zu verschreiben, ihm weißzumachen, dass er nur für ihn lebte - all das wollte das Lamm nicht hören, und doch war es für den Wolf ein Fakt, so wahr, wie sein eigenes, fortwährendes Leben. "Du? Ja, Rain, was ist mit dir?", hinterfragte er, als Rain seinen Satz doch nicht vollendete, als er schwieg und allerlei Hoffnung in den Sand setzte, indem er sich selbst anderen Gedanken verschrieb und Nayantai selbst im Trockenen sitzen ließ. Anstatt von Worten folgten Taten, eine müde, fahle Hand, die auf seiner Brust lag, auf dem alten Stück Holz, das der Wolf noch immer um den Hals trug und ihm selbst ein seichtes Lächeln abverlangte, als er inmitten der tanzenden Schatten einen Blick auf Rains Gesicht erhaschte. "Du hast es mir doch geschenkt, nicht? Und außerdem glaube ich, dass ich dir vermutlich bald auch einen schnitzen sollte.", gestand er, als hätte er nicht gerade vielerlei seiner undefinierten Gefühle für ein feindliches Lamm akzeptiert.

      Leicht hatte es keiner von ihnen, würde es auch nie haben und doch wollte der Wolf nicht wirken, als müsste er Rain zu etwas zwingen. Bestenfalls löste sich der Krieg in Luft auf, verschwand in die Richtung, aus der er einst gekommen war, und schlimmstenfalls lösten sie beide sich auf, bevor sie überhaupt nur einen Blick auf Thria erhaschen konnten. Nayantai wollte nicht daran denken, schien zuversichtlicher, nicht länger in eben jener Realität leben zu müssen; wozu auch? "Das hört sich beinahe so an, als wolltest du kuscheln, nicht ich.", neckte Nayantai alsbald, als hätte er ohnehin nicht damit gerechnet, das Lamm in seinen Armen zu halten, ihn so nah an sich zu spüren und ihn nie wieder loslassen zu wollen, auch, wenn er genau das spätestens im Morgengrauen tuen musste, wenn auch nur für ein paar Minuten, um ihr Lager wieder verschwinden zu lassen. Einen anderen Wolf als niedlich zu bezeichnen wäre, womöglich, mehr eine Beleidigung als ein ernsthaft gemeintes Kompliment, was vermutlich dazu führte, dass er es sonst nie äußerte; Rain schien der perfekte Kandidat dafür, jetzt, wo der Wolf ihn in seinen Fängen hatte und was auch immer er wollte mit ihm anstellen konnte, selbst dann, wenn es nicht mehr war, als dafür zu sorgen, dass ihm warm genug war, dass er gut schlafen konnte und sich morgen nicht so fühlte, als wäre er von einer Horde Pferde überrannt worden. "Wir haben in Thria eigentlich ziemlich viel Zeit, die wir miteinander verbringen können." Den Krieg ruhen zu lassen, würde für einen Kronprinzen vermutlich keineswegs funktionieren, und doch erhoffte Nayantai sich, Ruhe zu finden, wenn auch gleich es weit entfernt von seiner Familie war. Seine Hände strichen sanft über den bandagierten Rücken des Lammes, ehe er einen Kuss auf dessen Kopf drückte. "Hm ... ist dir eine Konstellation recht, wenn ich dir einen Talisman schnitze? Ein paar Schneemänner wären ziemlich kitschig."
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    • Rain war nicht sicher was er vor Nayantai zugeben sollte und konnte und was nicht. Er war niemand den Nayantai oder seine Familie, geschweigedenn sein Volk für ihren Prinzen gewünscht hatte. Er war ein Schaf und das war nur allzu offensichtlich und nicht nur das, er war kränklich und nicht für das Leben in Thria gemacht. Zu allem Überfluss hatte er noch seinen Titel, sein Land und jeglichen Einfluss den er auf den Krieg hätte nehmen können verloren. Ihm blieb nichts, außer sich an einen Wolf zu klammern, der immer wieder nach einem Gefährten zu suchen schien, der sich auf einer Ebene mit ihm befand, jemanden mit dem er Raufen konnte, der sich wehrte und vermutlich ein wenig lauter war als Rain. Vielleicht bildete er sich das alles nur ein, aber er glaubte nicht, dass Nayantai sich ewig an ihn binden wollte, auch wenn er es gerade durch die Blume anbot, indem er von einem Talisman sprach der einem adrestianischen Verlobungsring glich. Konnte Rain soetwas guten Gewissens annehmen? Nein, aber er wollte Nayantai auch nicht vor den Kopf stoßen.

      „Warum auch nicht?“, fragte Rain mit seinem immer noch seltsam klingenden Thrianisch. Oft fehlten ihm die richtigen Worte und er formulierte seine Sätze vermutlich eher wie ein Kind, nicht wie ein Adeliger der er aber ohnehin nicht mehr war. „Ich fühle mich sicher mit dir… selbst hier draußen, wo nichts ist das ich kenne. Es sollte unheimlich sein, aber das ist es nicht mit dir, speziell dann nicht, wenn du mich hältst.“ All die Geräusche heir draußen waren neu und es waren so viele, selbst Nachts. Das Feuer war weit entfernt, ganz anders als das Feuer in Rains großem Kamin und das Zelt war winzig im Vergleich zu seinem Zimmer, er sollte sich eingesperrt fühlen. All das war jedoch in Ordnung so lange Nayantai bei ihm war und ganz abgesehen davon wollte er sich auch nicht verhalten wie ein Kind, auch wenn er manchmal wie eines aussah. „Ich hoffe das stimmt. Ich freue mich darauf.“, erklärte Rain. Nayantai hatte bestimmt Pflichten in Thria, aber zumindest hätten sie dann wieder eine Art Bett und etwas mehr Ruhe und Sicherheit. „Konste…hm? Tut mir Leid, ich verstehe nicht ganz.“ Die Sprachbarriere war immer noch da, wenngleich sie nicht mehr so groß schien. Sie würde kleiner werden, mit der Zeit, dessen war Rain sich sicher.
    • Wohin würde all das führen? Nayantai konnte nicht bis ans Ende seines Lebens an der Vorstellung festhalten, dass Rain sich für immer und ewig für ihn interessierte, dass sein eigenes Land nicht vom Krieg zermürbt war, oder dass man einfach akzeptieren würde, dass eine totgeglaubte, wandelnde Leiche ein Schaf, das er sonst doch so sehr hasste, einfach in die eigenen Reihen verschleppte, um es in Sicherheit zu wissen - selbst dann, wenn Thria nichts dergleichen anzubieten hatten. Rains Antwort auf seine eigene Frage ließ den Wolf jedoch sachte grinsen, als hätte er gerade den besten Witz seines Lebens gehört, als wäre ihm ihre vorherrschende Situation egal, gleich wie die Schmerzen und die Probleme, die sich vor ihnen auftürmten wie eine steinerne Wand, die sich nicht erklimmen ließ. Wovon sollte er sonst träumen, wenn nicht von einer vollendeten Welt, einem Ort, an dem er sich nicht mehr damit beschäftigen musste, wie viele Schafsköpfe es waren, die er unmittelbar in Händen hielt? "Du hast recht ... wir haben genug Zeit dafür.", erwiderte der Wolf. Fraß sich die Kälte in den Körper des Lammes, so schien es beinahe so, als wäre jedweder Versuch ihn aufzuwärmen für nichts und wieder nichts; Nayantai wollte weder, dass Rain die Frostzapfen an den Fingerspitzen wuchsen, noch wollte er, dass das Lamm sich unwohl fühlte, nicht nur angesichts der vollendeten Tatsachen, der sich Zeit ihres Lebens gegenüber zu stehen hatten. Wie lange noch? Wie viel Leid noch? Oft genug vergaßen sie die Sprachbarriere, die sie separierte, die ihnen aufzeigte, wie unterschiedlich die Welten waren, aus denen sie kamen und wie tief die Kluft zwischen zwei Völkern war, die ohne weiteres in Harmonie leben könnten, würden sie sich auch nur für einen Moment darum bemühen, ihre Differenzen diplomatisch aus dem Weg zu räumen.

      Zu spät war es dafür schon lange; welcher Wolf wollte auch mit einem Schaf reden, das hunderte seiner Artgenossen auf dem Gewissen hatte? Keiner, sie alle verschlossen sich, lebten ihr eigenes Leben und schlugen lieber weitere Kerben in die inexistente Beziehung zwischen ihnen, verstreuten Blut wie Regen auf dem gefrorenem Boden und setzten Mahnmale, ohne wirklich darüber nachzudenken, wie lange all das noch dauern würde. "Wenn ich dich halte? Dann sollte ich dich öfter halten." Nayantai drückte Rain mehr an sich, als hätte er das Gefühl, er würde ihm aus den Armen entfleuchen, ließ er ihn auch nur für eine Sekunde aus den Augen. Wer würde den Fürsten davonstehlen? Der Wind? Die Bäume? Nein, wenn dann die Kälte, die in Thria nur schlimmer werden würde - viel lieber würde er mit Rain tauschen, ihn in so viele Stoffe einwickeln, dass ihm nicht kalt werden konnte; aber das schien eher keine gute Taktik zu sein, war er sich doch sicher, ihn nicht länger ein- oder wegsperren zu wollen. "Ich auch.", murmelte er bestimmt, auch, wenn er nichts gegen eine Nase Schlaf hätte, die er viel zu lange aufschob, weil hinter dem schemenhaften, transparenten Schleier der echten Welt kein Rain auf ihn wartete, der ihn umarmte und liebte, sondern lediglich das Leid, das er jahrelang verdrängte. "Sterne. Ein Sternenbild. Das, was wir uns angesehen haben. Mit dem Tele ... Teleskop?" Würde er es sich länger ansehen können, konnte er es vielleicht sogar akkurat schnitzen - gaben seine Hände die nötige Präzession her, die er dafür benötigte. "Aber wir haben Zeit, alle Zeit der Welt.", nuschelte Nayantai, als wäre es unlängst ein Fakt, dass sie beide dem Tod entflohen waren, auch, wenn es lediglich zuversichtliches Quengeln war, dem er selbst sonst nie Gehör schenkte. An die eigene Mortalität erinnerte er sich nicht, zumindest für den Moment, dennoch schienen die Verbände, die er an Rains Rücken spürte, ihm wichtige Fakten ins Gedächtnis zu rufen. "Tut dir etwas weh?" Die Hände des Wolfes fingen an, nach etwas an Rains Rücken zu suchen, doch selbst als sie es gefunden hatten, wanderten sie weiter, als wollten sie nicht aufhören.
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    • Rain fragte sich, ob es für die Wölfe auch so plötzlich gekommen war, dass sie so viel von ihrem Land an die Schafe verloren hatten, so schnell wie es für Rain gegangen war sein eigenes zu verlieren, noch bevor er selbst offiziell zum Fürsten ernannt worden war. Binnen nur weniger Stunden hatte er sein großes, weiches Bett gegen den steinernen Boden einer Höhle und dem stachligen Dickicht eines Waldbodens getauscht. Sein Dach war nicht mehr als eine Plane, die ihn vor Regen und Wind schützen sollte, aber wie sollte das jemals eine Decke aus Stein ersetzen? Seine Zeit verbrachte er nicht mehr mit Dokumenten, oder mit seinen Hobbies, sondern damit zu fliehen und zu überleben, aber zumindest hatte er noch Nayantai an den er sich immer noch klammern konnte, nur eben an einem anderen Ort. Rain schob Nayantais schmutzige Kleidung ein wenig beiseite und drückte sein Gesicht an seine Brust. Ihrer beider Kleidung war dreckig und ihre Körper auch und Rain fragte sich, ob er jemals wieder ein Bad nehmen konnte. Er hatte Heimweh, das war nicht zu leugnen und wieso sollte es ihm anders gehen, wenn er doch auch gar nichts anderes kannte.

      Vermutlich hätten die Beiden schlafen sollen, nachdem sie sich Tagsüber schon kaum eine Pause gönnen konnten, aber sie beide waren nicht besonders gut darin einzuschlafen, so viel war Rain klar. Nayantai hatte mit seinen Albträumen zu kämpfen und Rain auch, wenn er nicht gerade von seinem eigenen Körper aufgeweckt wurde, weil er plötzlich husten musste, oder ihm eiskalt wurde. Nayantais Nähe, seine Umarmung machte es besser und Rain zog sogar den kalten Waldboden seinem Bett vor, wenn es nur hieß, dass Nayantai bei ihm war. „Achso!“, lächelte Rain verstehend nickend. „Hm… ich habe kein Lieblingssternbild und eure kenne ich nicht wirklich…“ Solange er nicht das Wappentier von Myriad oder Lavern bekam, weil es bei den Wölfen etwas anderes bedeutete… Als Nayantai dann Rains Rücken abtastete schüttelte der Blonde nur den Kopf. „Es ist nicht schlimm. Ein leichtes Ziehen, wenn ich mich strecke und ich lege mich besser nicht auf meinen Rücken. Das ist alles.“ Die Wunden waren am Verheilen, auch wenn die Stellen darum herum vermutlich noch bläulich oder grün schimmerten. Nayantai war aber derjenige der sich darum gekümmert hatte, Rain hatte keine Möglichkeit zu sehen was auf seinem Rücken vor sich ging und ob er Narben davon tragen würde.
    • Fruchtlos war jede Entscheidung, die sie hier draußen trafen, wenn nicht Worte darauf folgten. Nayantai wusste, dass er den Großteil seines Lebens nicht damit verschwenden wollte, für immer und ewig von seinen Probleme davonzurennen, oder aber sich der Offensichtlichkeit der eigenen Misere hinzugeben - würde er den Kopf in den Sand, oder viel eher den gefrorenen Boden seiner Heimat, stecken und grundsätzlich aufgeben, so war er sich sicher, dass er sich ohnehin nichts Gutes tat. Jedoch schien nicht nur das evident; Rain konnte nicht mehr als nach jemandem zu verlangen, der sich entweder um ihn sorgte, oder aber wenigstens das Herz am rechten Fleck besaß, um ihn zu beschützen - sich weiterhin Gedanken darüber zu machen, wie tief der Brunnen war, in den sie gemeinsam fielen, machte keinen Sinn, wenn sie ohnehin nicht heil am Boden ankamen. "Du weißt was ich meine?", hinterfragte der Wolf, dennoch war seine Beschreibung vermutlich akkurat genug, um für beide von ihnen Sinn zu ergeben. Hieß das, dass Rain sich gerade auf ihn einließ, nichts dagegen einzuwenden hatte, von einem tagträumendem Wolf um den Rest seines Lebens gebeten zu werden, den sie beide Seite an Seite verbringen sollten? Nayantai wusste, nicht, ob er das wollte, ob er nicht nur aufgrund seiner eigenen, fehlgestellten Wahrnehmung um etwas bat, das sie bereuen würden. Rain würde, sollte leben - der Kronprinz der Wölfe hingegen malte sich keinerlei rosige Zukunft aus, nicht nur aufgrund des Krieges selbst.

      Das Gesicht des Blonden war, wenn auch nur für den Moment, kalt und wäre Nayantai es nicht gewohnt, dass Rain offensichtlicher weise immer fror, hätte er sich obgleich des Temperaturunterschiedes vermutlich mehr erschreckt, als nötig. Zumindest holte ihn sein eigenes Zucken zurück in die Realität, nur um eine Hand auf Rains Hinterkopf zu legen und ihm durch die Haare zu streichen - genau genommen könnten sie vermutlich beide ein Bad vertragen, aber solch offensichtliche Dinge musste er vermutlich nicht erwähnen, zumal sie für derartige Dinge momentan nicht gerade genug Zeit hatten, geschweige denn besagte Zeit einräumen sollten. "Ich kann sie dir zeigen, wenn du willst", nuschelte der Wolf, als er dem Schaf noch immer durch die Haare strich und den anderen Arm noch immer um ihn schlang. Wollte er loslassen? Nein. Sollte er? Momentan nicht, aber zumindest sollte er sich selbst dafür rüsten, nicht unsterblich zu sein und eines Tages den letzten Atemzug alleine, fernab von seinem Lamm zu nehmen, das er vermutlich nur durch seine eigene Selbstsucht entführte; früher oder später hätte er es ohnehin nicht mehr ausgehalten, hätte Rain davongestohlen, ob er wollte oder nicht. Noch etwas heißes Öl in bereits loderndes Feuer zu gießen war vermutlich kaum merkbar, zumindest war der Wolf jener Meinung. "Wenigstens etwas. Es könnte schlimmer sein, wenn es sich entzündet." Nayantai würde sich selbst die Schuld daran geben, obwohl er vermutlich wusste, dass er sein Bestes versuchte - auch, wenn eine Infektion ihn selbst nicht an Ort und Stelle töten würde, so wäre alles, das zusätzliche Belastung für Rain bedeute, wohl ein tödliches Omen. "Tut mir Leid, dass ich so lange gebraucht habe. Wenn ich bei dir gewesen wäre, dann wäre das alles nicht passiert.", murrte der Wolf - wenn er sich zusammenreißen würde, dann hätte er vermutlich auch keiner Wache den Kopf eingeschlagen. Der Gedanke an sich war widerlich genug; er wollte nicht ausgerechnet davon träumen - selbst dann, wenn er gerade gähnte.
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    • "Ja!", erwiderte Rain freudig und nickte. Er hatte Nayantaio verstanden, aber das war nicht worüber er sich gerade so freute. "Ich hätte nicht gedacht, dass dir das Wort Teleskop einfällt, oder dass du dich daran erinnerst." Rain dachte an den Abend zurück, an Nayantai der so verloren und müde gewesen war. War das nicht der Abend gewesen, an dem der Wolf sich Rain geöffnet hatte? An dem er sich an Rain, ausgerechnet ein Lamm, geklammert hatte und um etwas Nähe gebeten hatte? Es war komisch, wie sie sich näher gekommen waren. Wenn Rain daran zurück dachte, dann erschien es ihm beinahe unwirklich, wie aus einem Märchen. Würden sie ein Happy End haben? Wer wusste das schon? Vielleicht wenn man einfach zum richtigen Zeitpunkt aufhörte ihre Geschichte zu erzählen, an einem Moment, wo alles gut war. Bisher war es das nie so wirklich gewesen. Immer hatte über ihnen gehangen, dass Nayantai gehen musste und Rain bleiben würde. Das war nicht so gekommen und dennoch waren sie nun in Gefahr, auch wenn sie beisammen waren. Sie hatten die Sicherheit, die sie eines Tages getrennt hätte gegen die gemeinsame Gefahr getauscht und Rain war sich nicht sicher was besser war.

      "Ich würde sie gerne irgendwann alle kennen.", erklärte Rain, er wollte die Sterne betrachten und Thrias Geschichte zu ihnen hören. Vielleicht nicht gerade jetzt, aber irgendwann. Es würde wärmer werden, bevor es an Thrias Grenze wieder kälter wurde,m vielleicht würde sich auf ihrer Reise noch ein guter Zeitpunkt ergeben, in einer Nacht, in der Rain nicht zu sehr fror, wenn er sich draußen aufhielt. "Ich glaube das wird es nicht... die Wunden waren nicht so tief... oder? Sie sollten schon am Verheilen sein." Rain war nicht sicher ob er tatsächlich glaubte was er sagte, oder ob er sich selbst Hoffnung gab. Es ging ihm aber gut, viel besser als nor vor ein paar Tagen oder auch einfach nur gestern. "Hör auf. Nichts davon ist deine Schuld und wärst du nicht zurück gekommen, dann wäre ich vermutlich schon tot.", antwortete Rain bestimmt, er räumte keinen Platz für Zweifel ein, aber es war ihm peinlich, dass nicht einmal viel passiert war und er sich selbst kaum noch rühren konnte. "Ich wünschte nur ich wäre stärker. Wärst du an meiner Stelle gewesen... oder mein Vater... es wäre vermulich nicht so weit gekommen und selbst wenn, dann wärt ihr immer noch alleine da raus gekommen." Rain hob langsam seine Hand vor sein Gesicht, auch wenn er sie bei dem fahlen Licht kaum erkennen konnte. Das brauchte er auch nicht, um zu wissen wie dünn seine Finger waren, seine Arme und er fragte sich, ob ihm einfach irgendwann auch noch das restliche Fleisch von den Knochen fallen würde.
    • Offensichtlich war Nayantais Gedächtnis für vielerlei Dinge gut, dennoch brauchte es wohl immer zwei, um eine Lücke zu überbrücken - würde eine einzige Person anfangen, eine metaphorische Brücke zu bauen, der man nicht entgegenkam, so wirkte es doch eher, als würde man sich selbst sabotieren wollen, indem man auf halbem Wege in unendliche Tiefen stürzte. "Hm ... es war etwas ... es sticht ziemlich heraus? Ich wusste nicht, dass so etwas überhaupt existiert.", gestand er, eventuell etwas mehr beschämt, als er anfänglich sein sollte. Aufgrund der geführten Gespräche lag auf der Hand, dass Thrianer den Adrestianern nicht nur hinterher hinkten, sondern auch, dass es - zugegebenermaßen - nichts gab, mit dem sie tatsächlich brillieren konnten, außer eventuell der eigenen Beständigkeit obgleich des bitterkalten Wetters ihrer Heimat. "Außerdem glaube ich nicht, dass ich so etwas vergessen will. Oder kann." Nayantai war sich dessen bewusst, dass er oftmals hohe Töne spuckte und doch nie wirklich den Mund aufbekam, empfand er jedwede Art von Schmerz - selbst, wenn es nur Heimweh war; selbst, wenn er unlängst behauptet hatte, Rain dorthin mitnehmen zu wollen, mehr als nur einmal. Sich zu offenbaren, damit aufzuhören, im Stillen die eigenen Wunden zu lecken; nichts davon klang ansprechend für einen Wolf, der sich nicht nur vor seinem Umfeld verschloss, sondern auch vor sich selbst, weil es so viel einfacher erschien, sich einzureden, dass die eigene Welt nicht in Splitter zerfiel, wenn man die Augen zukniff. Hätte er Rain vergessen, wäre er alleine nach Thria aufgebrochen? Über Eventualitäten nachzudenken, die schlussendlich nicht der Realität entsprechen konnten, führte retrospektiv zu nichts - das eigene Schicksal war, wenn auch nur auf dünnen Strängen verteilt, weitgehend vorherrschend und doch so viel anders als ein paar Götter, deren Namen man nur entfernt kannte. "Dann hast du eine ziemlich lange Nacht vor dir. Aber nicht heute.", witzelte der Wolf, der eigentlich ohnehin mit solchen Antworten zu rechnen hatte. Was gab es auch, das Rain nicht wissen wollte und was war all das Wissen wert, war man jemand, der sich lediglich auf den eigenen Verstand aber nicht den Körper verlassen konnte?

      Der Wolf hatte keinerlei Probleme damit, klammerte sich das Lamm an ihn und verließ sich auf ihn, weil ihm nichts anderes übrig blieb. Dennoch, wenn er Rain ähnlicher gewesen wäre, wäre sein Leben vermutlich in anderen Bahnen verlaufen - und zu behaupten, er wäre noch am Leben, wäre vermutlich nicht mehr, als eine reine Lüge, die er sich selbst auftischte, um sein Gewissen darüber zu bereinigen, dass Wölfe diversen Dingen noch eher abgeneigt waren, als Adrestianer. "Schon, trotzdem heißt das nicht, dass sie sich ni- ... ich sollte dir keinen Blödsinn einreden. Dir wird nichts passieren.", versicherte Nayantai ihm. Gab es denn überhaupt einen Grund, Rain Angst einzujagen? Er war kein kleines Kind, dass sich die ganze Zeit mit schmutzigen Fingern auf den Verband griff und daran herumriss und selbst die Schmerzen, die er vermutlich noch hatte, hielt er klangheimlich aus. Ihn als einen Welpen zu bezeichnen, wäre vielleicht doch unpassend, selbst wenn er eher danach aussah, so benahm sich Rain vielleicht eher wie ein Wolf. "Mh, normalerweise würde ich das verneinen, aber du hast recht, du wärst tot. Und trotzdem hättest du das alles vermeiden können, wenn ich mich zumindest in deiner Gegenwart zusammenreißen könnte." Zu behaupten, das Lamm war Seelenbalsam, war nicht falsch - aber Nayantai konnte ihn weder als seinen persönlichen Retter, seinen Schutzengel, ansehen, noch wollte er behaupten, dass es reichte, sich in Rains Präsenz zu sonnen, um die eigenen Probleme zu vergessen, weswegen es offensichtlich erschien, dass zumindest ein bitterer Nachgeschmack in seinem Mund verblieb. "Rain, selbst wenn, wir können nicht alle gleich sein und wer weiß, vielleicht würde dich das Kämpfen gar nicht reizen, selbst wenn du könntest. Und außerdem, wäre ich nur ansatzweise so schlau wie du, dann wäre ich vermutlich ohne Hilfe und schon viel früher dieser schäbigen Ausrede für einen König entkommen. Ob wir nun für irgendetwas vorherbestimmt sind oder nicht, ist egal - mein Schicksal wünsche ich dir trotzdem nicht. Solange du lebst, wird dir nie wieder etwas passieren.", offerierte er dem Lamm den Wortschwall stattdessen und griff nach der Hand, die der Blonde gerade in der Dunkelheit erhob, um den Rücken jener gegen seine eigenen Lippen zu pressen und ihm einen Kuss aufzuzwingen. "War das zu viel?"
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    • “Am Anfang wirkte es oft so, als wolltest du von meinen Dingen, von Adrestianischen Dingen, gar nichts wissen…“, erklärte Rain, aber es war auch verständlich. Nayantai hasste die Schafe, alle von ihnen und vermutlich alles was ihnen gehörte. Auch wenn er sich Rain geöffnet hatte, dann hieß das noch lange nicht, dass er sich auf einmal über all die Dinge freute die ihm selbst verwehrt wurden, weil Thria Rückschlag um Rückschlag erleiden musste. Nayantai hatte sich jedoch in den letzten Monaten verändert. Er hatte wohl für sich erkannt, dass es keinen Sinn hatte alle zu hassen, denn nicht alle Schafe hießen den Krieg gut, oder durften sich überhaupt eine Meinung dazu bilden. Die Hierarchien in Adrestia waren viel strenger, die Schafe weniger frei. Man konnte nicht einfach sagen, dass man den Krieg nicht unterstützen wollte, das schien in Thria aber anders zu sein. „Du hast Recht. Wir sollten schlafen und morgen früh aufstehen… aber ich genieße die Zeit mir dir… es ist viel zu lange her.“ Nayantai musste plötzlich verschwinden und als er wieder aufgetaucht war, war Rain nicht in der Verfassung gewesen irgendetwas mit ihm zu tun. Er vermisste es in seinen Armen zu liegen, er vermisste es sogar sich mit all den Gefühlen auseinander zu setzen, die er sich eigentlich verbieten sollte.

      Nayantai hätte nicht von Entzündungen und dergleichen anfangen sollen, wenn er nicht wollte, dass Rain sich Sorgen machte, aber er erkannte auch, dass es keinen Unterschied machte. Würde er nun Angst bekommen, dass er an einer Infektion sterben konnte, dann würde ihm das auch nicht helfen, selbst wenn es passierte. Rain war außerdem zuversichtlich, er hatte schon so vieles überlebt, das würde er auch noch schaffen. „Du warst es nicht der versucht hat mich zu töten, also gib dir keine Schuld daran. Wir haben eigentlich nie darüber gesprochen was damals passiert ist, aber… das muss auch nicht sein. Es tut mir nur Leid, wenn ich der Grund für deinen Ausbruch war…“ Nayantai war so aufgelöst gewesen und Rain hatte das Gefühl, dass es daran gelegen hat, was sie in der Nacht zuvor getan hatten. Er hatte ein schlechtes Gewissen deswegen, er hätte Nayantai aufhalten sollen und er hatte auch nie vor den Wolf in irgendeiner Weise auszunutzen, oder an furchtbare Zeiten zu erinnern. Rain sah auf, blickte in die Umrisse von Nayantais Gesicht und lächelte. Seine Hand löste sich aus der des Wolfes und strich ihm sanft über die Wange. „Ich habe genug verstanden. Danke Nayantai…“ Mit diesen Worten kuschelte er sich wieder an den Wolf.
    • Wovon rannte man, wenn nicht den eigenen Ängsten und wie weit konnte man eigentlich rennen, wenn man nicht mehr als Schmerzen empfand, die bis zum jetzigen Zeitpunkt weder relevant erschienen, noch jemals seine blassen Lippen verließen? Nayantai konnte sich vielerlei Dinge selbst nicht beantworten, gleich wenig wie er zu sagen wusste, wie viele weitere Fragen es waren, die er sich ohne große Zuversicht stellte, die sich auf einem immer höher werdendem Stoß auftürmten und irgendwann unter dem schieren Gewicht einbrechen dürften; dem Druck nicht mehr standhielten, kaum bröckelte das eigene Fundament, das schon unlängst alten Schutt abbröseln ließ. "Das wollte ich auch nicht. Blind vor Hass zu sein ist einfacher, als das Leben zu verstehen, das man geschenkt bekommt.", sprach der Wolf, unterstrichen von einem Gähnen, das er kaum zurückhalten konnte; Nayantai war nicht langweilig, nein, dennoch fühlte er sich matt, als hätte sein eigener Körper unlängst keine Ahnung mehr, wo seine Grenzen lagen und wie lange es dauerte, bis er sie überschritt. "Und wir können uns nicht einmal Zeit für uns selbst nehmen, weil wir nur damit beschäftigt sind, davonzurennen." Aus mehr bestand das Leben eines Wolfes nicht, hatte er kein Rückgrat - und er war es, der es satt hatte, der sich nicht länger fragen wollte, wie tief der Weg nach unten war, in die metaphorische Hölle, in der er heimisch war; nein. Selbst, wenn er Rain nicht verdient hatte, so war selbst ein gebrochener Mann wie er selbstsüchtig genug, um sich nicht den letzten Tropfen Zweisamkeit aus den müden Krallen zupfen und vom Schicksal in das blutige Gesicht spucken zu lassen. "Wenn wir in Thria sind, dann will ich ein paar Tage mit dir alleine sein - dort, wo uns keiner stört."

      Abertausende Nächte wollte er damit verbringen, an Rains Seite zu sein, nie wieder loszulassen, ihn auf immer und ewig für sich selbst zu behalten und sich zu überlegen, ob er all das verdiente - ob es richtig war, die fahle, dürre Gestalt vor seinem eigenen Schicksal zu bewahren, weil er das Licht der Welt war, das ihn blendete. Interpretierte der Wolf zu viel in die Gestalt eines einfachen Lammes? Vermutlich. "Ich ... Rain, es ist in Ordnung.", säuselte er. Nayantai war sich dessen bewusst, dass der Gedanke allein einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen ließ, ihn für einen Moment in seiner eigenen Bewegung stoppte, dem Lamm nicht mehr sanft über den Rücken strich, und er den neuen Kloß in seinem plötzlich rauem Hals herunterschlucken musste; zu behaupten, es ging ihm gut, war vermutlich eine Lüge. "Du kannst nichts dafür und außerdem bin ich derjenige, der sich dir aufgezwungen hat. Aber wenn du willst dann ... erzähle ich dir alles, irgendwann. Irgendwann, wenn ich es nicht mehr aushalte, es nicht mehr vergessen kann." Die Bewegungen des Wolfes waren flüssiger, kaum vergaß er all die Dinge, die in seinem Hinterkopf herum schwirrten, verdrängte sie wieder in das hinterste Ecke der Psyche, die vermutlich so angeschlagen war, dass es keinen Rain oder einen verrückten König brauchte, um ihn aus seiner Reserve zu locken, dazu zu bringen, sich mit der Gesamtsituation überfordert zu fühlen und sich erneut nicht unter Kontrolle zu haben. Wölfe waren Bestien, so wie es Schafe waren - und doch waren nicht alle von ihnen gleich verkorkst. "Du musst dich nicht bedanken. Es ist das Mindeste, was ich für dich tun kann.", nuschelte Nayantai, der Rain alsbald ein schwaches Lächeln offerierte und die sanfte Berührung, die er so sehr misste, genoss. Beide seiner Arme legten sich wieder um Rain, den er an sich drückte, nie wieder loslassen wollte. Womit hatte er Rain verdient?
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • "Vielleicht kann ich dir immer noch ein paar Dinge zeigen...", murmelte Rain, auch wenn es unwahrscheinlich war. Rain würde vermutlich nie wieder nach Adrestia zurück kehren, er würde Nayantai nicht noch einmal in seinem Anwesen empfangen können und er besaß auch gar nichts mehr, das er Nayantai zeigen konnte. Kein Teleskop, keinen Flügel, nichts. Vielleicht war es aber besser so, immerhin konnten sie jetzt zusammen sein, mehr noch wenn sie ihr Ziel erreicht hatten. "Wenn wir verfolgt werden, dann bestimmt nicht von einer Armee... und sie werden uns vorerst nicht über die Grenze folgen.", erklärte Rain zuversichtlich. Zumindest für eine Weile würden sie sicher sein hatten sie nur erst die Grenze zu Thria überquert. Es würde wohl noch zwei oder drei Wochen dauern, aber sie würden es bestimmt schaffen. Dort konnten sie sich hoffentlich ausruhen und heraus finden, was es wirklich war, dass sie zusammen hielt. Warum sie sich überhaupt so aneinander klammerten. "Das hört sich schön an, ich freue mich darauf."

      Es reichte Rain in Nayantais Armen zu liegen und er wollte es noch ein bisschen genießen, auch wenn sie beide müde waren. Die Monate n Fhaergus waren einfacher gewesen, auch wenn das ständige Versteckspiel ebenso anstrengend gewesen war. Sie hatten jedoch Zeit gemeinsam in einem weichen Bett zu liegen, zu reden, sich gegenseitig zu halten und ein wenig Ruhe zu genießen. Rain wollte das wieder haben, irgendwann. Dennoch hatte er Nayantai an etwas erinnert, das ihn den kostbaren Moment gerade unterbrechen ließ, wenn auch nur für einen kurzen Moment. "Das musst du nicht, aber wenn es dir hilft, dann höre ich mir gerne alles an. Vor mir brauchst du dich nicht zu verstecken.", antwortete Rain mit einem Lächeln und ließ seine Hand nach einer Weile wieder sinken. Rain wollte nicht widersprechen, sie haben einander beide das Leben gerettet. Nayantai hat Rain aus einer Einsamkeit gerissen und Rain hatte Nayantai gezeigt, dass es auch freundliche Schafe gab, Nayantai hatte Rain verteidigt und beschützte ihn jetzt und Rain hatte den Wolf die vergangenen Monate beschützt. Sie waren sich nichts schuldig. "Gute Nacht Nayantai...", murmelte Rain schließlich und sobald er es sich erlaubte, fiel er in einen tiefen Schlaf.
    • Bedachte man, dass seine eigene Welt nur aus einer thrianischen Siedlung und dem Krieg bestand, aus den Dingen, die er sein ganzes Leben gekannt hatte, so war Nayantai keineswegs in der Lage, zu behaupten, Adrestia - nein, Gaia - war klein. Wohin führten ihn auch zwei linke Füße, die lediglich gelernt hatten, wie fest sie am Boden stehen mussten, um nicht durch den ersten Schwerthieb blutend auf nassem, blutgetränktem Boden zu landen und einen weiteren, letzten Hieb zu kassieren, der jedwede Lebensmüh aus einem Körper verbannte, der ohnehin nur mehr hoffte, ein friedliches Leben führen zu können, selbst wenn all das erst im Tod selbst geschah. "Wenn es keine Armee ist, dann könnte ich es fast mit ihnen aufnehmen.", bot der Wolf nuschelnd an, als würde er sich tatsächlich zuschreiben, noch derartige Fähigkeiten zu besitzen. Die Hoffnung selbst, auch nur irgendetwas gegen all jene Dinge, die ihn plagten, ausrichten zu können, schien noch nicht erloschen, als wären sie ein kleines Feuer, das brannte, das loderte, das begeisterte und sich, obgleich des bevorstehenden Regens, für wenige Minuten gegen triefende Nässe behauptete. "Ich auch.", versprach er beinahe. Wonach sehnte er sich, wenn er fast alles in diesem winzigen Zelt, fernab von jedwedem Konflikt haben konnte? Was bildete sich Nayantai ein, wenn nicht, wirklich jemanden gefunden zu haben, der von Grund auf verschieden war und ihn dennoch verstand, als wäre sein gesamtes Leben kein einziger Scherbenhaufen, den er mühsam zurecht puzzelte? "Das habe ich nicht vor, nicht mehr, nie wieder. Ich vertraue dir." Nicht nur vertraute er Rain, er würde sich dem Lamm jederzeit offenbaren, fragte es nur danach. Wieso würde jemand wie er all das tun wollen? Worin bestand der Sinn, den der Wolf selbst nicht finden konnte. "Schlaf gut, Rain.", entgegnete er gähnend, kaum schloss er die eigenen Augen. Seine Albträume schienen meilenweit entfernt - sein Schicksal lag jedoch in seinen Armen.

      Zu behaupten, der Wolf hatte tatsächlich gut geschlafen, wäre eine Übertreibung - dennoch verlief jede weitere Nacht, die er in der Natur verbrachte, irgendwo in einem kleinen Zelt, zusammengepfercht mit Rain, kaum anders. Vor einigen Jahren hätte er sich vermutlich darüber aufgeregt, zu lange nichts zu tun, den ganzen Tag damit zu verschwenden, jemanden zu halten, sich um ihn zu kümmern und ihn auf einem Pferderücken von einem Ort zu nächsten zu schleppen, nur um schlussendlich dieselbe Person nachts erneut an sich kleben zu haben; über die letzte Woche hinweg schien es jedoch so, als lösten sich einige unsichtbare Knoten, die in seinem Hinterkopf existierten. Nayantai konnte nicht anders, als zu schmunzeln, wann auch immer Rain etwas sah, das ihm fremd war - das er aus Büchern kannte, sich eventuell etwas anders vorgestellt hatte. Hätten sie Zeit, dann hätte er dem Lamm vermutlich erlaubt, einem Hasen nachzujagen, oder aber jede einzelne Blume zu pflücken, die sie am Wegrand fanden, während sie in schleppendem Tempo durch den nächstbesten Wald jagten. Sie trödelten, so viel wusste der Wolf selbst, und doch behielt er im Hinterkopf, dass er sich notfalls verteidigen konnte, dass ein paar tote Soldaten mehr nicht das Fass erneut zum überlaufen brachten und einen einseitigen Krieg verschlimmern konnten; und doch geschah nichts dergleichen, schienen sie doch von einem unberührtem Fleckchen Land zum Nächsten zu reisen, als hätte man unlängst aufgegeben, ihnen nachzurennen, sie dingfest zu machen und den Wolf noch in Adrestia hinzurichten, bevor er es schaffte, sich und einen gefallenen Fürsten über die Grenze zu hieven. "Rain.", ermahnte der Wolf das Lamm, als sie am Nachmittag eine kurze Pause einlegten. "Das Wasser ist sicher kalt, oder?", hinterfragte er, als er dem Lamm über die Schulter lugte, das geradewegs seine Hand in einen plätschernden Bach gestreckt hatte. "Naja, es ist vermutlich wärmer als sonst." Ein Bad wäre nicht schlecht, zumal die Temperaturen leicht angestiegen waren ... nein, der Wolf konnte warten, zumindest bis sie im Schutz der Dunkelheit ein anderes Gewässer fanden.
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    • Rain war meist zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen, dass der Waldboden zu hart war, oder das Zelt zu klein, stattdessen schlief er fast jede Nacht sofort ein, erschöpft von der Reise, den Sorgen und der frischen Luft die er nicht gewohnt war. Träume hatte er kaum, weder schlechte noch gute und wenn Nayantai ihn in der früh weckte musste er sich jedes Mal erst daran erinnern, wo er war. Das Gute an der Sache war, dass ihre Verfolger, wenn sie denn noch hinter ihnen her waren, sie bisher nicht eingeholt hatten. Sie kamen abseits der großen Straßen und Wege mit dem Pferd zwar nur langsam voran, aber sie machten dennoch gute Fortschritte. Die hohen Berge an der Grenze zu Fhaergus wurden immer kleiner, wenn man sie durch die dicker werdende Blätterdecke überhaupt erspähen konnte. Der Frühling war bereits in Wezette angekommen, die Bäume waren grün und überall sprossen Blumen aus der Erde. Rain hätte sie sich ewig ansehen können, aber die meiste Zeit beobachtete er die vorbeiziehende Landschaft nur vom Rücken ihres Pferdes aus.

      Nicht so gerade, denn sie hatten beschlossen an einem kleinen Bach der an eine Lichtung mit allerhand Blumen angrenzte Pause zu machen. Sie mussten ihre Wasserreserven ohnehin auffüllen und Rain war bereits dabei neben dem Bach zu hocken und seine Hand in die fließende Strömung zu halten. Selbst das war etwas Neues für ihn, zu Hause hatte er ja die Bediensteten gehabt die vom Brunnen Wasser geholt hatten und wenn Rain das Badezimmer betreten hatte, dann war alles schon bereit gewesen. Fließendes Wasser war faszinierend und wie ein Kind beobachtete er ein Blatt, das weiter oben in den Bach gefallen war weiter nach unten trieb. Er sah auf, als er Nayantais hörte, seine Stimme klang fast schon streng, aber wohl eher besorgt. Rain war eigentlich gar nicht so kalt. Von Schnee und Eis war keine Spur mehr und die thrianisch-adrestianische Kleidung die Sara Rain genäht hatte hielt ihn angenehm warm. Es war vermutlich zu kalt für ihn, um sich einfach auszuziehen, oder in den Bach zu springen, kalt war ihm aber auch nicht. „Es ist nicht so kalt und ich würde mich gerne waschen!“, erklärte er deshalb und streckte zumindest schon mal seine Ärmel hoch, damit er die Hände in den Bach tauchen konnte. Das aufgefangene Wasser spritzte er sich ins Gesicht und auch seine Haare waren schmutzig und klebrig, also machte er damit weiter.
    • Tugenden zu bewahren war nicht nur aufgrund des vorangegangenen Geschehens weder weiter notwendig, noch möglich. Nayantai wusste genau so gut, dass ein paar grüne Wiesen, vereinzelte aus dem Boden sprießende Blumen und eine Idee darüber, wie weit sie noch von Thria entfernt waren, weder dabei halfen, ihn zu beruhigen, noch freudiger zu stimmen - Rain hingegen schien seinen Spaß daran zu haben, an der frischen Luft zu sein und jedwede Pfütze Regenwasser komisch anzusehen, als würde ein Ungeheuer aus dem trüben Wasser springen, selbst wenn er oft ausgelaugter als der Wolf selbst wirkte. Für einen Moment fragte er sich, ob es nicht logischer wäre, irgendwo im Dickicht des Waldes zu verschwinden und den Rest seines Leben dort zu verbringen - sich vor der Welt selbst, an einem theoretisch sicherem Ort zu verstecken, erschien plausibler als für immer kreuz und quer durch sein eigenes Leben zu rennen und in Angst zu leben. "Pass auf deine Kleidung auf.", erwiderte Nayantai, behielt aber recht - er wollte weder, dass Rain sich durch das kalte, friedlich plätschernde Bachwasser wieder eine Erkältung - oder schlimmeres - einfing und er wollte auch nicht, dass das Lamm seine eigene Kleidung komplett durchnässte. Ein leichtes Seufzen verließ seine Lippen, als er seinen Blick durch die Gegend schweifen ließ. Die eigene Sicherheit in einem offenem Areal wie diesem zu gewährleisten erschien unmöglich und doch war sich der Wolf nicht sicher, ob ihnen überhaupt noch irgendjemand auf der Spur war.

      In Fhaergus hatten sie, zugegebenermaßen, ihre Ruhe gehabt und auch, wenn Nayantai nur davon profitieren konnte, in einem - vom Schnee verschlucktem - Anwesen zu hausieren, das ihn fernab der schäfischen Realität half, wieder auf die Beine zu kommen, so hatte er doch vermutlich nicht mehr getan, als sich darüber zu beschweren, dass er - ähnlich wie Rain - mehr als Inventar des Anwesens galt, als dessen Bewohner. Der Welt für einen Moment zu entfleuchen, nach draußen zu gehen und im Schnee zu tollen, all jene Dinge hatten sich in sein Gedächtnis gebrannt und doch war ihm nicht danach, gerade in solch einem Moment darüber nachzudenken, wie traurig es eigentlich war, dass er seine jetzigen Luftzüge nicht genießen konnte, weil ihm zu viel Ablenkung nicht gut tat. Wie lange noch, bis man sie erwischte? Darüber wollte der Wolf nicht nachdenken, weswegen er sich neben Rain in das Gras hockte, seine eigenen Ärmel hochstrickte und seine Hände mit kühlem Wasser benetzte, nur um sie zu einer Schale zu formen und ein paar Schlucke zu trinken, ehe er erneut einen verstohlenen Blick in alle Windrichtungen warf und versuchte, seiner Umgebung zu lauschen. Mehr als das Zwitschern vereinzelter Vögel und einem leichten Luftzug, der durch weiter entfernte Baumkronen säuselte, nahm er jedoch nicht war, weswegen er sich dazu entschied, Rain unter die Arme zu greifen - oder zumindest helfen wollte. "Brauchst du Hilfe?", erkundigte er sich lediglich, als wolle er Rain nicht das Gefühl, er würde von dem Wolf lediglich bemuttert werden. "Oder soll ich dir meinen Mantel geben, damit du deinen ausziehen kannst und dir nicht zu kalt wird?"
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    • “Mach dir nicht so viele Sorgen um mich, ich bin kein Kind.“, kicherte Rain, auch wenn er die Welt zum ersten Mal selbst erblickte. Alles begeisterte ihn, so viele Dinge von denen er bisher nur gelesen hatte, sah er nun in Wirklichkeit und die ganzen Geräusche die auf ihn einprasselten waren fast zu viel. In seinem Zimmer war es nur der Wind gewesen, vielleicht Regen der gegen die Scheiben prasselte und das Knistern des Kaminfeuers. Selbst die Fenster waren selten offen gewesen, um den Vögeln lauschen zu können. Er war guter Laune, wenn auch ein wenig müde, obwohl er nicht mehr zu tun hatte, als auf einem Pferd zu sitzen. Selbst das strengte ihn an und er hätte gelogen, hätte er behauptet sein Hintern täte nicht weh. Reiten hatte er sich viel einfacher und komfortabler vorgestellt. Ob er irgendwann lernen konnte alleine zu reiten? Vielleicht konnte Nayantai es ihm in Thria beibringen. Im Moment aber wollte er nur ein wenig des Schmutzes in seinen Haaren los werden. Sie hatten bisher nicht viel Zeit gehabt sich um Körperhygiene zu sorgen und die meisten Gewässer waren Rain viel zu kalt gewesen.

      Rain drehte seinen Kopf zu Nayantai und beobachtete ihn ein wenig. Er sah tatsächlich so aus als gehöre er genau hier hin, auch wenn er sich weniger wie ein Wolf verhielt und mehr wie ein verschrecktes Reh. „Machst du dir Sorgen, man könnte uns hier finden?“, wollte Rain wissen, bevor er weiter machte. Er musste zugeben, dass er selbst wenig Ahnung vom Leben hier draußen hatte, er hörte also lieber auf Nayantai, wenn dieser sagte, sie wollten aufbrechen. Der Wolf schien sich aber damit abgefunden zu haben noch ein wenig hier zu bleiben. Rain hätte gerne seine Kleidung gewaschen, aber er wusste, dass sie dafür keine Zeit hatten. „Schon in Ordnung.“, erklärte er und schälte sich anschließend aus den Ärmeln seines Mantels, ließ ihn aber um seine Hüfte gebunden. Er schlüpfte auch aus den Ärmeln seines befleckten Hemdes, das vermutlich auf seinem Rücken noch schlimmer aussah, es machte aber keinen Sinn verschütteter Milch nachzutrauern. Stattdessen lehnte Rain sich wieder nach vorne und fing damit an Wasser aufzufangen, dass er dann über seine Arme laufen lassen konnte, damit der Dreck sich löste. Hatten seine Hände ein wenig Farbe angenommen? Vielleicht, aber er musste zugeben, dass er sich selbst noch dünner vorkam als vor der Reise.
    • "Ich weiß.", murrte der Wolf als Antwort, der sich ohnehin gefragt hatte, ob er Rain nicht zu sehr bemutterte - anscheinend empfand das Lamm genau so, weswegen der Wolf selbst sich nicht gänzlich sicher war, ob er nicht lieber den Mund halten sollte. Was würde Rain schon großartig passieren? In einem seichtem Gewässer, das vermutlich gerade so kein ebenerdiger Pfad war, ertrank man eher selten, vor allem in der Gesellschaft einer Person, die sich sein jetziges Leben mit all jenen Dingen herumgeschlagen hatte. "Ich will nur vermeiden, dass du krank wirst. Ein aufgeschürftes Knie ist weniger schlimm.", fügte er den vorherigen Worten hinzu. War es denn wirklich so? Nayantai sorgte sich ohnehin um Rain, als gäbe es nichts, das ihm nicht schaden könnte und als wäre der Flügelschlag eines Schmetterlings genug, um den ehemaligen Adeligen aus der Bahn zu werfen - er übertrieb, maßlos. Jedoch nicht nur das; es wirkte eher so, als hegte er weder Vertrauen in Rain, noch die fragwürdige Situation, in der sie sich momentan befanden. War er ehrlich, so war er sich nicht sicher, ob das hier überhaupt der beste Weg nach Thria war - und doch hatten sie wohl keine andere Option, als sich im Ernstfall einer Gefahr zu stellen, die früher oder später auf sie zukommen würde. Wohin sollten sie auch? Rennen stand außer Frage, hatten sie doch keinen Ort, an den sie unentdeckt flüchten konnten - Nayantai machte sich zu viele Sorgen, um genug Dinge, die er eigentlich nicht ein einziges Mal überdenken müsste.

      Woran fand man auch gefallen, wenn es wenig gab, das begeisterte und überzeugte und wonach sehnte man sich, wenn es nichts gab, wonach man tatsächlich verlangte? Die Freiheit selbst, das zu tun, was er wollte, hatte Rain ihm schon vor einer ungeahnten Zeitspanne in den Schoß gelegt, ihn von den unsichtbaren Fesseln gelöst, die Nayantai keineswegs an sich wissen wollte und doch blieb alles andere aus; es gab nichts, das er noch verlangen wollte, auch wenn es genug gab, das verlangten konnte - alles in allem entschied er sich vermutlich eher dazu, den schmalen Grad zwischen Einbildung und Realität zu bestreiten, als würde er sich nicht sicher sein, wohin sein Weg führte, beschritt er ihn weiterhin mit zugekniffenen Augen. "Merkt man es mir an?", fragte er, offensichtlich ertappt, als er die eigenen Hände erneut ins Wasser steckte und sich über den plätschernden Bach bog, bevor er sich das eigene Gesicht wusch. Für einen Moment hielt er inne, nicht, weil er gerade etwas hörte, das er nicht hören wollte, oder seine Intuition ihm sagte, dass er gerade einen Fehler machte - das hatte er ohnehin - nein. Nayantai wollte für einen Moment nicht mehr, als die Stille des Lebens zu genießen, als den rauschenden Blättern und singenden Vögeln zu lauschen und das kalte Wasser auf müder Haut zu spüren. Als er wieder aufblickte, besah er sich Rain, bei dessen Anblick er nur den Kopf schüttelnd konnte, ehe er wiederum ein kurzes Lächeln aufsetzte - er sollte nicht zu streng zu ihm sein. "Du überrascht mich immer wieder aufs Neue. Im positiven Sinne.", erklärte er, bevor er Rain mit einem Finger in die Seite stupste.
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    • Rain wusste, dass Nayantai es nur gut mit ihm meinte und dass er sich nur um ihn sorgte, allerdings hatte Rain schon sein ganzes Leben damit zu kämpfen, dass Leute im sagten, er solle vorsichtig sein, oder dass er dieses oder jenes nicht tun konnte. Nayantai war es gewesen der ihm etwas zugetraut hatte, der wollte, dass Rain einmal etwas wagte, nur damit er ihn jetzt vor einem kleinen Bach warnte. Rain nahm es ihm nicht übel, aber er musste auch nicht auf ihn hören. „Ich weiß, ich weiß. Ich bin vorsichtig, aber ich will auch nicht den Rest meines Lebens wie ein Pferdestall riechen, weil ich mich nicht in die Nähe von kaltem Wasser traue.“, schmunzelte Rain nur. War das etwas das Wölfen nicht so viel ausmachte? Rain hatte jeden Abend baden können, so wie andere Adelige, wenn sie nicht gerade im Krieg kämpften. Vielleicht stellte er sich in Nayantais Augen an, wie eine Prinzessin, die er definitiv nicht war. Es tat aber sicher auch nicht gut in seinem eigenen Dreck herum zu laufen, vor Allem nicht, sollte Rain sich wirklich sein Knie aufschürfen. Im Endeffekt konnte eine Entzündung doch schlimmer sein als eine Erkältung, für Rain zumindest.

      Erneut blickte Rain Nayantai an, dann nickte er. „Du wirkst unruhig. Wir können weiter gehen, ich wollte uns nicht zu lange aufhalten.“, erklärte der Blonde und legte seinen Kopf schief, aber zumindest konnte er sich noch ein wenig waschen, solange Nayantai ihre Trinkschläuche nicht aufgefüllt hatte. Rain sah Nayantai weiter an, sah ihm zu wie er den Dreck aus seinem Gesicht wusch. Rain musste feststellen, dass er es so und so sehr hübsch fand und er fragte sich wie andere Wölfe aussahen. Nayantai war immerhin der erste und einzige Wolf den Rain bisher gesehen hatte. Der Blonde hob allerdings eine Augenbraue als Nayantai den Kopf schüttelte, was sollte das auch bedeuten? Er setzte beinahe einen Schmollmund auf. „Im positiven Si-Ah!“, quiekte Rain der einen kalten Finger in seiner Seite spürte, so ganz ungeschützt auf nackter Haut. Dass Nayantai eben diesen Finger eben noch in den kalten Bach getaucht hatte half nicht. „Hey…“, murmelte er anschließend, nur um ein wenig Wasser in Nayantais Richtung zu spritzen.
    • Die Entscheidung, Rain wegzusperren würde wohl selbst Nayantai nicht treffen - mehr als Zeitvergeudung und Lebensverschwendung war es nicht, jemanden wie das Lamm weiterhin von der Welt fernzuhalten, die es so gerne kennenlernen wollte, von der es sinnierte und nie mehr als ein paar Eindrücke hinter einer Glasplatte gewinnen konnte. Was war der Wolf, wenn nicht längst gesuchter Trost und zu was war Rain geworden, wenn nicht sehnsüchtig erwartete Hilfe, von der er nie genug bekam, weil er sie eigentlich gar nicht wollte? "Ich übertreibe, oder?", hinterfragte er beschämt und doch traute er sich nicht, die eigenen Hände wieder an das Lamm zu legen, ihm bei dem, was er tat, zu helfen und für einen Moment den Fokus zu verlieren. Seine Umwelt war real, so anders als die wirren Träume, die ihn nachts heimsuchten. Nayantai suchte nach Antworten, obwohl er mehr Fragen hatte, als er sich selbst beantworten konnte - er erhoffte sich vieles und doch verstand er nichts, konnte es nicht und wollte es nicht; sein eigener Horizont war klein, erweiterte sich jedoch stetig, weil er sich immer wieder erhoffte, etwas Neues über Rain zu lernen, der sich ihm ohnehin preiszugeben schien, wie ein offenes Buch. "Ich sollte dich deine ersten Erfahrungen ungestört machen lassen ... wäre es Sommer, dann hätte ich dich vermutlich gleich in den Bach geschubst.", log Nayantai, wohlwissend, dass er es unter keinen Umständen gewagt hätte, und wenn doch, dann nur, wenn er es gemeinsam mit Rain tat und seinen Fall abfedern konnte.

      Sommer war es noch lange nicht, geschweige denn war besagte Jahreszeit in Thria warm - schon gar nicht für jemanden wie Rain. Wonach verlangte man auch mehr, wenn nicht kochendem Wasser, das dem eigenen, bitterkaltem Körper etwas offerierte, von dem man sonst nichts mitbekam? Ein Wolf zu sein, sich mit der eigenen Stärke zu rühmen, sich gegen Naturgewalten behaupten und der Kälte gewachsen zu sein, war wundervoll und doch wusste Nayantai, dass er selbst nichts mehr davon hatte, nichts davon geben konnte, sondern lediglich nehmen wollte. "Nein, nein. Nimm dir Zeit. Es ist nur, es ist ziemlich ... offen? Und ich bin etwas paranoid." Mehr war es nicht, auch, wenn Nayantai einen Kontrollblick durch die Gegend schweifen ließ und seine Augen, nicht wie sonst, dauerhaft an dem Lamm klebten, das er eigentlich mit seinem Leben beschützen wollte. Dass Rain nun neben ihm saß, sein Oberkörper entblößt und Wassertropfen von ihm träufelten, fiel dem Wolf erst auf, als er ihm wieder für einen Moment Aufmerksamkeit schenkte, weil er fiepte, wie ein aufgescheuchtes Tier. Was? Ein leichtes, dennoch zustimmendes Brummen verließ seine Lippen, ehe er bemerkte, dass er derjenige war, der eben jene Reaktion ausgelöst hatte - und prompt mit Wasser bespritzt wurde. "Was soll das?", murrte der Wolf, mit leichtem Gelächter im Unterton, bevor er sich revanchierte, indem er seine eigene Hand zurück in das Bachwasser steckte und ein paar Mal in Rains Richtung schnippte. "Wie war das noch gleich? So wie du dich verhältst, bist du kein Welpe mehr, du bist sowieso schon ein Wolf!"
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    • Rain schüttelte den Kopf. “Nein, ist schon in Ordnung. Ich weiß, dass ich vorsichtig sein muss und ich weiß, dass du am meisten Arbeit damit hast, sollte ich wieder krank werden.“, erwiderte er und ließ seine Hand durch das kalte Wasser gleiten. Er wünschte so sehr, dass er so hätte sein können wie Nayantai, dem so vieles überhaupt nichts auszumachen schien und der sich selbst verteidigen konnte. Er wünschte sich nicht einmal das, es hätte ihm schon gereicht wie irgendein Schaf zu sein, irgendjemand der draußen spazieren gehen konnte, ohne sich eine Erkältung zu holen und ohne, dass sein ganzer Körper schmerzte. Rain war geübt darin all das weitestgehend zu ignorieren, um seinetwillen, damit er nicht jede Minute jammerte, oder sich selbst daran erinnerte, dass er sich zu viel aufhalste. Trotzdem war er müde und schaffte es kaum Nayantai am Abend noch ein paar Minuten Aufmerksamkeit zu schenken. Er freute sich auf die Heimat des Wolfes und auf ein vorrübergehendes zu Hause, das sich zumindest ein paar Tage nicht vom Fleck bewegen würde. „Hättest du nicht!“, verneinte Rain wohlwissend und mit einem leichten Grinsen. Alle behandelten ihn mit Samthandschuhen, selbst Nayantai, aber das war in Ordnung.

      Rain machte weiter damit sich ein wenig zu waschen, weil er nicht sicher war, ob sie Abends ein Gewässer fanden und auch nicht, ob es bis dahin nicht schon zu kalt war. Die Sonne die hier auf die Lichtung, die Blumen und den Bach schien, war angenehm warm und wenn Rain darüber nachdachte, dann fiel ihm auf, dass er die Sonne noch nie so auf seiner Haut gefühlt hatte, nicht so direkt, nicht durch ein Fenster. Ob sie die Verbände letztendlich auch ganz entfernen konnten? Rain war ziemlich sicher, dass es da nicht mehr viel gab, das geschützt werden musste, also zupfte er daran um auch den Rest seines Oberkörpers zu entblößen. „Du meinst weitläufig…?“, fragte Rain und sah sich kurz um, während er die Verbände von seinem Körper wickelte. Es war kein Tropfen Blut an denen hier, was bedeuten durfte, dass soweit alles verheilt war, seit sie den Verband das letzte Mal gewechselt hatten. Vielleicht konnten sie diese hier auswaschen und wiederverwenden, auch wenn Rain hoffte, dass sie keine mehr brauchten. Er musste aber abwehrend die Hand heben, als er selbst plötzlich bespritzt wurde. „Hey! Du hast angefangen!“, kicherte er.