spellbound. (earinor & akira)

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    • Umhegt und gepflegt zu werden – es waren Dinge, die der Wolf weder kannte noch zum Alltag werden lassen wollte. Doch egal wie er es drehte oder wendete, hier konnte er sich schlecht sein eigenes Frühstück jagen gehen, geschweige denn bei der Zubereitung dessen helfen oder sich jetzt nützlich machen, war er doch angeschlagen und fühlte sich ungefähr so wie ein Stein, der alles und jeden um ihn herum mit nach unten zog, versuchte er auch nur irgendetwas zu tun das aus der Reihe fiel. Nayantai wusste, dass sein Aufenthalt hier hoffentlich nicht für die Ewigkeit sein würde, doch in den letzten drei Tagen, die er im Anwesen des jungen Fürsten verbracht hatte, hatte er wohl für mehr Aufwand gesorgt als jeder andere Gast den Rain bis jetzt hier gehabt hatte. Aber war er wirklich ein Gast? Man behandelte ihn eher wie einen Kranken – der er in diesem Fall auch war – der umsorgt gehörte, bis er wieder in die Wildnis entlassen werden konnte, aus der er eigentlich kam. Wenn er ehrlich war, so würde er dennoch die Traumwelt in der er sich wiederfand nie gegen das eintauschen, das er im Moment hatte – nicht aufgrund von Bequemlichkeit, sondern eher dadurch, das er nicht wusste, was in der fremden Welt auf ihn lauern würde, während er sich hier nur mit Schafen konfrontiert sah.

      Sara verschwand so schnell wie sie aufgetaucht war, ließ Rain alleine zurück, der nicht viel mit sich brachte außer einem Buch und seine übliche, beinahe schon erzwungene, fröhliche Art, wie der Wolf fand. Heute war er jedoch weitaus besser aufgelegt als gestern, hatte das Fieber über Nacht einigermaßen nachgelassen und er selbst fühlte sich nicht mehr so als würde es ihm den Magen umdrehen. Des Öfteren durchfuhr ihn ein kalter Schauer, aber das lag wohl eher an der Jahreszeit als irgendeiner Krankheit. „Guten Morgen“, krächzte er – auch, wenn sie beide einander diese Worte nicht erklärt hatten, so fühlte sich der Wolf mittlerweile darin bestätigt, dass Rain diese Worte auch bereits fallen ließ, kaum hatte er sich den Weg in dieses Zimmer gebahnt und war auf ihn zugekommen. Erneut wurde gezeigt, die Augen des Wolfes und das Denkvermögen wurden beansprucht und er wusste nicht so recht, wie genau er antworten sollte. „Es schmerzt, ich glaube, dass ich die nächsten Tage wohl im Bett bleiben sollte“, meinte er, deutete auf sich selbst, dann auf die Wunde und schlussendlich auf das Bett, in dem er lag. Das Frühstück ignorierte er vorerst, schenkte Rain lieber seine Aufmerksamkeit und lauschte.

      „Ja“, erwiderte er lediglich, erschloss einen ungefähren Sinn aus der Frage, kaum deutete das Lamm auf sein eigenes Buch. Den nächsten Satz verstand Nayantai jedoch nicht, zupfte lieber etwas nervös an seinem Haarband und ließ es schlussendlich sein, nur um sich zu strecken und erneut zu realisieren, dass es eine durchaus dumme Idee war, sich auch nur irgendwie zu bewegen. Murrend richtete er den Blick wieder auf das Lamm, dem er seine Zeit widmen wollte, verteufelte aber gleichzeitig die Wunde. „Ich verstehe nicht ganz … was meinst du damit?“, fragte er verwirrt. Was wollte Rain von ihm? Hoffentlich nichts, das irgendwelche Bewegungen seinerseits inkludierte.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Rain glaubte der Wolf erwiderte seinen Gruß, konnte sich aber nicht ganz sicher sein. Jedenfalls knurrte er ihn nicht an, wie am Tag zuvor und wollte ihn aus dem Zimmer haben. Zumindest glaubte Rain, dass er etwas in der Art verlangt hatte. Bis auf das was Rain niemals bekommen würde - seine Freiheit - hatte es nie viel gegeben, dass er nicht erhalten hätte. Deshalb vielleicht, nahm er ein Nein nicht einfach als eines hin. Er hatte sich dem Wolf vielleicht zu sehr aufgezwungen, aber nun schien er ja zufrieden damit, dankbar sogar, dass es ihm besser ging.

      Als der Wolf sich streckte und wohl für einen Moment nicht nachgedacht hatte, musste Rain schmunzeln. Er folgte seine gedeuteten Erklärung, konnte den Inhalt seiner Worte aber schon nach der Hälfte aus dem Kontext schließen. "Besser wäre es.", bestätigte er nickend. "Schone dich ein paar Tage, bis die Wunde einigermaßen zugeheilt ist. Solange der Winter hier Einzug hält, glaub mir, verpasst du nichts. Es ist als würde das ganze Tal schlafen. Eigentlich ist es ganz friedlich..." Rain blickte aus dem Fenster. Es war ein sonniger Tag, der Schnee glitzerte, alles war ruhig und in eine weiße Decke gehüllt. Es gab kaum etwas, das nicht weiß war, nur die Mauer, die das Anwesen umgab, nicht besonders hoch. Das Wetter fing sich meist in den Bergen und machte das passieren unmöglich. Er fragte sich wo sein Vater war...

      "Tut mir Leid, ich plappere schon wieder vor mich hin und du verstehst kein Wort. Er deutete auf Nayantais Buch. "Was steht drin?", fragte er noch einmal, ohne einen wirklichen Plan, wie er seine Frage erklären sollte. Er schlug sein eigenes Buch auf, drehte die offenen Seiten zu seinem Gast und deutete auf diese, lies seinen Finger über die Zeilen wandern.
    • Worüber konnte man sich schon mit einem Lamm unterhalten, das sich die Mühe machte, ihn anzusehen und für sich selbst zu entscheiden, dass Nayantai ausgerechnet derjenige sein sollte, um den es sich scharte, sprachen sie doch nicht einmal ansatzweise die gleiche Sprache? Über das Wetter oder gar ihre Gesundheit? All das würde zwar funktionieren, so wie ihre bisherigen Konversationen bestätigt hatten - aber irgendwann würde einer von ihnen falsch verstehen, sich vermutlich angegriffen fühlen und vor der vollendeten Tatsache stehen, die er sich selbst zusammengereimt hatte: Sein Gegenüber hasste. Wolf oder nicht, es war egal, er war nur ein Gast der sich benehmen sollte, der wissen sollte was gute Manieren waren, denn der Rest war egal - gliederte man sich erst ein, dann war man weder Wolf noch Schaf, aber bis dahin hatten sie genug Zeit um herauszufinden wie man eine derartige Assimilation in die Gesellschaft des jeweils Anderen vermeiden konnte, damit sie ihre Identität weiterhin zu wahren vermochten.

      Lappalien waren es für Andere, während sie beide wussten, dass sie ohne Gestik oder Mimik keine Chance hatten sich auch nur irgendwie zu verstehen - deswegen war es vermutlich auch so wichtig für sie, in der Nähe von einander zu sein und nicht abzulassen, selbst dann, wenn Nayantai noch nie jemand gewesen war, der die Nähe zu Fremden - oder ohnehin anderen Menschen - schätzte. Wohin also mit seiner Zeit, wenn nicht in dieses Buch das nun ihm gehörte? Neugierig folgte sein Blick der des Blonden, spähte nach draußen, dort, wo alles in weiß getaucht war und kein einziger Grashalm mehr schief empor stand. Begraben, unter genug Schnee, um ruhen zu können - vermutlich gefroren, zumindest bis dahin, wenn die Temperaturen wieder emporstiegen und die ersten Blumen oder Kräuter sich aus den schmelzenden Massen kämpften. "Beinahe so wie Zuhause." Doch nichts, das hier draußen existierte, war wie in der Tundra aus der er kam - weder der Schnee, noch der gefrorene Boden oder irgendetwas anderes. All diese Dinge versiegten schlussendlich, wurden zu einer bleibenden Erinnerung, die verblasste, wenn man sie nicht mehr brauchte. Müde Augen rissen sich von der Welt dort draußen, fokussierten sich auf das Buch, das man ihm vor die Nase hielt, kaum hatte er für eine Sekunde weggesehen.

      "Rain, ich kann das nicht lesen", ließ er verlauten, kaum starrte er auf die Zeilen des Buches vor seiner Nase, wusste nicht, was man ihn wirklich gefragt hatte und erkannte kein einzelnes Wort auf den beschriebenen Seiten vor sich. Meinte er das gar nicht? Was genau wollte Rain von ihm? Fragen über Fragen türmten sich erneut auf, wollten beantwortet werden, doch er hatte keine Ahnung wie er auch nur eine von ihnen stellen sollte - vielleicht wanderte der verwunderte Blick des Wolfsprinzen deshalb auch zwischen Rain und dessen Buch hin und her.
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    • Rain schüttelte lächelnd den Kopf und klappte sein Buch wieder zu. Es würde wohl erst schwieriger werden sich zu verstehen, bevor er leichter wurde, besonder dann, wenn sie genug davon hatten füreinander Gegenstände zu benennen. Was sie sahen zu beschreiben machte nicht viel Sinn, sie konnten es ja beide sehen und die Wörter waren auch die nutzlosesten, konnten sie doch einfach auf den Gegenstand zeigen, den sie meinten. Rain plapperte nicht nur vor sich her, weil er den Mund nicht halten konnte, er hoffte bei dem Wolf blieb dabei etwas hängen, er konnte die Sprache besser verstehen und lernen, aus dem Kontext auf Wörter schließen und abstrakte Begriffe verstehen. Es reichte Rain schon, wenn sie einander verstanden, sie mussten nicht beide auch die Sprache des jeweils anderen sprechen können.

      Er deutete nun auf Nayantais Buch. "Ich möchte wissen worum es geht. Oder zumindest, was es grob beinhaltet. Dein Buch. Nicht meines.", sagte er. Es wäre wohl einfacher gewesen einfach zu ihm zu gehen, das Buch zu nehmen und es ihm vor die Nase zu halten, aber er blieb am Fußende des Bettes stehen, nachdem man es von ihm wünschte. Wenn der Wolf stärker würde, dann konnte er sich wieder gefahrlos nähern, obwohl Rain das ohnehin für Schwachsinn hielt. Er war dem Wolf schon nahe gewesen, entweder er war krank, oder nicht, wenn er es war, war es für Rain schon zu spät.
    • Vermutlich wären sie beide nicht erst hier, entsprangen sie nicht aus unterschiedlichen Ländern und wären sie nicht so grundverschieden voneinander aufgezogen worden. Während Rain wohl oder übel vermutlich schon sein ganzes Leben derartige Behandlung genoß, so war es Nayantai dessen aufgeriebene, raue Hände ein ganz anderes Bild zeigten. Sie waren beide in einem Stück, bekamen die gleiche Luft zum atmen, doch die Krone, die alldem aufgesetzt wurde, kam wohl davon, dass die beiden sich von ihren Titeln her ähneln sollten, aber es nicht taten, da für die Wölfe der Titel eines Prinzen oder eines Kaisers wertlos war. Es waren Worte die Schafe benutzten, nicht aber ihre natürlichen Feinde, die sich seit Jahrhunderten in einer Tundra verschanzten und sich angeblich von ihrem Blut und selektiven Organen ernährten - Lügen deren Ursprung so bizarr war, dass er nicht verstand woher sie eigentlich kommen könnten. Stämme tauschten sich untereinander aus, besprachen sich - aber dennoch waren noch nie Dinge in solchem Ausmaß aufgekommen, würde man sich doch ekeln.

      Hatte man eine Barriere, die einen davon abhielt einander richtig zu verstehen, dann fühlte man sich wohl wie im siebten Himmel, kaum fiel ein Wort das man definitiv deuten konnte oder es wurde versucht einem zu erklären, allein durch diverse Gestiken. Im deuten von Dingen war Nayantai allerdings noch nie der Beste gewesen, geschweige denn glaubte er, dass er die Sprache der Schafe all zu bald meistern konnte. „Ach, das Buch?“, harkte er nach, als er der zeigenden Hand mit seinem Blick folgte, der schlussendlich auf dem Buch auf seinem Nachttisch landete. „Du willst wissen ... was in dem Buch ... steht?“, wollte er wissen, als könnte Rain ihn wahrhaft verstehen, selbst wenn er in der Sprache der Wölfe vor sich hin murmelte. Ohne jedoch auf eine Antwort zu warten, wank er den Blonden beinahe schon zu sich, nahm das Buch in die Hand und öffnete dieses um auf das Datum zu zeigen, das sich kurz vor dem Satzanfang befand. „Es ist eine Art Tagebuch“, erklärte er, bevor er eben das symbolisieren wollte, indem er erneut auf das Datum tippte und dann eine Schreibbewegung mit der freien Hand machte. Missmutig pustete er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor er überlegte, wovon sie vor zwei Tagen geredet hatten. „Schafwolfsbuch“, kam dabei zum Vorschein, war es doch wohl das Buch eines Schafes das sich als Wolf versteckte. „Der Verfasser hat womöglich einen Stamm meines Volkes studiert, der ihn aufgenommen hat, als sie ihn verletzt aufgefunden haben.“ Wenn er ehrlich war, dann klang das gar irgendwie nach ihm - nur, dass er kein Schaf war, das sich mit Wölfen abgab, sondern andersherum.
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    • Rain folgte nun den Bewegungen des Wolfes, sah zur Tür und trat schließlich doch einen Schritt näher und setzte sich neben Nayantais Füße auf das Bett. Man konnte ihn womöglich wie ein Kind beschreiben, naiv, unvernünftig, gutgläubig. Ein Kind, das wie er aufgewachsen war, das niemals erfahren musste, dass Menschen auch betrugen, einander verrieten und verletzten. Natürlich war er nicht so dumm und kannte diese Konzepte nicht, natürlich wurde er auch gehänselt und geärgert wenn die Fürstensöhne der Nachbarn zu Besuch waren. Aber im Moment verhielt er sich so, als würde er gar nicht glauben können, der Wölf könnte ihm etwas antun. Ob mit Absicht, dadurch, dass er seine Hände um den dünnen Hals Rains legte und lange genug zudrückte, oder ganz ohne Absicht, indem er eine Krankheit zu dem kranken Jungen schleppte, die womöglich für sein Volk völlig unbekannt und für den Wolf harmlos war. Rain waren diese Möglichkeiten egal. Sein Leben lang lief er dem Tod davon, er konnte auch mal ein Risiko eingehen... oder zwei.

      Rain blickte auf das Datum auf der ersten Seite, glaubte zu verstehen, was Nayantai versuchte zu sagen, nickte und lächelte. "Ein Tagebuch. Von einem Schaf, über die Wölfe...? Ich schätze du weißt selbst nicht, wer das geschrieben hat, oder warum...hm..." Rain überlegte einen Moment und betrachtete die Zeilen, die er nicht lesen konnte. "Steht darin ein Name?", fragte er und deutete auf sich und dann auf Nayantai. "Rain - Nayantai. Name.", erklärte er und deutete erneut auf das Buch.
    • Lief Rain davon, dann blickte Nayantai dem Tod doch ein paar Mal schon haarscharf in dessen Auge - besaß er überhaupt eines - wich ihm aber immer wieder aus, bevor er ihn holen konnte. Egal wo oder wann es gewesen war, jedesmal fand er sich entweder blutverschmiert am Boden wieder mit Schmerzen die er nicht beschreiben konnte, oder aber er hatte gar nicht erst das Glück ohnmächtig zu werden und schleppte sich mit gebrochenen Knochen wieder zurück nach Hause. Kalkulierte man nicht alle Faktoren bei einer Jagd ein - was vor allem etwas war, das ein junger Nayantai nie tat - dann wurde man von dem Wild schon gerne überrascht oder fand sich auf einem gefrorenen See wieder, bevor man realisierte, dass das Eis unter einem bereits begonnen hatte zu brechen, kaum hatte man diesen betreten. Wölfe waren Überlebenskünstler, das musste man keinem sagen, doch instinktiv lernte keiner von ihnen - es waren Impulse, Eigenschaften die sie sich erst aneignen mussten, und ein jugendlicher Sturkopf ließ sich schwer etwas von Älteren sagen, weil er glaubte, er könne es auch auf seine Art und Weise machen, selbst dann, wenn er mit mehreren von ihnen auf die Jagd ging. Merkte man erst, wie viel Arbeit man den Medizinern bereitete und wie sehr man seine Familie in Schrecken versetzte, desto eher realisierte man, dass es wichtig war, umsichtig zu sein - was vermutlich auch einer der Gründe war, weswegen er für Rain keine Hand ins Feuer legte. Noch nicht.

      Rain stellte ihm anfangs keine Frage, schien zumindest zu verstehen, was gemeint war und ließ den Wolfsprinzen erleichtert aufatmen. Dinge zu erklären lag ihm noch nie im Blut, vor allem keine solchen Ursprungs, weswegen es nicht sonderlich fern lag, einfach Andere für sich reden zu lassen, die ihre Worte besser wählten als ein wilder Prinz, der in diesem Fall jedoch nicht darum herum kam. Name? "Nein, eigentlich nicht, zumindest nicht dass ich wüsste", auch, wenn es sich falsch anhörte, die Sprache der Schafe mit der seinen zu vermischen, so tat er es - oder versuchte es in diesem Fall zumindest. Danach fiel ihm jedoch etwas ein, bevor er begann in dem Buch herumzublättern und eine Seite aufschlug, deren Text vermutlich nichtssagend für Rain wäre. Kaum ertönte die Sprache der Wölfe aus Nayantais Kehle, spätestens dann wäre er verloren. "Hier steht: Eigentlich habe ich einen Namen, aber die Thrianer machten sich nicht einmal die Mühe, mich nach einem zu fragen. Stattdessen gaben sie mir einen: Enebish." - doch wie erklärte man einem Schaf schon so einen langen Satz. Nayantai sollte vernünftige Worte lernen, verstehen, was diese in der Sprache der Schafe bedeuten, doch stattdessen saß er hier und starrte selbst die Zeilen im Buch an und versuchte sich an einer Übersetzung. "Wolfname ja, Schafname nein?", versuchte er verständlich zu machen, bevor er erneut anfing, etwas zu sagen. "Name. Enebish."
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    • Rain sah etwas verloren aus, als Nayantai den zusammen geschusterten Satz beendete. Die Wörter die er in seiner Sprache verstand, waren genau das, was den Satz nicht ausmachte. Zumindest verstand er, dass da wohl kein Name in dem Buch stand, schade eigentlich. Ohnehin hatte er aber noch nie von einem Menschen seines Volkes gehört, dass von Wölfen sprach, oder gar von ihnen schrieb. Es war höchst sonderbar, aber Rain fühlte sich auf einmal ein wenig mehr bestätigt in dem was er hier tat. Wenn es ein Tagebuch war, hatte der Verfasser womöglich sogar bei den Wölfen gelebt... und sie hatten ihn nicht gefressen. Sollte er jemals zurück in seine Heimat gefunden haben, so hätte er bestimmt niemandem davon erzählt. Rain wusste, dass nicht alle Geschichten über die Wölfe wahr sein konnten und er glaubte, dass der König selbst diese Gerüchte streute, um seinen Krieg besser verkaufen zu können. Wenn die Wölfe nichts weiter waren als blutrünstige Monster, dann waren sie nicht schwerer zu töten, als einen Fuchs, der in einen Hühnerstall einbrach. Vielleicht war das Buch auch deshalb in der Sprache der Wölfe verfasst, damit kein Schaf es lesen konnte, das sich nicht wahrhaftig mit den Wölfen beschäftigte?

      "Enebish...", wiederholte Rain nachdenklich. "Du siehst nicht aus, als hättest du den Namen schon einmal gehört. Genau so wenig wie ich. Wenn er lesen und schreiben kann, auch wenn es die Sprache der Wölfe ist, so war er womöglich ein Adeliger... oder ein Priester. Beide haben im Land der Wölfe nichts zu suchen." Rain sprach mehr mit sich selbst, als mit Nayantai und lächelte, als er erneut nur fragende Blicke erntete. "Tut mir Leid. Enebish... Wieso?", fragte er den Wolf. Er wollte wissen ob der Name eine Bedeutung hatte, wieso er gerade diesen Namen von den Wölfen bekommen hatte. Gleichzeitig fragte er sich, was er wohl für einen Namen bei den Wölfen bekommen würde. Vermutlich nichts Edles. "Warum...?", wiederholte er noch einmal ein Wort, das er nun schon öfter von Naantai gehört hatte und er hofft er hatte seine Bedeutung richtig verstanden.
    • Ein Wolf hatte hier nichts zu suchen, gehörte zurück nach Thria – und doch war Nayantai hier, gleich wie Enebish vor Jahren dort war, ohne eine Berechtigung dazu zu besitzen. Wie kam man auch zu dem Glück im Unglück von einer Gruppe nicht feindlich gesinnter Wölfe aufgegabelt, aufgepäppelt und schlussendlich auch noch benannt zu werden? Entweder durch Hinterlist, durch schmutzige Tricks oder aber dadurch, dass man ausgerechnet jemanden traf, der noch etwas Güte in seinem Herzen trug und nicht drauf und dran war, ein einfaches Schaf mit Haut und Haar zu verschlingen. All das waren nur Mutmaßungen die vermutlich gar nicht der Wahrheit entsprachen – das wusste Nayantai, wollte sich vor Augen führen was er lernte und was er realisierte, doch war all das nicht so leicht wenn man versuchte diverse Dinge zu verarbeiten die noch immer in seinem Hinterkopf herumschwirrten und diesen auch nicht so bald verlassen würden, fand der Prinz keine Antwort. Wann auch immer das wäre, es stand in den Sternen die er hier und jetzt nicht sah, aber auch sobald nicht wieder am Himmel erspähen konnte.

      Gab man einem Schaf den Namen eines Wolfes, so dachte Nayantai, entstanden lauter sonderbare Situationen, die nichts Gutes bedeuten konnten – wieso tat man es also? Eine Option wäre wohl, dass man nicht auffallen wollte und den Fremden unter den anderen Wölfe verstecken wollte, wieso dann aber ausgerechnet dieser Name? Der Wolf schnaubte und fing an, sich verschiedenste Szenarien auszumalen, nahm die Worte des Blonden kaum bis gar nicht war, hörte nicht hin, bis er seine eigene Sprache vernahm und etwas aus dem Konzept gerissen, aufblickte. "Warum?" Nayantai legte seinen Kopf schief, überlegte wiederum und wusste nicht, wie er Rain die genaue Bedeutung oder seine eigene Relation zu diesem Namen wiedergeben konnte, weswegen er es wohl versuchen müsste. "Mh. Enebish bedeutet 'das nicht'. Normalerweise ist es ein Name, dem du deinem Kind gibst, wenn eines vorherigen verstorben ist", böse Geister sollten davon abgehalten werden sich an dem Welpen zu laben, das Kind mit sich zu nehmen und seiner Familie zu stehlen, weswegen gab man ausgerechnet diesen also einem Schaf? "Der Name ist innerhalb der östlichen Völker sehr geläufig - die, die an der Grenze leben und dauerhaft jemanden verlieren, der ihnen nahe steht. Ich vermute, dass sie einfach nicht wollten, dass die Krankheit den Fremden dahinrafft und der Name sich dann durchgesetzt hat." Redete er schon wieder zu viel? Ja. Verstand Rain auch nur ein Wort? Vermutlich absolut gar nichts.
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    • "Äh...", kam es mit einem entschuldigenden Lächeln von Rain, er verstand leider kein Wort von dem, was der Wolf sagte. Ein paar Wortfetzen verstand er, aber ohne Zusammenhang. 'Das nicht', nun hatte er höchsten noch mehr Fragen als zuvor. Womöglich die wörtliche Übersetzung des Namens, wenn ja, womöglich weil sie den Fremden nicht bei sich haben wollten? Jedoch brachte es wohl nicht zu spekulieren, denn selbst Nayantai schien nicht gewiss, über die Bedeutung, oder warum gerade der Autor, einen solchen Namen bekommen hatte.

      "Schon komisch...", bemerkte Rain nach einer kurzen gedanklichen Pause. "Das Schaf ist wie du.", versuchte er sich an einem Satz in Nayantais Sprache, der langsam und ein wenig gebrochen heraus kam, fast schon wie eine Frage wirkte. "Ein Schaf... unter... Wölfen. Und du, ein Wolf... unter Schafen." Er lächelte etwas verlegen, kam sich vor wie ein Kind, schlimmer noch. Für den Wolf musste es gar grausam klingen, wie das Schaf die Worte des Wolfes in der Luft zerriss und mit seinem harten Akzent mischte. Die Sprache der Wölfe, wenn sie auch mit rauer, tiefer Stimme von Nayantay vorgetragen wurde, klang freundlich, fast wie eine Melodie. die Worte waren weich, flossen ineinander über wie Wasser. Rains eigene Sprache wirkte dagegen fast schon aggressiv, mit den vielen harten Lauten, die dem Gegenüber entgegen geschmettert wurden, wenn auch Rains Stimme im Vergleich dazu eher ruhig war. "Vielleicht... solltest du auch ein Buch schreiben." Bei dem Wort 'schreiben' deutete er die Tätigkeit in der Luft an, um dem Wolf verständlich zu machen was er sagte. Wer hätte gedacht, dass sie nach ein paar Stunden miteinander, schon ein wenig sprechen konnten, wenn auch viel zu wenig um sich wirklich zu verstehen.
    • Beinahe schon fühlte er sich schlecht, kratzte sich am Hinterkopf und wusste, dass er es dieses Mal maßlos übertrieben hatte - wenn er sich schon nicht die Beine vertreten konnte, dann sprach er nun einmal lieber und ließ seinem Unmut Luft, doch auch das brachte sich in Faerghus nichts. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Rain jedes einzelne Wort verstand, das man ihm an den Kopf warf, wäre es schon längst wieder Herbst, wenn nicht Winter und Nayantai wäre zu diesem Zeitpunkt schon über alle Berge, wieder vereint mit seinem Volk und seiner Familie nach denen er sich so sehr sehnte. Vielleicht würde er ein paar Gedanken an den Blonde vergeuden, aber selbst wenn er das tat, wieso sollte er hierher zurückkehren? Momentan bestand weder der Wille noch die Verständnis dafür, weswegen er sich an Rain klammern sollte wenn er es nicht mehr wusste, wenn man die unsichtbaren, imaginären Fesseln löste und ihn ziehen ließ, bis er nicht einmal mehr ein kleiner Punkt am Horizont war und somit aus diesem Leben verstand, in das er gar nicht gehörte.

      "Wie ich?", es belustigte ihn doch etwas, das sie in dieser Hinsicht fast förmlich gleich dachten. Ja, das mochte sein - sie dachten gleich, wollten einander verstehen und fassten ähnliche Schlüsse, als schwammen sie auf der gleichen Wellenlänge. "Mhm, ich weiß, was du meinst", dennoch war die Sprache der Schafe verpönt, passte nicht mit der der Wölfe zusammen und allgemein war er eher zuversichtlich, dass Rain bald schon ohne irgendeine Hilfe normale Konversationen in dieser Sprache mit ihm führen konnte. "Allerdings tut es mir leid, dass du meine Erklärung nicht verstanden hast" - wie sollte er so einen Fluss an Informationen auch erklären? Ihm fehlten die richtigen Worte dazu. Das Vokabular, das unter einem Meer von Arbeit begraben lag, die er sich wohl oder übel antun würde, insofern es ihm dabei half, sich die Zeit zu vertreiben bis der Schnee schmolz und mit ihm die eisigen Ketten. "Totes Kind", das waren Worte, die Nayantai gelernt hatte und verstand, die mit dieser Situation zumindest ein Stück weit zu tun hatten. "Ein totes Kind", versuchte er zu ergänzen. "Sein zweites Kind, sein lebendiges Kind nennt man Enebish", versuchte er ihm klar zu machen. "Tot. Schatten. ... Licht" - wie sonst sollte er das hier auch erklären? Sinnlos war es, gleich wie es sinnlos wäre ein Buch über sich selbst zu schreiben, weswegen Nayantai als Antwort auf eben das nur den Kopf schüttelte. "Ich glaube nicht, dass das irgendjemandem helfen würde."
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    • Rain verstand die Worte 'Tut mir Leid' in der Sprache des Wolfes und erneut winkte er lächelnd ab, es machte ihm nichts aus wenn er nicht verstand, auch wenn er sich selbst schon oft für sein Geplapper entschuldigt hatte. Rain glaubte noch immer, dass dieses verständnislose Gerede für den jeweils anderen helfen konnte zu lernen. Sie würden nicht weit kommen, wenn sie sich nur von Wort zu Wort hangelten und Rain hatte auch schon ein, oder zwei Worte nur vom Zuhören gelernt. Zumindest glaubte er das, ob er richtig lag oder nicht, konnte er wohl noch nicht mit Sicherheit wissen. Womöglich sprachen sie beide über komplett verschiedene Dinge, aneinander vorbei, ohne es zu merken. Aber das glaubte Rain eigentlich nicht.

      Rain legte den Kopf schief, als der Wolf weiter sprach und war sich für einen Moment nicht sicher, ob Nayantai wusste, was er da sagte. Er lauschte der holprigen Erklärung und versuchte sich einen Reim daraus zu machen. "Ich...verstehe. Denke ich.", murmelte er. "Das nicht... dieses Kind soll der Tod nicht holen? Hmm." Die Wortfetzen die er heute erhalten hatte, waren nichts weiter als das, Fetzen, die in der Luft herum schwebten, ohne klares Ziel. Das Geheimnis das in diesem buch steckte, erschloss sich ihm noch immer nicht, und vermutlich würde es das noch eine ganze Weile nicht. "Tod... und Leben.", sagte Rain, wollte dass Nayantai nicht nur das eine Wort kannte, sondern auch das andere. "Ein Kind ist tot. Das andere soll leben?" Rain betrachtete noch einmal das Buch mit dem schlichten Einband und der Schrift, die für ihn genauso gut Kritzelei sein konnte. "Ist Enebish ein Kind? Der das Buch ... geschrieben hat?"
    • Befanden sich die beiden jetzt in einer Krise, so würde das nur zu Unbehagen und anderen Dingen führen, die keiner der beiden nun wirklich von Nöten hatte. Sie beide wussten, und das würden sie wohl immer tun, dass es nicht half, leckten sie ihre Wunden alleine und versuchten nicht zu kommunizieren, doch während Rain wohl eher diskret damit umzugehen schien, was genau ihn plagte und es Nayantai nicht in sein Gesicht posaunte, würde Nayantai, der sich in seinem Stolz gekränkt fühlen könnte, nie offen zugeben können, dass das Gesamtkunstwerk, das sein Körper momentan war, einzig und allein aufgrund von Schafen entstanden war, die sich alle ein Stück des Wolfes abschneiden wollten, im wahrsten Sinne des Wortes. Hätten sie es tatsächlich getan, so dachte er, stünde er nicht mehr auf beiden Beinen hier - oder lag hier, in diesem Moment, in dem ihm alles lieber war als die Tundra, nach der er sich so sehnte. Wäre er dort draußen krank geworden, so fragte er sich, ob er überhaupt Jemanden gehabt hätte, der ihm hätte helfen können oder qualvoll an seiner eigenen Wunde hätte sterben müssen.

      "Mhm, so ungefähr. Wölfe sind etwas abergläubisch wenn es um den Tod geht", vermittelte er dem Lamm vor sich, das wohl oder übel wiederum nicht verstehen würde. Aber diesen Satz könnte er ihm nicht erklären, egal was er versuchte und egal wie er damit umging, es müsste erst der Zeitpunkt kommen an dem er die Sprache besser kennen lernte, damit er solche Dinge im Detail zu erzählen wusste. "Tod und Leben?", fragte er nach, versuchte eher, sich eine Bestätigung für die Aussprache dieser Worte zu holen als nur irgendetwas anderes. Hm. Wer wusste schon, was das Lamm wirklich von ihm wollte, aber egal was es war, es wäre vermutlich nicht sonderlich viel Aufwand, beherrschte er diese Sprache erst. "Ja." Mehr gab es dazu nicht zu sagen, doch Enebish war in diesem Fall alles, nur kein Kind. So sehr sich dessen Zustand allein aus der Luft gegriffen anhörte, so unwahrscheinlich war es auch, dass dieser so jung war, wie Rain ihn zu vermuten schien. "Nein. Enebish ist ein ... Erwachsener", entgegnete er und hielt eine flache Hand nach oben um dessen Größe zu symbolisieren. "Seine Schrift ist wie die eines Kindes, aber ... er ist kein Kind." Mehr konnte Nayantai sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich erschließen, aber die Worte, die er verwendete waren durchaus schwer und einem einfachen Lamm zuzutrauen die Sprache der Wölfe dermaßen zu meistern war absurd. "Seine Wortwahl ist zu ausgeprägt."
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    • "Hm..", Rain legte sein eigenes Buch auf das Bett, lehnte sich zurück und stützte sich auf seine beiden Hände. "Naja, du scheinst selbst nicht schlau aus all dem zu werden. am Besten ist es wohl, du liest es mal zu Ende." Nun ließ er sich ganz zurück fallen, irgendwo neben Nayantais Füße und er blickte an die Decke. Gegenüber eines Wolfes gab es schließlich keinen Grund an Etikette festzuhalten, verstand er das ohnehin alles nicht. Während Rain sich so die Decke ansah, dachte er darüber nach, woher sein Vater dieses Buch wohl hatte. Ob er denjenigen getroffen hatte, der es geschrieben hatte? Ob er ihn umgebracht hatte? Oder die Wölfe über die er schrieb? Für wen war das Buch wohl gedacht? Für sich selbst, um eine Beschäftigung zu haben und seine Gedanken niederzusschreiben, dazu benutzte man schließlich ein Tagebuch. Vielleicht auch um die Sprache zu lernen? Rain rümpfte die Nase, er hatte so viele unlösbare Rätsel herum liegen und er mochte es nicht, wenn er keine Antworten fand. Ihn interessiert aber wie das Buch endete... ob es einfach abriss? Dann war der Autor vermutlich gestorben.

      Rain drehte seinen Kopf zu seinem Gast, richtete sich wieder ein wenig auf und lächelte. "Wenn ich dir auf die Nerven gehe, dann sag das ruhig. Wenn du schlafen möchtest, oder lesen, dann gehe ich wieder. Ich wollte eigentlich nur nach dir sehen und etwas Frühstück bringen. Hm... aber das hast du jetzt wohl nicht verstanden." Manchmal sprachen sie über komplizierte Dinge und verstanden sich eigentlich ganz in Ordnung, dafür dass sie nur eine handvoll Wörter der jeweils fremden Sprache verstanden. Dann wiederum ging es um etwas Einfaches und Rain hatte keine Ahnung, wie er es erklären sollte. "Ich kann... äh...", er kannte das Wort für Spazieren in Nayantais Sprache, aber nicht das Wort für Gehen... auf der anderen Seite, hatte er von Rain womöglich nie verstanden, dass er spazieren gemeint hatte. Es waren immerhin sehr ähnliche Tätigkeiten, er versuchte es also einfach mit dem Wort. "Ich kann uhm... spazieren...? Wenn du schlafen... mhhh... willst." Er seufzte, dieser Satz war wahrscheinlich ziemlich falsch.
    • Wichtiges Vokabular des jeweils anderen zu lernen wäre an der obersten Ecke ihrer Prioritätenliste, die sie sich alle mental machen sollten - vor allem Nayantai, der wohl nicht wüsste, wie man mit diversen Schreibutensilien der Schafe umging, oder wie man gar verständlich in einer Sprache war, die nicht die seines eigenen Volkes war. Wohlgemerkt fiele es ihm wohl leichter, würde er einfach nach den Utensilien fragen, die er bräuchte, doch wer tat das schon gerne? Sicher kein Wolf, der sich ohnehin schon viel zu sehr in seinem Stolz gekränkt fühlte und glaubte das eine weitere Frage seinerseits darin resultierte, dass er den letzten Rest dieses unbändigen Stolzes auch noch verlor. Immer wieder plapperte das Lamm vor ihm etwas, das er nicht verstand - vielleicht war es besser so, womöglich war es einfach nur eine Taktik um ihn schlussendlich hereinzulegen, weswegen Nayantai selbst nicht wusste, wohin mit all diesen Gedanken und Gefühlen, die ihm vermutlich schon zu Kopf gestiegen waren. Verstand er Rain nur ein kleines bisschen besser, so war er der Meinung, hätte er den Schlüssel zu alledem wonach er suchte.

      Wieder musste er den Kopf schief legen, als wäre er wirklich ein Hund der seine gelernten Kunststücke nicht mehr auf Kommando verstand, mit dem feinen Unterschied, dass Nayantai noch nie etwas davon verstanden hatte und sich keineswegs dazu imstande fühlte sie alle auf einmal zu erlernen. Anders als er, der alte Sturkopf wie man ihn wohl in ein paar Jahren betiteln würde - vorausgesetzt er erlebte diese -, hatte Rain schon viel mehr der thrianischen Sprache aufgeschnappt als ihm lieb war. Dennoch hörte sie sich noch holprig an, weswegen Nayantai nicht umher kam leicht zu prusten. "Spazieren? Meinst du gehen?", fragte er nach. Ja, spazieren wäre wundervoll, aber Rain wäre der Einzige von ihnen beiden, der es schlussendlich tun würde. Wie durchaus ärgerlich. "Ich will nicht schlafen", entgegnete er, hörte sich dabei aber eher an wie ein trotziges Kind, das einem Elternteil das erste Mal Widerworte gab. Es fehlte ihnen beiden an Vokabular, aber Nayantai zupfte lieber an seinem Haarband, ließ weitere Strähnen aus diesem purzeln und sah dennoch zu Rain. "Viel lieber würde ich wissen wann ich dieses Steinhaus verlassen kann, aber das wirst du mir nie verraten." Der Wolf wusste, dass er nicht freundlich sein musste - und so sollte es auch bleiben.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • "Gehen? Ja... gehen, schätze ich.", lächelte Rain entschuldigend, aber der Wolf schien nicht recht verstanden zu haben, was er meinte. "Ich meine... wenn du allein sein willst, dann lasse ich dich alleine. Uhm..." Rain seufzte tief, wie sollte er nur das Wort alleine erklären? Obwohl es so ein einfaches Wort war, fiel es ihm schwer.
      "Alleine... mh... Ich und du... wir.", versuchte er es und deutete auf sie beide, für den Fall er benutzte die falschen Worte. "Du... und ich nicht... alleine. Ich hoffe du verstehst was ich meine. Jedenfalls... wenn du alleine sein möchtest, dann gehe ich?" Rain lies seinen holprigen gemischten Satz der weder das eine noch das andere war, absichtlich mit einer Frage enden, denn schließlich wollte er wissen, ob er gehen sollte, ob der Wolf alleine sein wollte. Ob er dann schlief oder nicht, war nicht wichtig.

      Was der Wolf sonst noch von sich gab, war erneut völlig unverständlich, aber er schien wieder weniger dankbar zu sein und mehr sein säuerliches Ich zurück zu finden, das Rain vor drei Tagen auf der Türschwelle entgegen geblickt hatte. Es machte Rain nichts aus, der Wolf war bestimmt misstrauisch, wie könnte er das auch nicht sein? Rain war ein Fremder, angehöriger des Volkes, das Nayantai gefangen hatte, ihn gefoltert hatte und dabei war, sein Volk auszulöschen. Das war noch ein Grund, warum Nayantai vielleicht lieber alleine sein wollte. Rain versuchte gar nicht ihn davon zu überzeugen, dass er nichts im Schilde führte, auch wenn er es nicht tat. Allerdings wusste er noch nicht, was er mit diesem Mann machen sollte, den sein Vater ihm mehr oder weniger geschenkt hatte. Konnte er ihn im Frühjahr wirklich gehen lassen? Es würde Rains Leben vermutlich noch mehr gefährden, als ihn hier zu behalten. Abgesehen davon würde es Nayantai wahrscheinlich gar nicht bis zur Grenze des Reiches schaffen, ehe er nicht wieder gefangen und dieses Mal womöglich auch getötet wurde. Man sah ihm einfach an, dass er ein Wolf war, durch und durch. Rain glaubte nicht, dass der Wolf sich als Schaf ausgeben konnte, oder wollte, selbst wenn er die Sprache der Adrasteaner in den Wintermonaten die er hier fest saß erlernen würde.
    • Nayantai sollte sich ausruhen, die nächsten Tage damit verbringen, zu schlafen und sich kaum ein Stück zu rühren, doch selbst nachdem er sich nun also das Haarband aus diesen gezupft hatte, saß er wieder mit offenen Haaren da und begann, mit seinen Fingern wieder durch diese zu fahren, da er sich keinen Kamm holen konnte und es ohnehin unnötig war, diese gerade jetzt zu pflegen. Schlief er mit offenen Haaren, so glaubte er fast, er würde aufwachen und in diesen verheddert sein. Vermutlich sollte er nach einem Messer fragen, sie abschneiden und einfach darauf hoffen, dass er es nicht zu schief tun würde - aber auch das konnte er nicht wirklich sagen. "Du willst mich alleine lassen? Wie öde", murrte der Wolf, der den Kopf beinahe schon vehement schüttelte und endlich nach seinem Frühstück griff, das er etwas befremdlich anstarrte. Suppe? Wieso ausgerechnet noch mehr Suppe? Vielleicht weil sie nicht wussten ob er noch Schmerzen hatte, noch imstande war irgendetwas zu kauen - und mittlerweile war sie wohl eher lauwarm. "Nicht gehen", ließ er verlauten, da begann er auch schon nach dem Löffel zu greifen und diesen etwas halbherzig zu benutzen um die Suppe zu trinken. Sah man dem Wolf dabei zu, so wurde einem wohl klar, dass er nicht so aß, weil er Schmerzen hatte, sondern weil er noch nie gelernt hatte, wie man auf diese Art Suppe aß.

      "Außer du möchtest gehen, dann kann ich dich nicht davon abhalten - aber ich werde sicher nicht wieder schlafen", feixte er, hatte den Löffel noch im Mund und war, alles in allem, nicht nur aufgrund seines Aussehen wohl gleich eine Zielscheibe für die Schafe sondern definitiv auch durch seine Tischmanieren. Sah man ihn in dieser Kleidung an - würde er alle Teile davon tragen - dann würde man es wohl als beinahe schon falsch erachten, dass er so etwas trug. Stattdessen griff er zu der Kleidung, die Sara ihm gestern gegeben hatte - Löffel noch immer im Mund - und faltete diese auseinander, um sie Rain zu zeigen. "Danke dafür", bemerkte er leicht beschämt, bevor er sie auch schon wieder zusammenfaltete und danach weglegte. Würde er ausgerechnet diese Kleidung wiederum tragen, so wusste er, dass er nicht drumherum käme, erkannt, eingesperrt und vermutlich schlussendlich lebendig verbrannt zu werden. Seine Iriden waren dunkel, sein Haar finster und seine Haut bleich - auch, wenn sie vor Ewigkeiten einen eher bräunlicheren Ton gehabt hatte, so hatte er wohl viel zu viel Zeit unter der Erde zwischen kalten Steinen verbracht. "Manchmal glaube ich wirklich, es wäre fast besser, ich würde mir die Haare so kurz wie möglich abhacken lassen", murmelte er, als er diese für einen Moment hochhielt, dann wieder fallen ließ und sich die einzelnen Strähnen überall, auch über sein Gesicht, verteilten. Rain hingegen war wahrscheinlich von Natur aus bleich, hatte fahles Haar und ebenfalls helle Augen. Sie glichen sich definitiv nicht, waren Grundverschieden und doch war Nayantai es, der sich nichts daraus machte.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Rain beobachtete seinen Gast, wie er an dem Haarband in seinen Haaren zupfte, bis es sich schließlich löste und die dunklen, langen Haare über den Körper des Wolfes flossen wie Wasser. Er sah zu, wie er den Löffel etwas befremdlich betrachtete und anschließend anfing, mehr schlecht als recht damit zu essen, wie er redete, während er das Besteck noch im Mund hatte und wie er, während er eigentlich noch beim Essen war, die Suppe balancierte und gleichzeitig seine alte und nun geflickte Kleidung entfaltete, während er dabei drein sah, wie ein Kind, das nicht zugeben wollte, dass es sich freute. Er benahm sich wie ein Kind, doch war er so groß, eindeutig erwachsen, stark und vermutlich älter als Rain selbst es war. Rain konnte nicht anders, als anzufangen zu lachen, amüsiert über die Unbeschwertheit, die der Wolf an den Tag legte, obwohl er mit einem Mann sprach, der in dieser Gesellschaft weitaus höher stand, als ein getretener Wolf. Er benahm sich, wie er nun einmal war, ohne zu versuchen einen braven Hund nachzuahmen, der tat, was sein Herrchen verlangte, oder sagte, was er hören wollte. Rain konnte sich nicht erinnern, jemals so einen Menschen getroffen zu haben. Einen ehrlichen Menschen, der nicht versuchte in die Gesellschaft zu passen.

      Er beruhigte sich schnell wieder, wollte nicht, dass Nayantai ihn falsch verstand und dachte er würde sich über ihn lustig machen. "Niemand wird dich jemals zähmen, nicht war?", fragte er, obwohl es mehr eine Erklärung dafür war, warum er angefangen hatte zu lachen, als eine Frage. "Tut mir Leid. Ich will mich nicht über dich lustig machen, es ist nur... ich kenne niemanden, der ist wie du." Auch wenn er nicht mehr lachte, konnte er sich das Grinsen nicht aus dem Gesicht wischen, als wäre er selbst noch ein Kind. Nayantai stand es nicht zu, Rain zu verurteilen, aber trotzdem fühlte er sich erleichtert, als er realisierte, dass er in der Nähe des Wolfes unbesorgt er selbst sein konnte. Auch den Wachen vor der Tür stand es nicht zu, etwas zu sagen, wenn Rain sich kindisch verhielt und doch musste er sein Gesicht wahren, er hätte sich gefreut, hätte er sie getrost wegschicken können. Doch obwohl er sich gegenüber des Wolfes mehr traute zu sagen, was ihm durch den Sinn ging, waren es die Wachen, die ihn trotzdem zügelten. Nicht nur die Wachen, eigentlich, alle die in seiner Nähe waren und erwarteten, dass er irgendwann das Erbe seines Vaters antrat. Nun war es wohl so, dass der Wolf an dieses Haus und vorübergehend auch ans Bett gefesselt war, Rain sich aber wie derjenige fühlte, der in Ketten lag. Rains Blick wanderte zur Tür, für einen Moment überlegte er, sie einfach zu schließen, entschied sich aber dagegen.
    • Wölfe waren, selbst wenn es sich hierbei lediglich um Nomaden handelte, ungezwungene Kreaturen. Sie besaßen derartige Gesellschaftstrukturen, die die Adrasteaner aufwiesen nicht und gingen miteinander so um, dass beinahe jeder gleichgestellt war - wenige Wölfe standen an der Spitze einer internen Nahrungskette, aber die, die es tatsächlich taten waren auch diejenigen mit dem hitzigsten Temperament und würden sich keinenfalls jemandem unterwerfen den sie einfach so zu Boden stoßen könnten. Käme Rain näher, vielleicht sogar zu nahe, dann würden sich seine Hände wohl oder übel irgendwann ausstrecken und ihn zu fassen kriegen, das Schaf auf den Boden zwingen und ihm den letzten Atemzug stehlen, den es je tätigen konnte. Bevor es jedoch soweit kam, so wusste Nayantai, mussten viel zu viele Dinge passieren die ihm signalisierten: Sein Vertrauen, das er nur zur Hälfte verschenkt hatte, war gebrochen worden. Nun saß er allerdings hier, bandagiert und nur halb bekleidet, mit offenen Haaren die wohl eher ein Vorhang sein könnten und einem silbernen Löffel im Mund von dem er nicht viel hielt - ein weiterer Grund um ihn einfach beiseite zu legen und die letzten Reste der Suppe einfach so zu trinken, indem er die Schale an seinen Mund hielt und kippte. Lachen ertönte von Seiten des Lammes, Nayantai war verwirrt.

      "Habe ich etwas Falsches gesagt oder getan?", wollte er prompt wissen, doch darauf würde er keine Antwort erhalten. So schnell wie das Lachen des Adeligen ertönt war, so schnell verebbte es auch - stattdessen blieb ein freudiger Gesichtsausdruck zurück und Worte, die es nun zu entziffern galt. "Hm. Ich gebe dir diesen komischen silbernen Löffel zurück, wenn du mir verrätst, was genau du da von dir gibst", doch auch das würde auf taube Ohren fallen, verstand sein Gegenüber doch die Sprache der Wölfe nicht, weswegen er sich etwas nach hinten sinken ließ und ihm lauschte. Nein, das hier war wahrhaftig echt, er konnte die Worte zwar nicht verstehen, aber das Meeresrauschen war auch nicht gegeben. Würde seine Wunde verheilt sein, vielleicht konnte er sich zumindest an die Tür dieses Steinhauses durchkämpfen, oder durfte gar hinaus gehen, den Schnee für ein paar Minuten berühren und ... an was dachte er da? Er war alles, nur kein vermaledeiter Schoßhund, dem man ... oh, nein, definitiv nicht. "Du legst mir kein Halsband an, oder?", fragte er, schluckte schwer und seine Augen weiteten sich, als er sein Haarband nahm und um seinen Hals legte, bevor er auf sich selbst und dann Rain deutete und seinen Kopf schüttelte. Nein. Nein. "Nein." Nein.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Der Wolf verstand, wie es zu erwarten war, nicht, aber Rain konnte ihm keine Antworten auf die Fragen geben, die er selbst nicht verstand. Er folgte stattdessen den Bewegungen des Wolfes, wie er sich das Haarband nun um den Hals legte und ein bestimmtes Nein von sich gab.
      "Was machst du denn da?", fragte Rain und schüttelte den Kopf. Wollte er wissen, ob er ihn als sein Haustier, sein Eigentum betrachtete? Rains Gesichtszüge entspannten sich wieder, während er nun eher sanft lächelte, als amüsiert grinste. "Du bleibst du.", erklärte er ebenso bestimmt und blickte noch einmal zur Tür, an der die beiden Wachen standen, dann zurück zu Nayantai. Wie erklärte er das nur...? Diese ganze Situation, die Wachen vor der Tür, die er gar nicht dort stehen haben wollte. Vielleicht konnte er sie irgendwann nur an den Ausgängen positionieren und vielleicht konnte er Nayantai erklären, dass es nur zu seinem Besten war, den Winter hier auszuharren.

      "Die Wachen...", er deutete auf diese und senkte seine Stimme ein wenig, beugte sich auch ein wenig zu Nayantai hinüber, "...sind wegen mir hier. Um mich zu beschützen und weil sie angst vor dir haben." Er deutete auf sich selbst, dann wieder auf Nayantai und schließlich noch einmal auf sich, deutete an, dass er ihn töten konnte, so wie Nayantai gestern das Wort Tod angedeutet hatte.
      Dann deutete er auf Nayantais Wunde. "Außerdem bist du verletzt und ich will nicht, dass du dich verletzt." Nun deutete er noch zum Fenster, dann machte er eine Bewegung, die das Wort frieren beschreiben sollte, rieb seine Arme an seinen Schultern.
      "Und der Winter hier ist erbarmungslos... es wird noch kälter werden und die Pässe sind völlig zugeschneit. Du hattest meinen Vater bei dir, er kennt die Wege, aber selbst für ihn ist es gefährlich. Versuch nicht zu fliehen, solange der Schnee nicht schmilzt. Ich will dich nicht gefangen halten... aber zumindest bis zum Frühling wirst du hier bleiben müssen. Dann sehen wir weiter. Dabei erwarte ich nur, dass du nicht versuchst die Berge zu überqueren, nicht, dass du tust was ich sage, ohne es zu hinterfragen." Er seufzte leise, stand auf und ging zum Fenster. Es wäre so viel einfacher, könnten sie sich unterhalten. Noch einmal deutete er nach draußen. "Kalt. Sehr kalt. Tod.", erklärte er, nicht nur ihn konnte diese Kälte umbringen. Alleine der Gedanke, oder die Nähe zum Fenster, das die Kälte nur schwerlich aufhalten konnte, ließen ihn ein erneutes Husten herunter schlucken und es in eine Art Räuspern verwandeln.