spellbound. (earinor & akira)

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Am ganzen Leibe zitterte er, verkrampfte seine Hände damit die Decke dortblieb, wo er sie hielt und wollte sich kein Stück mehr rühren. Egal, wie sehr sich Rain auch die Mühe machen würde – er wollte dieses Mal nicht auf irgendetwas hereinfallen, sich selbst offenbaren oder aber auch sich nur in irgendeiner Form eingestehen, dass er schwach war und dass sein Spiegelbild davon zeugte, während er nichts weiter getan hatte, als sich selbst einzureden, dass dem nicht so war. Wer auch immer Nayantai davor gewesen sein mochte, in diesem Fall gab es ihn nicht mehr – für die Schafe war er ein Prinz aus einem Land, für dessen Volk sie sich nicht interessierten und für sich selbst war er nicht mehr als ein Schwächling, der schon lange das verloren hatte, was ihn eigentlich ausgemacht hatte. Ihn einen Wolf zu nennen war eine Schande für die Tiere, oder gar den Rest seines Volkes. Auf die Fragen Rains, die er ohnehin nicht verstand, gab er keine sonderliche Antwort, sondern nahm sie nur auf – er rührte sich nicht vom Fleck, lediglich das Zittern, das durch seinen Körper jagte, ließ darauf schließen, dass er nicht im Sitzen eingeschlafen war.

      Rain verschwand, so wie es die Diener taten, doch das, was zurückblieb, war seine Kleidung, die sich wieder in einem Stück befand und eine offene Tür, an der die zwei Wachen positioniert waren. Egal, was das zu bedeuten hatte, es war Nayantai herzlich egal – gleich egal, wie ihm die Kleidung war, die am Ende des Betts ihren Platz gefunden hatte. Bevor er sich nach hinten fallen ließ, achtete er darauf, nichts mehr zu hören – keine Schritte, keine Worte – danach seufzte er und ließ locker, glaubte, er befand sich außerhalb potenzieller Gefahr. So schnell er sich in das Bett gelegt hatte, so schnell saß er auch wieder in diesem, schlafen wollte er nicht, weswegen seine zittrigen und müden Finger sich der Kleidung besahen, die man ihm gebracht hatte. Die Lumpen, die an seinem Körper festgehangen hatten und die ihm als einziges Stück aus seiner Heimat geblieben waren, waren wieder in einem Stück – und selbst, wenn sei nicht mehr so aussahen, wie sie es einst getan hatten, war wohl oder übel noch genug Stoff vorhanden gewesen, damit Sara einigermaßen hatte herausfinden können, wie sie wohl zuvor ausgesehen hatten.

      Nayantai seufzte. Welches Schaf meinte es auch schon so gut mit einem Wolf? Keines. Deswegen war er auch leicht verwundert, als er die Kleidung beiseitelegte. Wieso? Wofür tat man solche Dinge? Aber auch darauf fand er keine Antwort. Behutsam legte er die ehemaligen Fetzen wieder weg. Verflucht. Sein Hals kratzte, sein Schädel pochte und seine Augenlider fühlten sich schwer an, und doch lag er nun da, in diesem Bett, hatte Schmerzen und versuchte noch immer, zumindest die Wunde mit seiner Decke zu verstecken. Wie sollte er sich derartige Schwäche auch eingestehen? Gar nicht, weswegen er seine Zeit damit verbrachte, die Decke anzustarren und daran zu denken, dass auch derartige Dinge nicht das Ende der Welt bedeuten. Vermutlich war auch das einer der ausschlaggebenden Gründe dafür, dass Nayantai einfach irgendwann einschlief und sich der Müdigkeit hingab – selbst dann, wenn er sich knietief in Albträumen wiederfand.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • "Einen schlafenden Bären... oder Wolf in diesem Fall... sollte man nicht wecken."
      "Wir wecken ihn auch nicht, er hat hohes Fieber, das sieht man ihm an. Vermutlich wacht er nicht auf und wenn doch, stehen die Soldaten bereit."
      "Und Sie warten draußen."
      "In Reichweite."
      "Sie sollten nicht in seiner Nähe sein, nicht mal im Zimmer nebenan. Diesen Winter hat Sie noch keine Krankheit heimgesucht, wir sollten es dabei belassen."
      "Es gab noch nie einen Winter ohne Krankheit. Und wir haben keine Zeit darüber zu diskutieren. Sollte er aufwachen, so ist es besser er sieht ein Gesicht dem er zumindest ein bisschen vertraut. Ich warte bei der Tür, versprochen."
      "Vielleicht haben Sie recht damit, junger Herr..."
      "Hmm...?"
      "Tut mir Leid..."
      "Sprich."
      "Ich bin nur einfacher Soldat, aber... wenn man auf der Jagd einem wilden Tier begegnet das verletzt ist, dann ist es meist aggressiv, mehr, je mehr Hilfe es braucht. Ich meine nur vielleicht..."
      "Dass er unsere Hilfe braucht, aber niemals danach fragen würde?"
      "Ja so in der Art."
      "Mhm. Ich möchte nicht, dass er stirbt. Betrachten wir es alle als Eigennutz, wenn es uns dann besser geht. Jetzt macht, bevor er aufwacht."

      Rain war nicht gut darin still zu setzen, wenn er denn nun endlich was zu tun hatte. Und er war auch nicht gut darin, andere leiden zu sehen. Der Soldat hatte recht, ein stolzer Wolf, würde ein Schaf nie um Hilfe bitte, auch wenn er die Hilfe des Schafes brauchte. Der Arzt hatte ebenfalls recht, Rain sollte bei der Tür warten.
      Der Arzt prüfte zaghaft seine Atmung und die Temperatur mit der Hand. Immer mal wieder zuckte der Wolf, träumte vielleicht, aber es ließ den Arzt jedes mal innehalten.
      "Seine Hand... was hält er da?", fragte Rain flüsternd von hinten, sie alle unterhielten sich nur leise.
      "Ich glaube er hält sich nur seine Seite, Bauchschmerzen womöglich?", sagte einer der beiden Soldaten.
      "Ich glaube eher, er ist verletzt...", murmelte der Arzt. "Nehmt die Decke weg, ich muss mir die Stelle ansehen."
      "Aber..."
      "Habt ihr wirklich Angst vor einem verletzten Wolf? Er besitzt nicht einmal eine Waffe. Macht einfach.", zischte Rain von hinten, der schon ganz ungeduldig war und von einem Fuß auf den anderen trat. Auf dem ganzen Raum lag eine Art Anspannung, als würden sie einen tatsächlichen Wolf vor sich liegen haben, der sie alle binnen Sekunden zerfleischen konnte.
      "Ich glaube er wacht auf...", kommentierte einer der Soldaten.
      "Was riecht hier so?", fragte der andere.
      "So riecht eine Wunde nun mal, wenn sie von Fäulnis befallen ist...", erklärte der Arzt und seufzte tief, mehr noch, als er das Ausmaß der Entzündung sah.
      "Ich glaube wirklich er wacht jeden Moment auf..."
    • Wirr waren die Träume, in denen er sich wiederfand – wie ein Schleier, der sich auf ihm niederlegte, bis auch dieser wieder verblasste und die Welt sich weiterzudrehen schien, bis sie erneut einen Halt einlegte und dann vor seinen Augen verschwamm. Die Farben und Formen, einzelne Satzfetzen, die er verstand – sie alle machten diesen Traum sonderbar. Hände griffen nach ihm, die gar nicht existieren sollten, Stimmen suchten ihn heim, die vor Ewigkeiten schon verblasst waren und immer wieder sah er Leute, die er schon seit Jahren nicht mehr erblickt hatte. „Nayantai“, rief eine Stimme zaghaft aus all dem heraus, der er auch folgte, in der Hoffnung, sie wäre sein Schlüssel zum Glück. Doch kaum verließ er diesen Albtraum, so wie er ihn auffasste, fand er sich in der Tundra wieder – dort, bei den Wölfen. Aber nicht im hier und jetzt, sondern in seiner Kindheit, dort, so nah am Rand des Landes in der Nähe des Meeres. Wind tobte durch totes Gras, das Feuer flackerte leicht und die dunklen Sturmwolken brachten nicht nur den Wind, sondern auch den salzigen Geruch des Meeres mit sich. Vor ihm stand ein Mann, dessen einst dunkelbraunes Haar bereits silbrige Strähnen aufwies, dessen Vollbart etwas zerzaust aussah und dessen Haare an seinem Hinterkopf zu einem Zopf gezogen wurden. Vor einem jungen Nayantai hätte er sich aufgetürmt, doch sein Vater, der König der Wölfe, stand vor ihm, war kleiner als er und doch kräftiger als sein Sohn es jemals gewesen war. Doch selbst als dieser den Mund öffnete und versuchte seinem Sohn etwas zu sagen, so ersetzte Meeresrauschen diese Worte und wollte ihm nicht offenbaren, was es war. „Vater … ich …“, doch weiter kam er nicht, denn sein Vater schüttelte lediglich den Kopf. „Nayantai“, war das einzige Wort, das der Wolf verstand, bevor der Traum von besseren Tagen sich in Luft auflöste.

      Getuschel eröffnete sich dem Wolf, erneut in der Sprache der Schafe, die er nicht verstand. Was auch immer sie taten, es interessierte ihn nicht sonderlich, befand er sich doch momentan noch halb in seinem Traum, dem er nachjagen wollte, weil sein Vater ihm noch nicht erzählt hatte, was genau er wollte – stattdessen rief man ihn beinahe schon in die Welt der Lebenden zurück, in der er gar nicht erst sein wollte. Verwirrt blinzelte er, kaum kam er zu sich – ein unzufriedenes Murren seinerseits wies wohl spätestens jetzt darauf hin, dass Nayantai gar nicht erst wach sein wollte, sondern seiner Meinung nach noch gerne länger geschlafen hätte. Gab es auch nur irgendwas, dass diese Welt ihm vergönnen wollte? Nicht nur das, denn kaum realisierte er, in welcher Situation er sich befand, schnaubte er beinahe schon, als er die ihm fremden Gesichter erblickte. Im ersten Moment war es eher die Tatsache, dass er sich erschreckte, als dass er wahrhaft wütend war. Reflexartig drückte er sich ein Stück nach oben, weiter weg von dem Geschehen und griff nach der Decke, die er wiederum auf die entzündete Wunde hielt. Schweißgebadet war ein Begriff, der durchaus auf den Wolf zutraf, dem einzelne Haarsträhnen ins Gesicht standen und dessen Gesichtsausdruck sich von Verwirrung zu eindeutigem Schmerz verwandelte, als sein Körper realisierte, was genau er da gerade tat. Schmerzverzerrt war der sonst so saure Blick, der sich auf den Arzt und die Soldaten richtete – Nayantai’s Atem hörte sich zerrüttet an und er selbst fühlte sich so, als wäre der Gnadenstoß gerade die beste Erlösung aus seinem Leid. „Habe ich euch nicht gesagt ihr so-" Weiter kam er nicht, hielt der Schmerz doch bereits Einzug in seinem Körper. Die Hände, die die Decke hielten, verkrampften sich beinahe in dieser, allerdings wirkte der Wolf, der aufgescheucht dort saß zu diesem Zeitpunkt eher mehr verängstigt als angriffslustig.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Der Arzt machte einen Satz nach hinten, als der Wolf erwachte. Dass der alte Mann noch so flink sein konnte, hätte Rain nicht gedacht. Seit seiner Geburt kannte der Mann ihn, genauso wie Eraqus ihn seit seiner Geburt kannte. Doch darüber nachzudenken, hatte jetzt wenig Sinn. Der Wolf knurrte etwas in seiner Sprache, das niemand im Raum verstehen konnten, die Soldaten waren angespannt, taten aber vorerst nichts.
      "Nayantai.", kam es von der Tür, nur um ihm zu bestätigen, dass er nicht alleine war, dass Rain auch hier war und ihm nur helfen wollte. Einen moment lang sagte niemand etwas, die Soldaten und der Arzt sahen den Wolf an, als könnte er jederzeit aufspringen und in seinem Schmerz aus ihnen Kleinholz machen. Nayantai selbst schien einfach nur Schmerzen zu haben und es war der Schwächste von ihnen, das Lamm, das als erstes wieder das Wort ergriff.
      "Was nun?", fragte er an den alten bebrillten Mann gerichtet, der sich seiner wieder besann und kurz räusperte, bevor er antwortete.
      "Die Wunde muss vom toten Fleisch befreit werden, anschließend versiegelt."
      Rain musste nicht fragen was genau das bedeutete. Er hatte seinem Vater zugesehen, der gar nicht so unähnlich wie der Wolf gehandelt hatte, als ein Schwertstoß vor ein paar Jahren nicht richtig verheilt war. Niemand konnte sich ihm nähern, außer Rains Mutter, die ihn schließlich beruhigte und ihn dazu brachte sich helfen zu lassen. Seinen Vater hätte Rain niemals als Wolf beschrieben, eher als wilden Eber, der lieber um sich schlug, als Schwäche zu zeigen und der von seinem Sohn das selbe wünschte, aber nie bekam. Rain konnte sich außerdem daran erinnern, dass die Schreie des Ebers durch das ganze Anwesen gehallt waren, als seine Wunde gereinigt wurde und er sich vehement gegen die Bewusstlosigkeit gewehrt hatte, als könnte sie ihn töten. Würde er den Wolf nicht darauf vorbereiten, dass zwei Männer ihn festhalten müssen würden, während ein Fremder das tote Fleisch aus ihm heraus schnitt, dann würde er sich nicht nur des Schmerzes wegen wehren und er würde sich nicht anders fühlen, als in dem Kerker in den er solange gesperrt gewesen war. Rain trat also einen Schritt in den Raum hinein, blieb aber mit Abstand vor dem Fußende des Bettes stehen.
      "Junger Herr..."
      "Er muss mich sehen können, damit wir kommunizieren können."
      "Die Wunde ist womöglich nicht das einzige, das den Wolf krank macht, ihr hättet nie..."
      Rain schnaubte erneut, so viele Widerworte war er nicht gewohnt, er brachte sich aber auch selten in Gefahr, ging nie hinaus, oder verbrachte wissentlich Zeit mit jemandem, der offensichtlich krank war. "Ich halte Abstand."
      Nun richtete er sich an den Wolf, der aussah wie ein verängstigtes Tier, alleine und in die Ecke getrieben, ohne zu wissen was passieren würde. Er verstand nicht was los war, was all diese Menschen von ihm wollten und würde sich wehren, auch wenn sie nur Hilfe anboten. Deshalb deutete Rain nur still auf seinen eigenen Körper, an die Stelle, die der Wolf so sehr zu beschützen versuchte, dass er sich selbst verletzte. Ein eindringlicher Blick folgte, bevor Rain Worte aussprach, die der Wolf nicht verstehen konnte. "Ich möchte dir helfen. Lässt du mich?"
    • Sämtliche Verletzungen, die er sich in seinem bisherigen Leben zugezogen hatte, waren nicht so schlimm wie diese hier. Keine hatte ihn so sehr aus dem Konzept gebracht, dass Nayantai sich förmlich in ein wildes Tier verwandelte, das man am besten alleine lassen sollte, damit er sich zurückziehen konnte und seine Wunden lecken durfte – doch in diesem Fall würde auch das kein besseres Ergebnis liefern. Verletzt war er bereits und die Tatsache, dass das bereits abgestorbene Gewebe es war, das ihm so viel Probleme bereite, erfreute wohl weder ihn – verstand er die Situation – noch einen der Soldaten, oder gar den Arzt, der diesen Eingriff früher oder später vornehmen müsste, so lange Rain es von ihm verlangte. Nayantai hingegen saß dort, sichtlich verstört und lauschte lediglich den Lappalien, von denen er nicht mehr wusste, ob es auch Meeresrauschen war, das ihn heimsuchen wollte, oder doch wirklich Worte und Sätze in der Sprache der Schafe.

      Sein Name war es, den Rain so sicher aussprach, der ihn wiederum aus dem Konzept riss und ihm wahrhaftig sagte, dass die verschwommenen Gestalten, die vor seinen Augen existierten, nicht etwa Einbildung waren, sondern dass er sich hier in der bitteren Realität befand, die er krankhaft versuchte, zu vermeiden. Nayantai schluckte. Was nun? Wohin mit ihm? Sein gesamter Körper fühlte sich an, als stand er mittlerweile lichterloh in Flammen und das Rauschen, das er vernahm, war nicht selektiv und beschränkte sich auch nicht nur auf alle in diesem Raum außer Rain. Zwar kam der Blonde näher, der in diesem Moment eher aussah wie ein vom Wind verbogener Ast, allerdings waren selbst seine Worte nicht hilfreich. Drauf und dran, den Kopf zu schütteln, hielt der Wolf inne, wollte atmen, sollte für einen Moment verstehen, was man genau von ihm wollte – er wischte sich mit der freien Hand über sein Gesicht, über die Augen, deren Iriden noch immer stockfinster waren, selbst als der trotzige Blick wieder auf Rain landete, der versuchte ihm zu verstehen zu geben, was er von ihm wollte.

      „Warum wollt ihr ausgerechnet mir helfen? Hassen Schafe uns nicht?“, feixte er, versuchte erneut, tief einzuatmen und sich selbst etwas zu beruhigen, aber es half lediglich minimal. Murrend riss er die Decke von der verdammten Wunde, die nicht aufhörte zu schmerzen und wohl schon bessere Tage erlebt hatte, bevor er selbst schnaubte und seine zittrigen Gliedmaßen langsam von sich streckte, ehe er sie doch wieder an seinen Körper drückte, die Wunde allerdings nicht mehr versteckte. Besonnen genug, um sich wahrhaft verständigen zu wollen, war er in diesem Moment allerdings nicht - er setzte sich lediglich so weit aufrecht hin, wie es sein Körper ihm erlaubte, bevor ihn erneut Schmerz durchzuckte, er sich allerdings selbst dazu zwang, sich auf die Unterlippe zu beißen und die verkrampften Hände nicht auf die Wunde zu legen. "Was willst du, Rain?", brummte er, außer Atem.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Rain konnte nicht anders, als zu denken, sie hätten den restlichen Tag besser nutzen sollen, sie hätten mehr lernen sollen. Denn so wie es jetzt war wusste keiner was der jeweils andere sagen wollte. Aber auch wenn sie gewusst hätten, was am nächsten Tag passieren würde, sie konnten nicht an einem Tag eine vollkommen andere Sprache erlernen. Es war frustrierend und Rain stöberte in seinem Kopf nach Worten in der Sprache der Wölfe, die helfen konnten, aber ihm fiel nichts ein. Er wusste nicht einmal wie er 'Bitte', in der Sprache der Wölfe ausdrücken konnte. "Die Wunde muss gereinigt werden. Auch ein Wolf muss das wissen, du musst nicht daran sterben. Aber du musst uns etwas tun lassen.",versuchte er es erneut und biss verärgert die Zähne zusammen.

      "Fleisch!", sagte er schließlich, als er an ihr Abendessen am vorherigen Abend dachte, auch wenn es in dieser Zusammenhang nicht unbedingt der Beste Gedanke war. Dann deutete er noch einmal auf die Stelle, die der entzündenden Stelle am Körper des Wolfes glich. "Schneiden.", war ein weiteres Wort, das er gelernt hatte. "Wir müssen das tote Fleisch heraus schneiden, sonst wirst du daran sterben, verstehst du mich?", fragte er beinahe schon verzweifelt, wollte noch einen Schritt näher an das Bett heran treten, erntete aber nur schockierte Blicke und blieb seufzend stehen. "Ich will, dass du mich helfen lässt. Ich könnte dich auch zwingen, aber das war es dann vermutlich mit unserer Freundschaft. Außerdem will ich nicht, dass du dich dabei verletzt, oder jemand anderen. Lass dir helfen, bitte."
      Rain richtete sich noch einmal an den Arzt. "Was brauchen wir dafür?"
      "Frisches Wasser, saubere Tücher, der Schnee draußen kann helfen, den Schmerz zu lindern, ebenso wie Alkohol. Wir brauchen eine ebene Fläche und ein sauberes Messer, meine Räumlichkeiten sollten ausreichen."
      Rain nickte und schickte Sara alles vorzubereiten. Rain blickte die beiden Soldaten an, die neben Nayantais Bett bereit standen, dann sah er wieder den Wolf an. "Sie helfen dir aufzustehen. Sie tun dir nichts. Du kannst nicht hier im Bett bleiben." Erneut suchte er nach Worten, die ihm in dieser Situation einfach nicht einfallen wollten, er war zu aufgeregt. "Bett... n... nein.", kam es unsicher aus ihm heraus.
    • Erstickte ein Wolf an seinem Stolz, dann war es wohl weitaus weniger tragisch als der Tod eines verruchten Schafes, doch beide hatten genau eines gemeinsam: Ihr Ego war zu groß, um sich wahrhaft einzugestehen, dass sie nicht nur lebten und glaubten zu leben, sondern auch, dass sie den eigenen Tod nicht akzeptieren wollten. Wölfe waren zu stolz, zu rechthaberisch, als dass sie sich einfach so beherrschen ließen - ihren eigenen Willen wollten sie durchsetzen und dem Prinzen ging es dabei nicht anders, auch wenn er zu realisieren hatte, dass dieser Wille schon unlängst gebrochen war und dass es nicht mehr sonderlich viel gab, das man für ihn tun konnte, außer zu hoffen, er würde auch wieder zur Besinnung kommen. Rains Worte waren ihm nicht geläufig - außer "Wolf" - und doch war sein Blick leer, unverständlich und geplagt von Schmerz, der ihn wohl nicht so schnell wieder in Ruhe lassen würde. Würde sich der Wolf helfen lassen, dann würde er zumindest heute nicht sterben. Tat er es jedoch nicht, dann starb er vermutlich in wenigen Tagen, wenn nicht sogar Stunden und war endlich wieder frei - und vermutlich bei seiner Familie, nach denen er sich sehnte.

      Fleisch? Was im Namen des Teufels wollte der Blonde mit Fleisch? Trotz seiner Schmerzen blickte er Rain noch verwirrter an als zuvor, war im Inbegriff seinen Kopf schief zu legen, doch kam nicht dazu, da ihm das nächste Wort an den Kopf geworfen wurde. "Ich ... verstehe nicht was du meinst?", harkte er nach, bevor er die Hand bemerkte, die auf das entzündete Fleisch deutete, das wohl oder übel Teil seines Körpers war. Wenn Nayantais Gesicht noch einen Hauch von Farbe gehabt hatte, dann war ihm diese jetzt wohl auch entwichen, da er einigermaßen zu verstehen schien, was genau der Arzt vorhatte - was genau Rain ihm näherbringen wollte. Der Wolf schluckte, die Schmerzen wären vermutlich keine schönen, aber noch immer etwas, mit dem er lieber leben würde als das konstante Stechen in seiner Seite, das ihn um den Verstand brachte. Nayantai nickte zögerlich, weil er nicht wusste, ob es wirklich das war, was man von ihm wollte - und wenn nicht, dann hoffentlich etwas Besseres. Auch, wenn er sich zu fiebrig dazu fühlte, sich noch sonderlich mit seiner Situation auseinanderzusetzen, wollte er Rains Aufmerksamkeit. "Rain", flüsterte er beinahe schon, bevor er sich auf den eigenen Zeigefinger biss und diesen prompt wieder aus dem Mund nahm. "Wenn ihr wirklich vorhabt, mich anzuschneiden, dann gebt mir irgendetwas, auf das ich beißen kann", murrte er und wiederholte die Geste, die er ihm soeben gezeigt hatte. Bevor er jedoch Zeit hatte, ihm wirklich zu erklären, was er meinte, oder es gar mit irgendetwas zu versuchen, verzerrte sich sein Gesicht vor lauter Schmerz erneut und die nächsten Worte klangen auch nicht sonderlich erfreulich. "Nein? Nicht hier?", fragte er nach, klang dabei gequält, aber da er die nächsten Worte nicht verstand, drückte er sich nach oben, stieg aus dem Bett auf zittrige Beine - und biss sich prompt die eigene Unterlippe blutig, damit er nicht begann, los zu schreien. Bevor er jedoch drohte gen Boden zu segeln, fand er eine Stütze an den Soldaten, deren Griffel ihm normalerweise gestohlen bleiben konnten - doch für den Moment war es ihm sonderlich egal. Der Wolf gab sich geschlagen. Vorerst.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Der Tod war ein Konzept, das schwer zu fassen war. Oft schon hatte Rain den Tod gefürchtet, drei Mal hatte er ihn miterlebt. Seine Großeltern und seine Mutter. Von einem Tag auf den anderen war ein Mensch einfach fort und ließ nur Trauer zurück. Aber wie war es für einen selbst zu sterben? Was hatte das Leben an sich, dass jeden Menschen so vehement dafür kämpfen ließ, selbst jemanden wie Rain, der kaum noch etwas hatte, wofür es sich zu leben lohnte, der einzig und allein eine Art Pflichtbewusstsein verspürte. Womöglich war es dasselbe Gefühl, dass den Wolf trotz Allem weiter kämpfen ließ, die Verpflichtung seines Volkes gegenüber.

      Nayantai schien zu verstehen, zumindest ein bisschen. Er bekam Rains volle Aufmerksamkeit, als er seinen Namen sagte und nickte bestimmt. Der Wolf kämpfte sich sogar selbst auf die Beine, so wie er aussah, hätte Rain das für unmöglich gehalten. Es war unglaublich wie stark dieser Wolf war, die Geschichten der Krieger die gleich zehn Mann im Alleingang erledigten, hörten sich auf einmal nicht mehr so aus der Luft gegriffen an. Die Soldaten fingen den Wolfauf, stützten ihn auf jeweils einer Seite, seine Arme über die Schultern gelegt. Rain verließ das Zimmer zuerst, um Platz zu machen. Der Arzt folgte, beeilte sich zu seinen Räumlichkeiten und die Soldaten trugen den Wolf mehr, als dass er selbst ging.

      Die Räumlichkeiten des Arztes waren bereits hergerichtet, auf einem großen Holztisch in der Mitte des Raumes, lag ein frisch gewaschenes, weißes Laken. Neben Sara war noch eine junge Frau da um zu helfen und eine ältere Dame, die Köchin. Sie hatte ihre Söhne die vom Krieg heim kehrten schon oft genug zusammen geflickt, hatte sie gesagt. Und sie wollte helfen.
      Die Soldaten halfen dem Wolf sich auf den Tisch zu legen. Der Arzt schnappte eine Flasche mit klarer Flüssigkeit von einem Regal und schüttete den brennenden Inhalt über die offen liegende Wunde. Kurz darauf drückte er dem Wolf den Rest in die Hand. "Trink.", sagte Rain von der Tür aus als würde ihn ein Kraftfeld davon abhalten den Raum zu betreten, er hasste diese Hilflosigkeit. Der Wolf konnte ihn von hier aus nicht einmal sehen, er war ganz allein umgeben von Menschen die ihm Wochen zuvor noch solche Verletzungen zugefügt hatten, im Kerker. Rain erinnerte sich in diesem Moment an seine Mutter, die im Bett gelegen hatte mit schwerem Fieber, kaum noch klar. Rain musste selbst oft so aussehen, mit dem Unterschied, dass sie immer für ihn da war. Von der Tür aus hatte er zugesehen, wie Sara versucht hatte seiner Mutter etwas zu Essen einzuflösen, kurz darauf hatte man Rain die Tür vor der Nase zugeschlagen, ihn weggeschickt, als wäre er ein Kind. Seine Mutter starb alleine, sie wurde alleine begraben,... Dieser Wolf da auf dem Tisch war ein Niemand, der Prinz der Wölfe, ein Titel der nichts Wert war. Rain kannte ihn nicht, er war nicht seine Familie und dennoch... Rain hatte genug. Er wollte nicht, dass dieser Wolf alleine starb, wenn seine Zeit gekommen war, auch wenn er hoffte, dass sie nicht heute gekommen war.
      Der Blonde trat in den Raum hinein und stellte sich an die Seite des Tisches, an der Nayantais Kopf lag. Er legte eine Hand auf seine Schulter und sah ihn an. "Trink.", wiederholte er und deutete auf die Reste Alkohol, während der Arzt ein Stück Leinen nahm und aus einem Eimer Schnee von draußen schaufelte. Rains Ländereien waren die kältesten im ganzen Land, es lag an der Höhe und die Menschen hier hatten immer schon gewusst, dass Schnee und Eis zu mehr fähig war, als einen Menschen frieren zu lassen. Der Beutel gefüllt mit Schnee wurde an die Wunde gedrückt um die Stelle zu betäuben, auch wenn es ihm die Schmerzen nicht nehmen würde, ebensowenig wie der Alkohol, würde es zumindest ein bisschen erträglicher werden. Sara kam einen Schritt näher, einen Lederriemen in der Hand auf den der verletzte Wolf beißen konnte, um sich nicht selbst die Zunge abzutrennen. Rain nahm das Stück Leder entgegen und hielt es so, dass Nayantai es sehen konnte. "Dann beiß da drauf."
    • Gerieten sie erst in Vergessenheit, dann waren sie ohnehin schon tot - aber das würde noch lange nicht heißen, dass man Nayantai einfach so vergessen konnte. Der Wolf wusste, dass sein Volk sich wohl wenig von seinem Glück abschneiden konnte, wenn er sich weiterhin hier befand, doch all das hieß lediglich, dass er daran arbeiten müsste, jemand zu werden, der er einmal gewesen war - gesund werden, bei Kräften sein und dann wieder davonziehen, in die Richtung von Thria, bevor er vor dem Aschehaufen stand, der einst seine Existenz war. Oder aber die Wölfe hatten sich einen anderen Unterschlupf gesucht, waren allesamt noch in einem Stück und nicht mehr zerrüttet, sondern vereinten sich bereits - was wiederum bedeuten würde, die vielen verschiedenen Familienzweige würden wieder verschmelzen und es gab lediglich einen Prinzen oder eine Prinzessin und nicht aberhunderte, die man nur so benannte, damit die Schafe eine Relation dazu hatten, wie die Wölfe sich verhielten und ihre Hierarchie aussah. Ob es dann zu Auseinandersetzungen käme, gäbe es ein vereintes Thria, das wollte der Wolfsprinz gar nicht wissen, denn momentan war all das nur ein Hirngespinst, das sich in ihm festsetzte, weil er wohl nicht klar denken konnte. Angekommen im modrigen Kerker würde er sich, allein aufgrund des Geruchs, wohl am liebsten übergeben - aber was dann? Nichts. Deswegen hielt er die Füße still, ließ sich beinahe schon tragen und auf den hölzernen Tisch legen und die Prozedur über sich ergehen, die mit fremden Gesichtern überfüllt zu sein schien, doch einzig und allein das von Rain tauchte nicht auf, der aus sicherer Entfernung hohe Töne zu spucken schien.

      Kurz zuckte er zusammen, als man ihm die Flüssigkeit - sie roch unverwandt nach Alkohol - über die Wunde kippte und ihn anordnete, diesen zu trinken - zumindest schien man das von ihm zu wollen. Schön umschrieben war es nicht, aber ehrlich gesagt fühlte er sich eher danach, sich zu übergeben als vermaledeiten Alkohol zu trinken. Lag er hier doch, umgeben von Fremden und wusste nicht einmal mehr, ob er es wirklich wollte. Schritte näherten sich und der Blonde trat ebenfalls in sein Sichtfeld, legte offenbar seine Hand auf ihn und wies ihn erneut an, den Alkohol zu trinken - leicht unzufrieden über seine Situation knurrte er, nahm sich jedoch vor, sich nicht sofort zu übergeben und würgte den Rest des Gebräus seinen Hals hinunter, bevor er die Flasche auch schon beiseite legte. Was lag er hier auch noch herum? Wieso ausgerechnet Alkohol? Die Wölfe waren Meister darin, wenn sie Wunder wirken wollten - doch an all die Dinge, die wohl ähnlich abgelaufen waren, erinnerte er sich schon lange nicht mehr. Vermutlich lag es daran, dass man ihn etwa gleich behandelt hatte und ein Junge noch viel weniger mit Alkohol umgehen konnte als ein ausgewachsener Mann, oder aber, weil die alte Medizinerin, die sie alle versorgte, nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, geschweige denn wusste, was genau ein Schrank war. Die Krönung dieser Situation war wohl der Beutel mit Schnee, der ihn vermutlich ähnlich hätte zucken lassen sollen wie der Alkohol, aber stattdessen blieb er ruhig, empfand es gar als angenehm, seine Körpertemperatur etwas senken zu können, auch, wenn die Kälte bald beißend wurde. "Danke", nuschelte er noch, als er den Lederriemen nahm und prompt auf diesen biss - nicht zu fest, sondern lediglich so, dass er sich nicht erneut die Lippen aufbeißen musste. Wenn Nayantai an dieser Prozedur starb, dann war es wenigstens ein netter Versuch der Schafe gewesen.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Rain lächelte leicht, als der Wolf sich bedankte, in wenigen Minuten würde er ihn noch im Geist verteufeln, da war er sich sicher. Der Schmerz hatte selbst den stolzen Eber halb wahnsinnig werden lassen, es würde dem Wolf nicht besser ergehen.
      Der Schnee kühlte zumindest das Temperament des Wolfes ein wenig ab, wenn er auch sonst noch nichts bewirkte. Der brennende Schmerz den die Kälte verursachen würde, ging wahrscheinlich unter den restlichen Schmerzen unter, bis die Haut des Wolfes heller wurde, kälter und die Nerven um die Wunde weniger empfindlich.
      "Haltet ihn fest!", wies der Arzt an und Rain nahm seine Hand von dem Wolf. "Es geht los.", murmelte Rain nur, bevor er aus dem Weg ging. Stattdessen legte einer der Soldaten seine Hände auf beide Schultern, der andere auf die Knöchel des Wolfes. Sie drückten ihn auf den Tisch, noch wehrte er sich nicht. Rain fühlte sich etwas nutzlos, suchte sich einen Platz an dem er nicht im Weg stand und verschränkte die Arme, weil er sonst nichts mit ihnen anzufangen wusste. Aber er würde nicht gehen, auch wenn er wusste, dass das Folgende nicht schön würde.

      Der bebrillte Arzt nahm sich das saubere Messer, das ihm bereit gelegt wurde, wies die Soldaten noch einmal an den Wolf zu ruhig zu halten wie möglich. Schließlich nahm er den Beutel Schnee, der mittlerweile zu Wasser geworden war, von der Wunde und ging sener Arbeit nach, das tote Fleisch aus dem Körper des Wolfes zu schneiden.
      Rain wandte den Blick ab, schloss seine Augen. Er musste erneut an seinen Vater denken. Wo war er...? Wieso hatte er den Wolf hier her gebracht? Gab es wirklich eine weitere Schlacht zu schlagen? Mitten im Winter...? Womöglich machte Rain sich all diese Gedanken auch nur, weil er nicht darüber nachdenken wollte, was da direkt vor ihm geschah. Antworten hatte er jedenfalls keine, auch keine darauf, warum ihm das Leben des Wolfes so Wichtig war, warum ihm sein Vertrauen wichtig war... Wenn er ehrlich war, dann glaubte er nicht daran, dass der Wolf ihm helfen konnte, nicht mehr an dieses Haus gefesselt zu sein. Trotzdem wollte er ihm helfen, auch wenn es sich gerade nicht wie Hilfe anfühlte...
    • Gesehen hatte er solche Prozeduren nur selten - suchte man nach ernsthafter Hilfe dieser Art, dann suchte man einen der Gelehrten auf und diese waren selbst innerhalb der einzelnen Wolfsvölker rar gesät. Fand man erst einen, so wie die alte Medizinerin aus seiner Sippe, dann musste man sich dessen bewusst sein, dass man grundsätzlich mit dem eigenen Leben bezahlte wenn etwas nicht so verlief wie gewollt. Hatte man Zeit dazu, darüber nachzudenken ob man lieber von faulendem Fleisch oder dem Versuch, dieses zu entfernen dahingerafft werden wollte, so entschied man sich doch lieber für Zweiteres, hatte man sich schon den Mut genommen und war über die Hälfte der Tundra gewandert, nur um die Chance zu bekommen, überhaupt Jemanden zu finden, der sich um einen sorgte. Andere Mediziner ihrer Sippe wussten wiederum, dass Leute dieser Art ausstarben - keiner wollte das Leid ertragen, das einem aufgezwungen werden würde, kaum sah man einmal hin und doch versuchte man junge Wölfe daran zu gewöhnen, ihnen zu zeigen, dass diese Art von Berufung keinen tötete, so lange man vorsichtig war - und doch waren sie lieber Jäger oder Krieger, die einem Schaf die Haut über die Ohren zogen als ihren Brüdern und Schwestern zu helfen.

      Nayantai war sich nicht sicher, ob er nicht doch davonrennen sollte, kaum drückte man ihn nieder, entfernte den ehemaligen Schnee von seiner Seite und hob ein Messer hoch, dessen Klinge nur Unheil bedeuten konnte. Sollte er die Augen schließen, nicht hinsehen? In jenem Moment, in dem er sich ausgerechnet das fragte, sah er auch schon hin - dort, wo der Arzt das Messer ansetzte und schlussendlich mit diesem in sein Fleisch bohrte. Auf einmal war er froh, dass er den Riemen hatte, auf dem er nieder beißen konnte - und die Soldaten taten ihm auch ein kleines Stück leid, hätten sie ihre Rüstung nicht, zumindest der, der ihn an den Händen gefasst hatte, verkrampften sich diese doch beinahe in dessen eigenem Fleisch. Er wollte nicht losschreien, wollte keinen Ton von sich geben und schon gar nicht vor diesen vielen Schafen, die sich um ihn scharten wie Aasgeier. "Verfl-. Ich. Verdam-", entkam es stückweise seinem Mund, doch bevor er auch nur ein Wort lautstark beenden konnte, je weiter sich die Klinge in sein wundes Fleisch bohrte, biss er wieder auf den Lederriemen und versuchte, seine Gliedmaßen ruckartig zu bewegen - ohne Erfolg. Mittlerweile hatte er den Blick abgewandt, starrte wahlweise in Richtung der Decke über sich oder in andere Richtungen, Hauptsache nicht dorthin, wo gerade Blut tropfte. "VERDAMMTER M-", wollte er noch schreien, da unterbrach er sich selbst auch schon, ging in leere Laute über, die keine Sprache benötigten. Dass sein Gesicht sich mittlerweile durch Schmerz wieder verzerrt hatte, wäre zu erwarten gewesen - doch die Tatsache, dass er wirklich auf dem Lederriemen nieder biss um nicht zu viel Lärm zu erzeugen war auch von seiner Seite aus unerwartet.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Die Laute die der Wolf von sich gab waren schmerzerfüllt, selbst als er versuchte still zu sein. Rain konnte sein Zappeln hören, das Geräusch seiner Gliedmaßen die auf die harte Tischplatte zurück gedrückt wurden. Er konnte den Alkohol riechen, das tote Fleisch... er konnte sogar das Messer hören, dass Stück für Stück das tote Gewebe aus dem Körper schnitt. Es war... nichts das Rain gerne hörte, sah, roch,... Vielleicht hatte sein Vater recht, wenn er ihn verweichlicht nannte. Wenn er sagte Rain wusste nichts von der Welt, wusste nichts von Kriegen, von Kämpfen, vom nackten Überleben. Überleben war was er immer schon tat, aber es war einfach für ihn, in diesem Haus, in dem beschützt war, vor Allem und Jedem. Niemals hatte ihn eine Klinge durchbohrt, oder ein Pfeil, niemals hatte er einen anderen Menschen selbst verletzt. Er war tatsächlich nichts weiter als ein Lamm. Ein Lamm das nichts wusste von Schmerz, von Leid... das nicht einmal hinsehen konnte, wenn ein Wolf litt. Ein Knoten bildete sich in seiner Brust... aber er blieb.

      Die Prozedur dauerte eine gefühlte Ewigkeit, Rain konnte sich nicht ausmalen, wie lang es sich für Nayantai anfühlte, der sich immer noch unter den starken Händen krümmte. Der Arzt hatte alles an totem Fleisch heraus geschnitten, die Wunde gereinigt und nähte sie nun mit ordentlichem Druck zu, für den die Köchin sorgte. Rain öffnete langsam die Augen, besah sich den Wolf, der aussah als hätte er nur noch einen Schritt in Richtung Tod gemacht und nicht einen ins Leben. Der Arzt schloss die letzte Naht und trat einen Schritt zurück. Die Soldaten ließen langsam locker, einer half dabei den Wolf aufzurichten, die Köchin legte einen frischen Verband um die Wunde. Rain holte einmal tief Luft, bevor er an den Wolf heran trat und ihm half den Lederriemen aus dem Mund zu bekommen. Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt ganz bei Bewusstsein war. "Wir bringen dich nur noch zurück ins Bett. Bett.", lächelte er sanft, bevor er wieder einen Schritt zurück machte und den Soldaten Platz machte, die den Wolf diesmal unter den Achseln und an den Beinen nahmen, um ihn in sein Zimmer zurück zu tragen. Rain sprach noch kurz mit dem Arzt , bevor er sich einen Moment entschuldigen musste. Er brauchte etwas Zeit um sich zu beruhigen, Luft zu holen. Sein Vater hatte Recht, er war ein Schwächling, kein Mann. Aber für jemanden, der niemals auf dem Schlachtfeld stehen würde, war das vielleicht egal... trotzdem. Rain wollte nachdenken, ließ Nayantai ausruhen, der sicher schnell in den Schlaf gezwungen wurde. Erst am Abend betrat er wieder das Zimmer des Verletzten, ein Buch in seiner Hand, mit dem er sich auf den großen Sessel am anderen Ende des Zimmers setzte. Er las, während der Wolf schlief. Er konnte das hier genauso gut wie in seinem eigenen Zimmer. Und der Wolf wollte womöglich eine bekante Stimme hören, wenn er aufwachte.
    • Irgendwann hörte all das auf - der Schmerz ließ nach, aber nicht, weil all das endlich überstanden war, sondern weil Nayantai sich wieder auf dem dünnen Grad wiederfand, der zwischen zwei Zuständen existierte. Ob er wirklich noch wach war, oder bereits schlief und es nur selbst nicht bemerkte, konnte er nicht sagen. Dafür vernahm er noch immer Worte, vernahm Taten und das Ziehen in seiner Seite als man begann, ihn wieder zusammenzuflicken. Auch Worte wurden an ihn gerichtet, hatte er diese Prozedur erst überstanden, doch diese waren gleich wie das Rauschen des Windes, des weit entfernten Meeres - der Wolf hatte das Bewusstsein zu diesem Zeitpunkt größtenteils schon verloren, hing nur mehr an einem seidenen Faden, doch je weiter die Reise gen sein Zimmer ging, desto mehr ließ er von diesem Faden ab, bis er sich in seinem Bett wiederfand und wahrlich eher bei den Fischen schlief als bei den Lebenden, die sich um ihn geschart hatten. Schlaf wäre wichtig, reichhaltig davon, damit er sich wirklich die Zeit geben konnte zu heilen und auch erkennen konnte, wie wichtig solche Dinge sein konnten. Aber wovon sollte man träumen wenn man so vieles noch verarbeiten musste, jetzt, da man in Sicherheit war?

      Erneut waren es dunkle Sturmwolken, die seine Träume heimsuchten - der Wind blies stärker, jagte durch das sterbende Gras zu ihren Füßen und er stand dort, so nah und doch so weit entfernt vom eiskalten Ozean der sich um die Tundra schlang, während vor seinen Augen die Zelte des Volkes standen, die ihm angehörten. Kinder riefen einander zu, rannten quer durch die Gegend während Erwachsene ihren Pflichten nachgingen. Eine kleine Scharr an jugendlichen Wölfen, angeführt von zwei Alten, schleppten ein getötetes Reh durch das hohe Gras, dessen Blutgeruch alsbald die Atmosphäre füllte, so wie es der salzige Geruch des Meeres tat in dessen Nähe sie sich befanden. Das Kichern der Kinder holte ihn ein, kaum rannten sie an ihm vorbei - träge Schritte führten den Wolf dafür zu einem Zelt, in welchem er seine Familie vermutete. Die festen Stoffe beiseite gedrückt, spähte er in das Innere des Zeltes, erhaschte einen Blick auf die glühende Kohle, die in der Mitte lag und schon lange nicht mehr brannte und auf die blutverschmierten Innenwände des Zeltes, bevor er seinen Kopf wieder aus dem Zelt heraus riss - und er schreckte hoch, war nicht länger im Traum gefangen, sondern wieder bei sich.

      Ein Zischen später, genervt darüber, dass er sich wiederum zu schnell für seine neue Wunde bewegt hatte, wischte er sich die Müdigkeit aus dem Gesicht. Wie lange hatte er geschlafen? Wohl lange genug damit Rain sich unbemerkt in sein Zimmer schleichen konnte um ein Buch zu lesen - zumindest hatte es den Anschein als er sich stillschweigend umsah. "Du klebst wirklich an mir als würde ich dir davonlaufen", seufzte der Wolf, der sich langsam in eine sitzende Position stemmte, damit er nicht länger sinnlos und halbtot herumlag. Die Müdigkeit wischte er sich mit beiden Händen aus dem Gesicht. "Habe ich irgendetwas verpasst?", krächzte er, alleine froh darüber, dass der Schmerz schon etwas nachgelassen hatte und nicht mehr dermaßen penetrant war. Bis die Wunde verheilte, so gab er sich selbst eine Woche, aber höchstwahrscheinlich würde es eine halbe Ewigkeit dauern.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Rain dachte an seine Mutter, wie sie bei ihm gesessen hatte wenn er krank war, wie sie ihm Trost gespendet hatte, einfach nur weil er nicht alleine war. Als Kind hatter er so viel Angst gehabt zu sterben. Er hatte nicht verstanden was mit ihm passierte, Träumte von Monstern, von Tod, er hatte Angst die Dunkelheit würde ihn verschlingen und nie wieder los lassen. Jetzt da er älter war, glaubte er der Tod war einfach... nichts. E hörte einfach auf zu sein, war nicht mehr da, konnte sich nicht darüber freuen, oder grämen was nach seinem Tod geschah, so wie seine Mutter, jetzt wo sie tot war, weder stolz, noch enttäuscht von ihrem Sohn sein konnte. Diejenigen die den Tod am Meisten fürchten sollten, waren diejenigen die zurück gelassen wurden, diejenigen die weiterhin lebten. Das war was Rain am Tod fürchtete, diejenigen im Stich zu lassen, die sich auf ihn verließen.

      Rain sah von seinem Buch auf, als er Nayantais Stimme hörte. Mal wieder verstand er kein Wort. "Wie geht es dir?", fragte er und musste sagen, dass er schon ein wenig besser aussah. Er nickte auf den kleinen Tisch neben Nayantais Bett. "Suppe.", erklärte er, "Du solltest essen, um wieder zu Kräften zu kommen." Nun klappte Rain sein Buch zu und stand auf, zupfte seine Kleidung ein wenig zurecht. "Ich wollte nur sehen wie es dir geht. Es ist spät. Iss und schlaf, ich gehe auch ins Bett. Oder brauchst du noch etwas?" Er lächelte, versuchte es noch einmal so gut er konnte in der Sprache der Wölfe. "Essen.", erneut deutete er auf die herzhafte Suppe. "Ich... Bett. Ja Oder Nein?"
    • Was auch immer einen schlussendlich dazu brachte, vom Tode mit sich genommen zu werden, war für jedermann unterschiedlich. Die Einen waren krank und hatten nicht mehr sonderlich viel, verlangten nach einer Erlösung, während die Anderen mehr hatten als ihnen lieb war und nur dadurch in die Knie gezwungen wurden, weil sie einen Kampf verloren oder plötzlich mit Krankheiten zu kämpfen hatten von deren Existenz sie nicht einmal wussten. Jedoch war es egal, wobei es sich handelte - sie alle fanden ihr Ende unter der Erde und ihr Geist verließ diese Welt, insofern er nicht an den Körper gefesselt war und unendlich lange träumte, bis er eines Tages realisierte, dass er schon viel zu weit vom Festland - von der echten Welt - entfernt war um zurückzukehren und dadurch schlussendlich verblasste. Was auch immer es war, die Dunkelheit holte jeden von ihnen ein, doch anders als Rain fürchtete sich Nayantai als Kind nicht vor dem Tod, war es doch ein fremdes Konzept, das er nicht verstehen wollte, oder als Kind gar konnte. So lag es nicht fern, dass manch ein alter Nomade schon gut und gerne in seinem Zelt verschwand und als Asche auf dem Boden verteilt wurde, bevor die Wölfe weiter zogen, damit der Tode in Frieden ruhen konnte und nicht weiter gestört wurde.

      Nun saß er also da, draußen musste es mittlerweile schon fast stockfinster sein, und doch war Rain viel lieber in seiner Nähe als in seinem Bett - in dieser Hinsicht, so dachte Nayantai, glich er wirklich eher einem verlorenen Welpen, der nach Schutz und Zuversicht suchte, als einem Lamm, das nichts weiter tat als nach einer fehlenden Mutter zu schreien. Heute wollte er sich dennoch nicht mehr mit diesen Dingen beschäftigen, weswegen er den Worten des Schafes aufmerksam lauschte und versuchte, sich einen Sinn aus diesen zusammenzureimen. Heute wollte er Rain nicht mehr mit sonderbaren Fragen löchern, so fand er, war der Tag ohnehin anstrengend genug, weswegen er gar nicht darauf einging, bevor man ihm die Sprachfetzen unterbreitete, die Rain schon konnte. "Danke für das Essen", entgegnete er, als er zur Suppe sah - wirklich danach, noch etwas herunter zu würgen war ihm nicht, fühlte er sich von seinem Traum doch noch immer aufgescheucht. "Du gehst ins Bett? Nein, warte", sprach er noch, bevor ihm eigentlich einfiel, dass er gar nicht mehr wusste, was er Rain überhaupt sagen sollte, oder mit welchen Fragen er diesen bewerfen sollte. Nayantai gab auf. "Ich. Ah. Verflucht", kam es leicht hibbelig von ihm, während er sich das Teller mit der Suppe nahm und begann, aus dieser zu löffeln. "Danke, Rain. Ohne dich wäre ich wohl tot", er versuchte den Satz zu verdeutlichen und deutete zuerst mit einem Finger auf Rain, dann machte er ein x-förmiges Symbol in der Luft und zeigte danach auf sich, bevor er mit dem Daumen einen Halbkreis um seine Kehle zog. "Ich ... tot."
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Rain hielt inne als er das Wort nein ausmachen konnte und lächelte seinen Gast an. Wieder schien er ein wenig frustriert, dass er Rain nicht verständlich machen konnte, was er eigentlich sagen wollte, aber es schien ihm schon deutlich besser zu gehen. Immerhin schien er nicht mehr so aggressiv, eigentlich eher dankbar, seine Gesichtszüge etwas weicher, aber vielleicht lag es daran, dass der Wolf zu müde war, um schnippisch zu sein. Wie auf Stichwort traten die Worte Danke an Rains Ohren und er nickte lächelnd, folgte anschließend Nayantais Bewegungen und Erklärungen und winkte schließlich noch einmal ab.
      "Ah... tot.", übersetzte er das Wort, das Nayantai erklärt hatte, schüttelte den Kopf. "Schon gut. Ich bin ein Lamm, schon vergessen? Ich bin weich, will niemanden sterben sehen... oder leiden. Außerdem musst du mir noch von deiner Heimat erzählen...irgendwann. Jetzt aber solltest du dich erst einmal ausruhen und wieder zu Kräften kommen." Rain stellte mit Erleichterung fest, dass der Wolf auch ein paar Löffel seiner Suppe herunter würgte, auch wenn er nicht wirklich Lust dazu zu haben schien. Anschließend glitt sein Blick an die verwundete Stelle an Nayantais Körper, auch wenn sie jetzt verdeckt war. Ob das sein Vater getan hatte? Die Wunde sah frisch aus, die Reise hier her war lang...es musste fast so sein, aber Rain wollte nicht danach fragen. Zumindest nicht jetzt, jeder andere Zeitpunkt war wahrscheinlich besser. Er wusste sein Vater war ein Krieger, hatte unzählige Menschen getötet, Familien auseinander gerissen... aber er hatte noch nie die Konsequenzen gesehen. Manchmal war er sich nicht sicher, ob es gut, oder schlecht war, dass er nicht nach seinem Vater kam. Wollte er sowas einfach hinnehmen können? Wollte er zusehen können wie Menschen starben? Wollte er selbst töten? Oder war es ihm lieber es nicht mit ansehen zu können, Frieden zu erstreben, der niemals kommen würde. Sein kleines Fürstentum lebte zu einem Großteil von der Waffenproduktion, der König forderte von jedem Fürsten Truppen für seine Kriege... Rain konnte sich all dem nicht wiedersetzen. Also wäre es vielleicht besser gewesen, er käme nach seinem Vater, dem das alles nichts auszumachen schien.
    • Wölfe waren nicht jedermanns Freunde, vor allem nicht die der Schafe, und doch hatten sie es zumindest einigermaßen geschafft, während der letzten Jahrhunderte mehr oder minder friedlich miteinander zu koexistieren. Dass es nun zu derartigen Auseinandersetzungen zwischen den Völkern kam war unvermeidbar, hatte man doch die letzten Jahrzehnte damit zugebracht, Hass auf die Nomaden zu verbreiten und die Nomaden selbst waren noch nie Freunde der Außenstehenden gewesen, die sich in ihren steinernen Häusern verschanzten und jedwede Beziehung zur Natur aufzugeben schienen, in der sich die Wölfe nun einmal die meiste Zeit ihres Lebens aufhielten. Stand man nicht im Einklang mit der Welt, in der man sich befand, dann konnte man schlecht mit sich selbst im reinen sein. Doch was philosophierte man auch schon herum, wenn die wahre Tatsache war, dass selbst die Thrianer nicht unschuldig waren? Nahm man ihnen Land oder Leute, so nahmen sie sich das zurück, wovon sie glaubten, es stände ihnen zu – dass man dadurch Blut auf heiligem Boden vergoss war unvermeidbar.

      Nayantai lauschte aufmerksam, interessierte ihn doch die Suppe kein Stück – das, was ihn jedoch interessierte, waren die Dinge, die Rain von sich gab, würde er auch nur einen Funken davon verstehen und nicht nur den Kontext erraten müssen. War es irgendetwas wichtiges? Oder einfach nur etwas Allgemeines? Was auch immer es war, der Wolf wollte es wissen, aber an einem Tag oder in wenigen Tagen gar eine Sprache zu lernen, die er zuvor nur immer wieder hörte, war nichts, das dem Schlauesten von ihnen gelingen würde. Vermutlich wäre es eine Idee, einfach eine Nacht darüber zu schlafen, zu warten, bis das Fieber gänzlich abklang und sich dann mit dem Lernen der einzelnen Worte und Satzbauten der Schafe in diesem Bett zu beschäftigen, das er vermutlich vorerst nicht verlassen sollte. „Mir fällt absolut nichts mehr ein, das ich dich fragen könnte“, ertönte es, bevor er sich wieder zusammensinken ließ, damit er einigermaßen gemütlich im Bett liegen konnte. „Gute Nacht“, sagte er noch, bevor er sich erneut auf die Seite drehte und es abermals bereute, nur um wieder auf seinem Rücken zu landen. „Schlechte Idee.“
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Erneut fielen unverständliche Worte, aber Rain lächelte. Er war froh, dass der Wolf überhaupt sprach und ebenso froh, dass er nicht gleich aus dem Bett sprang und sich wieder bewegen wollte. Die Wunde musste erst einmal verheilen und das würde wohl bedeuten, Rain musste den Wolf bei Laune halten, damit der sich nicht zu Tode langweilte. Der Adelige nickte noch einmal, bevor er zur Tür schritt und den Raum verließ. "Gute Nacht."

      Rain begab sich nun endlich in sein eigenes, warmes Zimmer um zu schlafen. Er ließ ein leichtes Husten aus, als er sich zudeckte und seufzte. Seine Brust schmerzte ein wenig, aber er glaubte eher es lag an dem kühlen Zimmer des Arztes, in dem Rain sicher Stunden verbracht hatte, als an einer weiteren Krankheit die der Wolf vielleicht mit sich herum schleppte. Den ganzen Abend hatte er seinen Husten unterdrückt, damit die Soldaten nichts davon mitbekamen und Eraqus ihn wenig später vermutlich aus dem Zimmer des Wolfes verbannt hätte, als wäre er ein Kind. So wie er ihn aus dem Zimmer seiner Mutter gejagt hatte, als diese im Sterben lag. Noch einmal räusperte er sich, hustete leicht und legte die Hand auf seine Brust. Er hasste diesen schwachen Körper... wäre er an der Stelle des Wolfes gewesen, hätte er es nicht einmal über die Türschwelle geschafft... Wieso, war eine Frage die er sich stellte, seit er denken konnte, wenn er alle beobachtet hatte, die draußen herum liefen, oder drinnen, wo Rain auch nicht jedes Zimmer betreten sollte. In letzter Zeit, kam es ihm vor, wurde er sturer, testete vielleicht seine Grenzen, ein wenig zumindest. Erst recht seit der Wolf vor zwei Tagen hier angekommen war. Vielleicht hatte er einfach genug davon sich zu verstecken, genug davon anders zu sein, kränklich, schwach..., vielleicht interessierte ihn sein Überleben auch einfach weniger als früher.

      Am nächsten Morgen blinzelte Rain gegen die Sonne, die zu seinem Fenster hinein schien und blies sich eine seiner blonden Strähnen aus den Augen. Er hatte lang geschlafen wie es schien. Er quälte sich also relativ schnell aus dem Bett, zog sich etwas Frisches an und war kurz darauf bereit für den Tag. Es lag immer noch ein Druck auf seiner Brust, aber sonst ging es ihm gut, weswegen er die Unannehmlichkeit ignorierte und sein Zimmer verließ um zu frühstücken. Auch wenn es schon später Morgen war, ließ er sich heute Zeit, damit der Wolf sich noch etwas ausruhen konnte. Erst danach kam er auch mit einem Frühstück zu seinem Gast, klopfte leise an der Tür und schielte hinein, um festzustellen ob er noch schlief.
    • Auch als Rain sein Zimmer verlassen hatte, hatte es nicht lange gedauert bis die nächste Welle der Müdigkeit ihn überrollte. Erschöpft war er von dem Prozedere, durch das er sich hatte ‚kämpfen‘ müssen und tatsächlich gab er seinem Körper seit Monaten das erste Mal wirklich die Ruhe, die dieser benötigte. Selbst als die Träume wieder als nichtssagende Worte durch eine undichte Decke träufelten, in einem Zelt das schon bessere Tage gesehen hatte, fand er keine Antwort auf die Fragen, über welche er sich grämte – ganz im Gegenteil. Nayantai wusste nicht, wovon er träumte, oder gar welche Geschehnisse er miteinander vermischte. War es der Tod seines Volkes oder seine Kindheit? War nicht beides davon gleich? Selbst der Mond, der eine hellblaue Färbung angenommen hatte, würde es ihm wohl nicht beantworten können, war er doch nichts weiter als ein fester Bestandteil seines Raumes, hing schief an Firmament und gab den Wölfen, die sich hungrig um ein Lagerfeuer scharten, zumindest etwas Licht in der dunklen Nacht. Aber auch dieser Traum, überflutet von so vielen Geräuschen, die beinahe ohrenbetäubend wirkten, erschloss sich ihm nicht sonderlich.

      Morgen. Zumindest glaubte er, dass es morgen sein musste, schob sich doch die Sonne am Horizont empor und ließ das Ende der Nacht verlauten. Wenn es vermutlich eines war, das der Wolf nie verlernt hatte, dann war es im Morgengrauen aufzuwachen und nicht eher Ruhe zu geben, bis er sich die Beine vertreten hatte. Das stellte sich allerdings als leichter gesagt heraus als getan. Auch wenn seine Beine durchaus noch dazu in der Lage waren, sein Gewicht zu tragen, so war es doch die versorgte Wunde an seiner Seite, die jedweden Versuch sich aus dem Bett zu bewegen zur Qual werden ließ. Vermutlich blieb er auch deshalb einfach liegen, setzte sich lediglich auf und nahm sich das Buch, das er auf seinen Nachttisch gelegt hatte, bevor er wieder dort begann zu lesen, wo er aufgehört hatte. Alles in allem war es jedoch, so wie er bemerkte, weder irgendeine erfundene Geschichte oder gar etwas, das sich jemand einfach so aus der Nase zog, sondern tatsächlich ein Bericht über das Leben der Nomaden, das der Autor offensichtlich als Tagebuch geführt hatte.

      Nayantai hatte vermutlich schon viel zu viel Zeit mit dem Buch verbracht, kaum klopfte es an der Tür und er befand sich irgendwo kurz vor der Mitte des Buches. Dieses Buch war alt, das konnte keiner verneinen, dennoch nicht so alt wie das Kinderbuch, das man ihm gezeigt hatte. Die Geschehnisse in diesem berichtete von Thematiken die noch immer durchaus aktuell zu sein schienen, zumal de Autor auch tatsächlich ansprach, dass die Schafe es vorzogen die Wölfe eben so zu nennen, anstatt so wie sie ihre Heimat heißen ließ – Thrianer. „Ja?“, sagte er, sah vom Buch auf und hörte, dass sich diese einen Spalt geöffnet hatte. „Rain?“, fragte er in Richtung der Tür, bevor er das Buch schloss und wieder beiseitelegte. „Ist es wirklich schon so spät?“, fragte er eher das Fenster als den Adeligen, kaum blickte er nach draußen und realisierte, dass aus dem einfachen Morgengrauen schon so viel mehr geworden war.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Rain musste lächeln, nachdem Nayantai ihn zum ersten Mal rein gebeten hatte, nachdem er geklopft hatte, so wie er es ihm erklärt hatte. Er öffnete die Tür, begleitet von Sara, die sich an ihm vorbei drückte und dem Wolf Frühstück auf den Tisch neben dem Bett stellte. Sie war ihm einen kurzen prüfenden Blick zu, bevor sie wieder aus dem Raum verschwand. Es musste für den Wolf befremdlich sein, dass Rain ständig von seinen Bediensteten umgeben war, als wären sie seine Schatten. Tatsächlich fiel Rain das hingegen gar nicht auf, es sei denn, er wollte keine Gesellschaft, dann schickte er meist alle in ihre Unterkünfte und war schließlich allein in dem riesigen Anwesen, das für eine Person viel zu groß war.

      "Guten Morgen.", lächelte er, ein Buch unter dem Arm. "Wie geht es dir?", fragte er und deutete dabei an seinem eigenen Körper an die Stelle, an der die Wunde des Wolfes lag, um ihm zu verstehen zu geben, was seine Frage war. Anschließend fiel sein Blick auf das Buch, das heute etwas anders da lag als noch am Abend zuvor. Rain hatte immer schon ein Auge für Details gehabt. Allgemein änderte sich in diesem Anwesen seit einem Jahr kaum etwas, da schrie ihm die Veränderung förmlich ins Gesicht.
      "Hast du gelesen?", fragte er und hob sein eigenes Buch hoch, deutete darauf. "Ich frage mich seit Jahren was da drin steht. Vielleicht kannst du es mir irgendwann erzählen."