spellbound. (earinor & akira)

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    • Was gab man dafür, fliehen zu können? Was würde er dafür aufgeben, wenn er sein Volk vor ihrem Zerfall retten konnte? Mehr, als sein Leben hatte er nicht und doch war es etwas, das er höchstwahrscheinlich wegwerfen würde, sobald man ihn darum bat, wenn es um diejenigen ging, von denen er sich nicht trennen wollte – seine Familie, seine Freunde – sein Volk. Voneinander getrennt zu werden, zu früh über den Pfad der Toten zu schreiten und aus diesem Leben gerissen zu werden, war es denn überhaupt etwas, das nicht schon seit Jahrhunderten passierte, wenn jemand nach Macht hungerte und sich all das nahm, das man ihm nicht aus freien Stücken herausgab? Sein warmer Atem führte dazu, dass die Scheibe des Fensters beschlug und es noch unmöglicher machte, die Geschehnisse in der gefrorenen Welt wahrzunehmen, die sich dort draußen abspielten. Wie viel Schnee wohl noch fallen würde? Zu viel, um ihn jemals zu zählen und doch starrte er in die Ferne, als würde sich ihm ein Weg offenbaren, den er bis jetzt noch nicht erblickt hatte, als würde er in der Helligkeit dieses trüben Tages, an dem die Wolkendecke am Himmel mit dem Schnee verschmolz, ihm deuten, welchen Weg man gewählt hatte, um ihn auf diesen Berg zu bekommen, an dem er nun ausharren musste. Doch selbst dann, wenn Fußstapfen existiert hatten, waren sie mittlerweile von all dem neuen Schnee verschluckt worden, der über Nacht gefallen waren. Fährten, die er hätte lesen können, waren einfach verschwunden.


      Wahrhaft fassen, dass er nicht mehr in einem Kerker steckte und noch nicht enthauptet worden war, konnte er es dennoch noch immer nicht. Was genau Nayantai an dieser Situation so faszinierte, wusste er selbst nicht – vielleicht war es die Gastfreundschaft, die ihm sonst nicht unterkam, oder die Tatsache, dass er sich selbst so fühlte, als wäre er tatsächlich ein ausgehungertes, im sterben liegendes, wildes Tier das seine letzten Stunden damit zubrachte, von einem Fremden umsorgt zu werden, der alles tat, um ihn dabei noch zu belustigen. Wieso ließ sich Rain eigentlich auf ihn ein? Erfuhr man davon, dass er einen der Wilden einfach so in seinem Haus aufnahm und umsorgte, dann würden sich die bösen Zungen beinahe schon spalten, während sie das Gift – die Lügen – über ihn und Nayantai verbreiteten. Die Tür hinter ihm bewegte sich und sein Blick wanderte, bis er den von Rain traf, der doch keine Illusion des gestrigen Abends oder der Kopfschmerzen gewesen waren, die ihn nun plagten. Tatsächlich standen er und Sara vor ihm, bevor sie alleine gelassen wurden, wenn auch mit geöffneten Türen – und Nayantai noch immer nichts, außer einen grimmigen Gesichtsausdruck für den Adeligen übrig hatte, der es nur gut mit ihm meinte. Diese Sprache war wahrhaft nichts, das er verstand, und doch versuchte er sie, zu imitieren, kaum wurde ein kurzer Satz an ihn gerichtet. „Guten … Morgen?“, so, als verstünde er nicht wirklich, was diese Worte bedeuten sollten, legte er abermals den Kopf schief. „Mittlerweile glaube ich wirklich, es wäre von Vorteil, könnte ich verstehen, was du von dir gibst“, seufzte er und trat näher an den Adeligen heran, der zumindest so aussah, als wäre er ein krummer Ast im Wind. Behutsam legte er seine rechte Hand auf dessen Schulter und klopfte leicht auf diese – wenn er sich schon nicht mit Worten zu bedanken wusste, dann wohl mit Taten – und die Nächste war, sich auf den Sessel zu setzen, der dort stand und das Essen zu mustern, das man ihm gebracht hatte. „Wenigstens seid ihr in der Hinsicht gar nicht so verschieden“, bemerkte er noch kurz, als würde Rain diese Sprache verstehen. Vom Essen ließ er vorerst ab, stattdessen griff er zum Tee - und ließ die nicht mehr ach so müden Augen keine Sekunde von seinem Gegenüber.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Der Gesichtsausdruck seines Gastes spiegelte immer noch denselben Trotz, womöglich sogar Hass wieder, wie am Tag zuvor, doch war Nayantai keinesfalls darauf aus, Rain die Kehle durchzuschneiden. Es wäre auch ziemlich dumm von ihm gewesen, denn wenn Rain starb, dann würde man ihn vermutlich nicht mehr so nett und zuvorkommend behandeln. Stattdessen würde man ihn wieder einsperren und schließlich hinrichten. Er hätte den Sohn eines Fürsten getötet, eines Fürsten, der dem König immer treu gedient hatte und gute Beziehungen mit der Königsfamilie pflegte. Auch wenn man nicht behaupten konnte, dass Rain derselbe Respekt, außerhalb seiner eigenen Ländereien zuteil wurde. Als der Wolf also dann auf ihn zuschritt und die Soldaten bereits ihre Hände auf die Schwerter legten, hob Rain nur beschwichtigend die Hand, ohne den Blick von seinem Gast abzuwenden. Ihm passierte tatsächlich nichts, ihm wurde nur leicht auf die Schulter geklopft und anschließend, setzte sich der Prinz der Wölfe, um seinen Tee zu genießen.

      Rain hatte nicht erwartet, dass so etwas passieren würde, dass dieser Mann sich überhaupt bedankte, jetzt wo ihm ein wenig wärmer war und er etwas mehr bei Kräften war. Obwohl, so gut sah er gar nicht aus, er schien immer noch müde zu sein und sein Körper hatte sich von all den Strapazen bestimmt noch nicht erholt. Rain würde später seinen persönlichen Arzt vorbei schicken, der mit den Bediensteten hier oben residierte, um zur Stelle zu sein, sollte Rain mal wieder krank werden. Er hatte noch keinen Winter erlebt, den er trotz Isolation in diesem Anwesen, ohne eine Krankheit einzufangen überstanden hatte. Und selbst eine einfache Erkältung, konnte ihn mehrere Tage ins Bett zwingen.

      Rain dachte einige Momente über die Worte nach, die Nayantei zuvor ausgesprochen hatte, von denen er aber nichts verstand. Immerhin kommunizierte er mit ihm und vielleicht war es keine schlechte Idee, einfach ihrer beider Sprachen zu sprechen, bis sie irgendwann wussten, was die Worte bedeuteten. Rain war durchaus nicht abgeneigt, auch die Sprache der Wölfe zu lernen.
      "Vielleicht hast du recht damit einfach zu sagen was du denkst, auch wenn ich dich nicht verstehen kann. Irgendwie muss man ja schließlich anfangen, nicht wahr?", lächelte Rain, als würde er in ein Gespräch mit Nayantai einsteigen. Er setzte sich ihm Gegenüber auf einen kleinen Hocker, der eigentlich für die Füße gedacht war und stützte seine Ellbogen auf seine Knie, während er seine Finger verkreuzte.

      Sein Blick wanderte anschließend vorbei an seinem Gast zu der zerlumpten Kleidung, die er aus dem Badezimmer mitgenommen hatte, obwohl die Fetzen Stoff, kaum noch als Kleidung bezeichnet werden konnte. Als hätte er sich nicht gerade erst hingesetzt, stand er wieder auf und ging zu dem kleinen Tischchen, auf dem Nayantais Kleidung abgelegt war. Vorsichtig legte er eine Hand darauf, als könnte die Kleidung des Mannes ihm etwas erzählen.
      "Ich werde das für dich waschen und nähen lassen.", verkündete er anschließend, bevor er Sara herein bat, die wie aus dem Nichts erschien, als würde sie den ganzen Tag auf nichts anderes warten, als dass ihr ein Befehl erteilt wurde. Sie schlängelte sich mit möglichst viel Abstand zu dem Wolf an den Möbeln vorbei zu ihrem Herren und dieser bat sie, ihm für einen Moment Nadel und Faden zu borgen. Die Sachen waren in ihrer Schürze verstaut und Rain nahm beides entgegen. Dann drückte er ihr den Stapel kleider in die Hand, griff nach ihrem Arm und zog sie sanft mit sich zurück zu Nayantai.
      Nadel und Faden hielt er hoch, benannte die beiden Dinge in seiner Sprache und legte beides anschließend auf den Stapel Kleider.
      "Ist das in Ordnung?", fragte er in der Hoffnung, dass der fragende Ton und der Kontext genügten, damit Nayantai verstand.
    • Hier war er nun also gefangen, irgendwo in der Schneemenge eines unendlichen Winters - viel zu weit weg von der Tundra, in der er aufgewachsen war. Zu behaupten, er vermisse sein Zuhause, war eine Untertreibung. Mit jeder Sekunde, die er länger alleine inmitten der fremden Welt ausharrte, in der er sich befand, fand er die Schmerzen in seinem Herzen unerträglicher, obgleich es der Wahrheit entsprach, dass er wusste, dass er nicht wieder dorthin zurückkehren konnte, woher er einst gekommen war. Die Niederlassung - wenn man sie überhaupt ein kleines Dorf nennen konnte - die die Wölfe sich aufgebaut hatten, war womöglich dem Erdboden gleich gemacht worden, bevor dieser ihre Körper verschluckte. Nichts, woran man so früh am morgen gerne dachte und doch die Wahrheit, die er zu schultern hatte und Ballast, den er womöglich noch jahrelang mit sich tragen musste. Egal wie sehr er sich bemühte, oder wie schnell er den heißen Tee in seinen Rachen kippte, der ihn ein klitzekleines Bisschen an das Gebräu aus seiner Heimat erinnerte, das Ende seines Volkes würde trotzdem irgendwann kommen, egal ob er es heraufbeschwor, indem er seine Hände falsch an Rain legte, oder es durch den Kaiser geschah, der nichts mehr von ihm und den verbliebenen Wölfen wissen wollte, damit er sein Reich expandieren konnte. Was auch immer zuerst kam, ihr Ende ging damit einher - und dem galt es Einhalt zu gebieten. Selbst dann, wenn er sich selbst nicht in der besten Verfassung wiederfand und in seine Armbeuge hustete, kaum übermannte ihn dieses Gefühl erneut und das Surren in seinem Kopf wurde unerträglicher. Zumindest war er momentan noch in der Lage, klar zu denken.

      "Was soll das werden?", fragte Nayantai, als er dem Blonden ansah, kaum setzte er sich vor ihm hin - wäre es nicht besser, ihm auch einen Sessel zu besorgen, damit er sich in diesem entspannen konnte? Wieso sollte er auf diesem Hocker sitzen, nur damit er mit ihm ein Gespräch führen konnte? Auch das leuchtete ihm nicht wirklich ein. Wer wusste schon, ob nicht ausgerechnet der zierliche junge Mann, der mit jedem Blick mehr zerbrechlicher wirkte als er ohnehin schon war, der Schlüssel zu seinem Glück wurde. "Ich habe keine Ahnung, was du im Schilde führst - und ehrlich gesagt brummt mir der Schädel zu sehr, um mich damit zu beschäftigen", auf Kriegsfuß war der Wolfsprinz nicht, eher misstrauisch und geprägt von den Dingen, die er bereits erlebt hatte und nie wieder erleben wollte. Zu stumpf war die Klinge gewesen, die man ihm das letzte Mal in seinen ohnehin wunden Körper gedrückt hatte, bevor man sie drehte, um eine klaffende Wunde zu hinterlassen - und dieses Mal würde er sich nicht blamieren lassen, von Niemandem. Sein Blick folgte Rain, bis dieser an seiner Kleidung ankam, sie hochhob und die junge Dienerin von vorhin wieder zu sich holte. Worte wurden ausgewechselt, die er wohl nie lernen würde, wenn er kein Interesse daran hegte, also sah er die beiden an, hielt den Mund und ließ die Tortur über sich ergehen. Stattdessen war es gar anders, als er es sich ausgemalt hatte - auch, wenn er lediglich den Kontext für sich selbst verstand und nicht die Worte, die man an ihn richtete. Vielleicht könnte er dem Adeligen auch seine Sprache näherbringen? Nayantai nickte ihm mehrmals deutlich zu, bevor er das Wort "Ja" in den Mund nahm - wohlgemerkt in der Sprache der Wölfe. Natürlich ging er nicht davon aus, dass man eine Ahnung davon hatte, wie seine Kleidung aussah, bevor sie in diesem Stadium gelandet war, oder gar welcher Stoff benutzt wurde, und dennoch bedeutete diese Geste, dass man ihm definitiv nicht feindlich gesinnt war. "Du verwirrst mich, Rain."
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    • Rain verstand nicht, natürlich nicht, nur die Bedeutung des Wörtchens "Ja" wurde ihm dank des begleitenden Kopfschüttelns klar. Desweiteren konnte er nur versuchen den Blick des Wolfes zu verstehen, der noch kaum etwas freundliches ausgedrückt hatte, seit er hier war. Er hörte auch seinen Namen am Ende eines Satzes, der sich überraschend gut in die Sprache des Mannes einfügte, als gehöre er dort hin. Rain wiederholte das Wort "Ja" für sich selbst noch einmal, um es sich besser merken zu können und setzte sich seinem Gast wieder gegenüber.
      "Ich schätze Ja und Nein sind Worte, die wir einander schneller beibringen können als andere.", lächelte er und machte bei den Worten Ja und Nein jeweils eine kurze Pause und eine passende Geste mit seinem Kopf. "Ich kann es dir nicht verübeln, wenn du unsere Sprache nicht lernen willst, aber ich würde gerne von dir lernen. Mir ist es gleich in welcher Sprache wir uns unterhalten." Rain lächelte den Wolf an, behandelte ihn so gar nicht wie einen Wilden. Er wusste natürlich, dass er gerade kein Wort verstanden hatte, aber selbst ohne, dass er wusste was er sagte, freute ihn dieses eigentlich sehr einseitige Gespräch.
      "Aber wir müssen nicht heute voneinander lernen. Du siehst immer noch müde aus, kein Wunder. Aber ich habe dir noch etwas mitgebracht und ich möchte es dir gerne geben. Ich weiß nicht genau was es ist, mein Vater brachte es mir vor zwei Jahren und seitdem bewahre ich es auf." Rain beugte sich nach vorne und griff vorsichtig nach der Hand des Wolfes, drehte anschließend seine Handfläche nach oben und legte kurz darauf etwas, das sich Minuten zuvor noch in seiner Hosentasche befunden hatte in seine Hand. Er schloss Nayantais Finger darum, um ihm zu signalisieren, dass es jetzt ihm gehörte und nahm dann seine Hände wieder von ihm.
      "Ich glaube das gehörte deinem Volk. Du sollst es haben, wenn ich dir schon sonst nicht viel bieten kann. Ein Geschenk." Das letzte Wort sagte er bewusst langsamer, auf dass sich der junge Wolf vielleicht ein weiteres Wort merken konnte.
    • Sich verständigen zu können, so schwer es teilweise auch schien, fühlte sich fast unbeschreiblich schön an - auch, wenn es noch ein langer Weg wäre, bis sie sich gänzlich verstanden, so viel stand zumindest fest. Dennoch: Einzig die Tatsache, dass Nayantai noch nicht das Verlangen dazu verspürt hatte, dem Blonden die Gurgel umzudrehen, war ein Anfang. Stattdessen gingen sie freundlich aufeinander zu, wenn auch gleich sein Gesprächspartner etwas offener war, als er - viel lieber musterte er ihn mit befremdlichen Blicken, die so viel bedeuten könnten, aber genau eines aussagten: Misstrauen. Aufmerksam lauschte er ihm dennoch, als man ihm zeigte, was "Ja" und was "Nein" in dieser ihm fremden Sprache bedeutete und wie genau man all diese sonderbaren Worte eigentlich aussprach. Kein Wunder war es also, dass Nayantai es ihm gleich tat, nickte und das "Ja" wiederholte, bevor er den Kopf schüttelte und ein "Nein" in den Mund nahm - Worte, die er unter normalen Umständen wohl nie wieder über aufgesprungene Lippen gebracht hätte, geschweige denn von sich geben durfte. Mit einem Mal fühlte es sich so an, als wäre er dort angekommen, wo er hin sollte: Zu jemandem, der zumindest versuchte, auf einer Längenwelle mit ihm zu schwimmen.

      Worte einer fremden Sprache, die sich anhörte wie Regen, der fest auf einen herabtröpfelte - mehr war es für ihn auch nicht, wenn er ehrlich war, aber dennoch wollte er sich nicht berieseln lassen, sondern verstehen, was all das bedeute, und nicht nur hinterfragen, was genau es bedeuten könnte und im Endeffekt all das völlig falsch verstehen. "Hm, mein Vater kannte eure Sprache relativ gut - ein Wunder, dass ich mich so dagegen gesträubt habe", bemerkte er etwas aufgelöst, ehe man ihm etwas überreichte, das wohl keiner der beiden haben sollte. Die Geste an sich war sanft, die Hände des Rain's viel sanfter und kleiner als seine eigenen, die geschunden waren und davon zeugten, dass Nayantai einen Großteil seiner Arbeit auf Feldern und in Wäldern verbracht hatte. Dennoch staunte er nicht schlecht, als er schlussendlich sah, was sich in seiner Hand befand - ein enges, kurzes Band aus schwarzem Stoff, oder eventuell sogar Leder, an dem mittig ein ehemals runder Talisman hing, der bereits einiges an Farbe verloren hatte. "Huh ..." Direkt aus seiner Familie oder seinem Volk entstammte es nicht, aber definitiv von einer Zweigfamilie - und die Tradition war auch in seiner vertreten. Genau genommen gab es zwei Varianten - war der Talisman in der Mitte, der selbst aus Holz geschnitzt wurde, in helle, sanfte Farben getränkt, so wünschte man demjenigen, an den man ihn verschenkte, Gesundheit. Waren es allerdings tiefe, oftmals rote Farben, so glichen sie einer Liebesbezeugung zu der Person seiner Begierde. Verschiedene Völker hatten verschiedene Gebräuche für unterschiedliche Farben, aber all das konnte er Rain nicht erklären, stattdessen legte sich leichte Röte auf Nayantais Wangen, als er es begutachtete und Reste von roter Farbe an den teilweise abgebrochenen Ecken sah. "Wieso du mir ausgerechnet so etwas gibst ... du verstehst wahrscheinlich nicht, wofür wir sie verwenden, hm?"
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    • "Nein", auch das versuchte Rain sich zu merken, vielleicht hätte er anfangen sollen, sich die Worte aufzuschreiben. Besser früh als spät, aber er wollte jetzt nicht einfach verschwinden um sich Papier und Feder zu holen. Bislang waren es ja nur die Worte Ja und Nein, sowie Nayantais Name gewesen, das er sich merken musste. Auch wenn er bei jedem Wort, das der Fremde in seiner Sprache aussprach aufpasste und versuchte dessen Bedeutung zu ergründen. Ähnlichkeiten mit seiner eigenen Sprache, schien es jedoch nicht zu geben, nicht einmal ob der Satzstellung konnte er sich sicher sein.

      Rain hatte das Gefühl schon so viel mehr Worte an Nayantai gerichtet zu haben, als umgekehrt, aber sein Gast holte ein wenig auf. Der junge Adelige beobachtete den Wolf ganz genau, als dieser das Geschenk begutachtete, er wollte wissen wie er reagierte. Natürlich bestand auch die Gefahr, dass er ihm da etwas gegeben hatte, das er gar nicht haben wollte, etwas das ihn aufbrachte, oder gar verletzte, aber Rain hoffte dass der Wolf auch verstand, dass er nun mal keine Ahnung von Nayantais Kultur hatte. Er hatte dieses Schmuckstück einfach nur bekommen, ohne zu wissen, was es darstellte und er hatte bisher auch noch niemanden gefunden, der es ihm erklären konnte.
      Nayantais Reaktion konnte er schwer deuten, er kannte den Mann ja auch kaum und die harten Gesichtszüge, ließen ihn auch jetzt noch grimmig aussehen, selbst als er sich ehrlich bedankt hatte, war es so gewesen.
      Das Einzige das Rain verstehen konnte, war der Laut der Verwunderung, den er gleich deutete wie jenen, den sie selbst nutzten. Aber die Verwunderung konnte viele Gründe haben, vielleicht fragte der Wolf sich, wie dieses Ding in Rains Besitz gekommen war, vielleicht erkannte er es als seines, oder es gab eine andere Erklärung.
      Auch den Fragelaut am Ende des letzten Satzes den Nayantai sprach, verstand er einigermaßen, er konnte aber nicht deuten auf was die Frage abzielte. Er lächelte also nur und kennzeichnete sein Unverständnis mit einem Schulterzucken.
      "Was mache ich nun mit dir? Ich würde dir gerne die Freiheit lassen selbst zu entscheiden, aber du kannst mir ja schwer mitteilen, was du möchtest. Auch würde ich gern wissen, was das da ist...", er deutete auf das Geschenk, das er Nayantai gemacht hatte, "...aber auch das muss wohl noch etwas warten."
    • Was genau er hier vermisste, würde er wohl auch nicht wiederbekommen, wenn er sich dem Schutt und der Asche besah, die allesamt von seiner ehemaligen Heimat zurückgeblieben waren, wobei es nicht einmal das wäre. Fetzen, die im Winde verweht wurden und die Asche der niedergebrannten Menschen, die nichts dafür konnten, dass man sie als Wölfe abstempelte - als Bestien, deren einziges Ziel es sein sollte, ihre Fänge in dem Fleisch der unschuldigen zu vergraben und sie zu schütteln, bis sie sich nicht mehr rührten - bis sie ihr Leben ließen und ihr Fleisch für andere Dinge missbraucht wurde. Erneut überkam Nayantai ein Husten, das ebenfalls in seiner Armbeuge verschwand, kaum hob er diese an. Fliehen stand nicht zur Debatte, gleich wenig wie er Rain einfach etwas antun konnte - aber was sollte er dann tun, um sich selbst dabei zu helfen, hier nicht zu versauern? Hoffen, dass es sich um einen kurzen Winter handelte und bei der erstbesten Gelegenheit, die sich bot, während der Nacht einfach verschwinden? Einen Sprung aus diesem Fenster sollte er auf alle Fälle überleben können und doch war es ungewiss, was er danach tat. Rannte er in die falsche Richtung, entfernte er sich immer mehr von seinem Ziel - und schlug er den richtigen Weg ein, würde er wahrscheinlich wieder zur Zielscheibe des Kaisers werden, sobald dieser sah, dass er doch noch am Leben war. So viele Dinge, die es zu verstehen galt - die er nicht verstehen konnte, oder gar wollte, so wie diese Sprache oder aber, wohin mit ihm selbst. Eine Antwort brauchte nicht mehr als Zeit.

      Wie genau erklärte man also Jemandem, der von den Sitten seines Volkes keine Ahnung hatte, wofür ein Talisman dieser Art genutzt wurde? Nayantai kam eine Idee unter, die sich durchaus abwegig anfühlte - er wusste nicht, wie alt dieser Talisman war, oder wem er einst geschenkt wurde, aber aufgrund der ausgeschlagenen Ecken und Kerben an diversen Stellen und der verblassten, abgeblätterten Farbe sowie dem kaum noch erkenntlichen Muster auf dem Holz selbst, konnte man einiges daraus lesen. Zu viel vielleicht. "Wie bringe ich dich wohl dazu, auch nur einen Funken dieser Sprache zu verstehen?" Vermutlich gab es keine Bücher, die dabei helfen konnten, wie man Nayantais "Gebrabbel" übersetzte, geschweige denn gab es in der Nähe einen willigen Menschen, der sich die Mühe machte, das Gejaule eines Wolfes für feine Ohren wiederzugeben. Nayantai lockerte seinen angespannten Gesichtsausdruck etwas auf, bevor er schluckte und Rain ansah - sein Finger deutete auf den Talisman, seine Sätze klangen mehr wie Fragen, die der Schwarzhaarige nicht verstand, also versuchte er, es ihm zu deuten. "Also", fing er an, in der Hoffnung, dass seine Erklärung wenigstens irgendwie Sinn machen würde. Selbst deutete Nayantai nun auf den Talisman, bevor er seinen Zeigefinger leicht auf Rains linke Brust drückte, dort, wo sein Herz war. "Sagen wir, der Talisman gehört dir - du hast ihn für mich geschnitzt, dann", sein Zeigefinger wanderte von Rains Brust zu der seinen, dann wieder zurück zu Rain, und danach wieder zu seiner eigenen - von einem Herzen, zum anderen, bevor er kurz darauf auf den Talisman deutete. "In diesem Fall würdest du ihn mir schenken, wenn du mich liebst. Deswegen ist er rot - oder war rot." Um noch eher zu demonstrieren, was Nayantai meinte, knöpfte er einige Knöpfe an seinem Hemd auf, bevor er sich das Band um den Hals legte und es hinten, an seinem Nacken, zuband, so dass es sich an seinen Hals schmiegte und lediglich der Talisman selbst von dem Stück Stoff baumelte.
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    • Ob des Hustens sah Rain Nayatai aus zweierlei Gründen besorgt an. Zum einen wusste er natürlich, dass es Nayantai nach der harten Reise von der Hauptstadt bis hier her, zu Fuß und ohne vernünftige Kleidung gar nicht gut gehen konnte. Zum anderen machte er sich um sich selbst Sorgen, oder vielmehr darum, wie hartnäckig Eraqus sein konnte, wenn es um Rains Gesundheit ging. Er konnte sich leicht bei anderen anstecken und selbst wenn es nur so war, dass der Wolf die Krankheit nur wegschlafen musste, so konnte Rain daran sterben. Heute morgen schon musste der Fremde gar nicht erst gehustet haben, damit Eraqus Rain darauf aufmerksam machte, das er gar nichts gegen den Wolf hätte, aber dass er in einem Kerker gewesen und vermutlich viele Krankheiten mit her geschleppt hatte. Und dann gab es noch die Krankheiten, die es in ihrer eigenen Kultur gar nicht gab und wogegen auch ein Arzt ratlos wäre. Aber Rain hatte schon lange genug davon, sich um alles zu sorgen, was ihn ganz einfach töten konnte und so saß er nun mit dem Fremden in einem Raum, hatte ihn sogar berührt.

      Rain beobachtete Nayantai, als dieser nun anfing zu sprechen und zu deuten, damit Rain verstehen konnte, was er sagte. Der Blonde Mann vermutete, dass er seine Frage verstanden hatte, irgendwie, und dass er ihm nun erklären wollte, was dieses Schmuckstück bedeutete. Sanft berührte Nayantai Rains Brust, bevor er seine eigene berührte, dann wiederholte er das Schauspiel. Rain war ein wenig verwirrt, verstand nicht sofort. Ein Schmuckstück war der Talisman alle mal, so viel stand fest, als Nayantai sich das Geschenk um den Hals legte, aber was es bedeutete wusste Rain nicht so recht. Er vermutete, dass es eine besondere Bedeutung für den Schenker und Beschenkten hatte. Zusammenhalt, Familie... Liebe vielleicht? Um sicher zu gehen, streckte er nun seine eigene Hand erneut aus und griff nach der des Wolfes. Er verschränkte ihre Finger miteinander und richtete einen fragenden Blick an den dunkelhaarigen Mann. Dabei kam er nicht umhin zu bemerken, wie rau und rissig seine Haut war und wie groß, im vergleich zu Rains, seine Hände doch waren. Er war bestimmt ein ausgezeichneter Krieger gewesen, ganz anders als der dürre blonde Mann, der manchmal womöglich zu sehr behütet wurde.
    • Die Wölfe waren ein sonderbares Volk, die sich um die Kranken der anderen Völker kümmerten, wenn sie Zeit dazu fanden - versorgten sie, mit den nötigen Dingen, nur, um ihr eigenes Immunsystem zu stärken und sich selbst im Vorteil zu sehen, nachdem sie sich einer Krankheit aussetzten. Dafür waren sie jedoch gut darin, allerhand Heilmittel zu brauen oder Salben herzustellen, sowie medizinisches Wissen ihrer Ahnen zu deuten, das sie über Jahrhunderte hinweg ansammelten. Dennoch hieß das nicht, dass die Wölfe nicht selbst von Krankheiten betroffen waren, oder von ihnen zerfressen wurden, wenn sie einmal nichts parat hatten, das ihnen aus ihrer Misere half. Manche Heilmittel waren veraltet, diverse Krankheiten beinahe schon wie eine Tortur und sie alle glaubten an ihre Götter, aber noch viel mehr an ihr Schicksal, das man ihnen in die Wiege legte, so wie die weisen Worte, mit denen sie blindlings durch das Leben taumelten, wenn sie es nicht schafften, ihre müden Augen länger offen zu halten, als erwartet. Jeder Wolf hatte seine Aufgabe, nicht jeder von ihnen war gleich begabt, und doch gab es viel, das diese Gesellschaft - das Rain's Sippe - nicht als Allgemeinwissen bezeichnen würden, das jeder Wolf mit sich durch das Leben schleppte, bevor er qualvoll verendete oder es an seine Kinder weiterreichen konnte.

      Beinahe schon verräterisch taumelte der Talisman nun von seinem Hals - auch, wenn er nicht zu eng war, fühlte es sich dennoch so an, als würde er etwas tragen, als würde er Ballast aufnehmen, der nicht ihm gehörte. Vorerst, so nahm Nayantai es sich vor, würde er ihn allerdings weiterhin tragen, zumindest für diesen Augenblick, damit sein Gegenüber trotz der Barriere, die sich zwischen den beiden befand - die Kluft, die sich auftat - verstand, was er von ihm wollte. Noch immer war Rain, der um so vieles bleicher und zerbrechlicher wirkte als er - als ein gezeichneter Mann - es, der die Führung anzugeben schien, der versuchen wollte zu verstehen, als er die rauen Hände Nayantai's ergriff, die Finger der beiden sich verzweigten und er den Griff mit relativ wenig Druck erwiderte. "Ja", war die stumpfe Antwort auf die nicht gestellte Frage des Blonden. Seine freie Hand nahm Nayantai schlussendlich, um ein neues Dreieck zu ziehen - von Rain's Herzen, zum Talisman, zu seinem eigenen - aber anstatt auf einen nicht existierenden Talisman zu zeigen, der um Rains Hals baumeln sollte, deutete er auf dessen Herz und lehnte sich ein kleines Stück nach vorne, dennoch weit genug, um einen gewissen Abstand zu haben. "Aber alles andere wäre zu kompliziert", seufzte er. Natürlich gab es noch genug, das er über all das hier erzählen konnte - aber wem, wenn keiner diese Sprache sprach?
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    • Rain ließ von Nayatais Fingern ab, lehnte sich wieder etwas zurück, gleichzeitig verließ ein herzhaftes Lachen seine Kehle. Das Geräusch überraschte ihn selbst, er hatte es so lange nicht mehr gehört, gab es ja auch keinen Grund für ihn zu lachen. Nur heute, ja da hatte er einen, denn er hatte das Gefühl, dass er dem Wolf mit diesem Geschenk eine Art Heiratsantrag gemacht hatte. Die Art wie der Fremde ihre Herzen und den Talisman symbolisch verbunden hatte, ließen ihn jedenfalls zu diesem Schluss kommen, dabei hatte er sowas ja gar nicht vor gehabt. Zumindest hatte er ihm nicht etwas Gegenteiliges geschenkt, das ihn gekränkt, oder gar verärgert hätte. Nun war es wohl eine Liebesbekundung, die Rain nicht verstand und Nayantai bestimmt auch nicht allzu ernst nahm.
      "Tut mir Leid, das wusste ich nicht.", sagte er schließlich und schüttelte immer noch lächelnd den Kopf.

      Nun hatte er erfahren, was er erfahren wollte und es war auch gar nicht so schwer wie er gedacht hatte, sich mit dem Wolf zu unterhalten, ganz ohne Worte. Wenn sie nur beide ein wenig motiviert waren, so würden sie einander sicher bald besser verstehen.
      Zuerst aber machte Rain sich immer noch Sorgen um seinen Gast, der so unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt gewesen war. Er klopfte sich also auf die Brust, simulierte ein Husten und deutete dann auf den Wolf.
      "Ich hoffe du wirst nicht krank? Ich werde einen Arzt nach dir sehen lassen."
      Besagter Arzt würde es aber nicht leicht haben, wenn er die Beschwerden nicht kannte und Rain hielt es für eine bessere Idee, selbst heraus zu finden, was Nayantai fehlte und es dem Arzt dann zu berichten.
      Er deutete auf seinen Kopf, strich langsam über seinen Hals und klopfte auf seine Brust, atmete dabei tief ein - was in Rains Fall nicht sehr tief war, bevor er nicht selbst zu Husten anfangen musste - , danach rieb er sich über beide Arme, als wäre ihm kalt, es folgte ein weiterer fragender Blick und er konnte nur hoffen, der Wolf verstand was Rain wissen wollte.
    • Wer glaubte auch schon, dass man jemandem unabsichtlich einen Heiratsantrag machen konnte? Keiner, aber in diesem Fall hatte es sich bestätigt - gab es eine Kluft, die ausgefüllt werden musste, dann diente auch ein schlechter Heiratsantrag als wundervolle Alternative um sie beide dazu bekommen, diese Kluft zu überwinden und zu versuchen, herauszufinden, wo der Hund - oder der Wolf, in diesem Fall - begraben lag. Schwierigere Worte, als was auch immer das hier geworden war, würden dennoch folgen - es würde einen Zeitpunkt geben, an dem sie beide lernen musste, wie man die Worte des jeweils Anderen verstand, oder dieselbe Sprache sprach, ansonsten würden sie sich an irgendeinem Punkt dort wiederfinden, wo keiner sein wollte: In einer Sackgasse, die nur aus Missverständnissen bestand, die es gar nicht gegeben hätte, wenn man sich angestrengt hätte, zu lernen und die Gefühlswelt des befremdlichen Gegenübers zu verstehen. Das Lachen Rains, beispielsweise, könnte vieles bedeuten - und doch wusste Nayantai, dass es in diesem Fall nicht viel sein konnte, höchstens, dass er diesen "Spaß" endlich verstanden hatte und es selbst als nicht so eng ansah. Viel lieber hätte Nayantai jedoch verstanden, welche Worte über seine Lippen huschten, anstatt erraten zu müssen, was genau gemeint war. Entschuldige er sich? Es sah beinahe so aus. Verlegen rieb er sich über den Hinterkopf, suchte nach passenden Worten und fand sie - in der falschen Sprache. "Fehler passieren - wenn du möchtest, kann ich dir den Talisman zurückgeben ... wobei", für eine Sekunde lang dachte Nayantai nach bevor er wieder um den Talisman deutete, der ihm um den Hals hing und das Wort wiederum einmal langsam und dann schnell aussprach, bevor er auf Rain deutete, als wolle er wissen, wie er dieses Ding nannte.

      Schweigen erfüllten den Raum gleich - es war für den Moment still, auch, wenn ein erneutes Husten seinerseits diese Stille durchbrach und Rain wohl nicht lange auf sich warten ließ, wollte er doch etwas über ihn in Erfahrung bringen - oder seinen Zustand, wie es aussah. Die Luft in diesem Gebäude war anders, als die Luft in den Kerkern oder gar draußen. Warm, wenig zirkuliert - etwas trocken, aber dennoch wohlig warm und auszuhalten, zumindest dachte Nayantai so. Genau beobachtete er den fahlen, jungen Mann dabei, was er tat, musterte ihn weniger fragend als zuvor und tat es ihm schlussendlich gleich - er holte tief Luft, klopfte sich auf die Brust und er hustete. Momentan brannte es allerdings noch nicht in seiner Lunge, sondern war oberflächlich. Seinen Handrücken legte er auf seine Stirn, die noch immer nicht wirkte, als würde sie glühen, weswegen er den Kopf schüttelte und ein einfaches "Nein" von sich gab, sich allerdings die Schläfen rieb und die Lippen zu einem "Ja" formte. Schlussendlich bei seinen Armen angekommen - Nayantai glaubte, man frage ihn, ob er noch immer fror - verneinte er mit einem Kopfschütteln. "Mir geht es soweit gut, es scheint nur oberflächlich zu sein ... abgesehen von meinen Kopfschmerzen."
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    • Erneut sprach der Wolf in dieser unverständlichen Sprache, nicht einmal einen Wortfetzen konnte Rain deuten, aber er schien etwas zu überlegen. Wollte er wissen, wie dieses Ding in Rains Sprache genannt wurde? Nun das war schwierig. "Talisman.", sagte er, aber konnte die Worte nicht so stehen lassen, seufzte, weil Nayantai ihn ohnehin nicht verstand. "Passt wohl, aber in meiner Sprache gibt es oft mehr als ein Wort, das dies selbe Sache beschreiben kann, aber das würde dich nur verwirren." Er lächelte erneut, ob es in der Sprache der Wölfe ähnlich war? In diesem speziellen Fall, war Rain sich nicht einmal sicher, ob das Wort, das Nayantai zuvor in seiner Sprache ausgesprochen hatte, um das Schmuckstück zu beschreiben, ein spezielles Wort für dieses Ding war, so wie ein Verlobungsring, zwar ein Ring war, aber auch ein extra Wort besaß, dass ihn als besonders kennzeichnete.

      Zumindest schien der Wolf verstanden zu haben, was Rain ihn zu seinem Zustand fragen wollte. Er verstand es so, dass Nayantai einen leichten Husten hatte, sowie Kopfschmerzen. Der blonde Mann hob einen Zeigefinger, während er die Worte "Einen Moment" aussprach und anschließend hob er beide Hände, um seinem Gast zu bedeuten, dass er sitzen bleiben sollte. Rain selbst stand auf, ging zu der offenen Tür und ließ nach seinem Arzt schicken, der nicht lange brauchte, bis er hier ankam. Rain teilte ihm mit was er heraus gefunden hatte und der bebrillte Mann schritt anschließend zusammen mit Rain in den Raum hinein.
      "Er ist ein Arzt. Er wird dich untersuchen, wenn das okay ist?" Rain stellte mit Absicht eine Frage an das Ende des Satzes, obwohl er keine Frage gebildet hatte, gleichzeitig legte er die Hand auf die Schulter des Mannes neben sich, um klar zu machen, dass er gerade über ihn sprach. Der ältere Herr mit Brille jedoch, ebenso wie die Bediensteten und Soldaten, brachten weitaus weniger Sympathie für den Wolf auf und dies spiegelte sich in deren Gesichtern wider. Rain war wohl der einzige Grund, warum dem Wolf noch nichts passiert war und zumindest mussten die Bediensteten anerkennen, dass sie dank ihm mal wieder ein Lachen ihres Herren vernommen hatten, der das letzte Jahr so niedergeschlagen gewesen war.
    • Verbrachte man sein Leben damit, sich beinahe nur in der Natur aufzuhalten, in dieser zu leben und von dieser zu leben, dann war es eine Umstellung, auch schon einen Fuß in ein Haus zu setzen, das jedem Wetter trotzte und so viel größer war, als ein einfaches Zelt es jemals sein könnte. Natürlich hieß das auch, dass die Menschen, die sich hier niederließen anscheinend kein Fernweh verspürten, oder sich um ihr Leben fürchten mussten, wenn sie sich zu lange auf einem Fleck niederließen – ganz anders, als die Wölfe, die sich damit zufriedengeben mussten, dass sie nun ihre Wunden leckten und hofften, sie würden einander eines Tages wieder aus dem Augenwinkel erhaschen und sich stillschweigend ein Zeichen geben, dass sie sich noch in ihrer Existenz bestätigt fühlten. Leicht war es dennoch für keinen von ihnen, Nayantai hatte zu viel erlebt, um sich von aktuellen Ereignissen unterkriegen zu lassen- und doch wusste er, dass er vorerst hier festsaß, mit Menschen, die giftige Blicke auf ihn richteten und mit Rain, den er nicht verstand. Jemand, der so ganz ohne Furcht vor ihm oder seinem Volk zu leben schien, stattdessen streckte er die Hand nach ihm aus – metaphorisch, natürlich – und war noch kein einziges Mal gebissen worden. War Nayantai verweichlicht? Oder versuchte er, den letzten Funken Anerkennung, der seinem Volk noch galt, aufrechtzuerhalten? Was auch immer es war, es hielt ihn davon ab, sich so zu verhalten, wie man es ihnen allen erzählte – und bewegte ihn dazu, Rain’s Wort – „Talisman“ – zu wiederholen.

      Als wahrhaft interessant empfand er sich selbst nicht, aber das tat er bei keinem und auch jeder, der ihm zu nahe trat, würde wohl oder übel einsehen, dass der grimmige Gesichtsausdruck, den er an den Tag legte, Alltag bedeute – sobald Rain den Fremden mit sich brachte, dessen Funktion er ihm zu verstehen geben wollte, verwandelte sich der aufgelockerte Gesichtsausdruck seinerseits wieder in eben jene Visage, die Rain schon seit gestern zu spüren bekam. Jemand ähnliches war ihm, in seinem bisherigen Leben, erst einmal untergekommen – als er im Kaiserpalast einzog und untersucht wurde, bevor man ihn aus dem Kerker holte, damit er den Kaiser wohl oder übel nicht ansteckte, mit was auch immer er mit sich herumschleppen könnte. „Sehen alle eure Mediziner so aus?“, erkundigte er sich, wohlwissend, dass die Frage unbeantwortet bleiben würde. In dieser Welt, der Welt der Schafe, wie man sie wohl oder übel taufen konnte, war so vieles anders. Worte seiner Sippe waren hier belanglos – alles, das wirklich wichtig war, war nun einmal, dass er sich mit ihnen irgendwie verständigen konnte und nicht in eine Falle lief, die ihm schmerzhafter Weise dann doch noch das Herz aus der Brust rammte. „Wenn du meinst, dass er mich nicht sofort umbringt, dann werde ich ihm vertrauen … vorerst“, brummte Nayantai, der auf dem Sessel sitzen blieb – Handzeichen verstand er, und um Rain verstehen zu lassen, dass er damit einverstanden war, nickte er lediglich, während der unzufriedene Blick dennoch auf den Arzt fiel.
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    • Erst jetzt wo der Wolf den selben Blick wie zuvor annahm, um den Arzt misstrauisch zu betrachten, fiel Rain der Unterschied in seinen Zügen auf. Er hatte sich ihm wohl geöffnet, seine Einstellung ein wenig geändert, oder zumindest spielte er Rain das vor, womöglich um weiter gut behandelt zu werden. Rain wollte an Letzteres nicht glauben und hoffte einfach, der Wolf wusste seine Gastfreundschaft zu schätzen, auch wenn die Umstände alles andere als rosig waren.
      Nayantai stellte erneut eine Frage auf die Rain nur mit den Schultern zucken konnte, weil er sie schlicht und einfach nicht verstand. Dennoch nickte der Wolf und gab das Zeichen, dass der Arzt ihn untersuchen durfte. Er prüfte auf Fieber, ließ ihn tief ein und aus atmen und hörte sich Rains Bericht an. Viel konnte er nicht für den geschundenen Mann tun, sagte er müsse viel trinken und viel schlafen und gab Rain noch etwas Schlafmohn gegen die Kopfschmerzen und um Nayantai zu helfen, leichter schlafen zu können in die Hand. Anschließend verabschiedete er sich wieder, mit einer strengen Mahnung für Rain, sich nicht anzustecken und ihm besser fern zu bleiben, bis er genesen war, wohl wissend jedoch, dass er dem jungen Herr nichts zu befehlen hatte.

      Rain setzte sich wieder, um nicht von oben auf seinen Gast herab blicken zu müssen, als der Arzt zur Tür hinaus gegangen war. Er reichte nun Nayantai die Mohnzubereitung in flüssiger Form und begann zu versuchen ihm zu erklären was es war. "Das hilft dir beim Schlafen und gegen die Kopfschmerzen.", erklärte er in der Sprache die für den Wolf völlig unverständlich war. Deshalb untermalte er seine Erklärung indem er auf das Bett deutete und auf seine Schläfe tippte, während er das jeweils passende Wort sagte. "Wenn du nicht schlafen kannst, dann kannst du es damit versuchen." Er war nicht sicher wie genau er erklären sollte, dass dies ein mittel war, dass er nur zur Hilfe nehmen brauchte, wenn er anders nicht einschlafen konnte. Er entschloss sich, es Nayantai wieder aus der Hand zu nehmen, stand auf und stellte die Flüssigkeit neben dem Bett ab. Anschließend klopfte er auf den Polster und hoffte der Wolf verstand.
      "Du solltest dich ohnehin etwas ausruhen, aber zuvor solltest du vielleicht noch etwas in den Magen bekommen. Du hast seit gestern Abend noch nichts gegessen.", stellte der blonde Mann anschließend fest, kam zurück zu dem Sessel in dem Nayantai saß und deutete fragend auf das Essen. "Ich würde dir gerne bringen lassen was du kennst, aber ich weiß leider nicht wie ich herausfinden könnte, was das ist."
    • Ärzte, Medizinmänner, oder was auch immer sie waren – sie alle führten eine Tätigkeit aus, die ein anderer nicht konnte, die so astronomisch weit weg war, während sie sich wiederum nicht vorstellen konnten, wie das Leben eines einfachen Jägers war, der oft genug Stunden seines Tages damit verbrachte, in irgendeinem Gebüsch auszuharren, nur um eine Chance zu bekommen, irgendein Vieh zu erlegen. Sich bei diversen Leiden einem Mediziner anzuvertrauen war den Wölfen auch nicht unbekannt, allerdings war es in diesem Fall gar nicht so, dass er diesen Arzt freiwillig aufsuchte, sondern mehr oder minder dazu genötigt wurde, weil er sich nicht in der besten Verfassung befand. Auch eine Erkältung war nun einmal etwas, das man erstnehmen sollte – selbst dann, wenn man nicht hinter Schloss und Riegel geschoben wurde. Nayantai dachte momentan viel zu viel an Dinge, die ohnehin nur verkorkste „Was wäre wenn“-Szenarien symbolisierten, oder gar auf Situationen anspielten, die er sowieso nicht mehr verändern konnte, weil sie schon geschehen waren und weil sich das Schicksal nun einmal mehr nicht verändern ließ. Wohin also mit den übergehenden Gedanken, die sich nachts in seinen Träumen manifestierten? Runterschlucken konnte man alles, insofern man wusste, wie man schlussendlich damit umzugehen hatte, wenn man von Gefühlen übermannt wurde, die einem leise in der Kehle hochkrochen.

      Der Arzt kam, sprach unverständliche Sätze aus, die Rain wohl verstand, und zog sich dann wieder zurück – Nayantais durchaus angespannte Haltung sackte wieder etwas in sich zusammen, sein Gesichtsausdruck wurde weicher. Wie ein wildes, verwaistes Tier verhielt er sich definitiv – schreckhaft, angriffslustig und angespannt – vielleicht sogar gestresst. Kalter Wind verwehte vor dem Fenster den Schnee und mit sich all die Spuren, die der Wolf hinterlassen hatte, die noch unter einer dicken Schneeschicht zurückgeblieben wären. Lediglich uninteressiert lauschte er dieses Mal den Worten von Rain, als er sich auf das Fenster fixierte, das ihm eine unbekannte Landschaft zeigte, welche von üppig verteiltem Schnee bedeckt wurde. Wüsste er es nicht besser, dann verspürte er momentan den Drang, sich einfach in diesen zu stürzen, den frischen Schnee für einen Moment auf seiner Hand zu spüren, bevor er für sich selbst entscheiden musste, womit er seinen Tag verbringen konnte. Hier war er jedoch an die Willkür Rain’s und die Sitten und Bräuche seiner Welt gefesselt – und diesen Raum, der wohl vorerst sein Zuhause darstellen sollte. Nayantai war nicht danach, sich auszuruhen und zu hoffen, dass seine Erkältung sich eindämmen ließ – er wollte nach draußen, wenn auch nur für einen Moment. Aus seinen Gedanken gerissen, sah er zu der Flüssigkeit, die Rain auf seinen Nachttisch stellte – die Zeichen, die man ihm gab, waren nicht eindeutig, aber zumindest ein kleines bisschen verständlich.

      Mit einem Nicken bejahte er Rain’s Versuch, ihn zum Verstehen zu bringen – und ließ nicht lange auf sich warten, bevor er aufstand und gen Fenster zeigte. „Ich langweile mich“, seufzte Nayantai. Rain’s Worte, die sich auf „Essen“ bezogen – erneut ein Wort, das er bereits kannte – waren dennoch leer. Ohne wirklich auf diese Worte zu achten, vielleicht verstand er den Kontext auch falsch, nahm er sich eine Scheibe Brot, belegte sie mit Wurst und Käse und begann, zu essen. Kaum hatte er den ersten Bissen geschluckt, sah er wieder zu Rain auf. „Euer Essen schmeckt passabel, aber irgendwie würde ich wohl gern etwas aus meiner Heimat essen … wobei ich dann wohl wieder als wildes Tier abgestempelt werden würde.“
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    • Rain hatte das Gefühl er hatte ihr Gespräch mit der kurzen Untersuchung des Arztes zu sehr unterbrochen und als ob Nayantai das Interesse verloren hatte zuzuhören. Vielleicht mochte er es auch nicht, wenn man sich um ihn kümmern wollte, oder die Erklärung zu der Medizin war so unverständlich, dass er nichts damit anfangen konnte. Auch wenn der Wolf nickte, schien er gerade an andere Dinge zu denken und deutete kurz darauf nach draußen in den Schnee. Immerhin nahm der Wolf sich aber etwas zu Essen, aber auch das ließ ihn wohl unzufrieden zurück, ging man nach dem Ton, den er für den folgenden Satz nutzte.

      "Hm... Ich schätze der Prinz der Wölfe verbringt seine Zeit nicht gerne in einem Steinhaus, sondern lieber in Freiheit.", murmelte der blonde Adelige und sah ebenfalls aus dem Fenster. Wenn Nayantai nur wüsste, wie gut Rain ihn verstehen konnte, immerhin war er nicht erst einen Tag in diesem Anwesen eingesperrt, sondern seit seiner Geburt. Jeden Tag blickte er aus seinem Fenster und fragte sich was dort draußen alles war. Noch nie hatte er das Gras, das im Sommer auch hier durchaus zum Vorschein kam, unter seinen Zehen fühlen können, oder die Sonne direkt auf seiner Haut und noch nie hatte er über die sanfte hügelige Landschaft bis zur Stadt wandern können. Sein gesamter Körper zeugte davon, wenn man wusste, worauf man zu achten hatte. Seine Haut war fast so weiß wie der Schnee draußen, seine Hände weich, hatten sie doch noch nie körperliche Arbeit verrichten müssen. Ganz anders als die seines Gastes, die groß und rau waren und wohl schon so ausgesehen hatten, bevor er Rains Volk ins Netz gegangen war. Doch vermutlich war es für den Wolf schlimmer nicht nach draußen zu können, denn immerhin wusste er, was er verpasste und vermisste, was er immer gewohnt gewesen war.

      "Ich würde dich gerne nach draußen lassen, aber ich glaube du solltest dich erst einmal erholen. Abgesehen davon habe ich ehrliche Angst davor, dass du versuchst dich zu deiner Heimat durchzuschlagen. Und das sage ich nur, weil ich weiß, dass du dir im Winter den Tod holen würdest, würdest du es versuchen, selbst wenn niemand dir auf den Fersen ist." Rains Blick wandelte sich in einen entschuldigenden, der ausdrückte, dass er den Wunsch des Wolfes verstanden hatte, ihn aber nicht erfüllen konnte. Es gab auch vermutlich nichts, was den Wolf aufmuntern würde, immerhin war er kein Kind, das man mit einem Spiel einfach von seinen Wünschen ablenken konnte.
    • Worüber konnte man froh sein, wenn schon nicht darüber, dass man wahrlich frei war? Über die Erkenntnis, dass er die nächste Nacht und die Nacht nach dieser überleben würde und dass ihm keinerlei Gefahr mehr bevorstand, insofern er sich integrierte und versuchte, Rain zu gefallen, damit er dessen weiches Herz mit der kleinsten Bewegung zu Brei verarbeiten konnte? Oder war es ausgerechnet das, das zu nichts führen würde und schlussendlich dazu führte, dass man ihm einen Strick um den Hals band und ihn entweder von diesem baumeln ließ, oder aber ihn damit herumführte? Was es auch war, viel lieber vergrub er seinen Frust in dem Brot, das man ihm zur Verfügung stellte - vermutlich auch deswegen, weil er sich stärken sollte um bei Kräften zu bleiben, um das, was einst war, wieder aufbauen zu können und nicht aufgrund etwaiger Depressionen, die der Winter mit sich schleppen konnte, an das Bett gefesselt zu werden, so wie es wohl für den zierlichen Adeligen sein musste, der so aussah, als würde ein starker Windstoß genügen um ihn von seinen Beinen zu fegen. "Wolf, huh ..." Dennoch galt seine Aufmerksamkeit wieder ganz ihm, kaum fand er sich damit ab, dass was auch immer die Worte, die aus seinem Mund quollen, bedeuteten, ein Nein war - aber nicht auf eine strikte Art und Weise, sondern eher komplizierter und verwobener, so dass Nayantai nicht wahrhaft verstand, was von sich gegeben wurde. "Gefällt es dir in diesem Steinhaus?", fragte er. Um seine Frage verständlicher zu machen, deutete er zuerst auf Rain, dann zog er mit seinem Zeigefinger einen Kreis und legte den Kopf schief. Mimik und Gestik würden in ihren Gesprächen wohl noch weiterhin wichtig bleiben.

      Nach einem Brot folgte das Nächste - tatsächlich grummelte der Magen des Wolfes, gab etwas von sich, das sie beide ohne Worte verstanden: Er war durchaus hungrig. Die Müdigkeit hatte ihn gestern fast übermannt, da hatte er keinerlei Anstalten gemacht, über irgendetwas herzufallen, das ihn bei Kräften gehalten hätte. Vielleicht wäre es einfacher, sich etwas aus seiner Heimat zu kochen, wenn er sich mit der hier heimischen Tier und Pflanzenwelt vertraut machte? Aber auch das würde bedeuten, dass er dieses Haus verlassen musste - und auf einmal fühlte er sich ohne jedwede Leinen, Ketten oder verschlossene Türen so, als hätte man ihn weggesperrt. Sagen, er würde Rains Worte missachten, könnte er immer - nur würde ihn keiner verstehen und man würde ihn davon abhalten, diesen Raum - oder vielleicht eher dieses Haus - zu verlassen. "Verbringst du die meiste Zeit hier? Würdest du denn nicht lieber frische Luft atmen? Oder hast du kein Fernweh?" Das hier musste die Heimat des Blonden sein, und doch fiel es Nayantai schwer, zu verstehen, wer nicht den Drang danach besaß, gen Horizont zu verschwinden und die Welt da draußen zu erkunden - wer ließ sich in Steinhäusern, in prunkvollen Palästen, nieder, nur um niemals mehr den Ort zu verlassen, an dem man war? Nayantai fand die Schafe merkwürdig. "Danke", sprach er noch, als er das zweite Brot gegessen hatte. Viel mehr, als dem Schnee beim fallen zusehen konnte er nicht, weswegen er es selbst in die Hand nahm, sich zu beschäftigen. "Rain ... hm. Wieso ist eure Sprache auch so verdammt schwer? Ach, vergiss es", tatsächlich wollte er aufgeben, klang etwas aufgelöst, bevor er den Kopf schüttelte und tief durchatmete. "Wolf ... Wolf." Wenn man ihn schon beleidigte, dann sollte man es gefälligst in seiner eigenen Sprache tun.
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    • "Du wirkst unruhig.", stellte Rain in seiner Sprache fest und wusste, dass der Wolf nur wieder verwirrt sein würde. Vielleicht war er ja auch frustriert, weil er Rain nicht sagen konnte, was er wollte, was er brauchte, oder weil er ihn nicht fragen konnte was das hier sollte, ob er wieder hier weg konnte. Vielleicht hoffte er von Rain zu erfahren, was er über das Volk des Wolfes wusste, oder wollte ihm einfach nur sagen, dass sein Brot ihm nicht schmeckte. Es war vielleicht nicht richtig anzunehmen, dass der Wolf sich womöglich über mehr Fleisch gefreut hatte, aber was anderes als die Geschichten und Titel die seinem Volk zu geschrieben wurden, sollte Rain als Anhaltspunkt nehmen? Am Abend würde er etwas anderes zu Essen bekommen, das ihm vielleicht mehr schmeckte.

      Erneut stellte Nayantai eine Frage, deutete auf ihre Umgebung und sein Blick ließ vermuten, dass er ein wenig skeptisch war und kein Ja als Antwort erwartete. "Das Anwesen?", fragte Rain und blickte sich um, als wäre ihm zuvor nicht aufgefallen wo er war, als kenne ihr das hier alles nicht schon in und auswendig. Der Wolf konnte viele Fragen gestellt haben, ob das Anwesen Rain gehörte, ob er gerne hier war, vielleicht wie groß es war, oder ob Rain immer schon hier gelebt hatte.
      Rain überlegte noch, wie er denn nun antworten sollte, als der Wolf sein zweites Brot nun doch herunter geschlungen hatte, als hätte er ewig nichts gegessen und lächelte nur, als Nayantai sich erneut bedankte. Danach schritt Rain nun selbst zum Fenster und sah fast schon sehnsüchtig hinaus in die weiße Ferne.
      "Wolf...", wiederholte er leise und seufzte. Für ihn war dieses Wort keine Beleidigung, Wölfe waren stolze Tiere, lebten zusammen, halfen einander, überlebten da draußen in einer kalten Welt Winter für Winter. Wenn Nayantai ein Wolf war, was war dann der zerbrechliche Junge, der sein Leben lang nur in diesem Haus verbracht hatte? Weniger als ein Lamm noch, dass draußen herum hüpfen konnte, sich an den wilden Wiesen erfreute... Wäre Rain als irgendjemand oder irgendetwas anderes geboren worden, als der Sohn seines Vaters, dann wäre er längst gestorben. Entweder seine Eltern hätten ihn schon als Kind ausgesetzt und zum Sterben in der Kälte gelassen, weil er zu nichts nutze war, oder wäre er ein Lamm gewesen, dann hätte man ihn einfach zur Schlachtbank geführt, das Fleisch hätten höchstens die Hunde bekommen. Auch als Wolf wäre er zu schwach gewesen, als das Tier und als Mitglied von Nayantais Volk, die Welt schien kein Ort für ihn. Manchmal fragte er sich, warum er hier war, war doch sein einziges Ziel nur, dem Tod immer und immer wieder zu entrinnen.

      Rain wandte sich wieder um, ließ das Fenster in seinem Rücken und sah stattdessen den stolzen Prinz der Wölfe an, der selbst geschlagen und blutend noch stark aussah. "Ich war schon immer hier. Das ist mein zu Hause, ich wurde hier geboren.", erklärte er und deutete auf sich, dann ahmte er die Kreisbewegung des Wolfes nach und deutete schließlich auf die Stelle seiner Brust, unter der sein Herz lag. "Aber ich war noch nie dort draußen, ich kann das Anwesen nicht verlassen, dabei würde ich so gerne sehen, was es außerhalb dieser Mauern noch gibt." Er ließ seine Hand von seinem Herzen zum Fenster gleiten, legte seine Finger sanft auf das Glas und verweilte dort für eine Weile, bevor er dann etwas fester gegen die Scheibe drückte, das kalte Glas brannte auf seiner Handfläche wie Feuer. Er seufzte, nahm seine Hand wieder runter und deutete stattdessen auf den Wolf. "Deswegen möchte ich das du mir erzählst was dort draußen ist." Rain trat einen Schritt auf ihn zu, griff mit einer flinken Bewegung nach der Hand des Wolfes und klammerte sich beinahe schon an diese. "Bis der Winter vorbei ist... kannst du deine Rachepläne sicher zurück stellen, bis dahin können wir uns unterhalten. Wir sehen weiter wenn es taut."
      Kopfschüttelnd trat Rain wieder einen Schritt zurück, ließ Nayantais Hand wieder los und lächelte. "Ich weiß du verstehst kein Wort von dem was ich sage und was mit mir ist kümmert dich vermutlich nicht."
    • Tischte man jemandem die Wahrheit auf, dann sollte man mit offenen Karten spielen - aber wenn man einander nicht verstand, dann half auch das nichts. Erst dann, wenn einer der beiden sich die Zeit nahm, die Sprache des jeweils anderen zu lernen, würden sie einander auf irgendeiner Ebene entgegenkommen können, auch, wenn es noch ein langer Weg bis dorthin sein würde - länger als jedweder Fußmarsch, den man unternahm, um seinen Angreifern zu entkommen, die einem nach dem Leben trachteten und verlangten, dass man eben dieses ablegte und sich ergab - dass man ihre Trophäe wurde, nach der sie so krankhaft suchten. Was auch immer Rain von sich gab, es war beinahe so, als würde er Nayantai lesen können, so, als wäre er ein offenes Buch - und doch war seine Antwort ein "Nein", auch, wenn er nicht einmal verstand, was genau der Satz bedeute, der an ihn gerichtet wurde, es fühlte sich einfach richtig an, ihn zu verneinen. Zumindest einfache Wörter kannte er, Ja und Nein waren immerhin essentiell, und doch war es vielleicht nicht die klügste Entscheidung gewesen, ihm eben jenes beizubringen. Viel lieber jedoch atmete er tief durch, versuchte, die innere Ruhe zu bewahren und jedweden Unmut seinerseits zu verstecken, insofern möglich. Aufmüpfig wirken wollte er nicht und doch war der Prinz der Wölfe ein temperamentvoller Mann, der sich selten etwas sagen ließ und noch seltener auf Befehle hörte - lieber vergnügte er sich damit, wilden Tieren nachzustellen und diese zu jagen, oder in einem Fluss zu stehen und sich mit seinen Brüdern zu messen, wer die meisten Fische fing - aber hier war nichts davon möglich. Nayantai stand auf festem Untergrund, irgendwo im trockenen nirgendwo, und war der Gast eines Schafes, das wohl glaubte, dass alle Wölfe unterwürfig waren. Wenn er wollte, dann könnte er die bleiche Gestalt überwältigen, ihn in seine Einzelteile zerlegen, während er seinen Knochen dabei lauschte, wie sie nacheinander brachen, aber ein Sadist war der Wolf nicht, nein. Niemals würde er einem Schaf etwas antun, das nicht vorher unberechtigter Weise um Hilfe schrie.

      Aufmerksam lauschte er der Erklärung Rains, versuchte, zu verstehen und ahmte dessen Bewegungen nach - aber die seinen waren anders, als wären sie eine Antwort auf eine Frage, die er richtig deutete. "Dein Herz gehört hierher ... aber meines nicht", gab er ihm zu verstehen, als er auf eben dieses Herz in seiner Brust deutete, und dann in die Ferne deutete, über die Schneewogen hinweg an den Horizont, dort, wo nichts war, außer die Asche seiner Heimat und die Geister derjenigen, die zurückgelassen wurden. Wehmütig blickte das Schaf drein, als er selbst die Welt außerhalb dieses Fensters erspähte - als wollte er sich aus dem Anwesen schleichen, nur um die Welt da draußen zu spüren, die ihm verweigert wurde. War das vielleicht der Grund, wieso Rain so zierlich war, so zerbrechlich und bleich? Genau genommen wusste er es nicht, doch die Hände, die noch an der Scheibe lagen, wurden - untermalt mit fremden Worten - zu seiner Hand befördert, an die sie sich klammerten. Sein Griff war vielleicht wie der eines Kindes, nicht stärker und in Nayantai kam ein altbekanntes Gefühl auf - was auch immer es war, er würde dieses Schaf vor sich gerne beschützen. "Du musst deine Zeit also hier fristen ... wie jämmerlich", brachte er es über die Lippen, da ließ man auch schon wieder von ihm ab. Die Sprache der Schafe hatte ihm noch nie gelegen und er wollte nicht wirklich wissen, wieso sein Vater sie einfach so in sein Leben aufnahm, womöglich weil nicht alle Schafe so waren, wie man sie hinstellte - gleich, wie nicht alle Wölfe so waren, wie man glaubte, dass sie es waren. "Könntest du mich verstehen, dann könnte ich vielleicht helfen - aber das tust du ja nicht", nein. Stattdessen lehnte er sich nach vorne, griff er nach Rains Händen und nahm sie sanft in die eigene, drückte sie leicht und sah ihn an. Die Geste erwiderte er, seine Augen waren auf die des Anderen fixiert - alles, was er sagen könnte, würde nicht verstehen werden, als schweig Nayantai für den Moment, ließ allerdings von den Händen des Anderen nicht ab.
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    • Rain konnte nicht sagen, wie Nayantai darauf reagierte, dass er ihm gerade sein Herz ausgeschüttet hatte. Vermutlich war es besser, dass er ihn nicht verstehen konnte und nicht wusste, was Rain da von sich gegeben hatte. Es war nichts was man einem Fremden anvertraute. Aber vielleicht war es gerade die Tatsache, dass Nayantai nicht verstand, die Rain so offen sein ließ, die ihn über Dinge sprechen ließ, die einen Wolf eigentlich nichts angingen. Vermutlich musste der Wolf denken Rain sei schwach und sein Leben nicht lebenswert, wenn er nicht erleben konnte, was die Welt alles bereit hielt. Andererseits hatte die Welt da draußen für Nayantai lange auch nichts anderes bereit gehalten als Schmerz und Leid. Und dennoch war es seine Heimat, so wie dieses Haus Rains Heimat war und selbst wenn er raus könnte, wollte er vermutlich irgendwann hier hin zurück kehren.
      "Ich weiß, ein Wolf... ein Wolf muss frei sein.", bestätigte er nickend, er verstand was Nayantais Gesten bedeuteten. "Womöglich wirst du es wieder sein.", fügte er leiser an. Rain wusste nur zu gut, dass auch er nicht frei in seinem Handeln war und dass Ohren bekanntlich überall waren. Auch wenn er seinen Bediensteten vertraute, sprach er diese Worte lieber mit Vorsicht aus. "Wie lautet das Wort für 'Frei' in deiner Sprache?", fragte er schließlich und versuchte zu gestikulieren was er meinte.

      Die Worte des Wolfes, trotz der weichen Sprache die er sprach, klangen hart, der Wolf selbst war hart, auch wenn er sich ein wenig geöffnet zu haben schien. Aber Rain erwartete nicht mit ihm so schnell Freundschaft zu schließen, umso überraschter war er, als der Wolf erneut nach seinen Händen griff und sie fast schon sanft in die Seinen nahm. Rain sah nach unten, betrachtete den starken Kontrast, die vernarbte, aufgeschürfte Haut die von Ereignissen zeugte die sowohl weit in der Vergangenheit als auch näher an der Gegenwart lagen und Rains Finger die für einen Mann seines Alters zu dünn waren, die Haut, die noch nie verletzt worden war und so erzählten auch seine Hände eine ganz eigene Geschichte.
      Rain wandte seinen Blick wieder ab, begegnete dem Blick des Wolfes fragend. Er hatte das Gefühl der dunkelhaarige Mann wollte ihn aufmuntern, vielleicht Trost schenken, oder sich entschuldigen, dafür, dass sie einander nicht verstehen konnten. Rain hielt ebenfalls einen Moment inne, dann lächelte er wieder, schüttelte den Kopf und löste seine Hände vorsichtig aus dem Griff des Anderen.
      "Lass uns nicht über solch betrüblichen Dinge sprechen, wo wir uns doch ohnehin kaum verstehen und im Moment auch nichts daran ändern können.", lächelte er beschwichtigend. "Bringe mir lieber ein paar Worte bei, damit wir wirklich miteinander sprechen können. Hier, was ist damit?" Rain deutete auf ein übrig gebliebenes Stück Käse auf dem Tisch. "Wie nennt ihr das?"