[2er RPG] Killer Instinct

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    • John lächelte.
      "So menschlich. So verletzlich", flüsterte er, als Vincent seinen Blick abwandte.
      Er konnte die Gefühle des Polizisten lesen wie ein Kinderbuch. Er beneidete den Polizisten nicht um diese Gefühle. Sowas war in seinen Augen nur hinderlich. Sie bremsten den Verstand und den Tatendrang aus. Sie brachten Zweifel mit sich und Zweifel führten zu Zögern. Zögern war ein Makel, den man sich nicht leisten konnte, wenn man seine Kunst betrieb.
      "Ich könnte dich wieder hübsch machen", raunte John.
      Er lehnte sich gegen Vincents Brust und senkte den Blick auf dessen gesunde Schulter. Sein Finger tanzte über die Stelle, an der die Narbe sein müsste, um die Symmetrie wiederherzustellen. Er würde diese Entscheidung seinem Polizisten überlassen. Immerhin war das keine kleine Angelegenheit. Er würde Vincents Arm für mindestens drei Wochen unbrauchbar machen, von den Schmerzen ganz schweigen. Das letzte, was John tun wollte, war eine Schmerzmittel-Abhängigkeit zu provozieren. Zwar würde er Vincent mit Leichtigkeit wieder davon runter kriegen, aber das war nicht sein Stil. Prostituierte und andere Süchtige hatte er immer erst durch einen Entzug gezwungen, damit sie auch ja alles mitbekamen, aber diese Art der Folter war nicht hübsch. Daran war nichts Schönes zu finden. Es war eher Arbeit als Vergnügen.
      "Aber für den Augenblick kann ich damit leben."
      Er löste sich von Vincent, drehte sich um und griff nach dem Duschgel. Ganz harmlos und normal. Als hätte er eben nicht vorgeschlagen, Vincent schwer zu verletzen.
    • Vincent wusste nicht ob John seine Worte als Kompliment, oder als Beleidigung meinte, vielleicht lag auch keine Wertung darin. Als John sich dann gegen ihn lehnte und seine Finger über Vincents Schulter wandern ließ, konnte er nicht verhindern, dass sein Herz schneller schlug. Er erinnerte sich gut an den Schmerz, sehr gut. In all der Zeit mit John, hatte er wohl sowas wie ein Talent entwickelt sich genau zu merken, wo, was in welcher Intensität gepocht, gestochen oder gebrannt hatte. Vielleicht war es auch eher ein Fluch.
      John hatte Vincent Knochen gebrochen, ihn geschnitten und wortwörtlich Salz in seine Wunden gestreut, aber das war nichts dagegen gewesen, wie er das Messer durch Vincents Schulter gerammt und anschließend durch Fleisch und Muskeln gerissen hatte. Vincent konnte sich sogar noch an das Geräusch erinnern, es war kein schönes Geräusch gewesen. Es war Glück, dass Vincent den Arm überhaupt noch bewegen konnte und John ihn so gut wieder zusammen geflickt hatte. Vincent musste allerdings kein Arzt sein um zu wissen, dass sowas ein zweites Mal auf jeden Fall auffallen würde. Er konnte ja nicht einmal jetzt das Zittern in seiner Hand unterdrücken, dass er seit einigen Tagen hatte und wenn es dieser Psychologin aufgefallen war, dann hatte es Williams bestimmt auch bemerkt. Es war ein denkbar schlechter Zeitpunkt für alles, das irgendwie auffallen konnte und vielleicht gab es niemals einen Guten. John hatte Vincent schließlich gesagt, dass er das hier versuchen wollte und der Gefangene sein wollte, den die Shepherds wollen, auch wenn Vincent ihm das nicht abkaufte. John wusste das auch, das Ganze bedurfte also keiner Antwort.
      Der Killer drehte sich um, um das zu tun, wofür man eigentlich eine Dusche betrat, als wäre gerade nichts passiert. Vincent war es gewohnt und es überraschte ihn nicht mehr. Dennoch fühlte er sich immer noch anders, sobald er mit John in einem Raum war. Es war seltsam, aber er konnte davon nicht genug kriegen und dafür musste John nicht einmal etwas sagen oder tun. Sein Herz pochte und alles fühlte sich komisch dumpf an. Er hatte aufgegeben, das Gefühl beschreiben zu wollen. Stattdessen fiel ihm spontan eine völlig andere Frage ein und es wunderte ihn selbst, dass er sie noch nie zuvor gestellt hatte.
      "John? Was hattest du mit mir geplant, da unten im Keller? Wenn alles nach Plan verlaufen wäre, was hättest du aus mir gemacht? Wie hätte ich ausgesehen?"
    • Die Frage überraschte John. Anfangs, im Gefängnis, hatte er jeden Monat damit gerechnet, aber nach einer Weile hatte er sich damit abgefunden, dass er dieses Bild mitnin sein Grab nehmen würde. Nun huschte ein Lächeln über sein Gesicht, als Vincent es doch wissen wollte
      Er drehte sich zu dem Polizisten um und begann damit, ihn mit dem Duschgel einzuschmieren.
      "Du wärst mein bestes Kunstwerk geworden", erklärte er, "Der gefallene Engel. Den Körper hätte auf zehn eisernen Pfählen aufgespießt etwa drei Meter über sem Boden gehangen. Dabei wären nur sechs tragend gewesen. Jeweils einen hätte ich durch deine Handflächen und Fußsohlen geschoben, als Andeutung auf eine Kreuzigung. Das Bild sollte so wirken, als seist du gerade aus dem Himmel gefallen. Weswegen ich dir auch zwei etwa dreißig Zentimeter lange, drei Zentimeter breite und drei Zentimeter tiefe Schnitte parallel zur Wirbelsäule gemacht hätte. Außerdem wollte ich deinen Brustkorb nach außen biegen, um dein Herz besser zu betonen, dass auf einem elfen Pfahl - oder besser Speer - etwa dreißig Zentimeter vor deinem Körper gehangen hätte. Deine Arroganz, das Monster selbst zu fassen hat dich deine Flügel und dein Leben gekostet. Ich hätte dich vor einer alten Kathedrale aufgebaut, das Morgenlicht hätte deine Tragödie beleuchtet, während die Menschen zum Zentrum ihres Glaubens pilgern."
      Er stellte sich jedes einzelne Detail vor, dass er sich ausgedacht hatte, kaum dass er von Vincent erfahren hatte. Ein wahres Meisterwerk.
      Unwillkürlich biss er sich auf die Unterlippe. Das Bild war einfach zu perfekt.
      Wieder schubste er Vincent gegen die Wand.
      "Die tragenden Pfähle hätte ich hier", er berührte die Schultern des Polizisten, "hier", die Stellen gleich über dem Beckenknochen, "und hier", John sank auf die ein Knie und ließ seine Hände über die weiche Haut des Polizisten gleiten, bis seine Finger wenige Zentimeter über den Kniescheiben verweilten, "angebracht. Ich habe darüber nachgedacht, dir die Unterschenkel zu entfernen, schließlich sind Engel Wesen der Luft. Ich habe mich dagegen entschieden. Viel lieber hätte ich deine Augen entfernt. Justizia ist blind und du warst es auch."
      Er küsste Vincent genau dort, wo er eben noch einen Finger gehabt hatte.
      "Vielleicht hätte ich sie sogar behalten?"
    • Es war eine Sache sich Tatortfotos anzusehen, eine andere die Tatorte selbst zu begutachten, aber es war eine gänzlich andere Liga sich seinen eigenen Körper in einer solchen Szene vorzustellen. Und Vincent konnte es sich genau vorstellen, er hatte jedes Opfer das John hinterlassen hatte begutachtet, er hatte sich jeden Tatort angesehen sobald er den Fall zugewiesen bekommen hatte. Das Bild setzte sich langsam vor seinem geistigen Auge zusammen. Manche Details waren schon vor Johns Erklärung an Ort und Stelle, sobald Vincent die Idee verstanden hatte, die John damals gehabt hatte.
      Vincents Brustkorb schnürte sich zu und sein Herz fühlte sich an als wolle es vor dem fliehen, was auf es gewartet hätte, wenn eben doch alles nach Plan gelaufen wäre. Der Ermittler konnte John ansehen wie sehr ihm der Gedanke an sein Kunstwerk immer noch gefiel, vielleicht hätte er ihn besser nicht danach gefragt. Ausgerechnet jetzt. Sein Rücken wurde erneut gegen die Fliesen gedrückt, die mittlerweile vom warmen Wasser aufgewärmt wurden.
      John spielte mit Vincent, wie er es immer tat. Er ließ seine Finger über ihn wandern und seine Stimme ließ ihn erschaudern. In solchen Momenten glaubte Vincent kaum, dass er etwas dagegen unternehmen konnte, selbst wenn er es wollte.
      Allerdings fragte er sich zu welchem Zeitpunkt John aufgehört hatte ihn töten zu wollen. Er hatte ihn zu lange dort unten behalten und John musste gewusste haben, dass er schneller hätte arbeiten müssen, wenn er die Vorbereitungen abschließen wollte, solange Vincent noch lebte. Seinen Partner hingegen hatte er fast schon zu schnell loswerden wollen.
      "Ein Engel also? So hast du mich gesehen?", fragte Vincent und musste darüber schmunzeln. Es war schon witzig, denn Vincents Sinn für Gerechtigkeit kam erst zum Vorschein, als es für ihn schon viel zu spät war. Aber Arroganz traf es ganz gut, sehr genau eigentlich. Er war arrogant gewesen und er wollte alleine los um derjenige zu sein der John schnappte und nicht um dem Morden möglichst schnell ein Ende zu setzen. Es hatte seinem Partner das Leben gekostet und die Schuld würde er wohl niemals begleichen können. Alles was danach kam, hatte er wohl verdient.
      "Und jetzt? Würdest du es noch immer genauso machen?", fragte er neugierig, aber auch vorsichtig weiter. Auch wenn er diese Frage in Johns jetzigem Zustand vielleicht nicht stellen sollte und die Antwort womöglich gar nicht hören wollte. Allerdings brachte es John vielleicht auch auf andere Gedanken und das konnte nur helfen.
    • John sah von unten in Vincents Gesicht. Ihm war nicht ganz klar, worauf der Polizist hinaus wollte
      "Nein. Der gefallene Engel passt nicht mehr zu dir. Jetzt sehe ich dich vor mir, aufgespießt von den selben Pfählen aber von unten. Sie haben sich aus der Erde erhoben, um dich an deinem Aufstieg zu hindern. Den Brustkorb würde ich dir immer noch öffnen, um den Bogen zu unserer gemeinsamen Vergangenheit zu schlagen. Deine eigene Faust klammert sich um dein Herz. Den Blick hast du gen Himmel gehoben, eine Hand nach den Sternen ausgestreckt. Du willstest so viel mehr sein. Von der Schulter bis zum Ellenbogen würde ich dir die Haut abziehen und vom ellenbogen bis zum Handgelenk wird die umgebende Muskelschicht immer dünner, bis schließlich nur noch deine Knochen in der Hand übrig bleiben. Du wolltest dein altes Selbst ablegen. Du weinst blutige Tränen, denn du weißt, dass dich sie Gesellschaft wie einen Aussätzigen behandeln wird, wenn du das tust. Sie sind es, die dich töten. Diendich auf dem Boden festhalten. Die deinen Aufstieg zu etwas Größerem verhindern. Sie haben dich umgebracht."
      Während seines kleinen Vortrages war John wieder aufgestanden und lehnte sich nung gegen Vincent. Er hielt sich an seinen Schultern fest. Er sah das vollendete Wer vor sich, sah den Schmerz in Vincents totem Gesicht. Eine einsame Zräne rann ihm über das Gesicht, wurde aber gleich vin dem Wasser der Dusche verschluckt. Sollte er jemals gezwungen sein, dieses Kunstwerk anzufertigen, dann würden noch sehr viel mehr Köpfe rollen.
    • Vincent wusste sich nicht anders zu helfen, als John als romantisch zu bezeichnen, auch wenn das in diesem Kontext mehr als unpassend wirkte. Seine Interpretation war stimmig, wenn auch etwas kitschig. Es überraschte Vincent nicht, dass John sich seinen toten Körper so vorstellte. Früher oder später würde es genau so enden, dessen war sich Vincent sicher. So sicher, dass es ihm fast schon Angst machte. Vielleicht nicht unbedingt mit einem Kunstwerk, aber Vincent hoffte es. Das würde bedeuten, dass John frei war.
      So wie John erzählte, was er tun würde und wie er Vincent sah, klang es nicht als wolle er ein Kunstwerk aus ihm machen. Vielleicht bildete Vincent es sich nur ein, oder er wollte es so hören, aber John klang sogar ein wenig... traurig? Vincent war nicht sicher, ob John Trauer überhaupt empfinden konnte. Der Ermittler hatte sich mit seinem Ende als weggeworfenes Spielzeug schon abgefunden, aber vielleicht lag er falsch. Immerhin lebte er nach all der Zeit noch.
      Als müsse er John trösten, legte er seine Arme um den Killer und drückte ihn an sich, nur für einen Moment. Er ließ wieder locker, bevor John die Notbremse zog und einen frechen, oder verletzenden Kommentar los lassen konnte.
    • Er lehnte sich in die sanfte Umarmung des Polizisten hinein und für diesen winzigen Augenblick war da nichts als Frieden. Alles war genau so, wie es sein sollte. Und dann war der Moment vorbei. John fragte sich, was das eben gewesen war. Es war eine neue Empfindung gewesen, er konnte sie aber nicht zuordnen. Im Laufe seines lebens hatte er viele Emotionen auf einer logischen Ebene kennengelernt und imitiert. Aber das hier war etwas anderes gewesen.
      Er lächelte seinen Polizisten an, dann fuhr er damit fort, ihn einzuseifen.
      "Warum wolltest du das eigentlich wissen? Ich weiß, du bist ein Bewunderer meiner Kunst, aber du hast mich nie danach gefragt. Warum jetzt?"
    • Vincent überlegte kurz bevor er John ansah und ihm antwortete. "Ich weiß nicht genau. Ich schätze ich bin in letzter Zeit nur etwas sentimental, es hat sich Vieles geändert. Im Gefängnis konnte ich dich nicht danach fragen, auch wenn es mir jedes Mal auf der Zunge gelegen hat. Es war noch zu früh und ich hätte es vermutlich nicht mehr aus dem Raum geschafft. Ich war noch nicht bereit." Johns Hände kreisten über Vincents Körper und er streckte eine Hand aus um eine nasse Strähne die auf Johns Stirn geklebt hatte zwischen die Fingerspitzen zu nehmen. Die Spitzen waren blond, aber der dunkle Ansatz war schon deutlich zu sehen.
      "Danach gab es wenig Gelegenheit für die Frage. Abgesehen von den Ermittlungen war ich zu sehr mit mir selbst im Jetzt beschäftigt. Das bin ich noch, das weißt du, aber jetzt gerade ist es ruhiger als es jemals war.", sprach er weiter, dann lächelte er. "Meistens habe ich das Gefühl du kennst mich besser, als ich mich selbst kenne. Also sag du mir warum. Vielleicht war aber auch genau das der Grund für die Frage." Vincent ließ die Strähne wieder los. Es fühlte sich an als wäre viel mehr Zeit vergangen, als es tatsächlich der Fall war. Es war allerdings auch so viel passiert, dass man schon eine ganze Biografie damit füllen konnte.
    • "Dann sollten wir diese Zeit der Ruhe genießen.", schloss John, "So sehr ich unsere Gespräche über die logischen Schritte eines Serienkillers auch genieße, ich finde es weitaus interessanter, wenn wir uns mit deiner kreativen Welt auseinandersetzen. Oder auch meiner. Wobei ich gestehen muss, dass ich momentan eher weniger den Drang zu meiner üblichen Arbeit verspüre. Hm..."
      Diese Realisierung traf John wie aus dem nichts. Bislang hatte er seine Kunst immer mit dem Hunger in seinem inneren gleichgesetzt. Jetzt aber erkannte er, dass sie nicht zwangsläufig miteinander einhergingen. Interessant.
      Er griff nach dem Shampoo und begann damit, es in Vincents Haaren zu verteilen. Eine Kopfmassage gab es gratis dazu.
    • "Tust du nicht? Woran glaubst du liegt das?", erwiderte Vincent. Das erste was John getan hatte, nachdem er mit Vincent im Schlepptau geflohen war, war jemanden in ein weiteres Kunstwerk zu verwandeln. Nun war der Mord am Puppenspieler auch schon eine Weile her. Aber es schadete auch nicht, wenn er nicht ständig über sein nächstes Meisterwerk nachdachte.
      Vincent begnügte sich deshalb auch mit den Antworten die er heute erhalten hatte. Es gab noch Vieles, was er nicht verstand und die Frage danach warum er überhaupt noch lebte, hatte John bisher noch nie beantworten können. Zusätzlich hatte Vincent nun zwei Bilder vor Augen, die er erst einmal verarbeiten musste.
      Nachdem John mit Vincents Haaren fertig war, wusch er sie sich wieder aus, bevor er noch den ganzen Schaum in die Augen bekam. Danach griff er selbst nach dem Duschgel um den Gefallen zu erwidern. Er sah sich nicht gerne an was er mit Johns Körper angestellt hatte, aber es wurde Tag für Tag besser. Bei jedem Pflaster prüfte er beiläufig ob auch ja kein Wasser an die Wunde kam.
    • "Keine Ahnung. Manchmal passiert mir das. Ob du es glaubst oder nicht, aber ich habe nicht alle vier Wochen einen neuen Gast im meinem Keller begrüßt. Hin und wieder habe ich mit Monate lang zeit genommen, einfach mal nichts zu tun. Und aktuell habe ich kein Problem damit, nichts zu tun. Natürlich werde ich mir diesen schleimigen Abklatsch meiner selbst vornehmen, sobald wir ihn haben. Vielleicht liegt es ja daran? Ich habe ein genaues Ziel."
      John zuckte mit den Schultern und machte einen Schritt zurück, um dem Polizisten den Platz zu lassen, den er brauchte. Er beobachtete, wie er vorsichtig die Verletzungen umging, die er ihm zugefügt hatte. Es war ein Erlebnis gewesen, so viel stand fest. John wusste selbst nicht, was er davon halten sollte. Er hatte es jedenfalls nicht besonders genossen, die Kontrolle auf diese Weise zu verlieren. Es war etwas anderes gewesen, als er damals Vincent das Messer gegeben hatte. Das war seine Entscheidung gewesen und er hätte jederzeit übernehmen können. Aber der Puppenspieler hatte etwas getan, was John nur ungern erneut durchmachen würde: er hatte ihm Fesseln angelegt und ihn zu einer seiner Puppen gemacht. Sein Tod war viel zu schnell gekommen, aber John hatte keine Zeit gehabt. Ausblutend und mit der Polizei schon auf dem Weg hatte er nur minderwertige Arbeit abliefern können. Dennoch war diese Skizze besser gewesen als alles, was diese Kopie von ihm gerade fabrizierte.
      John verbannte alle weiteren Gedanken an das Thema aus seinem Kopf. So würde er nur wieder wütend werden. Er wollte anderen nie wieder so viel Macht über ihn geben. Von jetzt an würde nur einer Kontrolle über ihn haben: Vincent.
      Er betrachtete das Gesicht seines Polizisten. Was hatte er nur an sich, dass er ihm so sehr vertraute? Johns körperlichen Voraussetzungen ließen es gar nicht zu, dass er jemandem vertrauen konnte. Seine Hirnchemie war dafür nicht ausgelegt. Und doch würde er Vincent jederzeit wieder sein Leben überlassen.
      Er ergriff die Hand des Polizisten und küsste ihn auf den Handrücken. Hatte er hier etwa das Heilmittel für Psychopathie? Wie um alles in der Welt sollte das denn bitte möglich sein? Nein. Es misste etwas anderes sein. Die Frage war nicht, was as Vincent anders war. Die Frage war, was mit John nicht stimmte. Er reagierte auf einen neurotypischen Menschen beinahe so wie ein neurotypischer Mensch. War er etwa doch kein Monster? Unmöglich. Er hatte dutzende Menschen getötet und in ihnen nichts als eine Leinwand gesehen. Das war nicht normal, das war moralisch nicht akzeptabel. Nirgendwo in der Natur konnte man so ein Verhalten beobachten. Er musste ein Monster sein. Denn wenn er keines war, was war war dann?
    • Vincent war mit der Antwort zufrieden. Vermutlich passte gar kein anderes Opfer in den Plan, selbst wenn John die Möglichkeit gehabt hätte. Er wusste wie wütend ihn dieser Trittbrettfahrer machte. Aber es konnte noch eine ganze Weile dauern bis sie ihn gefunden hatten. Ein einziges Opfer waren nicht genug, selbst wenn allein durch die Tatsache, dass er John imitierte sehr viel über den Täter aussagen sollte.
      Vincent wurde aus seinen Gedanken gerissen, als John seine Hand ergriff. Er sah ihn an, wusste aber nicht was das gerade bedeutete. Lächelnd wartete er und versuchte in Johns Gesicht zu lesen, was dieser gerade dachte. Das hatte allerdings noch nie wirklich funktioniert. Es sprach wohl nichts dagegen ihn einfach zu fragen.
      "Worüber denkst du nach?" Es war seltsam, dass ausnahmsweise Vincent derjenige war, der diese Frage stellte. Normalerweise war er derjenige der Gedankenverloren ins Nichts starrte.
    • "Über Verhaltensanomalien. Gut und böse. Ich glaube, ich habe eine kleine Existenzkrise."
      John hob den Blick zu seinem Polizisten und lächelte. Er legte ihm eine Hand an die Wange und tätschelte diese leicht.
      "Du machst mich zu einem besseren Menschen und ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich war noch nie ein Mensch. Ich könnte jemanden gebrauchen, der mir das beibringt."
      Jetzt griff er an Vincent vorbei, um sich die haare zu waschen. Wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn er normal wäre? Wenn er nicht von Anfang an ein Ausgestoßener gewesen wäre, nur weil er nicht wusste, wann man lachte und wann man weinte? Den Großteil seiner Kindheit hatte er damit verbracht, sich das anzueignen. Erst in der Highschool hatte man ihn nicht mehr wegen seines Verhalten als seltsam angesehen. Erst da hatte er seine Fähigkeiten, Emotionen zu immitieren und sie anzuwenden, wenn es nötig war, perfektioniert. Zeitgleich hatte sich John niemals als Mobbing-Opfer gesehen. Er hatte immer gewusst, dass er anders war und am Rande der Gesellschaft stand, nur zusehend, was wirklich geschah. Nur hatte er sich immer als überlegen gesehen. Und selbst jetzt, als er sich der Frage gegenüber sah, was er eigentlich war, da empfand er keine Panik oder dergleichen. Er versuchte eher, eine Lösung für das Problem zu finden. Er konnte sie nur noch nicht sehen.
    • John und eine Existenzkrise? Dass das möglich war, hätte Vincent niemals gedacht. Abgesehen davon sagte er es so ruhig, als wäre nichts dabei. Und was folgte war sogar noch verrückter. Vincent hob eine Augenbraue, dann schnaubte er leicht amüsiert und schüttelte den Kopf. Zeitgleich machte er John ein wenig mehr Platz in der Duschkabine, da er selbst schon fertig war.
      "Ausgerechnet ich und ausgerechnet jetzt?", fragte er, wusste aber auch nicht sicher in welchem Kontext John nun ein besserer Mensch wurde. Vincent hatte sich weder vor Johns Keller noch danach als guten Menschen betrachtet, aber das war wohl auch nicht was John meinte. Damals, bevor er ihn alleine in diesem Apartment zurückgelassen hatte, da hatte John versucht zu erklären wie er sich sah und was einen Menschen für ihn definierte. Aber auch wenn Vincent damals nicht ertragen konnte was er tat und genauso wenig nachvollziehen konnte warum, so konnte er John nicht als gefühlskaltes Monster sehen.
      "Du bist ein Mensch und warst es auch bevor du mich kanntest. Deine Werke sind Interpretationen der menschlichen Gesellschaft, sogar das Wesen deiner Opfer selbst konntest du immer einfangen. Sie sind voller Emotionen und man mag ein Lächeln vorspielen können, oder Trauer, aber - und das ist meine Meinung, ich bin kein Kunstkenner - ich denke um Emotionen zu vermitteln, muss man sie verstehen, wenn nicht sogar erlebt haben. Ich glaube nicht, dass das eine reine Sache der Beobachtung ist. Ich wüsste also nicht, was ich dir beibringen sollte."
    • Ohne es zu bemerken, traf Vincent den Nagel genau auf den Kopf. Wenn John schon sein Leben lang Emotionen empfand, warum wusste er davon dann nichts? Und warum hatte man ihn sein Leben lang so behandelt, als empfinde er nichts? Diese Frage war es, die sich ihm stellte.
      "Aber wann genau habe ich dann diese Emotionen empfunden?", stellte er die Frage laut, die durch seinen Kopf geisterte.
      Er erinnerte sich an so viele Situationen, in denen er Emotionen vorgetäuscht hatte. Situationen, von denen er wusste, dass er das getan hatte. Er erinnerte sich an Situationen in seiner Kindheit, als er versucht hatte, Emotionen vorzuspielen und dafür ausgelacht worden war, dafür beschimpft worden war, weil er es nicht hinbekommen hatte. Er erinnerte sich an Situationen, in denen er echte Trauer hätte empfinden müssen und es nicht getan hatte. Alles, was er kannte, war Wut. Er kannte sie, erkannte sie und wusste mit ihr umzugehen.
    • Vincent wusste keine Antwort auf Johns Frage, er konnte nur spekulieren, nichts weiter. "Hmmm... das ist wohl eher etwas für einen Psychotherapeuten, meinst du nicht? Womöglich merkst du es einfach nur nicht, vielleicht spielt sich alles nur in deinem Inneren ab." Vincent legte seine Hand sanft auf Johns Brust und lächelte. "Womöglich bekommt dein Verstand nur nicht mit, was du eigentlich schon dein Leben lang fühlst. Und der Drang deine Kunst auszuüben ist vielleicht einfach nur deine Art um mit deinen Emotionen umzugehen, um sie heraus zu lassen. Aber das kannst wohl nur du wissen. Was ich weiß ist, dass du mehr in dir hast als Egoismus, Zorn und Stolz. Warum sonst wärst du für mich hinter Gittern gegangen, oder hast dich bis zu meinem Apartment geschleppt nur um mich noch einmal zu sehen? Du hattest keinen Nutzen davon und es war auch keine Kurzschlussreaktion." Vincent musterte John, der sich sonst immer so sicher fühlte. Der zumindest den Anschein machte zu jeder Zeit zu wissen was in sich vorging, aber so war es nicht. Was John gerade wollte, war aber wohl keine Psychoanalyse von einem Kerl der nicht einmal wusste was in sich selbst vorging, weswegen Vincent umschwenkte.
      "Mach die Augen zu.", bat er und lächelte. "Mach schon, ein Experiment." Entschlossen sah er in Johns Augen bis dieser nachgab und die Augen schließlich schloss. Vincents Hand lag noch auf der Brust des Killers, genau über seinem Herzen. Einen Moment wartete er einfach und musterte John. Vincent war wohl der Einzige, dem gegenüber John ein wenig seiner Kontrolle abgab, das hieß aber noch lange nicht, dass er es gern tat. Bevor John seine Augen wieder öffnete, lehnte Vincent sich für einen sanften Kuss nach vorne. Er konnte sich nicht erinnern, ob sie jemals sanft zueinander waren und nach einigen Momenten, zog er sich wieder zurück und nahm auch seine Hand von Johns Brust. Er wusste, dass John das gerade eben nicht kalt gelassen hatte. "Meintest du das mit beibringen? Und komm mir jetzt nicht mit einer wissenschaftlichen Erklärung."
    • John blickte instinktiv auf die Hand, die sich auf seine Brust legte. Vincent hatte recht mit dem, was er sagte. Aber genau das war ja das Problem. John konnte bis heute nicht nachvollziehen, warum er den Polizisten damals hatte gehen lassen. Warum er diesem selbstmörderischen Drang gefolgt war, noch einmal zurück zu gehen, nachdem er sich des Puppelspielers angenommen hatte.
      "Mach die Augen zu. Mach schon, ein Experiment."
      John schluckte seinen Widerwillen hinunter und schloss die Augen wie befohlen. Das Rauschen des Wassers schien von einem Augenblick auf den nächsten lauter zu werden. Er spürte die Hand auf seiner Brust überdeutlich. Er hatte das Gefühl, als verliere er sein Gleichgewicht und dann spürte er Vincents Lippen. Aber sie waren nicht fordernd, nicht begierig wie sonst. Sie waren erschreckend sanft. John verlor daraufhin sein Gleichgewicht noch mehr, als hätte ihn ein Erdbeben durchgeschüttelt. Instinktiv griff er nach Vincents Hüften, um sich festzuhalten.
      "Meintest du das mit beibringen? Und komm mir jetzt nicht mit einer wissenschaftlichen Erklärung."
      "Ich weiß nicht", antwortete er, etwas außer Atem, "Ich... Das ist auf jedenfall was neues..."
    • Vincent hatte nach Johns Arm gegriffen, als dieser so aussah, als würde er gleich umfallen. Langsam nahm er seine Hand wieder runter, während er John musterte. Er wusste, dass ihn das gerade nicht kalt gelassen hatte, wusste allerdings nicht, was er selbst davon halten sollte. John sah noch für einen Moment verwirrt und verletzlich aus, bis er zu sich selbst zurück fand. Vincent mochte den Anblick und fragte sich, wie wohl Johns Gesicht ausgesehen hatte, als er den Krankenwagen rief und Vincent am Leben hielt.
      Für den Moment war er allerdings zufrieden und stieg aus der Dusche um sich abzutrocknen. Er wollte nicht mit irgendwelchen Spekulationen um sich werfen, aber er hatte das Gefühl, dass das für John jetzt erst einmal gereicht hatte. Auf jeden Fall hatte er jetzt etwas zum nachdenken. Vincent hatte nicht damit gerechnet, dass der Abend heute so verlaufen würde und er wusste nicht, wie es weitergehen würde. Sie waren wohl beide gerade auf der Suche nach etwas, ohne zu wissen was genau das war.
      "Ich warte im Bett auf dich.", rief Vincent dann über das rauschende Wasser hinweg und verließ anschließend das Badezimmer. Im Schlafzimmer zog er sich nur eine Boxershort über und legte sich dann ins Bett. John hatte noch etwas Zeit für sich, wenn er wollte.
    • Er sah seinem Polizisten hinterher, wie sich sein verschwommener Umriss langsam entfernte. Dabei ignorierte er die Unterwäsche, die John mitgebracht hatte. Machte er das mit Absicht? Wollte er ihn etwa ärgern?
      John schüttelte den Kopf und genoss noch ein wenig das heiße Wasser auf seiner Haut. Er war der Typ, der lange unter der Dusche stand. Und gerade heute ging ihm dabei viel durch dem Kopf.
      Schlussendlich trat dann aber auch seine Wenigkeit aus der Dusche und wickelte sich in ein Handtuch ein. Er überprüfte noch einmal alle seine Verbände und legte die Stellen darum vorsichtig trocken, ehe er sich dem Rest widmete. Dann schlüpfte er in seine eigenen Boxershorts und mit denen von Vincent schlenderte er ins Schlafzimmer, wo er dem Polizisten das Stück Stoff ins Gesicht.
      "Warum mache ich mir eigentlich noch die Mühe?", fragte er sarkastisch, während er ins Bett kletterte und schnell unter die Decke kroch.
      Der Nachteil an einer heißen Dusche war der, dass man fror, sobald man das Badezimmer verließ.
      Unter der Decke kuschelte er sich gleich an Vincent, um von dessen Körperwärme zu profitieren.
    • Vincent lag im Bett und schloss die Augen. Der Tag war anstrengend gewesen, aber wenigstens hatte er einmal gut schlafen können. Er rechnete allerdings nicht damit, dass das jetzt zur Gewohnheit wurde. Er ließ das Gespräch mit dieser Psychologin review passieren, während er auf John wartete. Sie hatte ganz guten Input, aber es wäre wohl besser gewesen, wenn Vincent den Mund gehalten hätte. Aber auch dann hätte sie wohl das Zittern in Vincents Hand bemerkt. Sein ganzer Körper schmerzte seit Tagen, aber er hatte sich langsam daran gewöhnt. Wenn Dr. Rosmary das sofort gesehen hat, dann wohl auch die Hälfte seiner neuen Kollegen.
      Vincent ließ die Augen geschlossen als John das Zimmer betrat, umso mehr überrascht war er, als etwas in seinem Gesicht landete. Er nahm die Unterwäsche und ließ sie einfach neben sich aus dem Bett fallen. "Hab ich nicht mitbekommen, du hättest aber auch nicht den ganzen Rest einsammeln müssen, hätt' ich schon noch gemacht.", antwortete Vincent während John sich an ihn kuschelte. Bevor John seinem Ordnungszwang nachgab, fügte Vincent hinzu: "Lass das Ding jetzt da unten liegen. Ich räum sie morgen weg." Das würde eine gute Übung für John sein, Vincent fragte sich, ob ihn das Wissen, dass Vincents Unterwäsche dort am Boden lag ihn wahnsinnig machte. Vincent unterstrich seine Aussage indem er sich zur Seite rollte und seinen Arm über John legte.
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