[2er RPG] Burning Desire

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    • Es erleichterte Julia ungemein, als Carson endlich einmal wieder ehrlich mit ihr sprach, ohne ihrer Frage auszuweichen. Aber gleichzeitig brach ihr auch das Herz. Sie wusste wie schrecklich Carsons Kindheit gewesen war, doch ihr war nicht bewusst, sie sehr ihn die Erlebnisse noch verfolgten.
      "Es tut mir leid, ich wollte dich nicht daran erinnern.", sagte sie und strich mit ihrem Daumen über seinen Handrücken. Sie hätte ihn gerne geküsst, aber irgendwie kam ihr das gerade unpassend vor. "Du hast Recht, im Grunde ist es egal, welche Haarfarbe du hast. Vielleicht sollte ich mir die Haare auch färben und deine Familie endgültig verwirren." Sie lachte leise, wurde jedoch schnell wieder ernst. Egal wie sehr sie sich anstrengte, im Moment war ihr einfach nicht zum Scherzen zu Mute.

      "Es tut mir leid." Sie hatte diesen Satz zwar gerade erst gesagt, trotzdem hatte sie das Gefühl, dass es nicht ausreichte. "Diese ganze Sache ist auch meine Schuld. Hätte mich meine Vergangenheit nicht eingeholt, oder wäre ich vorsichtiger gewesen, wäre das alles nicht passiert." Sie ließ ihren Blick über den Garten schweifen. "Ich konnte nicht für dich da sein und ich habe das Gefühl, dass ich das nicht wieder gut machen kann."
    • "Habe ich wirklich so viel Geld für deine Psychologin ausgegeben, nur damit du immer noch denkst, es sei deine Schuld gewesen?", fragte Carson mit einem sanften Lächeln im Gesicht.
      Er verwendete gerade Julias Lieblingsargument gegen sie. Sie wollte nie, dass er Geld ausgab, obwohl er so viel davon hatte, dass er es in zehn Leben nicht alles hätte ausgeben können. Aber auch ihm war nicht unbedingt nach Scherzen zumute.
      "Du hast mich an nichts erinnert. Wenn überhaupt dann war es meine Mutter."
      Er schüttelte kurz den Kopf, denn auch ihr konnte er nicht böse sein. Es war ihm physisch unmöglich, wütend auf die Frauen in seinem Leben zu sein.
      "Lass uns einfach umziehen. Ein Neustart. Für uns beide. Auch wenn Chloe es wieder meine Midlifecrisis schimpfen wird. Die ich übrigens nicht habe, keine Sorge. Ich werde mich weiterhin in meine Arbeit stürzen, ich werde weiterhin auf alles aus Karamell abfahren und ich werde weiterhin viel zu viel Geld für einen guten Zweck ausgeben. Dafür kann man nie genug ausgeben. Also vielleicht gebe ich da noch mehr aus, aber ich glaube nicht, dass dich das irritieren wird, oder?"
      Es tat gut, sich so auszusprechen. Das hatten sie lange nicht mehr gemacht. Hauptsächlich, weil Carson Julia nicht dazu zwingen wollte über etwas zu reden, was ihr Schmerzen bereitete. Er wollte sie so wenig wie möglich daran erinnern. Und den Rest erledigte in seinen Augen die Psychologin. Wenn sie ihn in irgendetwas einbeziehen wollten, dann würden die beiden das sicherlich auch tun. In seinen Augen waren das die einzigen Probleme, die sie momentan hatten: Wo sie wohnen würden und dass sie das alles schnellstmöglich hinter sich lassen konnten.
    • Carsons Worte schmerzten mehr, als sie es vermutlich sollten. Julia hob leicht die Mundwinkel, um sein Lächeln zu erwidern, doch diesmal kostete es sie mehr Anstrengung als gewöhnlich. Natürlich wussten sie beide, dass Julia die Psychologin brauchte, trotzdem mochte sie nicht, dass er die Sache wie eine Investition klingen ließ, damit seine Freundin nicht mehr so empfindlich war.
      Aber war es das nicht sogar? Julias Schultern sackten ein wenig nach unten, als ihr bewusst wurde, wie ironisch das Ganze war. Ihr Freund schickte sie zu einem Psychologen, während er sich selbst die Haare blond färbte, da er sein Kindheitstrauma nicht überwinden konnte...
      Aber Julia sprach ihre Gedanken diesmal nicht aus. In den letzten Wochen hatte Carson ihre Meinung kaum ernst genommen, wieso sollte es diesmal also anders sein? Immerhin war sie die kaputte Frau, die eine Therapie brauchte.

      Noch einmal musterte sie den Mann vor sich, der ihr so fremd geworden war, dann hob sie vorsichtig eine Hand und legte sie auf seine Wange. Seine Haut war kühl von dem Frühlingswind. "Du hast Recht. Ich sollte mich nicht gegen etwas sperren, bevor ich es überhaupt gesehen habe.", stimmte sie sanft zu und schluckte ihre Zweifel herunter. "Vielleicht ist ein Neustart wirklich gut für uns." Früher wäre sie Carson blind überall hin gefolgt, weil sie ihm vertraute. Aber im Moment war sie nicht sicher, ob das diesmal auch der Grund für ihre Antwort war.
    • Carson lächelte. Er nahm das als ein 'Ich sehe mir wenigstens mal das Haus an' von Julia.
      Und das taten sie. Am nächsten Tag fuhren sie beide rüber in die Stadt und Carson zeigte Julia das kleine Haus, von dem er geredet und sein Onkel so geschwärmt hatte. Es war wirklich ein Postkarten-Motiv. Das Haus selbst war typisch für San Francisco. Stick Style, hatte Charles es genannt. Von außen hatte es viele Details, hohe Fenster und spitze Dächer. Sie hätten zwei Stockwerke zur Verfügung. Das Erdgeschoss bestand schlicht aus Küche, Bad, Esszimmer und großem Wohnzimmer, der erste Stock beinhaltete ein zweites Wohnzimmer, ein Schlafzimmer mit angrenzendem Badezimmer und begehbaren Kleiderschrank, und einem Gästeraum, den man laut Carson aber auch in alles mögliche verwandeln konnte. Sie hatten einen kleinen Garten, wobei klein hier wieder relativ war. Es war kein Park wie das, was Carson in Main oder sein Onkel außerhalb der Stadt hatten. Für San Francisco war es groß, vor allem wenn den Hang bedachte, an dem das Haus lag. Der Garten war kerzengerade. Das Haus ebenfalls. Sogar der 'unordentliche' Vorgarten, der aus zwei Hügelähnlichen Grasflecken bestand, die der Steigung der Treppe zur Haustür folgten, war überraschend gerade. Wenn man das Haus von vorn betrachtete, dann wurde man ganz gaga wegen der seltsamen Geometrie.
      Das Haus war vollständig möbliert, aber Carson hätte kein Problem damit, wenn sie alles rauswarfen und neu einrichteten. Er wollte bloß, dass Julia sich wohlfühlte.

      Am Abend aßen sie wieder mit der gesamten Familie, auf Chase's Bitte hin. Er wollte ihnen allen mitteilen, dass die Geschworenen bereits zu einem Urteil gelangt waren und fragte, wer alles anwesend sein wollte. Alle wollten kommen, sogar Angelika mit der kleinen Charlette. Chase bat alle, sich zurückzuhalten. Die Medienpräsenz war bereits enorm und wenn der gesamte Davis-Clan anrückte, dann würde jede Kamera auf sie gerichtet sein.

      Der Urteilsspruch ging relativ schnell. Die Geschworenen hatten die Brüder einstimmig für schuldig befunden und der Richter verurteilte sie zu fünfzehn Jahren ohne Bewährung. Zu wenig, in Carsons Augen, aber Chase erklärte, das sei das Maximum, was der Richter in diesem Fall hatte auspacken können.
      Auf dem Weg nach draußen rissen sich die Reporter darum, Fotos, Videos und Aussagen von allen Mitgliedern der Familie zu bekommen. Manche waren thematisch nicht einmal bei der Sache. Carson hörte eine Frage wegen seiner Haare, irgendjemand fragte, ob Julia schwanger sei und wieder ein anderer wollte etwas über ein neues Produkt wissen, das demnächst auf den Markt geworfen werden sollte. Carson war das gewohnt, wenn auch nicht auf den Stufen eines Gerichts. Er tat sein bestes, Julia abzuschirmen. Chase schirmte Angelika und seine Tochter ab, Charles deckte Claire und Chloe. Umgeben waren sie von einem Schild aus Sicherheitsleuten und Polizei. Das Leben eines Promis war eben nicht immer wundervoll...

      Am Abend waren alle froh, dass es endlich vorbei war. Sie stießen darauf an mit Champagner. Nur Carson trank lieber ein Wasser.
      Julia und er blieben bei seinem Onkel, bis alles mit dem Umzug geregelt war. Carson wäre schön blöd, wenn er das selbst machen würde. Nein, er engagierte Leute für sowas. Zwei Tage später öffnete Carson die Haustür ihres neuen Hauses und ließ Julia den Vortritt.
      "Auf unseren Neuanfang", sagte er, als sie mit zwei Wasser auf ihren Umzug anstießen.
      Ab jetzt würde sicherlich alles besser werden. Normaler.

      Carson hielt sich eisern an seinen neuen Plan. Er trank keinen Alkohol mehr. Nicht nach der Arbeit, nicht bei einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant, gar nicht. Jeden Morgen joggte er den Berg runter und wieder rauf, jeden Abend tat er das Gleiche. Am Wochenende schwamm er einige Bahnen. Das Blond wuchs erstaunlich schnell heraus und nach nur vier Wochen musste er zum Stylisten und dieses Desaster reparieren lassen. In dieser Zeit veränderte sich Carsons Körper auch ein wenig. Sein neues Training sorgte dafür, dass er sehr viel stromlinienförmiger wurde. Die bloßen, bulkigen Muskeln von Anfang des Jahres wurden schmaler. Carsons Kraft wurde zwar weniger, dafür wuchs seine Ausdauer in ungeahnte Höhen. Er wirkte schlanker, beinahe schon größer. Es war ein bisschen seltsam. Aber die Veränderungen waren nicht so gravieren, dass er plötzlich aussah wie ein anderer Mensch. Tatsächlich wirkte er mehr und mehr wie damals, als Julia und er sich kennengelernt hatten.

      Mit dem Juni kamen die Hitzewellen. Draußen ballerte die Sonne vom Himmel, jedes Stück Stoff am Körper war zu viel. Carson hatte sich eine Woche frei genommen, weil er Anzüge nicht mehr ertragen konnte. Seine Schlafprobleme hatten sich in den letzten vier Wochen nicht wirklich gebessert. Entweder er schlief drei Stunden oder weniger oder er hatte Alpträume davon, was mit seiner Mutter passiert war. Manchmal wurde es sogar so schlimm, dass er davon träumte, wie er die Rolle seines Vaters einnahm und Julia die seiner Mutter. Solche Nächte machten in besonders fertig und verfolgten ihn den ganzen Tag. Aber Julia ging es gut. Zumindest sah es so aus. Und solange es Julia gut ging, ging es auch ihm gut, davon war Carson überzeugt.

      Er lag gerade im Garten, nur mit Badeshorts und Sonnenbrille bekleidet. Die Sonner knallte von oben herab, Vögel trällerten ihre Lieder und Bienen summten durch die Gärten, die in voller Blüte standen. Die Nacht war wieder hart gewesen. Nach zwei Stunden war er aus einem Alptraum hochgeschreckt und hatte danach keinen Schlaf mehr finden können. Er war müde. Er wollte nichts mehr, als einfach nur einen Tag im Bett liegen und zu schlafen. Aber jedesmal, wenn er die Augen schloss, waren da diese Bilder aus seinem eigenen, privaten Horrorfilm. Er war mit seinem Latein am Ende. Er wusste nicht, was er noch tun sollte. Er wollte keine Tabletten nehmen, er wehrte sich dagegen.
      Während er so in der Sonne vor sich hin brutzelte und an seinem Teint arbeitete, merkte er gar nicht, wie er langsam einnickte...






    • Es erleichterte Julia unglaublich, dass die beiden Erpresser schuldig gesprochen und für die nächsten Jahre weggesperrt wurden. Sie hoffte sehr, dass sie damit dieses Kapitel abschließen konnte und ihr Leben endlich zur Normalität zurückkehren würde. Aber leider waren die Dinge nicht so einfach.
      Das Haus, in das sie mit Carson zog, war zauberhaft. Trotzdem schaffte Julia es nicht, sich dort heimisch zu fühlen. Und dies lag zu einem großen Teil auch an dem Verhalten ihres Freundes. Julia hatte ihm geglaubt, als er versicherte, dass er keine Midlifecrisis hatte, aber es ließ sich nicht abstreiten, dass er sich verändert hatte. Der romantische - und manchmal etwas anzügliche - Mann, den sie so sehr geliebt hatte, war verschwunden. Stattdessen lebte sie nun zusammen mit einem Arbeitstier, dass jeden Morgen joggen ging, als übte er schon einmal, wie er am besten vor ihr davon laufen konnte. Oft wirkte er müde und gereizt, was dazu führte, dass Julia ihm aus dem Weg ging. Es machte ihr Angst, wenn seine Augen diesen unzufriedenen Ausdruck bekamen, da es sie an Dinge aus ihrer Vergangenheit erinnerte, die sie lieber vergessen wollte.

      Als der Sommer dafür sorgte, dass der große Garten in warmen Sonnenschein getaucht war, stand Julia auf der Terasse und betrachtete Carson, der sich sonnte. Er war nicht der Typ, der schnell einen Sonnenbrand bekam, deshalb machte sie sich deswegen keine Sorgen. Allerdings trat sie ein paar Minuten später neben ihn, um ihm ein kühles Glas mit Wasser zu reichen, in dem zwei Eiswürfel schwammen. Doch gerade als sie ihn ansprechen wollte, bemerkte sie, dass die Augen hinter seiner Sonnenbrille geschlossen waren und sein Armen ruhiger war, als zuvor. Ein sanftes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie wusste, dass Carson schlecht schlief, weshalb es sie freute, dass er endlich einmal etwas zur Ruhe zu kommen schien. Vorsichtig stellte sie das Glas neben ihn auf den Boden und machte sich auf den Weg zurück zur Terrasse.
      Es war nicht einfach den Sonnenschirm, der neben dem Gartentisch stand, bis in den Garten zu tragen. Vor allem der schwere Fuß bereitete ihr einige Schwierigkeiten. Aber letztendlich schaffte Julia den Schirm so aufzustellen, dass ihr Geliebter im Schatten lag. Zufrieden faltete sie ihre geröteten Hände zusammen. Wenn Carson nun ein wenig schlafen konnte, ohne dass er einen Sonnenstich bekam, hatte sie ihm zumindest diesmal geholfen. Diese Erkenntnis freute Julia mehr, als sie es vermutlich sollte.

      Da sie mit ihrer Arbeit zufrieden war, kehrte sie so leise wie möglich ins Haus zurück.
    • Carson schreckte hoch und sah sich um. Er brauchte in paar Sekunden, bis er realisierte, dass er in seinem Garten lag. Julia musste den Sonnenschirm rübergeschleppt haben, der über ihm aufragte. Und als er sich aufsetzte, stieß sein Fuß gegen ein kühles Glas. Carson war völlig verwirrt für einen langen Augenblick. Dann fiel ihm ein, wie die Realität funktionierte. Lächelnd hob er das Glas auf und trank es in einem Rutsch leer, ehe er aufstand und nach drinnen ging, wo er nach Julia suchte. Er fand sie oben in ihrem zweiten Wohnzimmer, dass sie absichtlich ohne Fernseher eingerichtet hatten. Es war mehr ein Leseraum als alles andere.
      "Hey", grüßte er sie und ließ sich neben sie auf das große Sofa fallen, "Danke für das Wasser. Und den Schatten."
      Er küsste sie auf die Wange, dann sah er ihr über die Schulter. Sie las eines der Bücher von Alexander Creek. Gute Wahl.
      Für einen Augenblick saß er einfach nur da und beobachtete Julia dabei, wie sie ihr Buch las. Er hatte ganz vergessen, wie wunderschön sie eigentlich war. Wann hatte er aufgehört, sie anzusehen?
      Er rutschte hinter sie und legte sanft seine Hände auf ihre Schultern. Zwar war er kein Meister darin, dennoch massierte er ihre Schultern.
      "Wie geht's dir eigentlich?", fragte er, "Ich hab in letzter Zeit so viel gearbeitet, da hab ich dich das gar nicht gefragt."
    • Julia sah kurz von ihrem Buch auf und lächelte Carson entgegen. Es war eigentlich nur ein Reflex mit dem sie versuchte ihre Sorge um den Geschäftsmann zu überspielen. Und bisher hatte es auch gut funktioniert.
      Da er keine Anzeichen dafür machte, sich mit ihr unterhalten zu wollen, vertiefte Julia sich wieder in den Liebesroman, den sie sich heraus gesucht hatte. Ihr Kopf brauchte leichte Kost, um sich von der ungemütlichen Realität abzulenken. Und es war ein wenig tröstlich zu lesen, dass auch Romanfiguren Probleme mit ihrer Beziehung haben konnte.

      Die junge Frau sah auf, als sie Carsons Hände auf ihren Schultern spürte. "Mir geht es gut. Ich habe mich nach drinnen zurück gezogen, da ich schneller einen Sonnenbrand bekomme, als du." beantwortete sie seine Frage und lächelte. "Und wie geht es dir? Konntest du ein wenig schlafen?" Da sie selbst die Zeit vergessen hatte, wusste sie nicht, wie lange Carson sich ausgeruht hatte, aber es war vermutlich zu kurz gewesen.
    • Das war zwar nicht, was Carson hatte wissen wollen, aber er gab sich mit dieser Aussage zufrieden und nahm es als Zeichen, dass Julia nicht über anderes reden wollte.
      "Zwei Stunden. Das bringt mich für heute auf fünf und das ist beinahe eine gesunde Menge", erzählte er.
      Er hatte ja schon immer Schlafprobleme gehabt. Allein Julias Anwesenheit hatte es für einige Monate so viel besser gemacht. Bevor sie in sein Leben getreten war, hatte er genau den gleichen, furchtbaren Schlafrhythmus gehabt. Er sehnte sich allerdings nach den Wochen, die er tatsächlich sechs Stunden am Stück hatte schlafen können, ohne mitten in der Nacht aufzuschrecken, weil er wieder irgendeinen Mist geträumt hatte.
      "Ich muss dir langsam mal wieder ein paar Bücher besorgen, so wie's aussieht, hm? Du ließt die ja schneller als ich die Titel aussprechen kann", scherzte er.
      In letzter Zeit hatte Julia ständig ein Buch in der Hand, wenn er abends nach Hause kam. Er machte wieder Überstunden - wenn auch nur eine im Büro, um nicht allzu spät nach Hause zu kommen. In den schlaflosen Stunden seiner Nächte machte er dann meistens noch ein bisschen was am Laptop.
      "Am Wochenende ist eine kleine Büchermesse in der Stadt. Willst du hin? Da könnten wir dir ein paar frisch gedruckte Sachen holen."
    • Julia hielt inne und legte das Buch, das sie sowieso schon seit einigen Sekunden lang nicht mehr beachtete, zur Seite. Es überraschte sie, dass Carson von alleine eine Unternehmung vorschlug. Die letzten Wochen war er so sehr in seine Arbeit vertieft gewesen, dass Julia sich manchmal unsichtbar gefühlt hatte. Das war einer der Nachteile ihres neuen Hauses; Sollte Carson auf der Arbeit etwas passieren oder Julia ihn sehen wollen, konnte sie nicht einfach ein paar Stockwerke mit dem Aufzug nach unten fahren. Und da ihre Psychologin dafür gesorgt hatte, dass sie krank geschrieben wurde, waren Julias Tage sehr einsam geworden. Deshalb gefiel ihr Carsons Vorschlag auch sehr. Obwohl es ihr lieber gewesen wäre, wenn er einmal ausschlafen würde. Aber das war ein sehr sensibles Thema, das sie inzwischen nur noch selten ansprach.

      "Wir haben schon eine Weile nichts mehr zusammen unternommen. Wenn dir das nicht zu anstrengend ist, würde ich gerne dorthin gehen.", noch während sie die Worte aussprach, stellte Julia fest, dass sie vermutlich etwas falsches gesagt hatte. "Das war nicht als Vorwurf gemeint, ich freue mich wirklich über den Vorschlag.", fügte sie deshalb eilig hinzu. "Ich möchte nur nicht, dass du dich übernimmst. Ich habe keinen Spaß, wenn du dich nicht auch amüsierst."
    • Carson beendete die Massage und schlang seine Arme um Julias Hüften, während er seinen Kopf auf ihrer Schulter ablegte.
      "Ich kann den ganzen Tag durcharbeiten, da werde ich es auch schaffen, mit meiner Freundin durch ein paar kleine Messehallen zu gehen", meinte er, "Ich bin zwar keine so große Leseratte wie du, aber ich werde bestimmt irgendwas finden, womit ich mich beschäftigen kann. Und wenn es nur das Aufkaufen eines kleinen Verlages oder das Abwerben von Autoren ist."
      Er kicherte leise. Außer der Zeitung las er wirklich nicht sehr viel. Ihm waren Filme lieber. Zwei Stunden, um eine Geschichte zu erleben konnte er aufbringen, aber sich jeden Tag hinsetzen und nur einen kleinen Teil davon erfahren? Das war einfach nicht sein Ding. Dafür war er zu ungeduldig.
      "Ich habe nicht vor, meinen Urlaub nur zu Hause rumzusitzen, weißt du? Ich will wieder mehr mit dir unternehmen, als nur hin und wieder essen gehen. Dieses Jahr hat beschissen angefangen, ich will, dass es gut endet. Immerhin feiern wir in wenigen Monaten unser Einjähriges."
      Grinsend drückte er Julia einen Kuss auf den Hals. Seine Lippen verweilte vielleicht eine Sekunde zu lang dort, aber wen kümmerte das schon?
    • Julia lehnte sich automatisch etwas nach hinten, als Carson seine Arme um sie legte. Es waren diese kurzen Momente, in denen sie das Gefühl hatte, dass die Mauer zwischen ihnen verschwunden war. Leider bewies ihr schon kurz darauf ihre Unterhaltung das Gegenteil. "Du hast Urlaub?" Es war der jungen Frau etwas peinlich, dass ihr das nicht aufgefallen war. Wenn er sogar in seinem Urlaub so viel arbeitete, wollte sie gar nicht wissen, wie es danach aussehen würde. Innerlich seufzte sie auf.
      "Das klingt so, als wäre es langweilig für dich. Meinst du nicht, dass wir etwas finden, was uns beiden Spaß macht?" Früher war es so leicht gewesen eine gemeinsame Unternehmung zu planen. Aber nun hatte Julia ständig Sorge, dass sie Carson zu sehr belasten würde. Das ganze erinnerte sie ein wenig an ihre erste Beziehung, in der sie auch immer alles falsch gemacht hatte.
      "Wir könnten nach der Messe noch etwas machen, was dir gefällt. Zum Beispiel ein großes Karamelleis essen." Es war kein besonders kreativer Vorschlag, aber Carsons Lippen auf ihrem Hals lenkten sie einfach zu sehr ab.
    • "Jap. Hab mir gestern welchen genommen. Was glaubst du, warum ich gerade hier sitze und nicht im Büro?"
      Ein weiterer Kuss folgte, diesmal auf Julias Schulter.
      "Ach was. Ich werd mich schon nicht langweilen. Der Buchhandel ist gerade wieder groß im Kommen, man kann eine Menge Geld verdienen, wenn man jetzt die richtigen Schritte macht. Ich wollte sowieso einen Davis-eigenen Verlag aufbauen, der komplett nur aus Self-Publishern besteht. Wäre ein prestigeträchtiges Pilotprojekt, dass es so noch nicht gibt, zumindest nicht hier im Land. Ich werde also ein oder zwei Augen auf ein paar der kleineren Independent-Autoren werfen, die dort einfach nur ihre Bücher loswerden wollen, um die Kosten der Produktion wieder reinzubekommen."
      Er drückte ihr einen weiteren Kuss in den Nacken.
      "Und wenn alles gut läuft, dann habe ich einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Weltherrschaft hinter mich gebracht. Das Karamelleis würde ich trotzdem nehmen."
    • Unbewusst lehnte Julia ihren Kopf nach vorne, als sie Carsons Lippen in ihrem Nachen spürte. Sie hatte es vermisst einfach nur so mit ihm auf dem Sofa zu sitzen. Ohne dass er arbeitet oder so aussah als würden ihm jeden Moment die Augen zufallen. Und vor allem ohne, dass er sie behandelte, als könnte sie zerbrechen. "Es gibt da sicher noch mehr als Bücher.", sagte sie und hoffte, dass dies der Wahrheit entsprach. Es gefiel ihr nicht, dass Carson schon wieder über seine Geschäfte nachdachte. Gerade in seinem Urlaub sollte er so etwas nicht tun. Aber die junge Frau hatte schon vor Wochen aufgegeben ihn davon überzeugen zu wollen, dass er zu viel arbeitet.
      "Weißt du...", setzte sie nach einer kurzen Pause an und drehte sich so weit herum, dass sie Carson ansehen konnte. "Ich fände es schön, wenn wir dort einfach nur als Pärchen hingehen würden und nicht als der Geschäftsmann, der einen Deal abschließen will und seine Freundin dabei hat."
    • Wie aus dem Nichts trafen Carson Julias wundervolle Augen. Er hatte sie in letzter zeit wirklich ein bisschen aus dem Blick verloren. Er lächelte sanft.
      "In Ordnung. Bloß ein Pärchen, dass sich nach ein paar Büchern und Autoren umsieht. Ich verspreche, niemanden an- oder abzuwerben oder in irgendeiner Form Geld für Geschäftliches auszugeben. Nur gucken, nicht anfassen."
      Carson machte ein bisschen Platz, damit sich Julia komplett herumdrehen konnte, und stützte sie mit ineinander verschränkten Fingern hinter ihrem Rücken. Für einen langen Augenblick sah er sie einfach nur an und nahm ihre Schönheit in sich auf. Es war das erste Mal seit dem ganzen Chaos im Februar, dass er vergessen konnte, was ihnen alles passiert war.
      Er überbrückte die wenigen Zentimeter, die sie voneinander trennten und küsste Julia innig und sehr viel länger als er es die letzten Wochen getan hatte. Sie hatte Recht. Er sollte wirklich die Arbeit Arbeit sein lassen. Er hatte sich Urlaub genommen, um mehr Zeit mir Julia verbringen zu können. Das war, was nun in seinen Fokus rücken sollte.
    • Julia lächelte, diesmal war es ein warmes und ehrliches Lächeln. Ein Lächeln, dass sich ganz allein auf ihr Gesicht legte, ohne dass sie sich anstrengend musste. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie Carson tatsächlich vermisst hatte. Der sanfte Ausdruck in seinen Augen, seine Umarmung, sogar die Art wie er sie küsste... in den letzten Wochen hatte sie beinahe vergessen, wie viel ihr diese Kleinigkeiten bedeuten.
      "Es wäre wie ein Date, oder?", fragte sie, während sie ihm ein paar Haare hinters Ohr strich. "Wir hatten schon lange kein klischeehaftes Date mehr. Wir könnten auch einmal wieder eine Stadtführung machen und ein paar kitschiche Souvenirs kaufen." Sie musste an ihr erstes Date mit Carson denken - zumindest ihr erstes gemeinsames Treffen, das sie als Date anerkannte. Sie hatte diese Vorliebe von ihm zuerst seltsam gefunden, aber trotzdem viel Spaß bei ihrem Ausflug gehabt. Und im Nachhinein fand sie diese Seite an dem Geschäftsmann sogar sehr niedlich.
      "Aber im Grunde ist es egal, so lange wir zusammen sind.", beendete sie ihren kurzen Gedankengang und küsste ihren Freund noch einmal.
    • "Das letzte Mal hatten wir eine Underground-Arts Führung, richtig?"
      Carson überlegte kurz.
      "Ich hab da mal eine Architektur Führung mit einer interessanten Route gesehen, wenn dich sowas interessiert. Ansonsten geht die Gangsters-and-Crime Führung immer."
      Wenn Julia eine Stadtführung haben wollte, dann war Carson sofort mit an Bord. Ein bisschen durch die Stadt laufen, den Kopf frei bekommen, das klang nach einer guten Idee.
      "Lass uns jeden Abend Date-Night haben", schlug er spontan vor, "Nichts großes, nur eben zusammen. Dann kannst du auch sichergehen, dass ich nicht arbeite, nicht einmal aus Versehen."
      In seinem Kopf ratterten bereits die Listen runter mit Dingen, die man gemeinsam als Date unternehmen konnte.
    • Es freute Julia, dass Carson ihre Idee gefiel. "Es klingt beides interessant. Vielleicht fangen wir mit der Gangster-Führung an und behalten die andere für später im Hinterkopf. Es klingt spannend und vielleicht kann ich mich dann mal von meinem aktuellen Buch-Genre losreißen und auf Krimis wechseln." Sie lachte leise.
      Einen Moment lang betrachtete sie Carson. Dann legte sie ihre Arme um seinen Hals und rutschte etwas näher an ihn heran. Auch wenn das zu ihrer vorherigen Position kaum einen Unterschied machte, wollte sie ihm gerne näher sein. "Ich habe nichts dagegen, sofern Date-Night auch bedeutet, dass wir einfach nur auf dem Sofa sitzen und Karamellbonbons essen oder wir zusammen kochen... oder besser, du kochst und ich versuche nicht im Weg zu stehen." Sie lächelte sanft. Es störte sie nicht, dass Carson in der Küche ein kleiner Tyrann war, da das Ergebnis jedes Mal köstlich war.
    • Carson grinste.
      "Filmabend steht zumindest auch auf der Liste der Dinge, die man bei einem Date tun kann", antwortete er, "Ich kann Ricardo für die ganze Woche frei geben, wenn du willst."
      Carson schlag seine Arme enger um Julia, um sie weiterhin halten zu können, aber auch aus dem gleichen Grund, aus dem sie näher an ihn herangerückt war. Er brummte wohlig, als ihm der Duft ihres Haars in die Nase stieg.
      "Es gibt zwei Dinge, die ich auf dieser Welt unglaublich gern rieche", sagte er, "Das eine ist natürlich Karamell. Das andere", er warf Julia neben sich auf die Couch und beugte sich über sie.
      Er küsste ihren Hals bis hinauf zum Ohr.
      "Bist du", beendete er seinen Satz.
    • Julia kicherte leise, es war ihr egal, dass die dabei vielleicht wie ein verliebter Teenager klang. Zum ersten Mal seit langem fühlte sie wieder die kleinen Schmetterlinge in ihrem Magen, die sie früher immer gespürt hatte, wenn Carson ihr eines seiner Komplimente machen. Auch wenn er dabei gerne übertrieb. Aber im Moment freute Julia sich einfach über die Aufmerksamkeit.
      "Ich hätte nichts dagegen, wenn wir eine Woche lang ungestört wären.", gab sie zu und sah zu Carson hinauf. Auch wenn er nicht mehr so muskulös war, war er in ihren Augen immer noch unglaublich attraktiv. Sie machte sich zwar manchmal Sorgen, da sie nicht verstand wieso er sein Sportprogramm komplett umgestellt hatte, aber es tat ihm eindeutig gut.
    • Carson grinste breit.
      Dann sprang er mit einem Satz von der Couch, lief hinüber zur Treppe und brüllte ins Erdgeschoss hinunter: "Ricardo! Mach, dass du nach Hause kommst! Ich gebe dir den Rest der Woche frei! Und grüß die Kinder von mir!"
      Man hörte, wie einige Küchenutensilien wieder weggeräumt wurden, dann antwortete Ricardo: "Gracias, Mr. Davis! Ich bin mir sicher, sie werden sich dafür bei Ihnen bedanken wollen!"
      Kurz darauf hörte man, wie die Tür geschlossen wurde. Carson kam zurück zum Sofa und legte sich gleich wieder halb auf Julia.
      "Besser?", fragte er mit verschmitztem Lächeln im Gesicht, ehe er sich vorbeugte, um Julia noch einmal innig zu küssen.
      Gott, wie er das vermisst hatte!