[2er RPG] Blood Kingdom

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    • "Du hast Recht", sagte David und wandte sich zu Emilia um, "Wir haben gerade erst angefangen."
      Er war sich ziemlich sicher, dass er noch nicht wieder vollständig wie er selbst aussah, aber das Monster hatte er definitiv wieder weggesperrt.
      Er streckte Emilia seine blutende Hand entgegen. Wenn sie das hier durchziehen wollte, dann würde sie sich auch daran gewöhnen müssen, direkt aus seinem Kreislauf zu trinken. Ein paar verwässerte Tropfen würden ihr nur wenig helfen. Sie brauchte das Zeug direkt von der Quelle. Seine heilenden Kräfte waren das Einzige, was David wirklich an seinem bestialischen Erbe mochte.
      Er sagte nichts. Emilia war stur. Wenn er ihr etwas aufzwang, dann würde sie sich nur weigern, es zu tun. Sie musste freiwillig zu ihm kommen.
    • Unterdessen presste sich Emilia mit ihrer gesunden Hand auf die Eintrittsstelle, wo gerade eben noch das Messer gesteckt hatte. Sogar durch den Stoff hindurch konnte sie spüren, wie ihr Blut der Erdanziehungskraft folgte und sich seinen Weg über ihren Arm bis hin zu den Fingerspitzen suchte.
      Das ist so absurd, dachte sie, kaum bot David ihr abermals seine Hand an. Kurz wunderte sie sich, dass seine eigens zugefügte Wunde noch nicht verheilt war. Dann musterte sie ihren Meister ehe sie ein beinahe genervtes Stöhnen von sich gab und dann mit ihrer zugesifften Hand seine zu packen. Sie war ganz offensichtlich nicht begeistert hiervon und wollte alles nur schnell hinter sich bringen. Da er ihr nie gesagt hatte in welchen Mengen man sein Blut konsumieren sollte, nahm sie nicht mehr als ein kleines Schnapsgläschen voll. Witzigerweise erwartete Emilia den widerwärtigen Geschmack von Eisen und Erde, Davids unverdünntes Blut wirkte sich jetzt allerdings eher wie Säure aus. Prompt nachdem sie den Schluck hinuntergewürgt hatte, brach sie auch schon in Reizhusten aus.
      Nope. Vergiss es. Bleib unten.
      Unweigerlich schüttelte sie sich und stellte für sich fest, dass sie nun einen weiteren Anreiz hatte, sich nicht weiter verletzen zu lassen. Denn gewöhnen würde sie sich an dieses Gefül sicherlich nicht. Als sie sich etwas beruhigt hatte, betastete sie ihre Schulter, die noch immer fröhlich Wasserfall spielte. Ihr Blick schweifte ganz kurz zu dem Schürrhaken an Davids Schmiede ab, berief sich jedoch auf was Besseres. So gut die Idee vom Veröden auch war - spätestens dann würde sie mit ziemlicher SIcherheit einfach ohnmächtig werden.
      Stattdessen knüllte sie ihr ohnehin schon versautes Oberteil an besagter Stelle etwas mehr zusammen, um es auf die Wunde zu drücken. Immerhin war David dieses Mal nicht wirklich ausgeflippt. Das musste sogar das eigensinnige Mädel anerkennen.

      Es waren vielleicht fünf Minuten, die Emilia so am Boden verbrachte und sich auf den pochenden Schmerz in ihrer Schulter konzentrierte. Zuerst bemerkte sie nichts ungewöhnliches, doch dann blinzelte sie ein paar Mal perplex. Sie nahm jetzt überdeutlich den Geruch ihres eigenen Blutes wahr, als hätte man es ihr direkt unter die Nase gerieben. Auch schienen die Bewegungen von David urplötzlich träger geworden zu sein, als bewege er sich nur noch halb so schnell.
      "Was zum...", murmelte sie während sie David immer intensiver beobachtete. Ihre Hand glitt ab von dem Knüll an ihrer Schulter und im nächsten Moment spürte sie die Kälte von Stahl in ihren Fingern. Mechanisch schlossen sich ihre Glieder um den Griff des Messers, mit dem David sie abgeworfen hatte. Ihr fiel selbst auf, dass sie David wie im Tunnelblick sah. Langsam stand sie auf wobei sie bemerkte, dass sich ihre eigene Haltung völlig verändert hatte zu ihrer üblichen ungeübten Statur. Sie ignorierte ihre Schulter völlig, stand etwas gekauert da und starrte David an, als wäre das Böse in Person. Nun völlig verwirrt über den Kontrollverlust bemerkte sie den Nebel, der sich regelrecht vor ihrer Sicht bildete. Sie wusste ganz genau, dass hier gerade etwas ganz gewaltig schief lief und dass es sich nicht um den Einfluss von Jemanden handelte. Sie schaffte noch eine gedankliche Erkenntnis, bevor ihr das Licht ausging. Es ist sein Blut.
      Im nächsten Moment war Emilia schon nach vorne gehechtet und sprang David von hinten hin. Völlig routiniert trat sie ihm mit aller Kraft von hinten in beide Kniekehlen, legte ihren dominanten Arm um seinen Hals und riss ihn hinten über. Sie machte nicht einmal ein Geräusch, als sein volles Gewicht auf ihren Körper traf, sondern schlang ihre Beine fest um seine Taille. Ihren Arm hatte sie so hochgerissen, dass sie ihn bereits würgte, das Messer noch immer in der Hand. Sie atmete schwer neben seinem Ohr. Das Messer drehte sich bis sie noch immer das Heft in der Hand hatte, die Schneide aber zu seiner Kehle zeigte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • David hatte nicht damit gerechnet, dass Emilia doch noch zu einem Angriff übergehen würde. Er hatte eher erwartet, dass sie diese kleine Niederlage in sich hineinfressen und beim nächsten Mal mit voller Wut zuschlagen würde. Aber sie überraschte ihn mit ihrem Tritt in die Kniekehlen. Er hatte sie nicht gehört und ihren Geruch erst wahrgenommen, als sie schon direkt hinter ihm gestanden hatte. Sie agierte schnell und präzise. Sie war so gut, dass er sich fragte, woher sie das hatte. Er hatte es ihr nicht beigebracht - noch nicht. Er fühlte sich darin bestätigt, das Potenzial eines Jägers in ihr gesehen zu haben. Zeitgleich war es ein bisschen beängstigend, wie gut sie bereits war, wenn ihre Instinkte übernahmen.
      Er spürte den kalten Stahl an seiner Kehler, sein Nacken schmerzte ein bisschen, so schnell hatte sie seinen Kopf zurückgerissen. Aber jetzt machte sie den Fehler, ihm Zeit zum Handeln zu geben. Und sie hatte seine Arme nicht ausgeschaltet. Es war ein leichtes, ihr Handgelenk zu greifen und so zu verdrehen, dass sie instinktiv losließ und das Messer klirrend zu Boden fiel. Als nächstes griff er nach dem Arm um seinen Hals, aber nicht, um ihn von dort zu lösen, zumindest noch nicht. Stattdessen stemmte er die Füße gegen den Felsboden der Höhle und drückte Emilia mit seinem eigenen Gewicht fester gegen den kalten Stein, ehe er mit einem kräftigen Sprung wieder auf die Beine kam. Den Schwung nutzte er, um Emilia über seinen Kopf abzuwerfen. Aufgrund der Tatsache, dass er ihren Unterarm noch immer fest umklammerte, verdrehte er ihr den Arm. Mit einem Ruck zerrte er sie dann wieder zu sich, den Arm auf den Rücken. Jetzt war er an der Reihe, seinen Arm um ihre Kehle zu legen. So nah an ihrer blutgetränkten Kleidung war es schwer, nicht die Kontrolle zu verlieren.
      Er hielt sie ein paar Sekunden in dieser für sie unbequemen Haltung, dann schubste er sie nach vorn von sich weg. Jede ihrer Bewegungen beobachtete er nun wie ein Raubtier auf der Jagd. Würde sie endlich aufgeben? Oder würde sie noch einen Angriff starten? Er konnte sich nicht sicher sein. Irgendwas war anders an ihr.
    • Etwas ungelenk stolperte Emilia vorwärts nachdem David sie endlich freigegeben hatte. Noch immer schwieg sie und musterte ihre Beine, die mittlerweile begonnen hatten, rigoros zu zittern. Sie schnalzte missgelaunt mit der Zunge - ein Geräusch, das sie sonst nie von sich gab. Ganz offensichtlich war sie nicht damit zufrieden, was sie bisher aus ihrem Körper herausholen konnte. Unlängst hatte sie erkannt, dass sie wie bereits angedacht in reiner Körperkraft nicht an ihn heranreichen würde. Deswegen hatte sie sich darauf konzentriert, was als nächstes kommen mochte, und noch vor dem verdrehten Arm auf ihrem Rücken ihre Schulter durch Davids vorhergegangenen Schwung selbst auszukugeln. Schließlich wusste man ja nie, ob man einen kleinen Trick benötigen konnte, um sich freizumachen.
      Nun zischte sie doch, als sie das Gelenk wieder zurückspringen ließ. Es sah so aus, als ginge sie geplagt durch den Schmerz in die Hocke. Stattdessen hatten ihre Augen etwas Nützliches entdeckt, das sie fluchs einsammelte und beim Aufstehen David direkt ins Gesicht warf. Eigentlich wollte sie einen Stein werfen, aber eine dreckige Glasscherbe sollte genauso gut funktionieren. Ihr Wurf ging flüssig in eine Vorwärtsbewegung über, den Blick schon in weiter Ferne auf weitere Schandtaten gerichtet. Doch bevor sie auch nur zwei Meter gut machen konnte, knickten ihr die Beine weg, gefolgt von einem überraschten Blick ihrerseits. Mit ihren ausgetreckten Händen stoppte sie den Fall, der harte Boden mit seinen spitzen Steinchen gruben tiefe Furchen in ihre Handinnenflächen. Man konnte von außen schon sehen, dass ihr Geist noch immer am kämpfen war, ihr Körper allerdings alle Segel strich. Was auch immer mit dem Mädel nicht stimmen mochte - ihr eigenen Körper hielt die Strapazen nicht aus.
      Mit einem leisen "Uff" klatschte sie einfach auf dem Boden auf und blieb nach Luft ringend liegen. Ihre Augen waren aufgerissen, so wie ein Fisch am Land, der keine Luft mehr bekam. In ihrem Fall erhielt nur ihr Bewusstsein langsam wieder die Kontrolle und dementsprechend überrollte sie der Schmerz und die Anstrengung wie eine meterhohe Welle. Leider war es ihr nicht vergönnt, das Bewusstsein wieder zu verlieren, und so harrte sie erst einmal wie ein nasser Sack am Boden aus.

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    • David sah die Glasscherbe kommen. Nicht die eigentliche Handlung von Emilia, aber den eigentlichen Weg, den das Ding durch die Luft zurücklegen musste. Emilia hatte erstaunlich langsam geworfen. Und kaum war David dem Schrapnell ausgewichen, da sah er auch schon, warum. Er beobachtete, wie Emilia zusammenbrach, wie ihr Sturkopf sich gegen die körperliche Erschöpfung wehrte und verlor.
      Er nahm sich ein paar Sekunden, um durchzuatmen und sich selbst zu beruhigen. Der Kampf war vorbei.
      Mit ein paar wenigen Schritten war David bei ihr. Er rieb ihr sanft über den Rücken, um ihrer Atmung zu helfen.
      "Ruhig. Nicht in Panik geraten, das macht es schlimmer", sagte er.
      Nachdem er sicher war, dass sie ihm nicht einfach ersticken würde, befühlte er kurz ihre Schulter. Er hatte das Knacken gehört und das Zucken ihres Augenlids gesehen, als sie sich das Gelenk wieder eingerenkt hatte. Alles war da, wo es hingehörte. Auch die Stichwunde hatte sich mittlerweile geschlossen. Nach seinem kurzen Check-Up seiner Schülerin hob er sie vorsichtig hoch und trug sie in seine kleine Hütte, wo er sie bedächtig auf seinem Bett ablegte und zudeckte.
      "Du hast dich gut geschlagen", sagte er, während er ihr etwas zu trinken holte, was er neben das Bett stellte, ehe er sich zu ihr setzte.
      Er hatte auch eine Schüssel voll Wasser geholt und einen Lappen, mit dem er Emilia jetzt den Dreck aus dem Gesicht und von den Händen entfernte. Er würde nicht so weit gehen, unter ihr Hemd zu greifen und ihre Schulter vom Blut zu säubern, aber man musste ja nicht mit Stein und Metallstaub auf der Haut schlafen.
      "Ich weiß schon, warum ich dich ausbilde. Aber jetzt ruh dich aus. Das, was heute passiert ist: Das war erst der Anfang. Von hier an wird es nur schlimmer."
    • Im ersten Moment war es für Emilia seltsam, wie David ihr schlaffes Selbst hochhob und anstatt ihrer Erwartung, sie über die Schulter zu werfen, in seinen Armen zur Hütte trug. Ihr Kopf lehnte an seinem Schlüsselbein, noch immer wirkten alle Gerüche überdeutlich auf ihre Sinne. So auch sein Eigengeruch, der ihr aktuell allerdings recht beruhigend vorkam.
      Mit Mühe robbte sie unter Decke etwas zurecht bis sie eine angenehme Position gefunden hatte. Fast die gesamte Zeit über waren ihre Lider geschlossen, so fertig war sie. "Es fühlt sich an, als wäre jede Faser gerissen", murmelte sie leise und schaffte nicht mal ein Augenbrauenzucken, als ihre Handinnenflächen durch das Säubern zu brennen begannen.
      Ein müdes angedeutetes Lächeln tauchte auf den Lippen des Mädchens auf, kaum spürte sie den Lappen im Gesicht. Sie musste furchtbar aussehen, dass er es für nötig hielt, sie sauber zu machen. Ohne wirklich darauf zu achten stahl sich eine ihrer Hände auf Davids Oberschenkel, wo ihre Finger ganz leicht eine steichelnde Bewegung vollzogen. Eine Geste des Wohlbefindens, die sie nicht bewusst ausführte.
      "Ab einem Punkt weiß ich nicht mehr, was ich getan hab. Du hättest mir sagen können, dass Vampirblut Menschen durchdrehen lässt...", nuschelte sie weiter, "aber schlecht warst du auch nicht... bist gar nicht abgedreht bei dem ganzen Blut und so..."

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    • "Gewöhn dich dran", sagte Davon bloß und fischte in bisschen Dreck aus Emilias Haar.
      Er hatte sein Bestes getan, sie zumindest vom gröbsten zu befreien. David nahm Emilias Hand von seinem Oberschenkel. Für einen Moment beobachtete er, wie die Schürfwunde sich langsam schloss. Unmöglich, das mit menschlichen Augen zu sehen. Aber er konnte es wahrnehmen. Er beugte sich vor und berührte eine der blutigen Stellen mit den Lippen. Der Geruch allein war eine volle Breitseite, aber er hielt stand und zwang sich dazu, weiterzuatmen. Als er sich wieder aufrichtete, waren seine Augen wieder schneeweiß, seine Reißzähne voll ausgefahren.
      "Wir werden beide Trainieren. Du wolltest doch das Monster zähmen. Hier hast du deine Chance", sagte er mit seiner seltsam verzerrten Stimme.
      Er konnte nicht anders, als die wenigen Tropfen von Emilias Blut von seinen Lippen zu lecken, was sämtliche seiner Sinne sofort beflügelte wie er es schon lange nicht mehr gespürt hatte.
      "Aber jetzt solltest du dich ausruhen. Auch eine beschleunigte Heilung verlangt deinem Körper viel ab. Mehr sogar als eine normale, weil mehr Nährstoffe auf einmal verbraucht werden. Einziger Vorteil: Du wirst den besten Schlaf deines Lebens schlafen, weil du schlichtweg zu erschöpft bist, um aktiv irgendeinen Quatsch zu träumen."
      Er stand auf und räumte die Schüssel mit dem Wasser weg.
      "Aber du hast gut reagiert, als du unter dem Einfluss meines Blutes warst", sagte er, den Rücken zu Emilia gewandt, "Du hast den Jäger rausgelassen. Das zeigt, dass du dafür geboren wurdest."
    • Durch einen schmalen Schlitz zwischen ihren Lidern sah Emilia Davids Gesicht und wie sich wieder seine Augen wandelten. Ihre Erschöpfung war allerdings so groß, dass sie nicht einmal mehr Angst, Sorge oder eine andere Emotion hervorbringen konnte, die auch nur einen winzingen Hauch an Energie benötigte. Langsam und stetig fühlte sich ihr Körper immer schwerer und träger an, sodass sie irgendwann nichts mehr groß erwiderte. Kurz bevor ihr Lidspalt zufiel, sah sie ihren Lehrmeister noch aufstehen und gehen.
      "Freut mich, dass du endlich ein Stück Nähe zurückgewonnen hast", sagte sie für jedes menschliche Ohr unhörbar leise bevor sie dem Schlaf nachgab.

      David hatte natürlich in allen Belangen recht gehabt. Als Emilia das nächste Mal die Augen öffnete, brauchte sie einen Moment zum Realisieren, wo sie sich gerade befand. Es war duster in seiner Hütte, jegliches Zeitgefühl war ihr abhanden gekommen. Sie blinzelte mehrmals, konnte aber niemanden im Raum entdecken. David war wohl ausgeflogen.
      Langsam setzte sie sich auf, streckte sich ein wenig und befühlte ihre Schulter. Nicht nur, dass der Stoff eine ganz neue Art von Panzer gebildet hatte, das Gleiche tat auch das verkrustete Blut. Etwas angewidert entledigte sie sich erst einmal des Oberteils, von dem sie nicht mal wusste, ob man das noch retten konnte. Darunter hatte sie sich ein Tuch um ihre Oberweite gebunden als BH-Ersatz. Dieses war glücklicherweise nicht ganz so extrem in Mitleidenschaft gezogen worden.
      Leise setzten ihre Füße auf dem Boden auf und bescherten ihr einen leichten Kälteschauer. Sie wusste noch, wo Davids Wasserfass stand und füllte sich etwas daraus ab. Zusammen mit einem Lappen vom Tisch kehrte sie zum Bett zurück und begann sich die Kruste vom Leib zu wischen. Es erstaunte sie immer noch, dass bei genauerem Betrachten sich bereits Narbengewebe an der Stichwunde gebildet hatte. Jetzt, so sie mehr oder weniger wieder wach war, konnte sie sich immer noch den Kopf darüber zerbrechen, was genau da gestern? Vorgestern? geschehen war.

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    • Da David sich ungefähr vorstellen konnte, wie erledigt Emilia sein würde, wenn sie wieder zu sich kam, hatte er ihr ein reichhaltiges Frühstück neben das Bett gestellt, nachdem er draußen vor seiner Hütte aufgeräumt hatte. Dazu gehörte hauptsächlich das Beseitigen von Blutflecken. Danach hämmerte er noch ein wenig auf dem Schwert herum, das er schmiedete. Perfektionieren würde er es nicht, dafür musste der zukünftige Nutzer erstmal bei ihm aufschlagen. Das sollte aber noch eine Weile dauern. Nach zwei weiteren Stunden, die er mit schmieden verbrachte, legte er sein Werkzeug dann schließlich beiseite, wischte sich Ruß und Schweiß bestmöglich aus dem Gesicht und tat es Emilia gleich. Wie angekündigt schlief er auf dem Dach. Er hatte sich bloß den Luxus eines Kopfkissens erlaubt und schlief auf dem Bauch, um dem brennenden Schmerz seiner Brandwunden zu entgehen.
      Einschlafen war schon immer so eine Sache gewesen. David zwang sich dazu, einem menschlichen Tagesrythmus zu folgen, indem er wach war, wenn die Sonne schien und schlief, wenn der Mond am Himmel stand. Seine Genetik gebot ihm das genaue Gegenteil, aber er wehrte sich mit Haut und Haaren. Aber als er so da oben lag, nur eine Steinplatte von Emilia entfernt, konnte er nicht anders, als ihrem schlagenden Herzen zu lauschen und sich zu fragen, wie lange er selbst würde durchhalten können. Heute hatte er sich herausragend geschlagen, aber er hatte sich auch gerade erst genährt, um sich von seinen eigenen Verletzungen zu erholen. Wie würde das erst in ein paar Tagen aussehen, wenn er wirklich ausgehungert war? Würde er dann die Willensstärke aufbringen können, nicht zuzubeißen? Er wusste es nicht.
    • Das reichlich bestückte Frühstück neben ihrem Bett entdeckte Emilia erst etwas später. Kaum hatte sie es gesehen, fing ihr Magen auch schon an, sich praktisch selbst zu verdauen. Im hinteren Bereich des Raumes hatte sie ihren Rucksack auffinden können, den David wohl auch hereingetragen hatte, und konnte sich so zumindest mit einem neuen Oberteil ausstatten. Das gesammelte Frühstück in den Armen verließ sie die Hütte, um sich vor dem Eingang auf den Boden zu setzen und sich über das Essen herzumachen.
      Währenddessen dachte sie nach. In der Zeit, an die sie keinerlei Erinnerungen besaß, musste sie ganz ordentlich performt haben. Zumindest sagte das Davids Lob aus. Das Problem hierbei war nur, dass es völlig ohne ihr Zutun passiert war und sie zu keinem Zeitpunkt hatte eingreifen können. Nur angenommen, sie hätte ihren Meister auch nur ungünstig erwischt, hätte sie vermutlich bis zum Ende durchgezogen. Und das ging gar nicht. Sie bezweifelte, dass diese Könnenssteigerung ausschließlich ihrem naturgegebenen Talent zuzuschreiben war. Sarah hatte einst erwähnt, dass die Vampire in jungen Jahren irgendwelche Tests an ihrer Tochter durchgeführt haben mussten. Sie war sich sicher, dass es hiermit zutun haben musste.
      Emilia nahm plötzlich ein leises kratzendes Geräusch wahr, so wie Stoff über Stein schabte. Nur ganz kurz und leise, von oben herab. Folglich hatte David wirklich auf dem Dach campiert. Sie seufzte.
      "Danke für das Frühstück. Du kannst übrigens ruhig mit in der Hütte schlafen, wir sind doch alle erwachsen,ja?", grinste sie und war froh darüber, dass sie nicht lauter reden musste, damit er sie hörte, "Das hab ich mich gestern schon gefragt, aber für wen machst du da eigentlich das neue Schwert?" Sogar ihr war aufgefallen, dass die Klinge, die er noch auf dem Amboss liegen hatte, nicht zu seiner Größe zu passen schien. Gleiches galt für sie selbst, wodurch sie schlussfolgerte, dass es für einen Dritten bestimmt war. Das war natürlich interessant weil sie bisher immer davon ausgegangen war, dass David sein Einsiedlerdasein eiskalt durchzog.

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    • David gähnte herzhaft und setzte sich auf. Er war müde. Wie immer hatte er nicht besonders gut geschlafen.
      "Erwachsen, ja. Aber wir sind beide Raubtiere, die man nicht in den gleichen Raum stecken sollte."
      Er streckte sich, zuckte kurz aufgrund seines Rückens zusammen, dann ließ er sich von seinem Dach rutschen und landete genau neben Emilia. Nach einer kurzen Musterung kam David zu dem Schluss, dass es der ganze Stress von gestern wert gewesen war. Emilia sah gut aus. Ziemlich erledigt, aber keine offenen Wunden mehr. Morgen würde man nicht einmal mehr sehen, dass sie abgestochen worden war.
      "Wie geht's dir?", fragte er, "Dein erstes Mal auf unverdünntem Mischlingsblut. Muss ein Erlebnis gewesen sein."
    • Es war eines der ersten Male, wo Emilia nicht erschrak, wenn David von irgendwoher plötzlich auftauchte. Wenigstens einen Teil dieser schreckhaften Natur hatte sie bis jetzt ablegen können. Raubtiere? Schwachsinn. Er ja, aber ich nicht. "Ich hätte eher Sorge, dass du mich auffrisst als ich dich."
      Von ihrem Sitzplatz aus schielte Emilia zu David hoch. Er sah für seine Verhältnisse echt platt aus. Sie wusste nicht, was er die Zeit über getrieben hatte. Doch sie schrieb es dem Nächtigen auf dem Dach zu, weshalb er so fertig aussah. Prompt meldete sich ein schlechtes Gewissen in ihrem Bauch.
      "Mir geht's faaaantastisch", zog sie das Wort in die Länge, "aber wie gesagt kann ich mich an den Hauptakt nicht erinnern. Wenn du so durchdrehst wie ich, wenn du Menschenblut trinkst, dann Prost Mahlzeit. Da wird's aber noch eine ganze Weile dauern bis ich dich dann davon abhalten kann, mich umzunieten." Sie schwenkte den Becher mit dem Wasser, den sie sich vorhin geholt hatte, mehrmals hin und her und fügte dann resigniert hinzu: "Du solltest wirklich mit rein kommen, wenn du auf dem Dach so scheiße schläfst..."
      Dann huschte ihr Blick wieder zum Amboss. "Nun. Für wen ist denn dein neues Schätzchen gedacht?"

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    • "Fressen wirst du mich nicht, aber dein innerer Jäger steht meinem in nichts nach."
      David stand auf und schlenderte zu seinem unfertigen Werk hinüber. Er hob es auf und schwang es ein paarmal hin und her. Es war so perfekt, wie es sein konnte, ohne den richtigen Träger zu kennen.
      "Ich habe so das Gefühl, dass deine Instinkte in der Familie liegen. Noch hat der Knirps Angst vor mir, aber er zeigt bereits die Sturheit seiner Schwester", erklärte er und deutete mit der Spitze des Schwertes auf Emilia, während er sich seine Genauigkeit beim Bearbeiten der Klinge ansah, "Eines Tages wird er bei mir aufschlagen. Oder bei dir, sollte ich weiter gezogen sein. Er wird eine Waffe brauchen, die ihm treue Dienste leistet."
      Mehr konnte er mit dem Brocken Metall nicht anfangen. Er stellte es an die Seite seiner Hütte und kehrte zu Emilia zurück.
      "Du musst dich in Kontrolle üben. Du kannst deinen inneren Jäger nur nutzen, wenn du ihn kontrollierst, nicht er dich."
      Er reichte ihr seine Hand, um Emilia auf die Füße zu ziehen. Nur, weil sie nicht fit war, hieß das nicht, dass sie nicht trainieren würden. Gerade jetzt mussten sie weitermachen.
    • Dieser Gedanke gefiel Emilia nicht nur sondern zauberte ein breites Grinsen in ihr Gesicht. Ihr kleiner Bruder als Schüler? Ein gefährliches Geschwisterpärchen? Nein wie niedlich.
      "Sturheit der Mutter, Instinkte des Vaters", korrigierte sie David und nahm seine Hand an, als er ihr aufhalf. "Ich wusste bis gestern nicht mal, dass er existiert. Aber hey, ich hab immerhin einen ziemlich guten Lehrmeister, was Kontrolle betrifft."
      Ihr Grinsen war immer noch da obwohl sie ganz genau wusste, dass es keine Schonfrist geben würde. Irgendwie schien das Wissen darüber eine Art der Euphorie in ihr auszuschütten. Das Einzige, um was sie betete, war ihr Frühstück und das es dort bleiben mochte, wo es gerade war.
      "Gut, wie geht's weiter? Darf ich mein Essen noch verdauen, bevor du mich wieder verprügelst? Das wäre nett..." Sie rollte nebenbei ihre Schultern etwas aus und spürte noch immer, wie ihre verwundete Haut spannte. Spannen war gut - das zeugte immerhin von einer Nutzbarkeit.

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    • "Ich werde nicht nur die Scheiße aus dir rausprügeln, Emilia. Um ein Jäger zu werden braucht es weitaus mehr."
      Er reichte ihr einen Stoffstreifen und bedeutete ihr, sich selbst die Augen zu verbinden. Dann positionierte er sie auf offenem Gelände.
      "Behalte das Gleichgewicht, behalte die Orientierung und verhindere, dass ich dich antippe", lauteten seine Anweisungen, ehe er ein paar Schritte zurück machte und einen Augenblick abwartete.
      Sie hatten diese Übung schon einmal gemacht, aber damals hatte es nur dem zeck gedient, Emilia beizubringen, Vampire zu orten und ihnen zu entkommen. Jetzt sollte sie Angriff vorhersehen und abwehren, anstatt davon zu laufen. Heute war es nur antippen, aber David würde das Tempo sehr bald anziehen. Gegen Mittag, um genau zu sein. Emilia brauchte die Energie ihres Frühstücks. Es wäre kontraproduktiv, es aus ihr herauszuprügeln.
      David griff auf seine Talente zurück und bewegte sich absolut lautlos. Er tippte Emilia am Ellenbogen an, wich ihr aus, dann berührte er ihr Knie. Er ging auf Abstand und zählte innerlich bis zehn, ehe er eine Runde um sie herum schlich und ihr schließlich gegen das Ohr schnickte. Es war ein stummes Katz und Maus Spiel, das auf den ersten, sogar auf den zweiten Blick absolut sinnlos erschien. Aber im Ernstfall würde das den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.
      Es ging eine Weile hin und her. David änderte stets die Taktik. Mal berührte er Emilia innerhalb weniger Sekunden, mal tat er minutenlang gar nichts. Nach etwa einer Stunde bewegte er sich nur noch innerhalb eines Meters von ihr. Er nutzte ihre eigenen Sinne, um sie auszutricksen. Ein lautes Atmen hier, ein gezielter Tritt auf einen Kieselstein da. Schlussendlich wich er hinter sie, schob seine Arme unter ihren Achseln hindurch und verschränkte seine Finger hinter ihrem Kopf, um sie handlungsunfähig zu machen.
      Ganz dicht neben ihrem Ohr sagte er: "Du bist in den letzten sechzig Minuten dreiundvierzig mal gestorben."
      Ohne sie aus seinem Griff zu entlassen öffnete er die Augenbinde, die er zu Boden fallen ließ.
      "Befreie dich."
    • Sollte nochmal jemand behaupten, dass Herumstehen und angespannt Lauschen nicht anstrengend war, dann würde Emilia ihn nach allen Regeln der Kunst in Grund und Boden stampfen. Zuerst musste sie nämlich auch noch grinsen, als sie sich an das erste Mal erinnerte, wo sie das geübt hatten. Doch spätestens nach fünfzehn Minuten war das Grinsen einem sehr schmalen Strich an Stelle ihrer Lippen gewichen. Im Gegensatz zu damals hatte sie weder Schwierigkeiten mit dem GLeichgewicht noch mit der Orientierung. Sie wusste ganz genau, wie weit sie von der Hütte weg war oder wo die nächste Wand begann.
      Viel zu schnell spürte Emilia wieder den Frust in sich aufkeimen, der mit jedem Stuppser schlimmer wurde. Zwar stellte sie selbst fest, dass sie mit jeder Minute den Eindruck gewann, spüren zu können wenn er ihr näher kam aber es reichte nie um ihn auch nur einmal zu berühren. Irgenwann zischte sie deutlich frustriert laut auf ehe sie den Frust gedanklich mit ihrer Faust zerquetschte. Frusten hatte noch nie geholfen, also musste dieser Balast schon mal weg.
      Nach besagter Stunde war sie noch immer hochkonzentriert und alles andere als gefrustet. Endlich hatte sie David zumindest berühren können bevor er sie antatschte. Diesem fast schon tranceartigem Zustand war es geschuldet, dass sie doch zusammenzuckte, als er sie packte. "Du zählst gerne mit, hm?", stichelte sie wobei es sie überraschte als ihre Augenbinde zu Boden fiel. Sie musste etliche Male blinzeln, bis das fahle Licht nicht mehr in ihren Augen stach.
      Wie immer schätzte Emilia kurz die Lage ein bevor sie auch nur einen Handschlag unternahm. Er sagte, sie solle sich befreien. Das würde klappen. Er sagte nicht, sie solle ihn angreifen. Das würde sie auch hinkriegen. Denn wie sie es bereits vermutet hatte spürte sie nichts von dem, was ihr gestern nach Davids Blut widerfahren war. Etwas pikiert befürchtete sie, dass sie diese Instinkte ohne Trigger nicht auslösen können würde. "Wenn's nur ums Rauskommen geht, dann spring' ich dich nicht direkt an,ja?" Es klang allerdings mehr wie ein Hinweis als eine Frage.
      Dann atemte Emilia tief aus und ließ ihre Beine den Dienst quittieren. Zur eigenen Verwunderung funktionierte das Abtauchen wunderbar und sie zog schnell die Arme von oben hinterher, damit er sie nicht greifen konnte. Ein paar Schritte tauchte sie weiter nach vorne ab und drehte sich anschließend zu David um. Statt der üblichen Haltung war ihr rechter Fuß bereits etwas quer nach hinten verstellt. Nur für den Fall, dass er sie ansprang und nicht umgekehrt.

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    • David zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er versuchte gar nicht erst, Emilia weiterhin festzuhalten. Ihre Flucht war praktisch, aber wenig elegant, und sie brauchte zu lange, um wieder auf die Beine zu kommen. Daran würden sie auch noch arbeiten.
      Er beugte sich vor und hob die Augenbinde wieder auf. Er steckte sie weg, ganz friedlich. Er griff sich einen kleinen Sack voller murmeln aus Metallresten. Das Säckchen lag schwer in seiner Hand. Diese Dinger hatten schon lange keine Verwendung mehr für David, aber er wusste auch nicht, was er sonst mit ihnen tun sollte. Irgendwann hatte er sicherlich genug, um irgendetwas praktisches daraus zu formen. Für den Augenblick aber würden sie ihm helfen, Emilia zu trainieren.
      "Fang", sagte er schlicht und schnickte die erste Metallmurmel mit nur zwei Fingern in Emilias Richtung.
      So hatten sie nicht genug Kraft, um Knochen zu zertrümmern. Blaue Flecken würden sie dennoch hinterlassen und wenn Emilia nicht vorsichtig war, dann würde sie auch die ein oder andere Platzwunde erleiden, dort, wo ihre Haut direkt über dem Knochen lag.
    • Emilias Mienenspiel musste köstlich von außen betrachtet aussehen. Zuerst konnte man erkennen, wie sich ihre Augenbrauen etwas zusammenzogen, als sie das kleine Säckchen musterte. Dann sah man die Skepsis kaum hatte sie die Metallkügelchen als solche erkannt. Es folgte ein perplexer und dann beinahe vorwurfsvoller Blick nachdem die erste Kugel geflogen kam. Anstatt die Kugel zu fangen, wehrte sie sie mit dem Handballen aus Reflex ab. Sofort fluchte sie leise und knetete sich den Handballen. "Ernsthaft? Metallkugeln? Damit kannst du Leuten die Augen ausschießen", bemerkte sie anklagend und erntete direkt die nächste Kugel, die von ihrem Oberschenkel kurz oberhalb des Knies abprallte.
      "Shit, das ist schlimmer als Schläge", murmelte sie zu sich und starrte ihren Peiniger an, "na komm schon. Wirf die nächste... los..."
      Jetzt doch extrem ambitioniert fing sie tatsächlich die nächste Kugel. Obwohl sie sich nicht sicher war ob die Kugel ihren Handteller durchbohrt hatte oder nicht bis sie sicherheitshalber nachgesehen hatte. Leider gingen dann die Pferde mit ihr durch, sie wurde wieder etwas übermütig und direkt dafür bestraft. David schnippste die Nächste in einem unglücklicheren Winkel für seine Schülerin, die etwas zu lange über ihre Aktion nachdachte. Mit einem dumpfen Geräusch prallte die Kugel von ihrem Schlüsselbein ab und jagte einen Schmerz durch ihren Körper, der sie kurz in die Knie zwang. Für's Fluchen nahm sie sich keine Zeit weil sie die nächsten Kugeln befürchtete. Deshalb blendete sie Platzwunde am Schlüsselbein einfach aus ebenso wie der warme Rinnsal, der ihr nächstes Oberteil bedrohte.

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    • Auch bei dieser Übung variierte David in der Geschwindigkeit und Härte seiner Angriffe. Emilia schaffte es, die langsameren zu fangen, aber sie fing sie frontal, sodass sie immer noch Schmerzen dabei hatte. Sie würde schon von allein auf den Trichter kommen, wie man das zu machen hatte. David wusste, dass er es ihr auch einfach verraten könnte, aber Emilias stures Ego würde das nicht zulassen. Sie musste es selbst herausfinden oder von allein fragen.
      Als das Säckchen leer war, forderte David seine Schülerin dazu auf, die Kugel einzusammeln. Er bewarf sie nicht sofort wieder damit, kaum dass sie sie alle gefunden hatte. Stattdessen streckte er ihr wieder die Augenbinde hin.
      Diese Runde beschränkte er sich aber nicht mehr nur auf das Antippen. Jedesmal, wenn er an Emilia herantrat, verpasste er ihr einen unsanften Klaps. Nichts allzu schmerzhaftes und er mied auch die Stellen, an denen er Emilia härter getroffen hatte, dennoch ließ er durchscheinen, dass er vorhatte, bei jeder Wiederholung ihres heutigen Programms aggressiver zu werden. Am Morgen hatte er sie noch geschont. Jetzt, um die Mittagszeit, ließ er das fallen.

      Es ging den ganzen Tag hin und her. Die Übung mit der Augenbinde wechselte sich mit den Kugeln ab. Gegen Nachmittag war David dazu übergegangen, richtig zuzuschlagen und zu treten, wann immer er Emilia nahe kam und sie ihn nicht aufhielt. Die Kugeln schnickte er zwar immer noch, jedoch mit schier tödlicher Präzision um genau dort zu treffen, wo es Emilia in der nächsten Runde beeinträchtigen würde. Er nutzte aktiv ihre größer werdenden Schwächen aus und gab ihr lediglich genug Pausen, um nicht zu dehydrieren.
      Erst am Abend, als Emilia wieder alle Kugeln eingesammelt hatte und ihre Hand bereits nach der Augenbinde ausstreckte, schüttelte David den Kopf und beendete ihr heutiges Training, indem er ihr einen Becher mit Wasser und ein paar Tropfen seines Blutes reichte. Nicht genug, um das von gestern zu wiederholen, aber mit ihren Prellungen würde es schon helfen.
      "Wie fühlst du dich?", fragte er überraschender Weise, als er Emilia den Sack mit den Kugeln abnahm und ihn zusammen mit der Augenbinde wieder wegräumte.
    • Es war zum Mäusemelken. Mittlerweile war Emilia in Lage von Außen zu reflektieren, wie sie sich schlug. Über den Tag hinweg sah sie immer mehr, wie sich Nuancen in ihrer Herangehensweise und Technik veränderten aber zeitgleich auch die ganzen Blessuren, die David ihr immer gezielter zufügte. Nicht einmal jammerte sie über die Art, wie das Training ablief. Nur waren die Erfolge, die sie manchmal ganz kurz blitzen sah, für ihren Geschmack zu klein. Was erwartete sie eigentlich, innerhalb eines Tages würde sie die Welt nicht auf den Kopf stellen können.
      Mit einem Nicken nahm sie den Becher an, den David ihr hinhielt, und nahm direkt einen tiefen Schluck. Ganz schwach schmeckte sie wieder das Eisen, das nicht zu ihr gehörte. Auf seine Frage hin antwortete sie nur schlicht: "Unfähig. Total unfähig aber was erwarte ich schon nach einem Tag?"
      Sie erlaubte ihrem Körper, die noch immer vorhandene Spannung endlich fallen zu lassen. Ihre Muskelfasern vibrierten wieder, weshalb sie sich einfach an der Hüttenwand auf den Boden rutschen ließ. Sie traute sich gar nicht, ihren Körper zu untersuchen. Wahrscheinlich war sie jetzt mehr blau als hautfarbend unterwegs, ganz zu schweigen von den wenigen roten Stellen, die mal Prellungen werden wollten. "Wüsste ich's nicht besser würde ich behaupten, du Spaß daran, Mädchen zu verhauen", meinte sie nur, doch man hörte eine Prise Witz mitschwingen. Bei dem Gedanken daran, dass es morgen weitergehen würde, taten ihr bereits jetzt alle Körperteile weh. Aber so war das halt. Wer nicht im Dorf sitzen und auf nervige Kinder aufpassen wollte, der musste sich eben prügeln.
      Den leeren Becher stellte sie beiseite und befühlte die verkrustete Stelle an ihrem Schlüsselbein. "Wie schaut's bei dir eigentlich aus? Sollen wir eine Dreh-Nicht-Durch-Bei-Blut-Lektion für dich noch einführen? Sonst bist du heute ohne Training davon gekommen..."

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