[2er RPG] Blood Kingdom

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    • David hielt kurz inne, als Emilia nach seinen Eltern fragte.
      "Meine Mutter habe ich nie kennengelernt. Menschen überleben die Geburt von... von Mischlingen nicht. Schon als Babies sind wir zu stark und das... naja. Es ist ein Wunder, dass sie die Schwangerschaft überlebt hat."
      Er nahm seine Sortierarbeit wieder auf, sah aber nicht zu Emilia.
      "Mein Vater kannte das Risiko,aer wollte mich nicht. Aber Mom hat... sie konnte es nicht über's Herz bringen. Als ich dann auf die Welt kam hat meein Vater mit dem Gedabien gespielt, mich umzubringen. Ich kann's ihm nichtmal verübeln. Ich war ein Risiko und ich habe die Liebe seines Lebens getötet."
      Er zuckte mit den Schultern und nahm sich die zweite Tasche vor.
      "Er hat immer gesagt, ich sehe aus wie sie. Er konnte sie nicht nochmal verlieren, also hat er sich um mich gekümmert. Hat mich versteckt gehalten, mich menschlich erzogen. Er war meine Welt. Und dann ahbe ich ihn auch noch getötet."
    • Ohne es zu wollen trieben Emilias Gedanken in eine Richtung von Horrorfilmen ab. Betrachtete man es nüchtern, dann traf die Beschreibung eines Mutanten ziemlich gut zu. Da war es nur einleuchtend, dass ein gebrechlicher Körper eines Menschen solche Torturen nicht aushalten konnte.
      Sie rollte den Kopf auf die andere Seite, um David im Profil zu mustern. Andächtig schwieg sie während sie sich versuchte vorzustellen, wie seine Mutter wohl ausgesehen haben mochte. Was für ein Mensch sie gewesen war, wenn sie freiwillig zu den Vampiren ging. Vielleicht zählte sie auch einfach nur zu jenen Menschen, die sich eine Coexistenz vorstellen konnten und letztenendes genau deshalb starben. Aber was sollte man schon sagen? Wo die Liebe hinfiel.
      "Auch, wenn der Fall so unwahrscheinlich ist, wie du ihn mit mal beschrieben hast... Sie haben sicherlich im Hinterkopf gehabt, dass Etwas aus ihrer Zusammenkunft entstehen könnte. Viele Frauen sind eben so gestrickt, dass sie eher selbst sterben, als ihr Ungeborenes und Zeichen der Liebe zu verlieren. Ich denke, dass sie da nicht anders dachte", sagte Emilia und dachte selbst an ihre Eltern, die alles unternommen hatten, damit ihre Kinder aus dieser Farm entkamen.
      Allerdings war der Part, dass David seinen Vater getötet hatte, neu. Mittlerweile hatte sie schon öfter den Eindruck gehabt, dass er solche zwischenmenschliche, oder zwischenvampirliche?, Beziehungen nicht richtig deuten konnte. Folglich blieb sie an diesem Punkt am Ball, wenngleich das Thema nicht unbedingt das Beste war: "Mh... Tatsächlich aktiv oder durch Dummheit von dir, die zu dieser Konsequenz geführt haben?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • "Weder noch", seufzte David, "Er ist gestorben, bloß weil ich existiert habe. Ich hab dir doch erzählt, dass Kinder fpr Vampire schon beinahe heilig sind? Tja, ein recht hojes Tier in der Hackordnung hat herausgefunden, dass in seinem Hoheitsgebiet ein Kind lebt. Er hat es zu sich holen lassen, zusammen mit den Eltern, in diesem Fall mein Vater. Er konnte sich rausreden, warum er alleinerziehend war und auch warum er mich nicht gemeldet hatte - gibt doch jeder Vampir mit seinen leiblichen Kindern an. Zu dieser Zeit hat mein Vater mir gerade beigebracht, mit Menschenblut zu überlebem. Ich hatte mich kaum im Griff, wenn ich nicht regelmäßig was bekam znd hatte noch nie aus einer Vene getrunken. Besagter Vampir der oberen Ordnung wollte sich natürlich einschleimen, wollte dass ich ihn mehr liebhabe als meinen Vater, und bot mir eine Vene an. Ich wusste das nicht, er zeigte mir seine Sammlung seltener Menschen und sagte, ich solle mir einen aussuchen. Er hatte ein Mädchen da, etwa mein Alter. Ich nahm das Mädchen. Meine erste Vene, meine erste Tötung."
      Für einen Augenblick schwieg er, als er sich in der Erinnerung daran verlor. Als er zuräck in die Gegenwart fand, wischte er sich schnell eine verirrte Träne aus dem Gesicht.
      "Ich verlor die Kontrolle, aber das passiert jungen Vampiren oft. Niemand hegte Verdacht, aber ich fühlte mich schrecklich danach. Ich hatte nicht damit gerechnet, das Abendessen auszusuchen. Sie behielten uns dort, jeden Tag musste ich mit diesem Vampir Zeit verbringen. Und irgendwann, quasi als ultimativer Liebesbeweis, ließ mich dieser Vampir sein eigenes Blut trinken. Nicht aus der Vene, er wollte nichts riskieren. Aber das kleine Glas reichte aus, um mich als das zu entlarven, was ich war. Ich tötete siebzehn Vampire, drei menschliche Sklaven und einen Haufen Mobiliar in weniger als fünf Minuten. Der Vampir versuchte, die Kontrolle über michzu erlangen, indem er meinen Vatee bedrohte. Das machte mich nur wütender und ich griff ihn an. Ich weiß nicht gemau, was passiert ist, aber am Ende rannte ich davon, hinaus in die ignorierten Teile der Welt. Ich habe niemanden von damals je wiedergesehen."
      David atmete tief durch. Er hatte noch nie jemandem sein Herz so sehr ausgeschüttet. Oder soviel am Stück geredet.
      "So. Jetzt kennst du meine Familiengeschichte. Macht plötzlich Sinn, daas mir deine Mutter keine Amgst einjagt, hm?"
    • Ein Außenstehender würde Emilias Gesichtsausdruck, mit dem sie David jetzt bestimmt schon über Minuten angesehen hatte, als dümmlich bezeichnen. Das lag zum einen daran, dass er allen Ernstes auf ihre Frage eingegangen war und zweitens, dass es mal nicht nur drei Sätze waren und dann machte er wieder dicht.
      "Waaarte mal", sagte sie gedehnt und setzte sich dabei in einen Schneidersitz, " tut mir leid, dass ich jetzt vielleicht ein bisschen ablenke, aber da war gerade viel bei, was ich hinterfragen muss. Schon klar, dass Raritäten gesammelt werden, aber ich dachte, man zapft den Menschen dann nur etwas ab und wartet, bis sie sich regeneriert haben? Macht doch mehr Sinn, als seine Ressourcen mit einem Haps zu vernichten..." Was wiederum die Farmen erklärte. "Wirkt sich Vampirblut anders aus bei Konsum als menschliches? Ja, schon klar, dass die Zusammensetzung schon eine andere Wirkung begünstigt. Aber wenn du meinst, es sei ein ultimativer Liebesbeweis... Muss ich das als so eine Intimitätssache deuten?"
      Bei genauerer Überlegung war dies gar nicht so abwägig. Blut besaß unter den Vampiren einen ganz anderen Stellenwert in der Gesellschaft. Vielleicht nahm eine körperliche Intimität bei ihnen kaum einen Wert ein, ganz im Gegensatz zu den Menschen. Ganz kurz zuckte die Erinnerung an eine ihrer gemeinsamen Trainingssitzungen an Emilia vorbei. Die mit der Staubwolke und dem... unerwarteten Ausgang.
      "Wie hast du als Kiddy bitte soviele umgebracht? Das macht doch gar keinen Sinn. Als würden die Älteren vor einem Kind in die Knie gehen... Aber zugegeben: Da erscheint meine Mom irgendwie... handzahm..."
      Im Laufe des Gespräches versuchte EMilia zwar nicht, David in eine Schublade zu stecken. Doch sie ordnete Dinge, die sie über ihn in Erfahrung hatte bringen können, in eine Menschen- und eine Vampirenschublade ein. Das Tränchen hatte sie nur beiläufig mitbekommen und normalerweise hätte sie die Nähe zu dem Erzählenden gesucht, wenn er solch eine Horrorgeschichte durchlebt hatte. Nur bei David hatte sie so unglaublich schnell den Eindruck, sie würde eine unsichtbare Grenze übertreten, die er selbst gezogen hatte.

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    • Natürlich stellte sie Fragen. Wie könnte sie auch nicht?
      "Ich hab dir doch schon erklärt, dass... dass jemand wie ich gefährlich für Vampire ist. Ein Vampir lässt praktisch niemanden das eigene Blut trinken. Ist so eine Kultursache, keine Ahnung. Vampire können sich nur von Menschen ernähren. Jemand wie ich kann sich von Vampiren ernähren. Wenn ich das tue, entwickle ich Kräfte, die viel größer sind als die eines Vampirs. Sogar als Kind reicht schon ein kleines Glas, um Schaden anzurichten. Ich hatte noch keine Kontrolle über meinen Hunger."
      David schüttelte den Kopf, um die Bilder zu vertreiben. Es waren bloß Fetzen, er konnte sich nicht einmal an die Hälfte erinnern. Da war bloß überall Blut und dieser Hunger in ihm drin...
      "Das gleiche ist mit dem Mädchen passiert. Es war nicht geplant, dass ich sie töte. Aber es kam auch nicht überraschend für den Vampir. Bloß ein kleiner Verlust, wenn er vor den anderen mit einem Kind angeben könnte."
      Mittlerweile hatte er aufgehört, den Inhalt der Taschen zu sortieren. Er war nicht mehr in der Stimmung für Arbeit. Und wenn er schon dabei war, seine Lebensgeschichte vor Emilia auszubreiten, konnte er ihr auch gleich Rede und Antwort stehen zu Themen, die er nicht mochte. Dann hatte er es hinter sich.
    • Jetzt wurden Emilias Augen richtig groß. "Hah, das klingt ja fast nach einem Berserker. Theoretisch müsstest du doch nur von einem Vamp ein bisschen abzapfen und dann hättest du immer eine Notfallreißleine. Für den Fall des Falles. Da kann man doch bestimmt auch eine gewisse Toleranz aufbauen, wenn man sich Stück für Stück dran wagt... Resistenz oder so? Hätte nicht gedacht, dass bei einem Hybriden eine unterschiedliche Wirkung auftritt..."
      Im ersten Moment war ihr entfallen, dass David die eigene Tasche hatte links liegen lassen. Doch seine Reaktion und sein Audruck im Gesicht sprachen eigene Bände, dass er über Dinge sprach, die ihm unangenehm waren. Früher hätte er mir das alles nicht erzählt.
      "Du sagtest schon mal, dass du dich über Jahre in Kontrolle geübt hast. Außerdem erwähntest du mal, dass menschliches Blut euch quasi stärkt. Wäre es dann nicht möglich, sich an gewisse Mengen zu gewöhnen? Muss ja eigentlich, sonst würden die normalen Vampire bei Hungerattacken alles platt machen."
      Der Großteil ihrer Worte waren einfach nur Gedanken, die sie laut aussprach. Noch immer wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie ihm alles aus der Nase zog und sie nichts anderes als ein Klotz für ihn war. Ein nervender, neugieriger Klotz, der ihm selbst nicht wirklich nutzte.

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    • "Sowas braucht Zeit. Viel Zeit. Hättest du gern über Monate, wenn nicht Jahre einen Vampir hier unten? Und einen Mischling, der jederzeit die Kontrolle verlieren kann, wenn er wieder auf Droge ist? Klingt irgendwie nicht besonders sicher, findest du nicht? Denn genau das würde passieren. Außerdem müsste man den Vampir füttern. Dummer Plan. Ganz dummer Plan. Ich meine, ich hab das mit dem Menschenblut ja auch nicht hundertprozentig im Griff. Selbst wenn es nicht dein Premium-Blut ist. Ist es frisch, verliere ich den Verstand und degeneriere wieder zum hungrigen Tier. Du hast gesehen, wie das aussieht."
      Seufzend stand David auf und ging win paar Schritte auf und ab. Er war es nicht gewohnt, so offen zu sein, so ehrlich. Es machte ihn irgendwie nervös. Als gäbe er seine Verteidigung in einem Kampf auf. Er fühlte sich entblößt, beinahe schon nackt. Verletzlich...
      Er zwang sich dazu, stehen zu bleiben und drückte seine Fäuste gegen eine Wand, dann lehnte er seinen Kopf dagegen. Runterkommen... das sagte sich sehr viel leichter, als es man es tun konnte.
      "Entschuldige. Ich weiß, du bist bloß neugierig", brummte er.




      @Asuna

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    • Emilia brummte nur, als sie sich wieder in einen Schneidersitz aufrichtete. Ihre Gedanken zogen Kreise, die mittlerweile ziemlich weit in eine unbestimmte Zukunft reichten. Premium-Blut klang irgendwie... seltsam in ihren Ohren. So besonders konnte es gar nicht sein, denn dann wäre David damals bei ihrer unbedachten Aktion bestimmten durchgedreht. Oder der Moment trat erst ein, sobald er auch nur ein Tröpfchen bekommen hatte.
      "Dann finden wir eine Möglichkeit", kam es von ihr in ihrer stoischen Art wie aus der Pistole geschossen, "Wir finden eine Möglichkeit, wie ich deine Reißlein werden kann. Dann bin ich nicht nur ein Klotz am Bein."
      Eigentlich wäre nun der richtige Zeitpunkt, um den Witz aufzulösen. Allerdings lachte Emilia nicht - sie meinte das gerade todernst. Mindestens genauso intensiv starrte sie Davids Rücken an, der sich noch immer auf die Hauswand konzentrierte. Gerade weil sie ihn in seiner anderen Form erlebt hatte, pochte sie so stark auf ihre Idee. Für sie fühlte es sich nicht wie ein Hirngespinst an, sondern eher nach einer ernsthaften und vorallem möglichen Idee. Schließlich musste es etwas in dieser verschrobenen Welt geben, was auch nur ansatzweise für ihren Plan umsetzbar war.

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    • "Meine Reißleine? Für was denn genau?"
      David stieß sich von der Wand ab, drehte sich um und lehnt sich dagegen.
      "Es ist gefährlich für dich, wenn ich... nicht ich selbst bin. Ich will dich nicht verletzen. Und du bist kein Klotz am Bein, du bist ein Trainee. Du lernst. Irgendwann kannst du all das dann allein. Und noch später gibst du das Wissen vielleicht selbst weiter. Die Menschen brauchen mehr Jäger. Vielleicht - nur vielleicht - zeige ich dir, wie man das macht. Aber davor müssen wir ein paar andere Dinge erledigen."
      Er musterte Emilia und überlegte. Ihre Idee... sie war nicht dumm. Aber sie war verdammt schwer umzusetzen.
      "Ich schlag dir was vor. Was auch immer du tun willst, um meine Reißleine oder was auch immer zu werden... wenn du einen Plan hast, von dem du denkst, dass er funktionieren könnte, dann höre ich zu. Nur weil ich ein alter Sack bin, heißt das nicht, dass ich nicht auch noch was lernen kann."
    • Kaum hatte David sich zu Emilia umgedreht, band sie seinen Blick regelrecht mit ihrem eigenen. Sie hatte den Eindruck, dass wenn der Sichtkontakt auch nur einen Moment abbrach er wieder völlig dicht machte.
      "Ich will mein Glück nicht beschreien, aber ich hab's schon mal überlebt, wenn du kurz vor knapp stehst. Was denkst du eigentlich soll ich machen, wenn mich da oben mal ein Vamp packt? Wenn ich nicht weiß, was passiert, schreie ich dem höchsten für eine Minute die Ohren voll und das war's dann."
      Ganz kurz kam ihr die Idee, ob man David nicht einfach stumpf in Ketten legen konnte, damit er zumindest eingeschränkt war. Allerdings verwarf sie die Idee sofort wieder bei dem Gedanken, wie seine Reaktion wohl ausfallen mochte. Vielleicht war sie ja auch einfach nur so neugierig, ihn mal nicht rational zu erleben...
      "Aber okay. Ich lass mir was einfallen. Irgendwas finden wir, dir ist nur noch nie ein penetrantes Ding wie ich über den Weg gelaufen", grinste sie dann breit und lehnte sich nach hinten, um sich mit den ausgestreckten Armen abzustützen.

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    • David seufzte, lächelte aber. Emilia hatte die richtigen Worte verwendet, um sich selbst zu beschreiben.
      Er schüttelte den Kopf, dann schlenderte er zurück zu dem Haufen an Schrott, den sie mitgebracht haben. Er musterte ihn, schob ein paar Teile mit seinem Fuß beiseite.
      "Aber bevor du dich jetzt in irgendwelche Masterpläne vertiefst", begann er und setzte sich wieder auf den Boden, "musst du erst noch deine Arbeit hier beenden."
      Er deutete auf ihren Haufen Schrott und begann dann damit, die Gegenstände, die der Rat hatte haben wollen, in eine seiner großen Taschen zurückzuräumen.

      Als sie mit Sortieren fertig waren, schickte er Emilia nach Hause. Die Müdigkeit fiel langsam von ihm ab, also ging die Sonne unter. Was wiederum hieß, dass Menschen schlafen gehen sollten. Erst recht, wenn sie den Tag an der Oberfläche mit Arbeit verbracht und dabei ihre erste Leiche gesehen hatten. David selbst brachte eine große Lieferung zum Rat, machte sich dann aber gleich wieder an die Arbeit. Es war viel liegen geblieben und ihm war nicht nach schlafen zumute. Emilia hatte es nicht mit Absicht getan, aber sie hatte einige Erinnerungen aufgewirbelt, die David eigentlich lieber unter der Erde sehen würde. Er konnte sich einfach nicht entspannen in dieser Nacht.
      Am Morgen brachte er gleich die nächste Lieferung zum Rat. Sie musterten ihn skeptisch, er erklärte, er wolle bloß seine Listen aufarbeiten.
      Dann sprach jemand an, was Emilia hatte vermeiden wollen: "Dieses Mädchen, dass in letzter Zeit zu dir kommt. Was machst du mit ihr?"
      "Gar nichts, Sir. Sie hat darum gebeten, dass ich ihr beibringe, wie man jemandem ordentlich ins Gesicht schlägt, das ist alles."
      "Du nimmst sie mit an die Oberfläche."
      David knirschte mit den Zähnen. Er konnte spüren, wie sich seine Fangzähne in sein Zahnfleisch drückten. Er senkte den Kopf.
      "Ja, Sir. Sie hat sich als gute Schülerin erwiesen. Sie hat das Zeug zur Jägerin."
      "Red keinen Stuss! Jäger sind bloß Legenden, um Kinder zu beruhigen! Kein Mensch kann es mit einem Vampir aufnehmen."
      David ballte die Hände zu Fäusten. Der Rat mit seinen feigen Ansichten machte ihn fertig.
      "Sie will-"
      "Sie hat nichts zu wollen! Sie hat ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft zu werden! Sie wird ihre Pflichten im Dorf wahrnehmen, so wie jeder andere auch. Und du wirst weiterhin dafür sorgen, dass wir das bekommen, was wir brauchen. Ende der Diskussion!"
      David hob den Kopf und starrte den Mann an. Seine blauen Augen waren heller als sonst und als er sprach konnte man deutlich seine Fänge sehen.
      "Sie haben doch keine Ahnung! Ich bin unter Jägern aufgewachsen und ich erkenne einen, wenn ich einen sehe! Irgendwann bin ich vielleicht nicht mehr hier, um Ihnen Ihren feigen Arsch zu retten, was machen Sie dann? Hm?! Sie können sich glücklich schätzen, dass sie jemanden haben, der das Potenzial hat! Ich werde sie ausbilden! Das ist, was sie will. Das ist, was ihr liegt. Zumal das ihre Entscheidung ist und nicht meine oder die eines Rates voller Feiglinge!"

      Er ließ seine gesamte Wut an seinem Amboss aus, als er ein weiteres Schwert schmiedete. Er brauchte kein weiteres. Emilia eigentlich auch nicht. Aber er brauchte was zum Draufhauen. Sein kleiner Ausbruch gegenüber dem Rat war nicht besonders gut angekommen, wie die der lange, rote Striemen verbrannter Haut in seinem Gesicht zeigte. Oder die auf seinem Rücken. Der Rat hatte schnell gelernt, dass Feuer dafür sorgte, dass David länger zum Heilen brauchte. Heute hatten sie ein neues Spielzeug ausprobiert: Eine glühend heiße Peitsche aus Stahlseil. Und er hatte ihnen auch noch die Teile gebracht...
    • Wenig später war Emilias ins Dorf zurückgekehrt und musste erst einmal Tim loswerden, der sich wie eine Klette an ihre Fersen geheftet hatte. Er löcherte sie mit den irrwitzigsten Fragen, die sie allesamt unter den Teppich kehrte. Viele der Dinge, die sie heute erlebt hatte, waren nicht für die Ohren eines kleinen Jungen bestimmt.
      Deswegen begann seine ältere Schwester erst dann zu reden, als der Kleine im oberen Geschoss im Bett lag und sie mit ihrer Mutter am Tisch saß. Vor sich hatten sie beide kleine Schalen mit Brotstückchen, von denen man sich immer wieder mal einen Brocken in den Mund stecken konnte. Es war dieser Moment der Ruhe, in dem Emilias Hirn das Erlebte endlich zu verarbeiten begann. Sie bemerkte den überraschten Blick von Sarah, und als sich Emilia über die Wange kratze, spürte sie die Feuchtigkeit an ihren Fingerspitzen.
      "Okay, keine Ahnung, was gerade passiert", versuchte sie sich zu erklären als sie sich die Augen rieb. Sie verspürte keine Trauer, kein negatives Gefühl. Und doch bahnten sich unterbewusste Gefühle ihren Weg. "Wir waren nur oben und haben Schrott gesammelt. Ich hab nur 'ne Leiche in einer Ruine gefunden..."
      Sarahs Lippen zuckten im völligen Verständnis. Ihre Tochter hatte zu dem Zeitpunkt vermutlich keine Zeit gehabt, die Umstände richtig einzuordnen und das holte sie gerade ein. Sie lehnte sich etwas nach vorne und streichelte den Arm ihrer Tochter. Das würde in Zukunft der Weg sein, den sie für sich gewählt hatte.

      Emilia hatte nicht geahnt, dass der gestrige Tag einen hohen Tribut an ihren Körper gefordert hatte. Sie schlief weit über die Mittagsstunden hinaus durch wie ein Stein und wurde erst wach, als sie unvernehmliche Stimmen von unten hören konnte. Müde rollte sie sich aus ihrem Bett und schlurfte zur Tür, die sie einen Spalt aufzog um zu hören, ob's was Wichtiges war.
      "Solltest du nicht besser als alle anderen hier wissen, wie du dein Kind zu zügeln hast?"
      "Sie folgt eben den Fußstapfen ihres Vaters."
      "Das ist uns persönlich scheißegal. Sieh zu, dass du ihr klarmachst, was sie für die Gemeinschaft zu tun hat. Sie bringt uns sonst alle in Gefahr, wenn sie nach oben geht. Und ich glaube, dass du nicht noch ein Verschwinden eines Familienangehörigen verkraften kannst."
      Dann herrschte Stille für ein paar Sekunden.
      "Ihr lasst die Finger von meinem Sohn. Im Gegensatz zu allen anderen hier scheue ich mich nicht davor, jemanden umzubringen um zu schützen, was mir wichtig ist. Ich hab das schon mal gemacht, das wisst ihr ganz genau. Also verschwinde aus meinem Haus. Jetzt."
      Ein kleiner Tumult war zu hören ehe die Tür ins Schloss fiel. Hellwach rannte Emilia die Treppen runter und stand direkt vor ihrer Mutter, die sie nur mit einem Seufzen bedachte. "Natürlich lauschst du."
      Hatte sie nicht absichtlich. Aber das Gehörte war nun nicht ungehört zu machen und unbewusst plusterte sich Sarahs Tochter auf. "Was für Wichser sind das, dass dir dir mit deinen eigenen Kindern drohen??"
      Sarah zuckte nur mit den Schultern. "Wir haben hier damals Zuflucht gefunden und die gehen einfach davon aus, dass wir gefügiger wegen dieser ach so großzügigen Handlung sein sollten als alle anderen."
      Hohn hatte Emilia schon lange nicht mehr in der Stimme ihrer Mutter vernommen. Etwas perplex guckte sie sie an bevor die ganzen losen Teile der Geschichte sich langsam zu einem Stück fügten.

      Kurz darauf stapfte Emilia wieder zu Davids Hütte. Ihre Haare glichen eher einem Haufen Stroh und statt der üblichen Kluft war sie überstürzt einfach mit einem weiten Shirt und ein schäbigen weiten Hosen losgezogen. Da gab es so ein paar Dinge, über die sie mit David sprechen sollte. Sie hörte schon von Weitem das regelmäßige Geräusch das typisch für Schmiede waren. Scheinbar war David wieder mit seiner Lieblingsbeschäftigung dran, aber die konnte er schließlich auch währenddessen fortführen. Nachdem sie ihn ausfindig gemacht hatte, fing sie direkt an zu reden, obwohl sie noch etliche Meter weiter weg war.
      "Wir hatten gerade Besuch von einem Ratskerl, der meine Mutter bedroht hat. Ich glaube, die ticken nicht mehr ganz richtig."
      David stand von ihr abgewandt und schien sie beinahe zu ignorieren. Mit verschränkten Armen tat Emilia einfach ihm gleich. Allerdings musterte sie eingehend seinen Rücken. Die Striemen waren neu, sahen relativ frisch aus. War er in der Zeit wo sie schlief, nocheinmal ohne sie unterwegs gewesen und war in Schwierigkeiten geraten? Sie beschloss, ihn später danach zu fragen.
      "Ich schätze, ich werde denen mal einen Besuch abstatten müssen und ein paar Dinge klarstellen. Ich hab keine Lust, dass wegen meiner Entscheidung irgendjemand in Mitleidenschaft gezogen wird."
      Natürlich hatte sie sich schon etliche Gedanken gemacht. Zum Beispiel hätte sie sich verbannen lassen können wie der alte Friedhofswärter, aber das hätte sie weder ihrer Mutter noch Tim antun können. Das hätten sie ihr nie verziehen auch wenn es das sein könnte, was ihrem Lebensstil am nächsten gekommen wäre.
      Als David noch immer nicht reagierte, wurde sie dann doch stutzig. Nicht unbedingt vorgewarnt, sondern vielmehr etwas angepisst, dass er ihren Worten scheinbar keine Beachtung schenkte. "Hey?"
      Da er immer noch nicht reagierte, kam sie etwas näher und ging ums Eck. Dabei erhaschte sie nur kurz einen Blick auf sein Gesicht und ihr fielen direkt die Striemen auf. "Was ist DAS denn?", fragte sie sofort erschrocken nach und ging ein paar Schritte zurück. Dass das die Konsequenzen vom Rat waren, konnte sie nicht ahnen.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Der Hammer sauste schwer auf das glühende Metall hinab, dann stach David damit auf einen Behälter voller Wasser ein, damit es abkühlte. Es dampfte und zischte Laut, dann ging er rüber und schob die Klinge wieder in das Feuer. Er trat zweimal auf einen Blasebalken, um das Feuer noch einmal anzuheizen, dann wandte er sich Emilia zu.
      "Mir drohen sie vorher nicht", sagte schlicht.
      Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die kühle Steinmauer seiner primitiven Unterkunft. Mit einem leichten Fauchen stieß er sich gleich wieder davon ab. Seine Fangzähne waren sichtbar und für eine Sekunde blitzen seine Augen hell auf.
      "Sie haben mich auf dich angesprochen", sagte er, um davon abzulenken, "Und ich habe mich erdreistet, Partei für dich zu ergreifen."
      Er musterte Emilia von Kopf bis Fuß. Ihr schien nichts zu fehlen und sie hatte gesagt, dass ihrer Familie bisher nur gedroht worden war. Soweit, so gut.
      "Ich bin dafür, dass wir dein Training intensivieren und diesen Feiglingen zeigen, dass Jäger existieren. Du hast das Zeug dazu und diese Saftsäcke brauchen einen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich will, dass du dich gegen sie verteidigen kannst, sollten sie dir zu Leibe rücken."
    • Es war eine wilde Mischung aus Wut und Abscheu tauchte auf Emilias Gesicht auf, als sie Davids Gesicht genauer sehen konnte. Nie hätte sie damit gerechnet, dass die alten Säcke aus dem Rat handgreiflich gegenüber etwas deutlich Überlegenem werden würden und ganz offensichtlich auch noch Erfolg damit hatten. Doch dass man ihn für ihre eigenen Handlungen verantwortlich machte, brachte das Fass zum überlaufen. Fast wäre sie in einem Wutschwall an Worten ausgebrochen, doch brachte Davids kurzes Fauchen sie etwas aus dem Konzept. Ihre Wut erfuhr einen jähen Dämpfer als sie hörte, dass er sogar Partei für sie ergriffen hatte. Insgeheim war Emilia nämlich immer noch davon ausgegangen, dass er in erster Linie seine eigene Haut über alles andere stellen würde.
      "Ich denke, dass ich auch jetzt schon jedem Einzelnen von ihnen ein Messer in den Arsch jagen kann", grummelte sie als erste Reaktion und näherte sich David. Seine Augen waren normal - und das war wenigstens ein halbwegs gutes Zeichen. "Ich hätte nicht gedacht, dass die sich trauen, handgreiflich zu werden... Shit, für sowas brauchst sogar du lange zum heilen, oder? Meinst du, es helfen Salben in diesem Falle schon? Ich könnte später was aus dem Dorf mitbringen", sagte sie leise, als sie mit ihren Fingerspitzen einen besonders hässlichen Striemen befühlte, "Ich werde den Knackern erzählen, dass ich auf Rohstoffsuche gehe. Das hab ich früher schon gemacht, das können sie mir nicht ablehnen. Dann nehm ich mir ein paar Sachen von Zuhause mit und campiere hier so lange wie nötig. Intensives Training klingt nämlich ganz fantastisch."

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    • Davids Kiefer spannte sich an und er zuckte instinktiv zurück, als Emilia eine der Brandwunden berührte. Um das halbwegs zu vertuschen, wandte er sich von ihr ab und nahm seine Arbeit wieder auf.
      "Weiß nicht. Hab ich noch nie ausprobiert", antwortete er auf ihre Frage nach den Salben, "Aber 'ne Weile werd ich schon brauchen."
      Er zog die glühende Klinge aus dem Brennofen, legte sie auf seinen Amboss und drosch mit dem Hammer gezielt darauf ein. Ein paar Schläge lang sagte er nichts und konzentrierte sich einfach auf das Metall in seinen Händen.
      "Die Ausbildung zum Jäger ist härter. Ich habe dich bisher dazu ausgebildet, vor Vampiren wegzurennen. Jetzt werde ich dich dazu ausbilden, auf sie zu zu rennen. Du wirst dir Knochen brechen. Deine Organe werden platzen. Muskeln und Sehnen werden reißen. Ich kann dir mit der Heilung helfen, aber es wird trotzdem weh tun."
      Selbst er hatte die Hölle durchgemacht, um zum Jäger zu werden. Für ihn hatte es aber den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeutet. Emilia hatte diese Motivation nicht. Also musste David sie ihr geben. Das würde für sie beide eine Zerreißprobe werden.
    • Ein paar Sekunden lang dachte Emilia nach. Schließlich hatte sie ja gelernt, nicht überstürzt zu handeln. Dann sagte sie nur: "Okay. Bin später wieder da." Und schon war sie wieder losgelaufen, dies Mal jedoch auf die Siedlung zu.

      In den nächsten paar Stunden erledigte sie alles, was auf ihrer To-Do-Liste stand. Dem Rat ließ sie eine Nachricht zukommen, dass sie auf Ressourcengang ging und sich wöchentlich auf den Weg zurück ins Dorf machte um die gesammelten Waren abzuliefern. Sarah erzählte sie alles, was nun der Plan war, was sie mitbekommen hatte und was sie nun tun würde. Als Tochter sah sie natürlich den Schmerz ihrer Mutter, doch sie war ihr dankbar, dass sie sie ihren Weg wählen ließ. Zusammen packten sie den Rucksack, in den Emilia ihre kleine Welt einpackte.
      Nach getaner Arbeit kehrte sie zu Davids Hütte zurück, der noch immer am Amboss stand. Allerdings wirkte er nun nicht mehr so aufgebracht wie vor einigen Stunden. "Ich hab alles hier drin, was ich erst mal brauche. Ich geh zum Schlafen auch nicht zurück, wenn's dir recht ist. Ich leg mich auch nach draußen, wenn du mich nicht in deiner Hütte willst. Keine Sorge, wir kriegen das schon hin." Sie grinste, weil sie endlich wieder das Gefühl hatte, sie käme ein Stückchen weiter.
      "Ich hab dir was von der Salbe mitgebracht. Kannst ja mal probieren, schadet sicher nicht...", murmelte sie und wühlte einen kleinen Pott aus dem Rucksack, nachdem sie ihn auf dem Boden abgestellt hatte.

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    • David verprügelte weiterhin seinen Klotz Metall und als Emilia wieder zurück war, da hatte es schon die Form eines Schwertes. Mittlerweile hatte er auch schon eine Idee, für wen das Schwert sein könnte. Aber bis diese Person vorbei kam und lernte, wie man es nutzte, würden noch ein paar Jahre vergehen. Vielleicht war er ja dann schon gar nicht mehr hier? Naja, er ging ja gerade sicher, dass jemand anderes seine Aufgaben übernehmen konnte.

      Er hörte, wie Emilia ihre Tasche auf den Boden plumpsen ließ und anfing, darin herumzuwühlen. Um ihr Training effektiv zu gestalten, würde David das Monster in sich herauslassen müssen. Aber noch war Emilia nicht so weit. Sie hätte keine Chance gegen einen Vampir. Also musste er sie erst einmal dahingehend trainieren, dass sie eine Chance gegen einen Menschen hatte.
      Ohne mit der Wimper zu zucken oder es in irgendeiner Form anzukündigen drehte er sich um und warf mit einem seiner Messer nach Emilia. Die Klinge bohrte sich tief in ihre Schulter. David atmete mit Absicht tief ein, als er ihr Blut fließen sah. Auch er würde trainieren. Er musste lernen, ihrem verlockenden Duft zu widerstehen.
      Seine Augen verloren ihre Farbe und er spürte, wie sich seine Fangzähne in sein Zahnfleisch bohrten. Seine Kehle trocknete von jetzt auf gleich aus, als hätte er seit Tagen nichts getrunken.
      "Lektion eins: Erwarte das Unerwartete. Vampire sind schneller als du und können sich in den Schatten besser verstecken, als du sehen kannst. Sie sind dir körperlich überlegen, haben aber seit tausenden von Jahren ihre Jagdtaktiken nicht geändert. Sie werden immer versuchen, ungesehen anzugreifen und meistens schaffen sie das auch."
      Seine Stimme klang seltsam verzerrt. Einerseits machten es die voll ausgefahrenen Fangzähne schwer zu sprechen, andererseits schwang ein animalisches Knurren bei jedem Wort mit. David hielt sich im Augenblick nicht zurück, was seine äußerliche Erscheinung betraf. Er wollte Emilia zeigen, wie ein Vampir aussah. Wenn man genau hinsah, dann konnte man sogar sehen, dass neben seinen viel zu langen Eckzähnen auch die zweiten Schneidezähne spitzer und minimal länger geworden waren. Seine Augen waren so weiß, dass man eigentlich nur noch die Pupille sehen konnte. David wirkte viel blasser als sonst auf diese Weise. Es war beinahe gespenstig.
    • Im einen Moment wühlte Emilia noch seelenruhig und zufrieden in ihrer Tasche und im nächsten Moment kippte die kleine heile Welt aus sämtlichen Angeln. Sie hatte sich für ihren Rucksack gehockt, um nach der Salbe zu suchen, und rechnete schlichtweg nicht mit dem Folgenden. Tatsächlich spürte sie nur den Aufprall des Messers noch bevor die Schmerzrezeptoren überhaupt ihre Funktion aufnehmen konnten. Doch just in den Moment, als sie es taten, fiel sie schlicht mit einem dumpfen Geräusch nach vorne über. Anstatt jedoch der Kurzschlussreaktion zu folgen und den Fremdkörper blindlinks aus sich raus zu reißen, ließ sie ihn intelligenterweise stecken und realisierte sogar noch, dass David freundlicherweise nicht auf ihre dominante Körperhälfte gezielt hatte. Krampfhaft biss sie die Zähne zusammen, um den völlig sinnfreien Protest abzuschotten. Schließlich hatte sie um nichts geringeres als das hier gebeten.
      Trotzdem suchten sich undefinierte Worte und Laute ihren Weg, als sie zumindest eines ihrer Messer aus der losen Seitenhalterung ihres Rucksacks zog, um immerhin etwas im Notfall zur Hand zu haben. Zwar versuchte sie, ihre verletzte Schulter möglichst wenig zu bewegen, doch ein Erschaudern konnte sie nicht unterdrücken, als sie den warme Rinnsal spürte, der ihr Oberteil stetig weiter rot färbte. Unterbewusst wunderte sie sich sogar, dass er sie noch gar nicht angesprungen hatte. Denn die letzten Male, bei denen Blut geflossen war, war David beinahe übergeschnappt. Dieser Gedanke drängte sich plötzlich überdeutlich auf, weshalb sie sich schnellstmöglich ihm zuwandte. Sie hatte bereits an seiner Stimme vernehmen können, dass das Blut seine Wirkung auf ihn entfaltet hatte. Nur war es dieser Augenblick, der dafür sorgte, dass das Mädchen endlich so reagierte, wie David es eigentlich erwartet hatte.
      Es war kein überraschtes Gaffen, sondern der aufrichtige und unverfälschte Ausdruck von Angst, der sich in Emilias Augen nun widerspiegelte. Wo sie zuvor nur mit ein bisschen zureden noch Fuß gefasst hatte, fand sie nun den Boden unter ihren Füßen wie weggezogen. Es war das Gesamtkonstrukt, das David ihr nun offenbahrte, das ihr solche Furcht einjagte. Da sie ihn in seiner gewöhnlichen Erscheinung gewohnt war, stach ihr nun jede noch so winzige Veränderung schmerzlich ins Auge. So merkte sie erst gar nicht, dass sie immer weiter von ihm wegrobbte. Tatsächlich war dies der erste Moment in ihrem noch kurzen Leben, in dem in ihrem Geist völlige Leere herrschte. Ihre sonst so gute Intuition, auf die sie sich meistens verließ, war wie ausgeschaltet und hinterließ nur ein Nervenbündel auf dem staubigen Boden, das wie ein Lamm den Löwen versteinert anstarrte, bevor es vorbei war.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • David sog noch einmal die Luft ein, ließ das Tier in sich ein bissen weiter von der Kette.
      "Ich rieche deine Angst. Ich kann praktisch hören, wie die Stresshormone deinen Körper fluten und dein Blut sauer machen."
      Beinahe in Zeitlupe verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, nur um dann praktisch zu verschwinden, als er in voller Geschwindigkeit die wenigen Meter zu Emilia überbrückte und direkt über ihr zum Stehen kam. Er machte keinen Hehl daraus, dass er den Geruch ihres Blutes genoss, als er noch einmal schnupperte. Dann stemmte er seinen Fuß gegen Emilias Brustbein und drückte sie zu Boden, ehe er sich vorlehnte und beinahe sein gesamtes Gewicht nutzte, um sie unten zu halten. Mit Leichtigkeit entwand er ihren Fingern das Messer, das sie gerade so noch hatte ziehen können, ehe ihre eigene Angst sie überwältigt hatte. Er musste sich zusammenreißen, um nicht auf das Blut zu starren.
      Stattdessen strich er Emilia eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe er sich in den Handballen biss und ihr sein Blut anbot. Die Lektion hatte nur wenige Sekunden gedauert, aber Emilia hatte genug zu verarbeiten, um eine ganze Woche lang beschäftigt zu sein.
      "Du kannst drinnen schlafen, ich nehme das Dach", sagte er, als er sich wieder aufrichtete und zu seinem Schmiedeofen zurückkehrte.
      Er brauchte seine gesamte Willenskraft, um sich wieder zu beruhigen. Seine Hände zitterten, als er das halb fertige Schwert zurück in die Glut schob.
    • Dem Mädchen entwich nicht einmal ein Ton, als David sie in den Staub drückte. Dieser Ausdruck in seinem Gesicht, wie er die Luft nach ihrem Blut filterte, dieser Genuss in seinen Augen... All das konnte sie von dort unten beobachten und die Angst wich allmählich einer schweren Leere. Ihre Mutter hatte ihr einst erzählt, wie es sich anfühlen konnte, wenn man seinen Tod kommen sehen konnte - So musste es sich anfühlen. Völlig kampflos konnte er ihr das Messer abnehmen, bevor seine kühlen Finger ihr glühendes Gesicht berührten. So abstrus es auch sein mochte wirkte diese Handlung faszinierend auf sie. Und obwohl ihr restlicher Körper wie gelähmt einfach nur da lag, folgten ihre Augen jeder noch so kleinen Bewegung Davids. Gerade, wie er sich selbst in den Handballen biss, hatte beinahe schon etwas erotisches an sich. Emilia konnte sich noch immer nicht rühren und blieb an Ort und Stelle zurück, als David sich losmachte un zu seinem Ofen zurückkehrte.
      Zwar nahm sie seine Worte durchaus wahr, aber mit jedem Schritt, den er sich von ihr entfernte, war es so als käme sie wieder zu sich. Diese paar Sekunden der Ohnmacht ebbten endlich ab und gaben unter ihrer Schwere Emilias Selbst wieder frei. Schmerzlich bewusst atmete sie die Luft ein, die grausam kratzig erschien. Als sie endlich Herrin über ihre Glieder wurde, rappelte sie sich zunächst zum Sitzen, dann zum Stehen auf. Viel zu lange waren diese Sekunden gewesen, die die Ohnmacht ihr beschert hatte. Jetzt, wo sie rekapitulieren konnte, war es abermals der Trotz und die Wut über ihre eigene Unfähigkeit, die sie zurückholten. Mit einem Laut, der eine seltsame Mischung aus Knurren, Schreien und Keuchen darstellte, zog sie sich das Messer endlich aus der Schulter. Musste sie schließlich so oder so tun, da spielten ein paar Minuten wohl keine Rolle.
      "Wir sind... noch nicht... fertig", presste sie regelrecht gequält hervor, wobei sie sich nicht sicher war, ob es am Schmerz oder an ihrer Wut lag. Große Töne konnte sie wunderbar spucken, aber wenn es ernst wurde, machte ihr Körper war er wollte. Das musste sie hier und jetzt abstellen. Sofort. Sonst würde sie sich selbst nicht mehr ins Gesicht sehen können.

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