[2er RPG] Blood Kingdom

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    • David schaffte wie angekündigt das, was sie eingesammelt hatten, zum Rat. Er war noch weniger gesprächig als sonst, lieferte einfach nur ab und verschwand wieder. Er war in seinen eigenen Gedanken versunken.
      Er warf sich auf sein Bett und starrte die Decke an. Schlaf war jetzt ganz genau das, was er brauchte, nur würde er keine Ruhe finden. Seine verkorkste Biologie half ihmnauf die Sprünge und nutzte die Mittagsstunde, um ihn auszuknocken. Erholung war allerdings etwas anderes...

      Er war es gewohnt, dass sie ihn nicht aus den Augen ließen, aber drei Mann waren dann doch ein bisschen viel. Hatte das mit dem Neuen zu tun? Sie ließen ihn aich nicht in seine Nähe. Er hatte sich wahrscheinlich verletzt, sie gingen nur auf Nummer sicher.
      Als er den Schrei hörte, presste er sich die Hände auf die Ohren wie ein verängstigtes Kind. Er kannte solche Schreie. Einer der Männer legte ihm einen Arm um die Schultern und strich ihm beruhigend über den Rücken. Solche Schreie reichten, um das Monster zu wecken. David biss sich auf die Unterlippe und bohrte damit seine Fängzähne in sein eigenes Fleisch. Er trank aus Frust sein eigenes Blut. Eine dumme Angewohnheit, die er sich seit damals angeeignet hatte, als...
      Die Schreie hörten auf und Ricksby kehre zurück. Er wischte sich Blut von den Händen. Der Geruch traf David mitten ins Gesicht und er krümmte sich, würgend. Er würde nicht kotzen, das konnte er nicht. Der Anführer des Jägertrupps musterte ihn, dann kam zu ihm rüber. Mit der blutigen Hand hib er Davids Gesicht, zwang ihn dazu, Blickkontakt herzustellen. Der Geruch des Blutes brannte sich in Davids Nase.
      "Kontrolliere dich", sagte Ricksby ruhig.
      David versuchte es, versuchte es wirklich.
      "Ich kann nicht."
      "Doch, du kannst. Du bist ein Mensch, kein Vampir. Du hadt einen Verstand und du hast eine Moral. Wenn du dich nicht kontrollieren kannst, um deine Leute zu beschätzen, dann kontrolliere dich, um nicht an dem Verlust zu ersticken."


      Am Abend stand David im Dorf an die Wand von Emilias Haus gelehnt. Die Dorfbewohner gingen ihm aus ddm Weg, die Kinder scheuchten sie rein, doch er konnte die neugierigen Blicke aus den Fenstern auf sich spüren.
      Er hielt den Kopf gesenkt, die Arme vor der Brust verschränkt. Selbst ohne den schlechten Teilmseiner Physiologie war er den Dorfsoldaten körperlich überlegen. Wenn überhaupt, dann konnten nur Schmied zu Zimmermann mitnihm mithalten.
      "Bist du der Typ, mit dem meine Schwester rumhängt?", fragte ein kleiner Junge, der aus den Schatten trat.
      Er hatte dort eine Weile gestanden und ihn veobachtet, ehe er sich rausgetraut hatte.
      David nickte und musterte den Knirps. Er schien genauso wenig Amgst vor ihm zu haben, wie Emilia. Lag wohl in der Familie.
      "Kannst du mir auch beibringen, zu kämpfen?"
      "Warum sollte ich das tun?"
      "Warum bringst du's meiner Schwester bei?"
      Der Kleine war gut! David lächelte und schüttelte den Kopf.
      "Warum willst du's von mir lernen? Du könntest zu euren Soldaten gehen. Die bilden dich gern aus."
      "Aber die haben noch nie gegen einen Vampir gekämpft. Du schon. Und ich..."
      David hob eine Augenbraue. Dem Jungen lag irgendwas auf dem Herzen.
      "Raus damit", forderte er sanft.
      "Ich bin der Mann im Haus. Ich muss auf meine Mom und meine große Schwester aufpassen. Das kann ich nicht, wenn ich nicht so bin wie du."
      Der Junge wischte sich mit seinem Ärmel über die Augen. David ging zu ihm und wuschelte ihm durch die Haare.
      "Du willst nicht so sein wie ich. Aber wenn du deine Mom und deine Schwester schützen willst, dann sorge dafür, dass sie ein Dach pber dem Koof und zu Essen haben. Überlasse das Kämpfen mir. Du hast viel mehr zu verlieren und was würden sie denn ohne dich machen? Du hilfst ihnen, indem du am Leben bleibst."
      Der Junge machte große Augen und sah zu ihm hinauf. Er brauchte einen Moment, aber er verstand es. David nickte lächelnd, dann kehre er auf seine Seite der Haustür zurücknund lehnte sich wieder gegen die Wand wie zuvor.
    • Mit einem Mal hörten beide Frauen die Tür gehen und wieder ins Schloss fallen. Beide sahen zur offen stehenden Tür, in der kurz Tim erschien. "Ich werde morgen das Loch im Dach stopfen", verkündete er triumphal und war dann auch schon wieder weg.
      Emilia runzelte einfach nur die Stirn, verwundert über dieses doch sehr ungewöhnliche Verhalten ihres kleinen Bruders. Ihre Mutter hingegen war schon auf den Beinen und fegte aus eben jenem Türrahmen um die Ecke außer Haus. "Äh, Mom?", fragte Emilia und folgte ihr direkt wie ein Schatten.
      Sarah musste nur nach rechts schauen und fand, was sie suchte. "Du!", fauchte sie, "was hast du an meinem Sohn verloren?"
      Ihre Stimme war ungewöhnlich laut und feindselig, was die Aufmerksamkeit der sowieso schon neugierigen Bewohner auf sie zog. Emilia konnte sehen, wie sich einige hinter ihren trüben Fenstern um die beste Sicht drückten. Dass sie hier so ein Drama abzog. war nicht unbedingt das Klügste. Irgendwann würden auch die Wachen aufmerksam werden und dann wäre der Tumult perfekt.
      Genervt huschte Emilia an ihrer Mutter vorbei, packte David unsanft am Oberarm und riss ihn mit sich. "Rein", befahl sie ihrer eigenen Mutter, damit sie hier draußen nicht wie auf dem Präsentierteller saßen.
      Drinnen war die Situation allerdings nicht viel besser. David hatte sich an die Wand gestellt, die der Tür am nächsten war. Sarah saß zwar wieder am Tisch, hatte aber die nervöse Hand an ihrem Schälmesser abgelegt. Ihr Blick fraß David förmlich auf. Emilia saß ihrer Mutter gegenüber und war sich nicht so sicher, wer hier wen schneller umbringen würde. Die plötzliche Feindseligkeit konnte sie überhaupt nicht nachvollziehen, dieses Umschalten von Jetzt auf Gleich war einfach nur seltsam. "Könntest du dich bitte ein wenig entspannen?", bat Emilia und startete einen erfolglosen Versuch, ihrer Mom das Messer unauffällig aus der Hand zu ziehen, "Ich seh schon, dass du ihn nicht hier haben willst, aber was denkst du, denken die anderen, wenn du da so rumkeifst?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Die Wut der Frau, die Emilia zur Welt gebracht hatte, interessierte David nicht im GEringsten. Er folgte Emilias Anweisung, lehnte sich im Inneren gegen die Wand des kleinen Hauses und ließ der Frau allen Platz, der sich ihr hier bot.
      "Ich habe nichts mit dem Knirps gemacht. Eigentlich sollten Sie mir dankbar sein: Er wollte, dass ich ihn ausbilde. Ich hab ihm das ausgeredet und gesagt, dass er lieber im Haushalt helfen sollte. Ums mal zusammenzufassen. Tut mir leid, falls das ein Fehler war, ich nehm ihn gern mit und verprügel ihn von morgens bis abends, um ihn abzuhärten. Er will Vampire töten, das kann ich ihm gern beibringen, wenn das Ihr Wunsch ist. In Anbetracht seines Alters dachte ich bloß, dass Sie lieber noch ein paar Jahre mit ihm hätten. Pubertät soll ja schrecklich sein, aber doch nicht so schrecklich, dass Sie ihn gleich loswerden wollen."
      David wusste, dass er die Frau damit nicht unbedingt beruhigte. Allerdings hatte sie in seinen AUgen nicht viel besseres verdient, wenn sie ihn mit einem Messer 'bedrohte' und ihre Tochter anlog. Er war jahrelang angelogen worden und das hatte zu einer Katastrophe geführt. Und beinahe wäre das noch einmal passiert. David wollte sich nicht ausmalen, was hätte sein können, wenn sie auf Vampire getroffen wären!
      "Ich nehm an, Emilia hat Ihnen nicht erzählt, was heute passiert ist? Und was hätte geschehen können? Sie wissen seit Wochen, was wir da draußen machen und haben nicht einmal darüber nachgedacht, Ihre TOchter zu warnen."
      Er schüttelte enttäuscht den Kopf.
      "Informationen sind wichtig, waren sie vor dem Untergang der Menschen, sie sind es noch nach ihrem Untergang. Sowas können Sie nicht einfach zurückhalten, damit schützen Sie niemanden!"
    • Während David Tims eigentliche Absicht offen legte, klappte Sarah der Mund auf. Sie starrte zuerst David fassungslos an, dann Emilia. "Hast du davon gewusst?"
      Emilia schüttelte nur den Kopf, aufrichtig darüber verwundert, dass ihre Mom nicht direkt auf Davids Stichelei einging. Ihre Hand war noch immer um das schäbige Schälmesser geklammert, als gäbe es ihr eine abstruse Sicherheit. Jetzt, wo die Tochter ihre Mutter genauer ansah, bemerkte sie, dass ihre Haltung ungewöhnlich steif war. Nach Außen hin sah sie ruhig aus, aber etwas rumorte da gewaltig, auch wenn Emilia nicht wusste, was es war.
      "Informationen sind wichtig, waren sie vor dem Untergang der Menschen, sie sind es noch nach ihrem Untergang. Sowas können Sie nicht einfach zurückhalten, damit schützen Sie niemanden!"
      Kaum hatte David geendet, krachten Sarahs Handflächen auf die Tischoberfläche, sodass Emilia erschrocken zusammenzuckte und mit aufgerissenen Augen ihre nun stehende Mutter ansah. Sie hatte das Gewicht etwas nach vorn verlagert und ihre Adern traten auf ihrem Handrücken etwas hervor. "Dann solltest du vielleicht auch nicht verheimlichen, was du bist", raunte sie leise.
      Emilias Blick schoss kurz zu David, dann wieder zu Sarah. Selbstverständlich ging sie davon aus, dass ihre Tochter als Sparringparter davon wusste. Nur konnte Sarah nicht wissen, was wirklich Sache war. Sie vermutete wahrscheinlich einfach Dinge. Langsam streckte Emilia ihre Hand aus und berührte ihre Mutter sanft am Arm. Diese hingegen setzte gleich nach: "Du kannst den Dorfbewohnern oder Blinden was vorspielen, aber diejenigen, die länger mit Vampiren in Kontakt gestanden haben, blendest du nicht. Deine Ausstrahlung, deine ganze.... Art. Ich hab mich lang genug mit denen herumschlagen müssen."
      Emilias Ausdruck gefror. Sie hatte ihre Mutter definitiv unterschätzt, was das anging. Aber wie sollte sie es auch besser wissen, wenn man ihr so viele Informationen all die Zeit über vorenthalten hatte. Sie hatte damals bei ihrem Abstecher schon Schlimmes befürchtet, aber das hier übertraf es einfach. Kein Wunder, dass Sarah so reagierte...

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • David knirschte mit den Zähnen. Diese Frau hatte doch keine Ahnung.
      "Und was genau glauben Sie, was ich bin? Ein Vampir? Weil ich mich mit dem Kampf gegen sie auskenne? Weil ich keine Angst vor ihnen habe? Weil ich mich vom Dorf fernhalte? Warum sollte ich hier unten leben und euch helfen, wenn ich einer von denen wäre, hm? Wäre es nicht viel praktischer, alle hier als mein Eigentum zu bezeichnen und meine eigene, kleine Farm hier aufzubauen? Vor allem jetzt, wo ich von diesen seltenen Genmutationen erfahren habe? Vielleicht sollte ich Sie und Emilia an die Vampire verkaufen, das wäre doch ein Plan!"
      Er lachte bitter und stemmte die Fäuste auf der anderen Seite gegen den Tisch, kopierte die Haltung, die die Frau zuvor eingenommen hatte.
      "Ich bringe Ihrer Tochter bei, sich gegen sie zu wehren. Ist ziemlich kontraproduktiv, wenn man jemanden essen will, finden Sie nicht? Warum sollte der Wolf dem Lamm zeigen, wie man ihn aufhält? Ich leugne es nicht, ich bin kein Mensch. Aber ich bin auch kein Vampir. Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Ihr begrenzter, panischer Verstand begreift. Ich hatte eine liebende Mutter, einen liebenden Vater und die Vampire haben sie mir genommen. Also sagen Sie nicht, ich sei genau wie sie."
      Er ging rückwärts zurück zu seinem Platz an der Wand, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte diese ignorante Frau in Grund und Boden.

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    • Nicht eine Sekunde lang gab Sarahs Blick nach. Sie sah schon beinahe aus wie eine Salzsäule, so unbeweglich stand sie da. Das war alles andere als Panik; sie kehrte in einen Urzustand der Ruhe ein.
      "Erstick an deinem Gefasel", sagte sie, nachdem David wieder an der Wand angekommen war, "und hör auf, andere Dinge zu bezichtigen, die gar nicht stimmen. Es ist mir völlig egal, was dich davon abhält, das Dorf anzugreifen, aber dass meine Tochter noch aus einem Stück ist, sagt schon viel." Steif ließ sie sich wieder auf den Stuhl sinken. "Wir waren näher an der Quelle von dem ganzen Chaos als viele andere, und sind heil daraus gekommen. Ich glaube, dass ich zu den wenigen gehöre, die mehr wissen, als so manchmal Vampir da oben. Und offensichtlich auch mehr als du."
      Sarah raffte sich die Ärmel ihres Hemdes hoch bis zu beiden Schultern. Emilia hatte ihre Mutter nie mit freien Armen gesehen, und nun dämmerte es ihr langsam, warum. Sie hätte Fragen gestellt, die ihre Mutter ihr irgendwann nicht mehr hätte verwehren können.
      Ihre Oberarme bis hin zur Schulter, so weit man jetzt sehen konnte, waren ein einziges durchfurchtes Stück Haut. Überall waren symmetrische Dellen und das Narbengewebe hob sich hell vom natürlichen Hautton ab.
      "Es sind nicht nur unsere Kinder, die regelrecht gezüchtet werden. Auch an uns wurde getestet. Sowohl Neal als auch ich sind sensibilisiert worden. Frag mich nicht, wie das funktioniert, aber sie haben uns mehrmals fast umgebracht bei dem Versuch. Wir spüren in erster Linie, wenn wir einem Vampir gegenüberstehen. Du hast Recht in einem Punkt - du bist kein richtiger Vampir, aber es steckt in dir. Ich bin die letzte, die das Tabu für unmöglich hält."
      Ganz offensichtlich sprach Sarah von einer Sache, die mehr oder weniger geläufig war unter Vampire. Emilia hingegen verstand nur Bahnhof, war aber sowieso damit beschäftigt, zu zuhören.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • David betrachtete die Narben. Was wollte diese Frau jetzt von ihm hören? Wie leid es ihm tat? Jeder hier hatte sein Päckchen zu tragen.
      "Diebstahlschutz", sagte er schlicht, "Wenn das Vieh die Gefahr kommen spürt, ergreift es die Flucht. Menschen haben diesen FLuchtinstinkt verloren, deswegen konnten Vampire ja so lange unbemerkt unter ihnen leben. Also hat man versucht, diesen Insitnkt wieder zu wecken."
      Er zuckte mit den Schultern. Es war ein logischer Schritt und wenn Vampire eines waren, dann logisch. Sie handelten nur auf diese Weise, immer ihrem Narzissmus folgend.
      "Sie haben von mir nichts zu befürchten. Solange Sie nicht versuchen, mit diesem Zahnstocher auf mich loszugehen. Einfaches Prinzip: Werde ich angegriffen, dann kontere ich."
      Er wandte sich der Tür zu und ging. Er hatte keine Lust, all die schrecklichen GEschichten zu hören, er hatte selbst genug. Emilia hatte jetzt sicherlich einiges mit ihrer Mutter zu besprechen, da musste er nicht stören. Das wichtigste war gesagt worden, sollten noch mehr Informationen zu Tage kommen, würde das Mädchen sicherlich alles an ihn weiterleiten.
    • Emilia war hin und hergerissen. Als gute Tochter wusste sie, dass sie nun bei ihrer Mutter bleiben sollte und vielleicht auch noch das ein oder andere erfahren konnte. Nur war da diese kleine, drängende Stimme in ihr, David zu folgen. Selbst irritiert fasste sie sich vorn an ihr Hemd und krallte die Finger darin fest."Ich weiß nicht, was er dir alles erzählt hat, aber er hat dir scheinbar noch nicht gezeigt, wie Vampire wirklich sind", sefuzte Sarah, als sie sich mit einem Knarzen wieder setzte. Ihr Blick hing zunächst noch an der Tür, durch die David verschwunden war, senkte sich dann doch, bis sie nur noch leer dahin zu starren schien. Beide Frauen schwiegen, offensichtlich mit ihren eigenen Problemen beschäftigt.

      Sollte mich das Wissen um all das hier davon abhalten, mit mir weiterzumachen? Ich will nicht, dass nur der Gedanke daran, dass etwas passieren könnte, mich allein leitet. Ich hab mir das nicht ausgesucht... und ich werde ganz sicherlich nicht wie Neal enden. Aber David hat recht - wenn sich die Menschen nicht aufraffen, dann kommen sie nie wieder nach oben.


      Emilia stand unvermittelt auf. Von oben sah sie auf Sarah hinab, die doch immer einfach ins Leere starrte. Emilias Lippen zuckten, als sie ganz sanft ihre Hand auf die ihrer Mutter legte und sie kaum merklich streichelte. Keine Reaktion entkam ihrer Mutter, weshalb Emilia beschloss, tatsächlich David zu folgen. Wortlos löste sie ihre Hand von der ihrer Mutter und verließ das Haus. Das Ereignis hier hatte nicht unbedingt gravierende Folgen - doch ein feiner Riss schien sich in das Band zwischen Mutter und Tochter gefressen zu haben. Irgendetwas hatte sie beide so berührt, dass sie sich das erste Mal aus völlig anderen Augen ansahen.
      Draußen auf der Straße war alles wieder ruhig und Emilia konnte keine Gesichter in den trüben Fenstern mehr entdecken. Die Wachen patroullierten weiterhin am Rand der Siedlung. Von hier aus sah sich Emilia nach David um, jedoch wurde sie nicht fündig. Deshalb lief sie einfach los in die Richtung, wo David seine Hütte hatte.
      Erst als sie am Rand der Siedlung ankam und die Wachen passiert hatte, konnte sie seinen Schemen in der Ferne ausmachen. Zuerst lief sie ihm schnell nach, doch nach und nach verlangsamte sich ihr Tempo, bis sie ihm nur noch hinterher ging und letztlich stehen blieb. In Mitten der Höhle hatte sie nun hinter sich das Dorf und vor sich einen Einsiedler. Wie schon lange nicht mehr. bermekte das Mädchen, wie trocken und staubig die Luft hier unten war. Bewusster als üblich atmete sie die muffige Luft hier unten ein, die sie schnauben ließ. Was auch immer passieren mochte - sie wollte sich nicht von dem abringen lassen, für das sie sich entschieden hatte.
      Emilia nahm wieder ihr Tempo auf und joggte zu Davids Hütte, in der er schon verschwunden war.
      @Insane Pumpkin

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • David versuchte, Ordnung in seinen Verstand zu bringen. Diese dumme Frau... sie hatte Dinge in ihm wach gerufen die er eigentlich hatte begraben wollen. Erinnerungen. Gefühle.
      Er stemmte die Fäuste gegen die improvisierte Küchentheke, lehnte mit viel Gewicht auf ihnen. Sein Kiefer mahlte. Seine Wut war stark genug, um das Erbe seines Vaters in ihm wach zu rufen. Seine Augen waren viel zu hell, zeigten kaum noch etwas von ihrer Farbe, und seine Zähne waren so lang, dass sie sich schmerzhaft in sein Zahnfleisch bohrten.

      Er wurde durch einen langen, sterilen Gang geführt. Zu beiden Seiten des Ganges gingen Räume ab. Man konnte in sie hinein sehen. Durch die großen Glasscheiben sah er Personen, die sich nicht von den Vampiren zu unterscheiden schienen. Sie alle trugen den gleichen Overall und niemand von ihnen schien irgendwie glücklich zu sein. Aber er war erst sieben Jahre alt, was wusste er schon vom glücklich sein?

      Davids Faust sausre gegen das Holz. Es knarzte protestierend. David sah all die Dinge, die ihm gezeigt wurden, als er noch einer von IHNEN gewesen war. Als man ihm die Welt zu Füßen gelegt hatte, weil er Nachwuchs war. So wertvoller Nachwuchs...

      "Such dir einen aus. Ich schenke ihn dir."
      David sah sich fragend um. Er verstand nicht, was hier vor sich ging, sein Vater hatte es ihm nie erklärt. Und jetzt war er nicht da, war in dem großen Raum zurückgeblieben. David war allein mit dem gruseligen Mann.
      Er ging durch den Gang und betrachtete die Leute in den abgeschlossenen Räumen. Sie schienen Angst vor ihm zu haben, manch einer war neugierig. Schließlich fand er einen Raum, in dem jemand saß, der so groß war wie er. Oder wohl eher klein. Alle anderen waren immer so groß.
      David trat einen Schritt zurück und deutete auf den Raum. Er wusste nicht, was das bedeutete, aber er sollte jemanden auswählen und das tat er.
    • Bereits von draußen hörte Emilia den Krach, als David im Inneren gegen das Holz schlug. Einen Bruchteil lang zögerte sie, die Tür aufzumachen. Dann stieß sie die Tür auf, in Warteposition. Da er sie aber nicht umgehend ansprang, löste sie ihre ANspannung etwas. Er stand weiter entfernt an der Zeile, sodass sie sein Gesicht nicht richtig sehen konnte. Dass sich allerdings ihre Nackenhaare aufstellten, war nicht unbedingt das beste Zeichen. Deswegen ließ sie die Tür auf, nur für den Notfall.
      "An was denkst du?", fragte sie mit einer Spur Vorsicht in der Stimme.
      Emilia konnte ihm deutlich ansehen, dass ihn etwas beschäftigte. Sonst hätte er vorhin auch nicht die Flucht ergriffen. Vielleicht hatten die Erzählungen ihrer Mutter etwas ausgelöst, oer er hatte schlicht keine Lust für etwas gerade zu stehen, für das er gar nichts konnte. Im Endeffekt stand Emilia zwischen zwei Fronten, die allesamt mehr wussten, als sie zugeben wollten. Nur sie war wieder diejenige, die immer ausgelassen wurde. Und dieser Gedanke ärgerte sie im Geheimen wie wild.
      Aber da sie ja gelernt hatte, sah sie zu, dass David nichts von dieser Wut mitbekam sondern nur eine Art Gleichgültigkeit von ihr vernahm. Er selbst schien aufgebracht, da war ihr eigener Ärger alles andere als hilfreich.
      "Du weißt auch Dinge. Erzähl's mir, damit ich nicht wie ein Vollpfosten Bruchstücke von euch beiden aus eurer Nase ziehen muss."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • David ignorierte die erste Frage. Ebenso ignorierte er das Verlangen, seine Faust in die Wand zu rammen. Oder sich wie ein wildes tier auf Emilia zu stürzen. Oder zurückzugehen und seine Wut an ihre Mutter auszulassen. Er wusste nicht einmal genau warun er wütend war. War es, weil diese Frau ihn ein Monster genannt hatte? Weil sie so dreist gewesen war, ihn zu bedrohen? Nein, das war es nicht...
      "Was willst du denn wissen?", fragte David durch zusammengepresse Zähne.
      Er klammerte sich an seinen Verstand, an seine Menschlichkeit. Lass das Tier dich nicht übernehmen! Du bist besser als das! Besser als die!
      Er richtete sich auf, atmete tief durch - ein Fehler angesichts von Emilias Geruch - und zwang sich dazu, die Hände zu entspannen.
      Er ging rüber zu seinem Bett und setzte sich. Den Blick auf Emilia zu richten, wäre zu viel. Außerdem wollte er nicht, dass sie seine Augen sah. Niemand sollte das sehen, wenn es zu vermeiden war.
      "Du weißt, dass ich dir deine Fragen beantworte."
    • Als Emilia David so auf seinem Bett sitzen sah, erinnerte sie sich unweigerlich an das letzte Mal, als es so geendet hatte. Damals hatte alles funktioniert, deswegen beschloss sie, sich ihm nähern zu können. Langsam, immer achtsam, ob und wie David reagieren mochte, kam sie zu ihm und setzte sich dann neben ihn. "Dann will ich wissen, an was du eben gedacht hast."
      Ihr Tonfall war sanft, wenn auch eindringlich. Über die ganze Zeit hinweg, die sie mit ihm verbracht hatte, hatte sie zumindest in Ansätzen gelernt mit ihm umzugehen. Vielleicht mochte sie nicht so einfühlsam sein wie man es von ihr erwartete, aber Mühe gab sie sich trotzdem.
      Sie sah, dass er seine Hände nicht mehr verkrampft hatte und griff dann mit ihrer eigenen seine. Diese Aktion war absolut unbedacht ohne Hintergedanken gewesen, es fühlte sich einfach natürlich für sie an. Ihren Blick ließ sie allerdings auf der offenen Tür verweilen, da David sie bis jetzt auch gemieden hatte. So viele Dinge waren in letzter Zeit ans Licht gekommen, an die sie niemals geglaubt hätte. Und nun saß sie neben dem Einsiedler auf seinem Bett und .... schmollten?
      Dieser Gedanke entlockte dem Mädchen ein kurzes Schmunzeln. Ja, die Welt war noch immer ziemlich komisch.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • "Eben als ich die Platte geschlagen habe? Oder eben, als ich deine Mutter angekackt und dann abgehauen bin?"
      David knirschte mit den Zähnen.
      "Ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Ich... wahrscheinlich gar nichts, was das Ganze nur schlimmer macht."
      Er drückte sanft Emilias Hand. Es war seltsam, wie beruhigend das war. Es erinnerte ihn irgendwie an seine Menschlichkeit. Ihre Hand war so warm im Gegensatz zu seiner. So lebendig.
      "Ich war einer von ihnen...", flüsterte David schließlich, "als ich noch klein war. Damals wusste ich es noch nicht, aber mein Vater versteckte mich vor ihnen. Irgendwann war ich alt, um mich von menschlicher Nahrung zu ernähren. Kurz darauf wurde ich entdeckt. Sie legten mir die Welt zu Füßen. Ich bekam alles, was ich wollte. Nachwuchs muss man schützen, er ist wertvoller als jede Mutation. Kinder werden auf Händen getragen. Ich habe es nicht verstanden. Ich durfte... mir mein Essen aussuchen. Ich war so dumm!"
      Er schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der freien Hand durch die kurzen Haare.
      "So unendlich dumm..."
    • Emilia machte nur ein nachdenkliches Geräusch, als David endlich ein bisschen von sich früher erzählte.
      "Ich wusste nicht, dass das so wichtig ist. Ich meine, Kinder und so. Irgendwie bin ich immer davon ausgegangen, dass das nie ein Problem sei. Ich hab- ", sie stockte, als sie begriff," Vampire nur als eine andere, brutalere Variante von Menschen gesehen."
      Nun war sie es, die seltsam betroffen in die Leere starrte. Schnell hatte sie sich allerdings wieder gefasst und fuhr mit ihren Gedanken fort: "Warum dumm? Wie willst du etwas als richtig oder falsch oder was auch immer einordnen, wenn du es nicht besser weißt? Wir ordnen doch auch nur nach dem Schema ein, wie man es uns beigebracht hat. Für die da oben sind wir eben... eine Nahrungsquelle. Ich will's nicht verunglimpflichen, aber alles frisst. Warum bist du dann ausgebrochen? So wie du es beschreibst, klingst du beinahe nach einem Gott für die. War das denen egal, dass du Halb und Halb bist?"
      Viele Fragen in kurzer Zeit, aber sie hatte das Gefühl, dass es David tatsächlich etwas ablenkte. Er sah sie zwar noch immer nicht an, seine angespannte Haltung wurde jedoch Stück für Stück weicher.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • "Sie wussten es nicht. Sie hielten mich für einen von ihnen. Ich kann wie ein Vampir leben, kein Problem. Meine menschliche Hälfte ist zu schwach, um mich am Leben zu halten. Es fiel ihnen nicht auf. Vampire kriegen nur selten Kinder. Deswegen sind die, die sie haben, so unendlich wertvoll. Deswegen war ich so wertvoll."
      Er schluckte, als er sich an das erinnerte, was als nächstes passiert war.
      "Man brachte irgendwann ein zweites Kind in den Hauptsitz. Sie war ein bisschen jünger als ich, aber schon damals so viel mehr Vampir. Mein Vater... er hat mich ziemlich menschlich erzogen, bis ich ihm weggenomen wurde. Sie nicht. Irgendwann hab ich sie gefragt, ob sie schonmal eine Orange probiert hätte. Eine dumme Frage. Vampiere essen nicht. Sie erzählte es den Erziehern, die den Adligen. Man bestellte meinen Vater ein, hielt Gericht. Ich musste zusehen. Erst da habe ich gelernt, was ich bin und was das bedeutet. Sie töteten meinen Vater und sperrten mich in eine ihrer Farmen. Ich war ja bloß eine wertvolle Mutation."
      David bemerkte es nicht, aber ihm rollte eine Träne über sie Wange. Seine Augen wurden langsam wieder dunkler.
      "Ein paar Rebellen brachen irgendwann ein und befreiten Insassen. Als ihr Anführer mich und meine Klassifizierung sah, hat er mich mitgenommen und mich zum Jäger ausgebildet."
    • David betonte das Wort Mutation in diesem Fall so stark, dass Emilia einfach seinen Ausdruck sehen musste. Ihre Augenbrauen hoben sich, als sie den verräterischen Tropfen sah, der sich erst über das Jochbein und dann über die Wange ihren Weg bahnte. Sie hörte, wie er von Rebellen sprach und ein Teil in ihr wurde sofort hellwach. Jedoch war ihre freie Hand eigenständig zu Davids Gesicht gewandert und wischte recht grob mit der gesamten Handfläche die Träne fort. Kaum hatte Emilia es selbst realisiert, zuckte ihre Hand zurück.
      Um die Situation schnell zu überspielen, sprudelte sie drauf los: "Du hattest ja schon mal erwähnt, dass du es nicht leicht hattest. Irgendwie hat es das niemand mehr in dieser Welt. Und was ist nun genau dein Ziel? Einfach so weiterzumachen? Woher kam das Mädchen überhaupt?"
      Vielleicht war es besser, wenn man überhaupt wusste, dass man es nicht leicht gehabt hatte. Im Gegensatz zu ihr konnte sich David zumindest an seine Kindheit erinnern. Sie selbst hingegen hatte heute Dinge erfahren, die sie sich im Traum nie hätte vorstellen können. Sie war nie hier unten geboren gewesen, hatte seit Anfang an Kontakt zu Vampiren gehabt und sich dank ihrer Eltern erst all das erarbeitet, was sie nun zu verlieren hatte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • "Ich habe kein Ziel. Alles, was ich tue, dient nur dem Zweck des Überlebens. Meins. Deins. Das der anderen Menschen. Bloß überleben... ich bin ziemlich gut darin, wenn ich daran denke, wie lange es mich schon gibt..."
      Er atmete tief durch und schüttelte den Kopf erneut. Langsam erlangte er die Kontrolle über sich zurück. Und über seine Emotionen.
      "Ich weiß nicht, woher das Mädchen kam. Sie ist jetzt irgendwo im Norden, soweit ich weiß. Brüstet sich mit dem Erfolg, eine menschliche Siedlung hochgenommen zu haben. Wenn sie wüsste, dass sie nur Bruchteil erwischt hat... Freiwillige, die geblieben sind, um den anderen die Flucht durch meine Tunnel zu ermöglichen."
      David zuckte mit den Schultern, dann ließ er sich nach hinten auf das Bett fallen.
      "Die schrullige Alte aus dem Kräuterladen könnte sich noch daran erinnern. Sie kam mit ihrem Ehemann her, als das passierte. Aber vielleicht ist sie auch schon zu alt und völlig senil. Ist 'ne Weile her."
      Er verschränkte seine Finger mit Emilias, ohne es wirklich mitzukriegen.
    • Entgegen David blieb Emilia aufrecht sitzen und lauschte einfach dem, was er von sich gab. Er schien sich wieder völlig beisammen zu haben, und das entspannte sie ebenfalls. Dass er seine Finger mit ihren verschränkte war ihr nicht entgangen. Beinahe beiläufig fiel ihr Blick auf ihre verschlungenen Hände und hing daran fest. Diese Sicht war für sie irgendwie seltsam. Das waren Momente, für die hier unten an sich keine Zeit war. Für vieles war keine Zeit, warum sich diese also nicht einfach nehmen?
      "Hast du nie daran gedacht, dir jemanden zu nehmen, damit du nicht einsam sein musst?"
      Sie hörte sich selbst sprechen noch bevor sie überhaupt den Entschluss dazu gefasst hatte. Es war ihr rausgerutscht, und ihre Stimme hörte sich seltsam fern an. Sie hatte die Pause beendet, die nach der Geschichte der Kräuterlady entstanden war. Es wäre noch komischer, wenn Emilia nun wieder zuckte und ihre Hand aus seiner löste. Daher ließ sie sie dort, wo sie war und sah sie nur weiter an. Sie spürte, wie ihr leicht warm wurde und ihr Herzschlag sich beschleunigte.
      "Und nun sag mir nicht, dass du niemanden brauchst. Das Thema hatten wir schon."

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    • "Jemanden nehmen? Ich habe jeden Menschen überlebt, den ich je kannte und mit Vampiren will ich nichts zu tun haben. So viel Kontakt zu anderen, wie jetzt hatte ich noch nie. Du zwingst mich ganz schön aus meiner winzigen Komfortzone raus. Und am Ende werde ich dich auch überleben."
      Das klang hart, aber so war es nun einmal. Wenn David nicht getötet wurde oder sich zu Tode hungerte, würde er die vollen eintausend Jahre - wenn nicht länger - leben, die ein Vampir mindestens erreichte. Er wusste nicht genau, wie alt er war, aber er hatte noch ein bisschen Zeit, bis es so weit war.
      "Deine Mutter hatte das richtige Wort dafür. Das Tabu. Es existiert nicht umsonst. Kein Vampir sollte sich je mit einem Menschen fortpflanzen, geschweige denn, sich in einen verlieben. Auch Menschen würden es abstoßend finden, wüssten sie, was es braucht, um ein Kind mit einem Vampir zu zeugen. Mischlinge wie ich... wir sind nicht zu kontrollieren. Unsere menschliche Hälfte macht uns anfällig für die animalischen Instinkte des Vampirs in uns. Kein Vampir muss jemals um die Kontrolle kämpfen. Sie werden damit geboren. Ich musste es lernen. Auf die harte Tour. Aber unsere Schwäche macht und zeitgleich auch stärker. Vampire brauchen menschliches Blut, um zu überleben. Ich kann mich auch von Vampiren ernähren. Und genauso, wie menschliches Blut, würde mich das auch stärker machen. Viel stärker und wesentlich langanhaltender. Mischlinge, die auf diese Weise leben, sind stärker und langlebiger als normale Vampire. Aber wir nehmen das Verstreichen der Zeit war und gehen daran zu Grunde. Was tust du also, wenn du das mächtigste Wesen der Welt bist, nicht sterben kannst und jede einzelne Sekunde deines Lebens spürst?"
      David erinnerte sich daran, wie man ihm einen Mischling gezeigt hatte. Er soll über zweitausend Jahre alt gewesen sein. Aber viel mehr als ein tollwütiges Tier war nicht übrig geblieben. Man hatte ihn Belustigung behalten. Wie ein Spielzeug.
    • Und am Ende werde ich dich auch überleben.

      Kreuze. Es blitzten wahnsinnig viele, aus Holz geschnitzte Kreuze vor Emilias innerem Auge auf, die sich über einen Hügel voll rotem Ton erstreckten. Sie alle standen notdürftig in die Erde gerammt dort und hielten dem sandigen Wind hier unten stand. Ein einziger Mann hatte sich um diese Art Friedhof gekümmert - ein Einsiedler, ähnlich wie David. Emilia war noch klein, als sie damals mit ihren Eltern an diesem Ort vorbeizog, aber es war eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen. Der alte Mann lebte völlig abgeschieden an diesem Hügel in einem schäbigen Holzverschlag. Niemand besuchte ihn und trotzdem machte er Kreuze für all jene, die niemanden zu bedauern hatten.
      Später sagte man ihr, dass er völlig abgedreht gewesen sein sollte. Man sagte ihm sogar nach, dass er mit den Vampiren unter einer Decke steckte und deswegen so lange allein im Exil überleben konnte. Gerüchte. Mehr waren es nicht.

      Emilia schwieg. All den Schmerz, den David ihr gerade offenbahrte, konnte sie schlichtweg nicht begreifen. Sie würde nie eine Ewigkeit leben und allein der Gedanke, dass ihr Bruder vor ihr über den Jordan gehen würden, hielt sie nicht aus. Wie sollte man dann Jahrhunderte überstehen? Plötzlich wirkte die Hand in ihrer eigenen noch kälter und starr. Was mache ich denn?, dachte sie, frustriert über ihre eigene Ignoranz. Das ganze Thema hatte sie so aus seinem Blickfeld gar nicht betrachtet. Und nun, wo sie es tat, kam sie sich unfassbar dämlich vor.
      Sie holte tief Luft und löste ihre Hand aus Davids, um dann aufzustehen. "Du hast recht", sagte sie und spürte, wie trocken ihr Mund war," dann ist es wirklich besser, wenn du niemanden hast, um den du dich scheren musst, weil du ihn überlebst." Es war nicht fair, wenn sie ihn nötigte nur aus egoistischen Gründen. "Vergiss einfach den ganzen Kram mit meiner Mutter. Wir setzen unser Training einfach fort und wenn du meinst, dass ich nicht beim kleinsten Kampf hops gehe, dann geh ich wieder meinen Weg und lass dich in Frieden."
      Die angesammelte Luft in ihrer Brust stieß sie mühsam aus, so angespannt waren ihre gesamten Muskeln. Sie hatte regelrecht Mühe, ihre Fassung zu wahren, damit ihre Stimme nicht brüchig klang. Es war so, als hätte man einen Vorhang vor ihrem Gesicht gelüftet und nun sah sie viel mehr von dem, was David beschäftigte. Mit ein paar Schritten stand sie am Tisch, den Rücken immer noch zum Bett gewandt, und legte eine Hand aufs Holz.
      "Also, wie machen wir weiter?"

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