Chaos
Gabriel Bermen
Gehetzt blickte Gabriel auf sein Handy und zog scharf den Atem ein, seine meerblauen Augen verfinsterten sich, er würde wieder zu spät kommen, verdammt! Er hatte bis gestern Abend noch gelernt und sich alle lateinischen Begriffe der Wirbelsäule eingeprägt und darüber hinaus die Zeit vergessen. Er ist und war nun mal ein kleiner Träumer, der sich oft in seiner eigenen Welt widerfand.
Heute bekam er die Quittung dafür. Es war Samstag und daher hatte er keine Uni, sondern arbeitete in einem kleinen Labor, wo sie Blutanalysen durchführten, ein paar Medikamente herstellten, sowas eben. Doch wenn ihn sein Chef, Cole Waters, erneut beim Zuspätkommen erwischte, dann würde er wohl nicht mehr lange dort arbeiten.
Scharf bog er in die nächste Seitenstraße ab, schlüpfte mit seinem Schlüssel durch die Hintertür in den großen Komplex und beeilte sich um in die Umkleidekabine zu gelangen. Schnell warf er seine privaten Dinge in seinen Spind und streifte sich den weißen, typischen Laborkittel um. Als realistischer Mensch glaubte er nicht an Gott – doch diesmal betete er, dass sein Chef noch nicht in seiner Abteilung vorbeigesehen hatte und ihn nicht am Arbeitsplatz stehen gesehen hatte.
Keine fünf Minuten später befand er sich an seinem Arbeitsplatz und erblickte seinen heutigen Arbeitsauftrag. Er sollte gestern gelieferte Blutproben zentrifugieren und den abgesetzten Blutkuchen auf Auffälligkeiten untersuchen.
„Psst…war Cole schon da?“, fragte er vorsichtig in die Runde und blickte zu seinen Arbeitskollegen, sein dunkelblondes Haar hing ihm ein wenig zerzaust in die Stirn.
Elise McGregory
Herzhaft gähnte Elise und streckte sich, während sie sich im Bett herumwälzte. Ihre roten, langen Haare bedeckten ihren ansonst nackten Körper wie ein seidiger Vorhang. Sie wusste nicht wie spät es war, doch war es ihr auch herzlich egal. Sie hatte keinen regelmäßigen Job und heute war sie auch nirgends mit einer Aushilfstätigkeit dran, also konnte sie sich das im Bett kuscheln auch gönnen.
Mit ihrer Hand tastete sie auf die andere Bettseite und fühlte einen warmen Körper. Hatte sie gestern jemanden abgeschleppt? Oder war es nur Seth, der ihr Gesellschaft leistete? Sie wusste es nicht, nahm aber die Gelegenheit wahr sich an das unbekannte Etwas anzukuscheln. Sie war weder schüchtern noch vorsichtig, sondern nahm sich was sie wollte. Diese Eigenschaft hatte sie sich schnell von ihrem Ex Seth abgeschaut und sie fand, dass es so besser zu leben war.
Seth und sie waren zwar nur kurz ein Paar gewesen, ihre Liebe loderte heiß und hoch wie eine Stichflamme, doch war es alsbald auch schon wieder vorbei gewesen. Er hatte sie in die raue Welt der Straße eingeführt und als bis dato unschuldiges Mädchen hatte die Gefahr sie magisch angezogen. Nun würde sie ihr freies Leben um keinen goldenen Käfig der Welt eintauschen. Seth war tatsächlich zu einem guten Freund geworden und die zwei verstanden sich, auch wenn sie keine Leidenschaft mehr teilten.
Habe keine Honigwaben
Aber meine Unglücksraben
Halten ein die Essenszeiten
Kommen Kummerbrot bereiten
Und den Herzensbrecherwein